Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 0. Aufbau und Zielperspektive der Vorlesung 0.1 Der Aufbau „Die Theologie im 20. Jahrhundert steht ganz im Zeichen einer Neubesinnung auf die alles tragende und umgreifende Bedeutung der Christologie. Verantwortlich für diese christologische Wende ist die neu aufgebrochene Frage nach Grund und Mitte, nach Norm und Wesen des Christentums. Mindestens ebenso wichtig wie diese Vergewisserung christlicher Identität im Rückgriff auf Jesus Christus ist die Suche nach neuer und zeitgemäßer Bewahrheitung der Heilsbedeutung des Christusereignisses, also der Aufweis seiner ungebrochenen Relevanz.“ (Arno Schilson, Art. Christologie III. Christologie im 20. Jahrhundert, in: LThK3 2, 1170.) Folie 1 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Wie kann die Relevanz des Christusereignisses für Gott und Mensch für die heutige Zeit aufgewiesen werden? Ansatz beim Menschen ansetzen, weil Jesus Mensch war. Aber in einem Spannungsfeld, das den Menschen herausfordert, weil Jesus als Gottes Sohn geglaubt bzw. verstanden wird. Das bedeutet: Unser Menschsein in der Geschichtlichkeit unserer Existenz ist ein wesentlicher Horizontbereich der Christologie. Die geschichtliche Grundsituation des Menschen entspricht der Selbstoffenbarung Gottes in Christus mitten in der Geschichte von Mensch und Welt. Jesus als Christus führt aber zugleich die Krise alles Menschlichen herauf. Folie 2 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie BALTHASAR spricht im Blick auf Jesus Christus von einer „Tat Gottes auf den Menschen zu, Tat <Gottes>, die sich selber vor dem Menschen und für ihn auslegt.“ Hans Urs von Balthasar, Glaubhaft ist nur Liebe (Christ heute, Fünfte Reihe, Bd 1), Einsiedeln 41975, 5. D.h.: 1. Die Christologie bedarf als Glaubens-Horizont unbedingt der Logik Gottes, die wir nur im Glauben entgegennehmen können, da die Agape-Logik Gottes nicht weltlichen Maßen und Vorstellungen entspricht. (Kreuz) 2. Da dieser Glaube seine eigene Geschichte hat, muss die individuelle Perspektive in den Horizont der kirchlichen Glaubenstradition gestellt werden. 3. Es ist deshalb der methodische Horizont der Christologie mit den Spannungspolen: Bibel, Tradition, Vernunft und Glaube klar abzustecken. Folie 3 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Nach BALTHASAR „gibt <es> keine ‘Unterlegung’ eines anderen Textes unter den Text Gottes, durch den er lesbar und verständlich ... werden könnte“, vielmehr müssen wir im Glauben in Gottes Selbstoffenbarung in Christus eintreten. Hans Urs von Balthasar, Glaubhaft ist nur Liebe (Christ heute, Fünfte Reihe, Bd 1), Einsiedeln 41975, 32. Folie 4 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 0.2 Die Zielperspektiven anthropologische Zielperspektive: Christologie ist Anthropologie, oder sie ist gar nichts. Von der Christologie her kann aufgezeigt werden, wie gelungenes Menschsein aussieht. christologische Zielperspektive: Christologie ist doppelt geschichtlich: bezogen auf das irdische Menschsein Jesu sowie auf die Entfaltung seines Wirkens durch seinen Geist in der Glaubens-Geschichte der Kirche. Eine solche geschichtliche Christologie ist nur trinitarisch unter dem Stichwort „Relation in Liebe“ zu entfalten. Die zu erarbeitende Christologie wird trinitarisch grundgelegt, geschichtlich entfaltet und in ihrer anthropologischen Relevanz dargelegt. Die Liebe erweist sich dabei als verbindende Mitte Gottes und des Menschen. Analogieloses Urbild ist hier Jesus Christus selbst. Folie 5 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie I. Prolegomena 1. Der heutige Horizont einer modernen Christologie 1.1 Der Mensch als bleibende Frage Die Identität unseres Personseins ergibt sich nicht allein aus der Faktizität des vordergründig Gegebenen, sondern in unserem Personsein sind wir Fragende über die Grenzen des Faktischen hinaus. Der Mensch fragt in einem freiheitlichen Kommunikationsprozess: Wer bin ich? Was macht mein Menschsein aus? Warum bin gerade ich existent? nach seiner Identität angesichts der Spannung von Leben und Tod. Indem wir so über uns selbst, über unsere Möglichkeitsbedingungen nachdenken (transzendentale Reflexion), beziehen wir uns immer schon auf ein heiliges Geheimnis, das wir im Glauben personal ansprechen und Gott nennen. Folie 6 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Wer bin ich? Was macht mein Menschsein aus? Problem des Leidens und zwar persönlich wie gesellschaftlich „Der Mensch trägt sein Frage- und Ausrufezeichen, auf Transparenten gemalt, streikend, im Protestzug durch die Schöpfung.“ Hans Urs von Balthasar, Pneuma und Institution (SkTh 4), Einsiedeln 1974, 14. Hier kann gerade die unendliche Offenheit des fragenden Menschen in seiner Geistigkeit und Leiblichkeit auf ein heiliges Geheimnis hin aufweisen, dass der Mensch nicht auf Gene und biologisches Material zu reduzieren ist. Innerhalb dieses Spannungsbogens ist es dem Menschen möglich, sich in seiner Geistigkeit und Leibhaftigkeit in Raum und Zeit und in einer komplexen kommunikativen Bezogenheit auf Mitmensch, Welt und Gott in seinem Personsein zu realisieren. Folie 7 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Warum bin gerade ich existent? In allen Anfragen, in allen Selbstüberstiegen auf andere Menschen und andere Umweltsituationen hin, gibt es einen Ruhepunkt in mir, der mir die Selbstgewissheit gibt: es ist gut, dass es Dich gibt. als transzendentales Argument formuliert: Der Mensch greift aus auf das umfassende Geheimnis von Welt und Mensch, ein Geheimnis, das ihn in seiner leibhaftigen Geistigkeit denken und handeln lässt, somit auch den Grund seiner Personalität ausmacht. Dieser geheimnisvolle Grund lässt uns in unserer eigenen Eigenständigkeit sein, aber ist in der freiheitlichen Eigenständigkeit dennoch der letzte Grund unserer Würde. Ausgespanntsein des Menschen zwischen Selbstbesitz und Selbstüberstieg, Immanenz und Tranzendenz als existenziell bedrängende Erfahrung Folie 8 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie So fragt der Mensch nach seiner Identität angesichts der Spannung von Leben und Tod. Auch die Philosophie vermag hier keinen letztgültigen Trost zu spenden, da der Mensch mit all seinen Möglichkeiten am Ende ist. Vielmehr bedarf es der freien Selbstmitteilung des heiligen Geheimnisses, das wir Gott nennen. Offenbarung als Medium der Begegnung von Gott und Mensch die in der Person Jesu Christi mitten in der Geschichte realisiert ist Von daher gilt: Der Mensch kommt zuhöchst zu sich selbst, wenn Gott sich dem Menschen zutiefst mitteilt und der Mensch diese Mitteilung offen entgegennimmt. Nach RAHNER STh VI 548 ist die Menschwerdung Gottes darum zugleich „der einmalig höchste Wesensvollzug des Menschen überhaupt.“ Will der Mensch sich selbst finden, muss er auf Gottes Handeln im Menschen Jesus schauen. Folie 9 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.2 Gottes zuvorkommende Liebesantwort an den Menschen 1.2.1 Die Notwendigkeit der Umkehr angesichts der Agape Gottes Sofern wir in Christus dem Geheimnis Gottes begegnen und dieses Geheimnis Gottes in Christus die Tiefe unseres Menschseins freilegt, muss unser Denken ganz und gar von diesem Christusgeheimnis her bestimmt sein. Es ist eine Umkehr, eine Metanoia, eine Krisis des menschlichen Denkens und Handelns erforderlich. Gott kann nur durch Gott selbst erkannt werden. Eine Anthropologie gründet letztlich im vorgängigen Primat der Selbstoffenbarung Gottes, die uns in der hypostatischen Union in Christus im konkreten Leben dieses Jesus als des Christus geschenkt ist. Die Liebe ist das Vermittlungsprinzip zwischen Gott und Mensch, die Liebe ist der Inhalt der Offenbarung, sie ist aber auch die Erkenntnisform, auf die wir uns einzulassen haben. Folie 10 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.2.2 Gottes Liebesdrama in der Geschichte Streit zwischen MOLTMANN und RAHNER um die Relevanz der gesellschaftlichen Bedingungen der Christuserkenntnis neben der existentiellen Selbsterfahrung Balthasar hat diese Spannung fruchtbar gemacht. theologische Ästhetik als Schau der sich offenbarenden Liebesherrlichkeit Gottes, die in Jesus Christus zu ihrem Höhepunkt kommt. Von dieser Liebesherrlichkeit muss sich der Betrachter gläubig erfassen lassen. Aber diese Schau ist nach Balthasar unmittelbar auch Wahrnehmung eines dramatischen Ereignisses: Gott kämpft in Christus aus seiner Liebe heraus um diese Welt und gegen das Böse. Der Mensch ist in seiner Freiheit herausgefordert, sich zu entscheiden. Übergang in einen geschichtlich-dramatischen Ansatz Betonung von Liebe und Freiheit Folie 11 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.3 Gottes geschichtliche Selbstmitteilung in Jesus Christus Unlösbare Relation zwischen dem konkreten Leben und seinem letzten Urgrund in Gott, aber keine notwendige Entsprechung! Vgl. Abrahamserzählung: Gen 12ff Gottes Offenbarung in der Geschichtszeit und die religiöse Suche des Menschen laufen nicht in einer vorprogrammierten Zielrichtung direkt aufeinander zu, sondern es gibt viele Abwege und Brüche von Seiten des Menschen. Kongruenz zwischen Gott und Mensch besteht nur, 1.) wo die Selbstmitteilung und Selbstoffenbarung Gottes auf den gläubig offenen Menschen trifft 2.) wenn der Mensch seinen ganzen Geist und seine ganze leibliche Lebensexistenz auf diesen Gott hin ausrichtet, denn 3.) in einzigartiger Weise in Jesus Christus. Folie 12 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Heilsbekenntnisse im AT: - Gottes gute Schöpfung, gestört durch die Sünde des Menschen (vgl. Gen 1-4), - Gottes Proexistenz für sein Volk (vgl. Ex 3,14), - Gottes geschichtliche Wirkmacht (vgl. Ex 15,1-19) und sein Bundesangebot, verbunden mit einer entsprechenden Lebensführung (vgl. Ex 19 u. 20). Diese Linie im Alten Testament kommt in der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus zu seinem absoluten Höhepunkt: - Selbstoffenbarung des trinitarischen Gottes - in der Gottesoffenbarung und Menschenoffenbarung in eins fallen Folie 13 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Biblische Belege zum Verständnis der Person Jesu Christi: - Joh 3,16: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ - 1 Joh 4,8b-9: „... Gott ist die Liebe. Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbar, daß Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben.“ - Gal 4,4-6: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen. Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater.“ Folie 14 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie - Er ist die Fülle der Zeit (vgl. Mk 1,15). - Im Leben und Schicksal dieses Jesus aus Nazaret wird dem Menschen das Heil Gottes selbst geschenkt (vgl. Röm 4,25; Phil 2,6-11; 1 Tim 2,5 u. ö.). - Jesus ist das ewige Wort Gottes, in dem nach dem Johannesprolog sogar die Welt geschaffen wurde (Joh 1,3). - Im Fleisch ist uns das Wort des Lebens geschenkt (Joh 1,4.14). - 1 Tim 2,4-6: „... er [Gott] will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn: Einer ist Gott; Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle, ein Zeugnis zur vorherbestimmten Zeit ...“. - Kol 1,19f: „... Gott wollte in seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen, alles im Himmel und auf Erden“. Folie 15 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Systematische Konsequenz: Die Heils-Bedeutsamkeit Jesu Christi für uns Menschen (= Soteriologie) - gerade in einer umfassenden und eschatologischen Dimension - ist in der Lehre von Jesus als dem Christus, dem Wort Gottes, dem von Gott Gesandten und Erhöhten verankert. Umgekehrt gilt: Die innere Fülle der Christologie als Lehre von Jesus, dem Christus, äußert sich in der Lehre vom Heil für die Menschen, also in der Soteriologie. Nur wenn Jesus der Christus ist, also seinsmäßig in einer einzigartigen Beziehung zu Gott selbst steht, kann er auch eine universale Heilsbedeutung für uns Menschen haben. Folie 16 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2. Was meint: „wissenschaftliche Christologie“? 2.1 Zwei unabdingbare Voraussetzungen wissenschaftlicher Theologie Wissenschaftliche Theologie erhebt den Anspruch, vernunftgemäß den Glaubensakt und Glaubensinhalt zu explizieren (vgl. 1 Kor 14,15 oder auch 1 Petr 3,15). Eine wissenschaftliche Christologie verlangt: - die der jeweiligen Zeit angemessene begriffliche Fassung - den Dialog verschiedener Verstehens-Modelle (binnenwie nicht-theologisch) - den Erweis der Wahrheit Jesu Christi angesichts der weltlichen Pluralität Daraus folgt: 1. Voraussetzung: Wissenschaftliche Christologie kommt vom Christusglauben her bzw. setzt eine persönliche Gottesbegegnung voraus. 2. Voraussetzung: Christologie bezieht sich auf die personale Christusbegegnung (= Glauben) Jüngergemeinschaft (= Kirche). Folie 17 im Zeugnis der Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.2 Definition und Inhalt einer wissenschaftlichen Christologie Wissenschaftliche Christologie ist die methodisch reflektierte und systematisch argumentierende Begründung, innere Entfaltung und Vermittlung des Christusereignisses als Einheitszentrum aller Theologie, insofern Jesus als der Christus Gottes in seiner Person, in seiner Sendung und seinem irdischen Schicksal die Menschen in ihrer Selbsttranszendenz und Freiheit auf dramatisch- geschichtliche Weise in die Ver-Antwortung ruft, so dass die menschliche Person in der Entscheidung für die in Christus und seinem Geist erschienene Liebe Gottes in das trinitarische Leben Gottes eingeführt wird und somit durch Christus die gnadenhafte Erfüllung ihrer geschöpflichen Existenz (in Selbsttranszendenz und Freiheit) geschenkt erhält. Folie 18 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Konkrete Inhalte der Christologie sind: - die Reich-Gottes-Proklamation Jesu - die Relation Jesu zu seinem Vater (Gebet) - die Salbung Jesu mit Heiligem Geist (Christus = der Gesalbte, der Messias) - seine Lehre, sein Handeln - das Kreuz - die Auferstehung, Erhöhung und die Geistsendung - seine Präsenz in der Kirche - seine Wiederkunft am Ende der Zeit Folie 19 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Eine moderne Christologie muss von anthropologischen Fragestellungen ausgehen. biblisch ansetzen. die christologischen Dogmen der Kirche kreativ rezipieren. seinsgeschichtlich wie universalhistorisch aufweisen, daß das dramatische Christusereignis eine kommunikative Beziehungswirklichkeit darstellt, die Gottes innerste trinitarische Wesenstiefe offenlegt, dem Menschen seine wahre geschöpfliche Würde vorstellt und alle Geschichtszeit an ihr Ziel bringt. soteriologisch entfalten, inwiefern Jesus Christus das Heil von Mensch und Welt ist. Folie 20 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 3. Die Grammatik der Christologie 3.1 Die christologische Ursynthese von Kreuz und Auferstehung Ansatzpunkt einer wissenschaftlichen Christologie Christologie muss beim Urkerygma der Auferweckungszeugen ansetzen, aber dann zweifach darüber hinaus gehen: a) Gott selbst handelt am Gekreuzigten und initiiert das Osterereignis, die Osterbotschaft und den Osterglauben. b) Christus, der Erhöhte, erweist sich als Sohn Gottes (vgl. Gal 1,16; Phil 2,6-11) bzw. als Offenbarer des Vaters (vgl. Röm 1,1-4) und trägt als solcher in seinem Geist den Glauben aller Christuszeugen. Christologie muss auf den historischen Jesus rekurrieren, da der Auferweckte der Mann aus Nazaret war. Christologie kann nur als „Beziehungsgrammatik“ formuliert werden, die Gott-Vater, sein Wirken mit und an Jesus im Geist und unser Betroffensein im Glauben umfasst. Zur personalen Identität Jesu als Grund seines heils-geschichtlichen Wirkens gibt es nur einen dogmatischen, d. h. vom Glauben ausgehenden Zugang. Ausgehend vom Auferweckungsereignis wird in der Perspektive des Glaubens nach der personalen Identität Jesu als des erhöhten Christus gefragt. Folie 21 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Ingolf Ulrich DALFERTH schreibt in „Der auferweckte Gekreuzigte“, S. 31: „Das eigentliche Thema der Christologie ist gerade nicht ... der historisch faßbare Jesus von Nazaret und seine modellhafte ethisch religiöse Bedeutung für uns. Das eigentliche Thema ist vielmehr der erste Auferweckte Gottes, so daß gilt: Mit dem Bekenntnis zur Auferweckung Jesu durch Gott steht und fällt der christliche Glaube ...“. Folie 22 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 3.2 Statt Mythos: Verweis in die Geschichte Mythos: eine bildhafte, symbolische Rede, die die begriffliche Vermittlung übersteigt und dem Menschen ein nicht verfügbares Urwissen ermöglichen soll. Funktionen: erklären, begründen und beglaubigen. sowohl Interpretationsweise wie das Interpretat sind mythisch Mythologie: nur die Interpretation des faktisch Gegebenen ist mythisch In den Grenzbereichen von Gott und Welt, Natur und Kultur bauen Mythen mit Hilfe der Sprache ein umfassendes Sinnsystem neuer, symbolischer Ordnung auf. Folie 23 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Aber: Der Mensch in seiner Begrenztheit und geschichtlichen Eingebundenheit vermag niemals den Gesamtsinn von Welt, Leben und Geschichte zu überschauen oder gar zu erfassen. Die Natur ist dem Menschen immer vor-gegeben. Ein umfassendes Weltverständnis wird nur möglich, -wenn die Gesamtwirklichkeit als Sinnraum Gottes -und der Lebensraum des Menschen in seiner Differenzierung von Natur und Kultur aufgefasst wird. Da Gott zur Gesamtwirklichkeit in Beziehung steht, befindet er sich auch in einem Querverhältnis zu Kultur und Natur, somit auch zum Mythos. Die Brücke zwischen Schöpfer und Schöpfung ist allein mit Jesus Christus gegeben. In ihm wird die Differenz von Gott und Welt geschichtlich vermittelt. Folie 24 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 3.3 Die trinitarische Lesart Ansatz bei Ostern als hermeneutischem Zirkel des Glaubens: Jesus wird hier nicht nur als Sohn des Vaters offenbar, sondern in Kreuz und Auferstehung wird auch der Vater eschatologisch bestimmt: in Differenz und in Einheit mit dem Sohn, eben in Liebe. Vom Leben Jesu her müssen wir Gott trinitarisch denken, so dass umgekehrt das Leben Jesu als Leben des fleischgewordenen Logos, also der zweiten Person in Gott, verstanden werden muss. Daraus folgt: Der Gegenstand unserer christlichen Gotteserkenntnis ist nicht Gott "an sich", sondern seine Selbstoffenbarung in der Menschwerdung Jesu Christi. Der Grund unserer Gotteserkenntnis ist Gott selbst. Das Mittel unserer Gotteserkenntnis ist der Heilige Geist. Der Vollzug unserer Erkenntnis ist der Glaube, verstanden als Aneignung des in Jesus Christus und dem Geist eröffneten Heilswillens des Vaters. Folie 25 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 4. Christologie im Spannungsfeld von Bibel, Geschichte und Dogma 4.1 Ein christologischer Paradigmenwechsel in der Neuzeit Christologie von oben (Deszendenz-Christologie) Ansatz beim biblischen Kerygma Christus wird vom Vater in die Welt gesandt, um sie nach dem Sündenfall zu erlösen Geheimnis der Gottmenschlichkeit Jesu Christi Vermittlung durch die Kirche Christologie von unten (Aszendenz-Christologie) anthropologische Wende: Ansatz beim Menschen in seinem vernunfthaften Selbstvollzug Frage nach den Verständnisbedingungen von Offenbarung Jesu Menschlichkeit als Verweis auf seine Göttlichkeit Folie 26 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 4.2 Der philosophische Hintergrund Descartes: Unterscheidung von res extensa und res cogitans Methode des radikalen Zweifels zur Begründung der Subjektivität „Discours de la methode“ IV,1: „Alsbald aber fiel mir auf, daß, während ich auf diese Weise zu denken versuchte, alles sei falsch, doch notwendig ich, der es dachte, etwas sei.. Und indem ich erkannte, daß diese Wahrheit: ‘ich denke, also bin ich’, so fest und sicher ist, daß die ausgefallensten Untersuchungen der Skeptiker sie nicht zu erschüttern vermöchten, so entschied ich, daß ich sie ohne Bedenken als ersten Grundsatz der Philosophie, die ich suchte, ansetzen könne.“ Meditationes II,3: „Er <Gott> täusche mich, soviel er kann, niemals jedoch wird er es fertigbringen, daß ich nichts bin, solange ich denke, daß ich etwas sei“. Folie 27 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Konsequenzen: 1. für die Natur des Ich: Ich = Bewusstsein und Denken 2. für die Existenz Gottes Idee des Unendlichen als transzendentaler Grund des Bewusstseins als eingebborene Idee, die den Schluss auf die Existenz Gottes erlaubt Aber: Reduktion der Wirklichkeit auf den Geist Religion als Vernunftreligion Tilgung der anstößigen Historizität Diastase zwischen Jesus der Geschichte und Christus des Glaubens Christusbekenntnis als subjektive Projektion Folie 28 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 4.3 Christologien in rationalistischem Kontext Suche nach dem idealen Gehalt des Dogmas! Johann Salomo Semler Die an sich vernünftige und natürliche Religion liegt in einer Gestalt vor, die der begrenzten Auffassungsgabe der alten Völker angepasst war, weshalb einige Mythologeme (Inkarnation, Jungfrauengeburt, Wunder, Sühnetod, leibliche Auferweckung) rational kritisiert und ausgeschieden werden müssen. Sozinianismus des 16. Jhs. (Fausto Sozini) Der Glaube muss vor allem von den nicht vernunftgemäßen Trinitäts-, Zwei-Naturen- und Erbsünden-Lehren gereinigt werden. Jesus gibt als bloßer Mensch nur ein sittliches Vorbild, dem nachzueifern das Leben nach dem Tod verdient. Gotthold Ephraim Lessing betont den fehlenden Begründungs-Zusammenhang zwischen dem historischen Jesus und dem Christus des Dogmas: „Zufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen Vernunftwahrheiten nie werden.“ Immanuel Kant deutet die Idee vom Sohn Gottes als die mit der Schöpfung intendierte Menschheit in ihrer Vernünftigkeit und moralischen Vollkommenheit, aus der die Glückseligkeit hervorgeht, so dass die Gottesbeziehung des Menschen einer strikten Moralisierung unterworfen wird. Folie 29 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Friedrich Daniel Schleiermacher sieht dagegen in Jesus nicht nur ein pädagogisches Vorbild, sondern unseren Erlöser, dessen historische Personalität durch eine besondere Gottesbeziehung ausgezeichnet gewesen sein muss. Den ontologischen Status dieser Beziehung klärt Schleiermacher jedoch nicht. Georg Wilhelm Friedrich Hegel deutet das geschichtliche Jesusereignis als ewige Vernunftwahrheit, indem er die unendliche Dynamik des Denkens (= Geist) im Dreischritt von These, Antithese und Synthese mit dem Gedachten (= die historische Wirklichkeit) in Übereinstimmung zu bringen versucht. So wird die Religion zu einem Moment im Prozess des sich weltgeschichtlich entfaltenden absoluten Geistes, der als allumfassendes Versöhnungsgeschehen begriffen werden muss. Zumindest die historische Einmaligkeit Jesu geht jedoch hier verloren. Folie 30 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 4.4 Die Destruktion des Christusdogmas David Hume erklärt die Inhalte des Christusdogmas zum Produkt einer noch nicht aufgeklärten Vernunft, die in unzulässiger Weise über das allein in seiner bloßen Menschlichkeit wissbare Leben Jesu spekuliere. Hermann Samuel Reimarus betrachtet wegen der vermeintlichen Widersprüchlichkeit der Textzeugnisse die Evangelien als mutwillige Fälschungen. Jesu sei als irdisch-politischer Messias gescheitert; die Auferstehung sei Erfindung seiner Jünger. David Friedrich Strauß geht zwar von einem historischen Kern der Evangelien aus, der aber durch einen rationalistisch zu tilgenden Christusmythos überhöht wurde, so dass Jesus für ihn letztlich nur als Vertreter einer Humanitätsreligion erscheint. Folie 31 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Walter KASPER schreibt in „Jesus, der Christus“ S. 32: „Hinter der historischen Rückfrage nach Jesus stand ... einerseits das Interesse des Glaubens und der Erneuerung des Glaubens, andererseits aber stand auch der Geist der Aufklärung Pate, als die neue biblische Theologie und damit die Leben-Jesu-Forschung aus der Taufe gehoben wurde. Diese muss deshalb auch im größeren Zusammenhang der neuzeitlichen Ideologiekritik und der Emanzipation von vorgegebenen Autoritäten und Traditionen gesehen werden.“ Folie 32 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 4.5 Die Leben-Jesu-Forschung Begriffsklärung Historie (narratio rerum gestarum) meint das faktisch Geschehene als Tatsachenwahrheit. Die Historie gibt einen neutral objektiven Bericht über ein vergangenes Geschehen. Geschichte ist im Sinne der Aufklärung geprägt a) durch den Menschen als Subjekt der Erkenntnis, das Geschichte mitbestimmt, aber auch von der Geschichte bestimmt wird; b) durch die Freiheitstaten des vernünftigen Menschen innerhalb der historischen Gegebenheiten. Geschichte steht im hermeneutischen Zirkel von Vorverständnis und kreativer Neuinterpretation. Folie 33 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Kierkegaard: Unterscheidung zwischen „geschichtlich“ (existenzielle Ebene) und „historisch“ (objektive Faktizität) Unterscheidung zwischen historischem Jesus und geschichtlichem Glauben an Christus Albert Schweitzer: erweist das Scheitern der sog. Leben-Jesu-Forschung Jesusbilder als idealisierte Projektionen moderne Formgeschichte: Evangelien als Verkündigungszeugnis Martin Kähler sagt deshalb: „Der wirkliche Christus ist der gepredigte Christus“.1 1 M. Kähler, Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus, hg. von E. Wolf, München 19694, 44; vgl. dazu W. Kasper, Jesus 36. Folie 34 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 4.6 Der Christus des Kerygmas Martin Kähler betont, daß das Glaubenszeugnis der frühen Kirche der einzige Zugang zur historischen Gestalt Jesu sei. Im urkirchlichen Kerygma aber werde Jesus selbst zugänglich. Johannes Weiß konzentriert sich auf Jesu Reich-Gottes-Botschaft als Ankündigung eines von außen kommenden kosmischen Dramas, dessen mythologische Ausdrucksform allein zu kritisieren sei. Rudolf Bultmann liest die mythologische Sprache des NT aus dem Selbstverständnis des modernen Menschen (= Entmythologisierung). Im Christus-Wort ruft Gott den Menschen in die Entscheidung des Glaubens und gibt ihm so ein neues Existenzverständnis (= existentiale Interpretation). Hier bleibt unklar, wie der Glaube über die Entscheidungssituation hinaus geschichtlich lebbar bleiben soll. Folie 35 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 4.7 Suche nach einem Neuansatz Ernst Käsemann Die Evangelien sind am geschichtlichen Jesus interessiert. Basis ihrer Theologie ist die Einheit von geglaubtem Christus und irdischem Jesus. Formgeschichtlich sind viele authentische Jesusworte oder -taten nachweisbar. 1500-Jahr-Feier des Konzils von Chalkedon Die klassische Christologie von oben ist – bei voller Wahrung ihrer Substanz – in eine Christologie von unten zu transformieren. Dabei ist bei der anthropologischen Fragestellung des Menschen nach sich selbst anzusetzen. Karl Rahner, Edward Schillebeeckx, Piet Schoonenberg, Walter Kasper Ein solcher Ansatz überwindet die Diastase zwischen a) der Gottessohnschaft Jesu und der Menschlichkeit des Menschen b) dem irdischen Jesus und dem Christus des Glaubens bzw. zwischen Geschichte und Dogma c) Erkenntnisform und objektivem Erkenntnisinhalt des Glaubens Folie 36 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 5. Der anthropologisch-transzendentale wie geschichtliche Ansatz der Christologie Der Glaubensakt muss als einheitlicher Akt zwei Momente integrieren: die Transzendentalität des Geistes auf Gott hin die Geschichtlichkeit unseres leiblichen Lebens im Miteinander mit anderen. Der Glaubensakt entspricht auf diese Weise den erkenntnistheoretischen Zugangswegen zur Christologie. Jesus ist in seinem konkreten Gehorsam dem Vater gegenüber sowie in seiner konkret gelebten Gottes- und Menschenbeziehung der Offenbarer. doppelter Zugang zu dieser integrativen Einheit von Geschichte und transzendentaler Anthropologie 1. Zugangsweg: der Mensch 2. Zugangsweg: verbum caro Folie 37 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie zum 1. Zugangsweg: der Mensch Aufbau eines subjektiven Bewusstseins aus der wechselseitigen Vermittlung von Wirklichkeit und Denken Eingelassensein in die Geschichte als Miteinander der Freiheitstaten der Menschen Aufbau von personaler Identität als relationale Größe Frage nach sich selbst und den transzendentalen Bedingungen seines Denkens Frage nach dem heiligen Geheimnis, also Gott G. L. MÜLLER schreibt in seiner Christologie, S. 52: „Geschichte ist die vom Personsein getragene Vermittlung in die Unmittelbarkeit zu sich selbst, zur anderen Person und zur Wirklichkeit überhaupt. Die personale Begegnung ist der ursprüngliche Ort von Wirklichkeitserfahrung.“ Transzendenz Gottes trägt mitten in der Geschichte die Personkonstitution Selbsttranszendenz des Menschen als Medium der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus Folie 38 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie zum 2. Zugansweg: verbum caro Als leibliches und geschichtlich situiertes Ereignis vermag das Wort zutiefst geistige Gehalte der Wahrheit oder des Lebens zum Ausdruck bringen. Theologie der Selbstoffenbarung in Christus: Das ganze Leben Jesu ebenso wie seine menschliche Rede als Wort der Offenbarung Gottes So erhält der Mensch auf allermenschlichste Weise Kunde von Gott: Ant-Wort auf seine Frage nach Gott Ant-Wort auf die Fragen des Menschseins selbst. Als christologische Grundaussage halten wir fest: Jesus ist die geschichtliche Gegenwartsgestalt der Selbstoffenbarung Gottes als ganzheitlich-leibliches Offenbarungs- und Selbstmitteilungswort an den Menschen. Folie 39 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Voraussetzungen und Konsequenzen 1. Eine Voraussetzung negativer Art: Die vollkommene Kongruenz von Jesu transzendentalem Identitätsvollzug mit seiner geschichtlichen Lebensgestaltung im Sinne seiner Sendung gründet nicht in einer anthropologischen oder kosmologischen Notwendigkeit. 2. Offenbarungstheologische Voraussetzungen: Wenn Gott als der Absolute sich dem Menschen als geschöpfliche Person offenbart, dann kann dies nur ein Geschehen aus freier Liebe sein. Die Person Jesu ist dann ein Hinweis darauf, dass die Personalität des Menschen in der dreipersonalen Einheit in Gott gründet und wahre Liebe Personsein voraussetzt und vollendet. Folie 40 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 3. Eine Voraussetzung christologischer Art: Der personbildende Kern dieses Jesus ist seine Liebes-Relation zum Vater, aus der heraus er der ewige Logos, Selbst-Ausspruch des Vaters, also der Sohn ist. Alle menschlichen Entscheidungen und alle zutiefst menschlichen Akte sind also geprägt vom Logos in seiner ewigen Liebes-Relation zum Vater (wahrer Gott und wahrer Mensch). Von daher bilden die geschichtliche Seite des Lebens Jesu als Mensch und der transzendentale Vollzug der Person Jesu in reiner vollkommener Bezogenheit zum Vater eine nicht lösbare Einheit. 4. Eine Konsequenz glaubensmäßig-soteriologischer Art: Im Glauben als Freundschaft mit Jesus Christus findet der Mensch die Tiefe seiner eigenen Personalität und Freiheit in der sich selbst übersteigenden Begegnung mit Gott sowie in der Begegnung mit den Nächsten mitten in den Akten seines alltäglichen Lebens. Gemeinsames Medium dieser Begegnung ist die Liebe. Folie 41 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 6. Erkenntnistheoretische Abschlussbemerkung und Darstellung eines großen Streites Balthasars Kritik an Rahner 1. Ist die übernatürliche Transzendenz schon Gnadenerfahrung? Und wenn ja, ist eine solche Erfahrung bereits eine Begegnung mit dem personalen Gott und von daher implizit spezifisch christlich-trinitarisch geprägt? 2. Theologie hat vom geschichtlichen Faktum des Menschgewordenen theologische auszugehen, das Relativierung des "jede transzendental- Ereignisses ... ver- unmöglicht" und die Schöpfung je schon als theologisch überformt qualifiziert. Gerade das Kreuz als Mitte christlichen Glaubens ist transzendental nicht einholbar. 3. Die transzendentale Reflexion des kategorialen Erkennens führt den Menschen nicht über sich hinaus, sondern führt ihn zu sich selbst als Frage zurück. Es ist deshalb nicht legitim, die christliche Wahrheit in ihrer unableitbaren Einzigartigkeit transzendental als vom "anonymen Christen" immer schon gewusst, weil transzendental vorgezeichnet, vorwegzunehmen. Folie 42 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie II. Jesus der Christus im Licht des biblischen Zeugnisses - eine systematische Rückfrage 1. Das Alte Testament 1.1 Das Alte Testament als Verstehenshorizont der Person Jesu Christi 1.2. Heilserfahrungen im Alten Bund Folie 43 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.2.1 Heil als gesegnetes, erfülltes Leben Ein gelungenes Leben in Gesundheit mit Nachkommen sowie in einem befriedeten Land in Recht und Freiheit samt einem intakten Gotteslob galt als ein Leben in Fülle. (1 Sam 17,26.36; Ps 42,3 , Ps 36,10, Dtn 30,19f; Ez 18,4-9) 1.2.2 Gottes erlösendes Handeln als geschichtlicheBefreiung Das Heil wird verstanden als Befreiung aus leiblichen, sozialen, ökonomischen Zwängen. Rückgriff auf Mittlergestalten wie Mose oder Debora (vgl. Ri 5,2-31; 3,9f; 4,3-10). Die Herausführung aus Ägypten gilt als Befreiungstat schlechthin, die gegenwärtig gehalten wird a) im erzählenden Bericht (vgl. Ex 3,7f; 13,17-14 u. ö.), b) in prophetischer Rede (vgl. Hos 11,1; 13,4 u. ö.), c) im Hymnus (vgl. Ps 68; 77f; 105; 107 u. ö.), d) im Kult (vgl. das sog. kleine geschichtliche Credo in Dtn 26,5-10). Die Grunderfahrung der Befreiung besitzt handlungsorientierenden Charakter (vgl. Ex 20,2; Dtn 5,6f vgl. Lev 25,17.38-46). Das Heil des einzelnen besteht in Errettung aus äußerer oder innerer Not (vgl. Ps 17; 18; 30 u. a.). Folie 44 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.2.3 Heil als Herrschaft Jahwes auf dem Zion, im Tempel und in der Davidsdynastie Der Ort der heilschenkenden Gegenwart Jahwes ist der Tempel, der Zionsberg, ja die gesamte Stadt Jerusalem (vgl. 1 Kön 8,12f; Ps 9,12 und Jes 8,18); dies besingen die Zionslieder (Ps 46; 48; 76; 87). Jes 7,9 und 28,16 schärfen den Glauben als notwendige Voraussetzung ein. Die Heilszusage verwandelt sich in Unheilsankündigung (vgl. z. B. Jes 6,9-13; 3,8.16-24; 22,1-14), Schuldanklage und Gerichtsansage (vgl. Mi 1,5.9; 3,10; Zef 1,4.12f; Jer 7,11f; 15,5f; 26,6 u. ö.). Folie 45 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.2.4 Sünde, Sühne und gnadenhafte Erlösung Zur Wiederherstellung der gestörten Ordnungsverhältnisse gab es im Alten Bund Sühnerituale: Sündenbockritus (vgl. Lev 16,10.21f); Hingabe des Blutes im stellvertretenden Opfertier (vgl. Lev 17,11): Der Mensch erfährt Entsühnung und befindet sich in einer geläuterten Beziehung zu seinem Gott. Ein vertieftes Sündenbewußtsein im Zusammenhang mit dem Babylonischen Exil führt dazu, daß fast der gesamte Kult als Sühne verstanden wird (vgl. Ez 43,7). Die prophetische Kult-Kritik seit Hosea warnt davor, den sühnenden Kult als Alibi für fehlende Nächstenliebe zu verstehen (vgl. Hos 6,6; Am 5,21-25). 1.2.5 Das Gericht und neue eschatologische Heilshoffnungen Die Zerstörung Jerusalems samt Tempel und Königtum (587/586) sowie die Deportation ins Exil waren die Katastrophe schlechthin. Alle Heilshoffnungen brachen zusammen (vgl. Ez 16; 20; 23): Jes 55,6-7; Ez 33,10-20 sind Zeugnisse aufkeimender Heilshoffnung (vgl. Jes 43,18f): die Heimkehr des Volkes als neuer Exodus (vgl. Jes 43,16ff) und die nationale Wiederauferstehung (vgl. Esra 40-48). Folie 46 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.2.6 Hoffnung auf eine universale innere und äußere Erlösung Das errettende Heil bezieht sich auf ein zukünftigeschatologisches Geschehen, das die innersten Schichten des Menschen erfasst Zudem soll diese Erneuerung alle Völker, ja den ganzen Kosmos betreffen. Folie 47 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.3 Mittlergestalten des göttlichen Heilshandelns Lichtherrlichkeit: kabod; rabbinisch: schechinah Name Weisheit (Spr 8-9; Sir 24): chokmah; griechisch: sophia Wort (dabar; LXX: logos) Geist Gottes (ruah) Diese Formen und Medien der Selbstoffenbarung Jahwes vergegenwärtigen Gott unmittelbar und sind fast mit ihm identisch. Daneben gibt es noch charismatische Heilsmittlerfunktionen (vgl. Ri 3,10; 6,33f; 1 Sam 11,6) in vorstaatlicher Zeit ein königliches und priesterliches Mittleramt in staatlicher Zeit Folie 48 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.3.1 Die vorexilische Königstheologie König als Retter und als Mittler des Segens JHWHs Prophetische Kritik am Königtum (vgl. Ri 9,8.15; 1Sam 8,6-20; Hos 8,4) König als der „Gesalbte JHWHs“ (vgl. 1Sam 2,10.35) Geistbezug „Messias“ als Titel des Königs Die Theologie des königlichen Amtes nach Ps 2,6-9: 1. Der König ist nicht naturhaft-physisch Gottes Sohn, sondern er wird anlässlich der Inthronisation „heute“ von Jahwe als Sohn adoptiert; durch diesen Sohn kann Jahwe sich als wirkmächtig erweisen. Mit Jahwe ist der König Hirte (2 Sam 5,2) und Hüter seines Volkes, aber auch Israels eigentlicher Priester (Ps 110,4). 2. Außer der Gottessohnschaft werden dem König Weltherrschaft und Überlegenheit zugesagt. Folie 49 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.3.2 Die messianische Erwartung - Hoffnung auf den Anbruch einer gerechten und friedvollen, messianischen Zeit. - Propheten verheißen zukünftige Herrschergestalt: Natansankündigung (2 Sam 7,11b.16) Immanuelorakel (Jes 7,6.13.14) Jesaja sagt die Geburt eines dynastischen Erben voraus als Unterpfand dafür, dass Jahwe seinem Volk beistehen werde. - Die ideale Königsgestalt (Jes 9,1-7): Altorientalistisches Königsideal Nähe des Königs zu Gott als Gottes Mittler in der Welt Folie 50 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.3.3 Wechselnde Heilsmittlerhoffnungen in nachexilischer Zeit Nach der Zerstörung Jerusalems: Zentrale Rolle des Wortes und der Propheten, als Mittlergestalten. Ezechiel: Wiederauferstehung des Volkes Ez 34,23f; 37,24f; 34,25-31; 2,1; 39,29. Deuterojesaja: Gottesknechtslieder Jes 42,1-9; 49,1-9c; 50,4-9; 52,13-53,12. Tritojesaja: Das erwartete Licht der Völker bleibt noch aus, aber der Prophet weiß sich messianisch beauftragt. vgl. Jes 58,8; 61,1f. Haggai/Sacharja: eschatologische Begeisterung Hag 2,23; Sach 3,8; 6,12; vgl. Hag 1,1. Priesterschrift: Das Priesteramt ist jene Institution, die Israel vor Jahwe vertritt und Jahwes Heil in der Gegenwart vermittelt vgl. Lev 21,7f.10.12; Num 35,25. Deuterosacharja: verheißt den erwarteten König der Zukunft Sach 9,9f. Folie 51 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.3.4 Die Hoffnung auf den „Messias“ bzw. den Menschensohn Die frühjüdische Apokalyptik forderte einen völlig radikalen Neuansatz (vgl. Dan 2,34f.44f.; 3,33). Dieser Menschensohn ist der kollektive oder individuelle Repräsentant des siegreichen Gottesreiches über alle weltlichen Imperien. Er ist die Verbindung zwischen dem transzendenten Gott und den konkreten geschichtlichen Verhältnissen, die gerichtet werden. Von daher steht der Menschensohn in einer gewissen Nähe zur davidischen Königstheologie So ist in äethHen 46,1-8; 48,6f aus dem Menschensohn eine individuelle Gestalt von irdischer Herkunft geworden (62,14). Folie 52 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1.4 Die Offenheit des Alten Bundes Hans Urs von Balthasar: Drei Argumente, um die Offenheit des Alten Bundes neu zu qualifizieren 1. Nachexilisch wird die Geschichtszeit des Bundes als leere Zeit empfunden Es wird Hungersnöte geben, weil das Volk keinen Hunger nach Gott besitzt (vgl. Am 8,11-12); es gibt keine Propheten mehr (1 Makk 4,46; 9,27). 2. In der ereignislosen Zeit nach dem Exil wurde das Interesse u. a. auf das Wort gelenkt. 3. Zur Treue am Wort gesellte sich die sühnende Darbringung des kultischen Opfers. Dazu floss Blut vom Lebendigen. → Damit offenbart sich nach Balthasar ein wesentliches Paradox des Alten Bundes offenbart. Folie 53 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie „So ist der Alte Bund innerlich zu einem zeitlichen Ende hin angelegt, das allerdings nicht als Zeitlosigkeit, sondern nur als das Mysterium des Ineinsfalls von echter Zeit und echter Ewigkeit gedacht werden kann: Eintritt echter Ewigkeit in die Zeit (Menschwerdung Gottes), Eintritt echter Zeit in die Ewigkeit (Auferstehung Christi und in ihm der Schöpfung).“ (H. U. von Balthasar, Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik. Bd. III,2,1, Einsiedeln 1967, 380.) Folie 54 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2. Person und Geschichte Jesu Christi 2.1 Der irdische Jesus 2.1.1 Biographische Daten Datum Politische Herrscher Ereignisse 7-4 v. Chr. Herodes I (37-4 v. Chr.) Geburt in Bethle- Augustus (27 v. Chr. - 14 hem (Judäa) n. Chr.) 27-28 n. Chr. Antipas, Tetrarch von Galiläa und Peräa 07.04.30 (?) Taufe im Jordan, Beginn des (4 v. Chr. - 39 n. Chr.) öffentlichen Tiberius (14-37) kens Pontius Pilatus (26-36) Kreuzigung Wir- Ostererfahrung der Jünger um 33 Tod des Stephanus 33/35 Bekehrung des Paulus (G. L. Müller, Christologie, in: W. Beinert, Glaubenszugänge Bd. 2, 86.) Folie 55 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.2 Johannes der Täufer und Gottes Zorn Gerichtsbotschaft des Johannes: Mt 3,7-10 parr (vgl. Am 5,20; Joel 2,2; Zeph 1,15; Jes 13,3.9.13; Ez 7,3.8.19). Johannes' Umkehrtaufe ist ein endzeitlicher Akt, der in keiner heilsgeschichtlichen Kontinuität mehr steht. Wir können davon ausgehen, dass Johannes, wenn er sich als „Vorläufer“ bezeichnet hat, Bezug auf den Messias oder Menschensohn genommen hat. Menschensohn: äthHen 46,6; 49,2f; 52; 50,2; 51,2ff; 48,9; 51,1-5; vgl. Herodot 6,19. Folie 56 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.3 Die Botschaft Jesu 2.1.3.1 Die Gerichtsaussagen in der Verkündigung Jesu Die Botschaft vom Gericht ist mit der Verkündigung Jesu unlösbar verbunden: vgl. Mt 8,11f; 18,23-34; Lk 10,23f par; 11,31f. Ein doppelter Gerichtsausgang: Lk 17,20ff (= aus Q); Mk 9,43-48 par; vgl. Lk 12,8f. Folie 57 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Grundsatzbestimmungen: a) Indem der Mensch sein eigenes Gottesbild in den Vordergrund stellt und mit Tora und Kult von sich aus das Gottesverhältnis gestaltet, wird er als Geschöpf nicht seiner tieferen Bestimmung gerecht. b) Diese grundsätzlich falsche Lebensaus- richtung, die zu kurz greift, wird zudem Gott selbst in seinem Gottsein nicht gerecht. Diesen Gott bestimmt Jesus vielmehr als den barmherzig liebenden Vater (vgl. Lk 15,11ff). c) Gott ratifiziert nicht einfach in einem angenommenen Letzten Gericht menschliche Lebensentwürfe, sondern Jesus propagiert einen Gott, der durch Jesu Tun seine Güte aufleuchten lassen möchte, damit der Mensch sich erneut an der Liebe Gottes ausrichtet. Folie 58 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.3.2 Die Botschaft von der Herrschaft Gottes a) Die Rede von der Herrschaft Gottes im Frühjudentum Königsvorstellung Gottes in der Zionstheologie: vgl. Jes 6,1ff; Zionspsalmen 46; 48; 84; 87; Jahwe-König-Psalmen: 47; 93; 96-99; vgl. für die weitere Wirkungsgeschichte auch Tob 13; Sir 51,12; 2 Makk 1,24-29f. Offizielle Tempeltheologie: vgl. Jes 6,1ff; vgl. Ps 47,9 Einige Aspekte: a) Der königliche Gott Israels ist umgeben von einem großen Hofstaat (vgl. Ps 103,19ff). b) Als König ist Jahwe Herrscher über alle Völker und deren Götter (vgl. Ps 2). c) Er ist König der Erde (vgl. Ps 47,8). d) Jerusalem als irdischer Regierungssitz symbolisierte zugleich, daß die Zionstadt samt Tempel Thronsitz des Herrn der Welt ist. Folie 59 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie b) Jesu Botschaft von der Gottesherrschaft ba) Zukunft, Gegenwart und Nähe der Gottes-herrschaft 1. Akzent: Die Zukünftigkeit der Gottesherrschaft Ziel ist die vollendete Gottesherrschaft, aber ihre Dynamik wirkt schon jetzt, in Jesu Tätigkeit. 2. Akzent: Die Gegenwart der Gottesherrschaft Die Gegenwart ist Anfang der Heilszeit. Dabei hebt Jesus aber zugleich die Jetztzeit von der Vergangenheit ab: - Mt 13,16f = Lk 10,21f - Mt 11,5f = Lk 7,22f - Mt 11,11 = Lk 7,28 - Mt 8,21f = Lk 9,50f; Mk 2,21ff 3. Akzent: Die Person Jesu als „Ort“ der anbrechenden Gottesherrschaft: Lk 10,18; 11,20 par. Fazit: Jesus sieht die zukünftige Gottesherrschaft sich jetzt durchsetzen. In seinem Wirken fallen Gegenwart und Zukunft schon zusammen (vgl. Mk 2,18-22). Folie 60 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie bb) Die geschöpfliche Wirklichkeit als Horizont der Gottesherrschaft „Für Jesus gibt es ganz unabhängig von der Heilsgeschichte eine fundamentalere und umfassendere Erfahrungswelt, die angesichts der Verlorenheit Israels, radikalisiert durch die verbrauchte Heilsgeschichte, gleichwohl für die dem Menschen als heilsam begegnende Gottesherrschaft durchsichtig gemacht werden kann, nämlich seine eigene Geschöpflichkeit und die seiner Welt. Diese Gesamtwelt alltäglicher Geschöpflichkeit und nicht die Heilsgeschichte ist der Horizont, in dem die von Jesus verkündigte Gottesherrschaft dem Menschen nahe ist und erfahrbar wird.“2 J. Becker, Jesus von Nazaret, Berlin/New York 1996, 162. 2 Ebd. 162 Folie 61 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie bc) Gericht und Errettung Die Gottesherrschaft ist ein Angebot purer Liebe, auf die der Mensch keinerlei Anspruch erheben darf. So unterliegt die Vollmacht, Sünden zu vergeben, allein der hoheitlichen Barmherzigkeit des Vaters (vgl. Mk 2,1-12; Lk 7,47; Joh 7,53-8,11 = sekundär). Gericht: Entscheidung für oder gegen die von Jesus angesagte Gottesherrschaft (Mt 7,24-27; 24,38-42). Annahme oder Ablehnung dieser Botschaft Entscheidung über Leben oder Ruin. Jetzt ist eine qualifizierte Zeit gegeben, die die Menschen verpflichtet (Mk 9,43.45.47). Folie 62 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.4 Vermittlungsweisen der Gottesherrschaft 2.1.4.1 Die Gleichnisreden “Im Gleichnis spitzt sich die Sprache so zu, daß das, wovon die Rede ist, in der Sprache selber konkret wird und eben dadurch die Angesprochenen in ihrer eigenen Existenz neu bestimmt... Im Gleichnis ereignet sich etwas, und zwar so, daß sich dann auch durch das Gleichnis etwas ereignet.“ (E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 5 1986, 400.) Folie 63 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Allegorien leiten von einer Welt in die andere über. Die initiale Erzählebene hat dabei dienende Funktion, da das eigentliche Gewicht mit der unterlegten Welt gegeben ist (vgl. Mt 22,1-14). Gleichnisse greifen vertraute Szenen aus dem Alltag auf. Dieses Vertrauen soll den Hörer vertrauensvoll zur Nähe des Gottesreiches führen. Parabeln interessieren sich für den besonderen Einzelfall. Dabei erhält die alltägliche Normalität unerwartete Risse, so daß die Welt und das Weltverstehen in eine Krise geraten. So wird Nähe zur ungewöhnlichen Botschaft Jesu erzeugt. Beispiel: Das Gleichnis (Lk 15,11-32) Gleichnis vom verlorenen Allegorie Folie 64 Sohn Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 1. Es gibt nur ein tertium 1. Es gibt viele Vergleichscomparationis zwischen punkte zwischen Bild- und Bild- und Sachhälfte, die Sachhälfte (vgl. die Punktjeweils als ganze auf- für-Punkt-Auslegung Mk einander zu beziehen sind 4,13-20; Mt 13,36-43). (sog. "one-point-approach"). 2. Das Gleichnis ist aus dem 2. Die Allegorie entsteht aus Vergleich entstanden, bei der Metapher, bei der das dem Bild und Sache neben- Bild die Sache ersetzt. Alleeinander stehen und durch gorien enthalten eine die Vergleichspartikel Metaphernkette, bei der je"wie" verbunden werden. des Glied für sich übersetzt wird. 3. Die verwendeten Bilder sind 3. Die verwendeten Bilder sind realistisch und entsprechen künstlich und konstruiert. alltäglicher Erfahrung. Sie widersprechen alltäglicher Erfahrung (vgl. das Tier mit den sieben Hörnern aus Dan 7). 4. Die Sachaussage ist all- 4. Der Inhalt ist nur Eingemein verständlich, die geweihten verständlich, die bildliche Form dient der über einen "Schlüssel" zum Anschaulichkeit. Gleich- Verstehen verfügen (vgl. die nisse sind kommunikativ. Parabeltheorie Mk 4,10-12). Allegorien sind esoterisch und darum exklusiv. 5. Die Gleichnisse gehen auf 5. Die Urgemeinde (und die den historischen Jesus zu- ganze spätere Kirche) deurück, der sich an alle Men- tete die Gleichnisse als Alleschen gewandt hat. gorien. (Gerd Theißen/Annette Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen, 1996, 292f.) Gleichnisse Folie 65 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie "Gleichnisse (i. e. S.) unterscheiden sich von Vergleichen und Bildworten durch die Ausführlichkeit der Bildgestaltung... Sie schildern ein wiederkehrendes, typisches Geschehen, das (meist) im Präsens dargestellt wird. In der Argumentation knüpfen sie oft an das Selbstverständliche an, das überall Konsens findet. Klassische Beispiele sind z. B. die Gleichnisse vom Senfkorn und Sauerteig (Mk 4,30-32)." Parabeln "Parabeln dagegen erzählen (im Aorist) einen ungewöhnlichen Einzelfall und argumentieren gegen den Konsens. Sie fordern zu einer Stellungnahme zu dem berichteten ungewöhnlichen Verhalten heraus und wollen dadurch auch auf der Sachebene eine Einstellungsund Verhaltensänderung bewirken. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Formen sind fließend. So begegnet im Gleichnis von der selbstwachsenden Saat ein typisches, wiederkehrendes Geschehen in der Form einer Erzählung - Jülicher rechnet die Perikope zu den Parabeln, Bultmann dagegen zu den Gleichnissen (i. e. S.)." (Gerd Theißen/Annette Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen, 1996, 295.) Folie 66 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.4.2 Mahlgemeinschaft als Aufnahme in die Gottesherrschaft Alttestamentlich: Jes 25,6; vgl. Ps 132,15; 146,7; 147. Jesu Gastmähler sind Ereignisse der ankommenden Gottesherrschaft selbst: Mt 11,18f = Lk 7,33f.; Lk 10,7 = Mt 10,11; Lk 14,15-24 = Mt 22,1-10 Mk 1,31; 2,15ff; 2,18ff; 3,20; 7,1ff; 14,3ff; Lk 8,1-3; 10,8.38ff; 13,26; 14,1ff; 15,1f. Besondere Charakteristika: 1. Sie stehen im eschatologischen Horizont der angebrochenen Gottesherrschaft. 2. Sie integrieren Ausgestoßene und Sünder (vgl. Mt 5,3 par; 11,5 par; vgl. Lk 14,21 par; vgl. Mt 11,19 par). 3. Sie werden mehrfach gefeiert. Kritik gesetzestreuer Juden: Mk 2,15-17 par; Mk 7,1-23 par; Lk 15,1ff (vgl. Mt 11,19 Folie 67 par; Mt 22,9f par). Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.4.3 Wunderheilungen a) Zeichen des anbrechenden Gottesreiches mitten in der Welt. b) Zeichen für die Sendung und Vollmacht Jesu, der sich in der Sendung des Vaters weiß. c) Sie verweisen auf das ganzheitliche Heil, das dem Menschen verheißen ist und das in Jesu wundersamem, heilendem Tun bereits proleptisch vorweg aufleuchtet. Zwischen den Wunderberichten und deutenden Logien ist zu unterscheiden. Legendäre Wunderberichte wollen: a) die Lehrvollmacht Jesu begründen (Mk 1,21-27) b) urgemeindliche Lebensnormen fundieren (Mk 3,1-6 par) c) oder sie dienen der Gemeindeparänese (Mk 8,22-26). Folie 68 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Negativ scheiden folgende Wundertypen als nicht jesuanisch aus: - Selbsthilfewunder (vgl. Mt 4,5-7 par Mk 15,31f parr) - Strafwunder (vgl. Lk 9,52-55; Apg 5,1-11) - Christologische Epiphanien (Mk 1,9-13 parr, 6,45-52 parr; 9,2-10 parr) - Wunder an der außermenschlichen Schöpfung (Mk 6,32-44 parr; 8, 1-10 par; Joh 2,1-10) - Totenerweckungen (Mk 5,21-43 parr; Lk 7,1117; Joh 11,1-44) - Normative Einschübe in Wundergeschichten sind zu isolieren und als Einschub wahrzunehmen (vgl. Mk 2,1-12; 3,1-6). Folie 69 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Positiv liegt bei den Therapien (z. B. Mk 1,29-31 parr; 1,40-45 parr) und Exorzismen (vgl. Mk 1,2128 parr; 7,24-30 par) wohl ursprüngliche Jesuswirklichkeit vor. Wortüberlieferung (Logien) mit z. T. echtem Jesusgut: - aus der Logienquelle: Lk 7,22f par; 10,13-15 par; 10,23f u. ö. - aus Markus: 3,4 parr; 3,21 parr; 3,23-27 parr u. ö. - aus dem Lk-Sondergut: Lk 4,25-27; 10,18; 13,32. Fazit: Die Wundertätigkeit Jesu hat für das Wirken Jesu als konstitutiv zu gelten, und zwar als Vermittlungsweise der Gottesherrschaft. Diese Herrschaft will das Heil und die Befreiung des ganzen Menschen. Dies realisiert Jesus durch sein therapeutisches Tun in proleptischer Weise. Folie 70 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Kann man in unserer heutigen modernen, naturwissenschaftlichen Welt die Rede vom Wunder noch aufrechterhalten? "Mit der Kontingenz des Geschehens ist ... eine unmittelbare Beziehung jedes einzelnen Ereignisses auf den göttlichen Ursprung aller Dinge gegeben, unbeschadet aller Beteiligung von geschöpflichen ‘Zweitursachen’ an dem, was geschieht. Weil es nicht selbstverständlich ist, dass überhaupt etwas geschieht, darum ist nicht nur das Entstehen, sondern auch und erst recht der Fortbestand der kreatürlichen Gestalten und Zustände in jedem Augenblick wunderbar.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. 2, Göttingen 1991, 62f.) Folie 71 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Philosophisch-theologische Ebene: a) Zum Wunder gehört auf der phänomenalen Ebene das Außerordentliche, das Staunen erregt. Dieses Ereignis ist jedoch für sich vieldeutig. Eindeutigkeit erhält es erst durch die Verkündigung, die im Glauben anerkannt wird. b) Zum Wunder auf der religiösen Ebene gehört, dass es einer persönlichen Initiative jenes Gottes entspringt, der uns Menschen personal ansprechen und in seine Gemeinschaft führen will. Diese Anrede verleiblicht sich auf vielerlei Weise. c) Diese Verleiblichung geschieht durch geschöpfliche Zweitursachen (z. B. Tun und Wort Jesu), wobei es zu einer eigenartigen Steigerung von geschöpflicher Realität und göttlichem Handeln kommt. d) Aufgrund der geschöpflichen Vermittlung ist ein Wunder in sich vieldeutig. Es ist somit zugleich Entscheidungsraum des Glaubens. (Vgl. W. Kasper, Jesus der Christus 111f.) Folie 72 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.5 Die Sendungsautorität Jesu 2.1.5.1 Der Anspruch Jesu und sein Wissen Dass Jesus sich selbst einen hohen autoritativen Anspruch gegeben hat, können wir aus folgenden neutestamentlichen Fakten ersehen: a) Er übt Tischgemeinschaft und realisiert so eine umfassende, befreiende Schöpfungsgemeinschaft mit allen Menschen. Er handelt an Gottes Stelle (als Finger Gottes). b) Er verkündigt mit einer Autorität, die sich sogar über die Tora stellt. Diese Vollmacht gründet in ihm selbst (vgl. Mk 1,22.27). c) Er ruft Jünger in seine Nachfolge; an ihm entscheidet sich die Stellungnahme des Menschen dem Reich Gottes gegenüber. Die Berufung (vgl. Mk 1,17) geschieht frei und souverän (vgl. Mk 3,13). Folie 73 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.5.2 Die Hoheitstitel a) Jesus als Messias Die Frage, ob Jesus selbst diesen Titel für sich verwandt hat, lässt sich an folgenden Stellen entscheiden: Petrusbekenntnis in Mk 8,27-33 parr Kunstprodukt des Markus Streit um die Davidssohnfrage in Mk 12,35-37 parr eindeutig nachösterlich Bekenntnis Jesu vor dem Synedrium in Mk 14,60-64 parr markinische Redaktion Resümee: Erst von der nachösterlichen Bekenntnisbildung her wird der Messiastitel auf Jesus übertragen. Die verschiedenen Konzepte, die dabei angewandt werden, verweisen darauf, dass Jesus selbst hier keine Vorgaben gemacht hat. Die ältesten Spuren solcher Bekenntnisbildung in Röm 10,9; 1 Thess 1,10 zeigen darüber hinaus, dass diese Traditionen die christologische Hoheit Jesu erst mit Ostern beginnen lassen. Folie 74 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie b) Jesus und der Menschensohn Der Begriff Menschensohn begegnet exklusiv nur in Jesus-Logien. Keine andere Person spricht vom Menschensohn. Allerdings spricht Jesus vom Menschensohn nie in Ich-Form, sondern nur in Er-Form. Diese Distanzierung, wie sie z. B. in Lk 12,8 vorliegt, lässt den Eindruck entstehen, als handle es sich um zwei verschiedene Personen. Nach den Synoptikern nimmt Jesus keine andere Bezeichnung für eine endzeitliche Hoffnungsgestalt in den Mund. Die nachösterliche christologische Konzeption umschreibt Jesus sehr kräftig in der Funktion des Menschensohnes, der an Ostern erhöht wurde, aber bald wiederkommen wird, um Gericht zu halten. Dabei wird jedoch der Titel „Menschensohn“ nicht direkt auf Jesus übertragen (1 Kor 16,22; 1 Thess 1,9f; 4,13ff). Fazit: Einige Menschensohnworte werden wohl auf Jesus selbst zurückgehen. Aufgrund dieser Vorgabe hat sich dann nachösterlich zunächst die Christologie als Menschensohnchristologie entfaltet. Dennoch liegt es nahe, dass Jesus mit dem Menschensohn jemand anderes als sich selbst gemeint hat (vgl. Lk 12,8). Folie 75 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Die Menschensohnchristologie der Synoptiker beschreibt die Hoheit Jesu auf dreifache Weise: 1. Der Menschensohn muss leiden und auferweckt werden (vgl. Mk 8,31 parr; 9,31 parr; 10,33f parr; Mk 9,9 = Mt 17,9; Mk 10,45 = Mt 20,28; Mk 14,21 parr; Mk 14,41 = Mt 26,45) 2. Darüber hinaus gibt es Aussagen vom gegenwärtig wirkenden Menschensohn. Sie sind an der Vollmacht Jesu als Menschensohn interessiert (vgl. z. B. Mk 2,10 parr; 2,28 parr; für die Logienquelle: Mt 8,20 = Lk 9,58; Mt 11,19 = Lk 7,34). 3. Schließlich gibt es Aussagen über den kommenden Menschensohn, in denen die frühjüdischen Elemente am deutlichsten spürbar sind. Jesu Autorenschaft ist hier wahrscheinlich (vgl. Lk 17,26-30 = Mt 24,37-41). Folie 76 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie c) Jesus, der Sohn Gottes Die sich ausfaltende Rede vom Gottessohn bot der frühesten Christologie mehrere Möglichkeiten: Das innerste Persongeheimnis, die Sendungsautorität Jesu konnte anschaulich zur Sprache gebracht werden: Als menschgewordener Gottes- sohn ist er das Bild des unsichtbaren Gottes (vgl. Joh 1,14). Den Titel konnte man im Rekurs auf das Natansorakel in 2 Sam 7,12-14 bzw. Ps 2,7 mit den Messiasaussagen sowohl auf den leidenden Gerechten wie auch auf den erhöhten Messias Jesus übertragen. Schließlich konnte man vom Titel des „Gottessohnes“ aus die Linien zur Schöpfungsmittlerschaft und zur Präexistenz ziehen. Folie 77 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie „Wie die Texte zeigen, ist ‘der Vater’ und ‘der Sohn’ in der Regel nebeneinander angewandt worden. Von dem Sohn wird dort gesprochen, wo auch die Vaterschaft Gottes ausdrücklich genannt ist. Es geht um das Aufeinanderbezogensein von Vater und Sohn. ‘Der Sohn’ ist Jesus vom Vater her, und ‘der Vater’ ist Gott wegen und durch den Sohn. Man wird noch präzisieren können: die Sohnschaft Jesu ist von der einzigartigen Stellung und ihm verliehenen Vollmacht her zu verstehen.“ Ferdinand Hahn, Christologische Hoheitstitel, Göttingen 31966, 327. Folie 78 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.6 Der Tod Jesu 2.1.6.1 Der aufbrechende Konflikt: Umgang mit der Tora Autoritäten im Judentum: Tora und Kult Jesu Verkündigung der basileia tou theou → absoluter Neuanfang Die Gottesherrschaft ist der Tora gegenüber vorrangig Die Sabbatkonflikte Jesu Mk 3,6: „Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen.“ Folie 79 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.6.2 Der Anfang vom Ende: der Tempelprotest J Gnilka und H. Merklein: Tempelprotest war eine reale Tat Jesu. Jesus greift nicht den Tempel als solchen an, sondern er kritisiert die Art und Weise, wie die Menschen mit der Gegenwart Gottes im Tempel umgehen (kultische Vorgänge im Judentum). Jesu Tempelaktion = frontaler Angriff auf das Judentum der damaligen Zeit. Folie 80 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.6.3 Das Letzte Abendmahl Ritus Gebete 1. Becher: Eingießen von Wein u. 2 Segensgebete (Hausvater od. vorWasser nehmster Gast) Auftragen der Vorspeise Jesu Brot-Handlung 2. Becher: Auftragen des Hauptgerichtes (Passahlamm, ungesäuertes Brot, grüne Bitterkräuter) Dankgebet (Hausvater), Händewaschung Verkosten und Austeilen der Speisen Leerung des 2. Bechers Essen der Hauptmahlzeit Händewaschung, Lobgebet Frage eines Kindes (Gastes): "Warum ist diese Nacht verschieden von allen Nächten?" - Verlesung der Passah-Haggada (Auszug aus Ägypten) - Rezitation des großen Hallel I (Pss 113; 114,1-8) Jesu Wein-Handlung 3. Becher: Mischung des Bechers, der nun herumgereicht wird 4. Becher: Mischen und Trinken Dankgebet (daher: Kelch des Segens) Rezitation des großen Hallel II (Pss 115-118 [G. Koch, Sakramentenlehre - Das Heil aus den Sakramenten, in: W. Beinert (Hrsg.), Glaubenszugänge. Bd. 3, 426f (Schaubild erstellt von W. Beinert).] Folie 81 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie „Er hinterläßt seiner Jüngerschaft ein Mahl, in dem die Menschen des kraft seines Todes eröffneten Bundes mit Gott als Anwärter des endgültigen Gottesreiches teilhaftig werden und in dem er im Zeichen des Brotes unter ihnen bleibt. Jesus hat somit seinem Tod eine heilseffiziente Wirkung zu- gesprochen, die aber in ihrer Ausrichtung auf das Reich Gottes gesehen werden muß.“ J. Gnilka, Das Evangelium nach Markus (1-8,26) (EKK II/1), 288. Folie 82 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Mk 14,22-24: 22 Während des Mahls nahm er das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das ist mein Leib. 23 Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn den Jüngern, und sie tranken alle daraus. 24 Und er sagte zu ihnen: Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. Mt 26,26-28: 26 Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und eßt; das ist mein Leib. 27 Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinkt alle daraus; 28 das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Folie 83 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Lk 22,19f: 19 Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! 20 Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird. 1 Kor 11,23-25: 23 Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, 24 sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! 25 Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! Folie 84 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Für die innerste Personalität Jesu bedeutet dies ein mehrfaches: Im Angesicht des Todes und im Hinblick auf die eigene absolute Hilflosigkeit und Ohnmacht bewährt sich nochmals Jesu relationales Selbstverständnis zum Vater hin. Für die Soteriologie bedeutet dies: Der letzte Heils/sinn dieses Sterbens liegt nicht in einem dar-zu-bringenden Opfer, sondern es liegt in der Hingabe aus Liebe. Der Vater lässt es zu, dass der menschgewordene Logos durch seinen Tod nochmals die radikale Ablehnung der Menschen von innen einholt. Jesus, der Mensch, entsprechend geht seine letzten Schritte im Gehorsam gegenüber der väterlichen Sendung. Durch die Selbsthingabe des Menschen Jesus, auch in den Heilswillen Gottes hinein, vollendet sich die totale Liebe für die Verlorenen. Folie 85 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.1.6.4 Prozess und Hinrichtung 2.1.6.5 Ansätze zu einer Theologie des Kreuzestodes a) Grundsatzüberlegungen b) Neutestamentliche Interpretationswege Nach Röm 8,32 wie auch nach Joh 3,16; 10,17-18 erwirkt die „Dahingabe“ des „Sohnes Gottes“ „für uns alle“ die Versöhnung: Opferlamm (vgl. Joh 1,29; 1 Kor 5,7); der Opferpriester (vgl. Hebr 3,14ff und 9,14), Sühnende (vgl. Röm 3,25), Rechtfertigende (Röm 5,9), der den Neuen Bund Besiegelnde (Mt 26,28 parr und 1 Kor 11,25). Jesu Hingabe für uns geht bis zu einem Platztausch. Der Preisgegebene wird „zur Sünde gemacht“ (2 Kor 5,21) und „zum Fluch“ (Gal 3,13), damit wir „Gottes Bundesgerechtigkeit werden“ (vgl. 2 Kor 8,9; Joh 1,29; Röm 5,18; 6,3ff). Die Frucht des Versöhnungsgeschehens kann als Befreiung des Menschen verstanden werden: aus der Sklaverei der Sünde (Röm 7; Joh 8,34), des Teufels (Joh 8,44), „des Gesetzes der Sünde und des Todes“ (Röm 8,2) durch das „Lösegeld“ (Mk 10,45 par) des Blutes Christi (vgl. 1 Kor 6,20; 7,32; 1 Petr 1,18f). Jesu Tod ist Befreiung zur Mit-Sohnschaft (vgl. Eph 1,5ff), indem wir „Glieder seines Leibes“ werden (1 Kor 12; Eph 4 u. ö.). Mit dem Geist Christi begnadet, dürfen wir Gott unFolie 86 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie seren Vater nennen (vgl. Gal 4,6f; Röm 8,10-17; Gal 5,13.18-25; Joh 8,31f). Aufgrund der erbarmenden Liebe des Vaters (vgl. Röm 8,39) und Christi (ebd. 35) ist der Sohn vom Vater „für uns alle dahingegeben“ worden (ebd. 32). Die übergroße Liebe Gottes zur Welt hat ihn bewogen, seinen Sohn preiszugeben (vgl. Joh 3,16) und auf diese Weise die Welt mit sich zu versöhnen (2 Kor 5,19; Kol 1,20). Folie 87 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie c) Die Rede vom „stellvertretenden Sühneopfer“ "Bei Paulus begegnet ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Versöhnungsvorstellung und dem Stellvertretungstod Jesu. Dieser Zusammenhang ist vorpaulinisch nicht nachzuweisen. Erst Paulus hat ihn hergestellt, indem er die profane katalassein-Vorstellung, die schon in der vorpaulinischen Tradition eine Rolle spielte (2 Kor 5,19a.b), mit der ebenfalls der vorpaulinischen Tradition entstammenden Vorstellung von Christi Tod 'für uns' verknüpfte (2 Kor 5,14.21; Röm 5,6-8). Mit den neutestamentlichen Texten wollen wir vom Tod Christi 'für uns' bzw. 'für unsere Sünden' als stellvertretendem Sühnetod reden. Wenn man hier nun den Begriff 'Sühne' einführt, bringt man die Sache allerdings auf einen Nenner, der in den paulinischen Texten selbst fehlt, da die Sühneterminologie an keiner Stelle mit Für-uns-Wendungen verbunden ist. Solange diese Tatsache beachtet wird und man sich darüber im klaren ist, dass die Vorstellung von Jesu Tod für uns traditionsgeschichtlich der deutero-jesajanischen 'Sühne'-Vorstellung, einer Sonderausprägung der alttestamentlichen Sühnevorstellung, entliehen ist, kann man vom stellvertretenden Sühnetod Christi als dem Ermöglichungsgrund der paulinischen Versöhnungsvorstellungen reden. Paulus interpretiert die Versöhnungsvorstellungen so, daß Versöhnung durch den stellvertretenden Sühnetod Christi ermöglicht wird ...". (Cilliers Breytenbach, Versöhnung. Eine Studie zur paulinischen Soteriologie (WMANT 60), Neukirchen-Vluyn 1989, 221.) Folie 88 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie ca) Prinzip Stellvertretung exklusive Stellvertretung Eine Leistung wird vollkommen von einem Vertreter abgegolten und braucht von dem Vertretenen nicht mehr erbracht werden. Eine solche Vorstellung entspricht jedoch nicht dem neutestamentlichen Befund. inklusive Stellvertretung Jesus wird verstanden als Repräsentant der Menschheit insgesamt, so daß sich an ihm paradigmatisch vollzieht, woran wir proleptisch, das heißt im Spannungsfeld von Gegenwart und Eschaton, Anteil haben (vgl. Röm 6,5; vgl. 2 Kor 5,14.17f; Röm 6,13f). Folie 89 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie cb) Sühne als theologische Kategorie Gott als Subjekt des Sühnegeschehens Trinitarischer Rahmen der Stellvertretung Jesu Eröffnung neuer Gottesgemeinschaft für den Sünder Dahlfert, Der Gekreuzigte Auferweckte, S. 271: „Von der Heilsbedeutung des Todes Jesu zu sprechen heißt, von diesem Tod so sprechen, daß das zur Sprache kommt, was das Neue Testament von ihm zu sagen sucht, wenn es ihn als Sühneopfer zur Sprache bringt.“ die kultkritische Pointe Nach Hartmut Gese ist Sühne die Inkorporation in die Gemeinschaft mit Gott, also Wiederherstellung des Lebens-Kontaktes. Als eschatologische Sühne Chisti ist das Handeln Gott universal entschränkt, d.h. ein für allemal geschehen (vgl. 1Joh 2,2). Dahlfert spricht von einer Identitätsübertragung im Glauben, durch die der Tod Jesu für uns zum Heil wird, d.h. uns an der eschatologischen Nähe Gottes Anteil gibt. Ihre Voraussetzung ist die Inkorporation Gottes in Jesus bis zu seinem Tod am Kreuz. An die Stelle der das alttestamentliche Opfer strukturierenden Elemente von Konsekration und Inkorporation treten also Gottes Liebeshandeln und der Glaube. Folie 90 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Die bleibende anthropologische Relevanz der Sühne Menschen sind bereits vorbewusst aufgrund ihrer Leiblichkeit und im Blick auf das Geheimnis ihres Seins untereinander verbunden. Die ontologische Verbundenheit lässt sich mit dem Göttlichen, das uns auf Gologotha offenbart wurde in Beziehung setzen. Dann kann unsere Solidarität für andere als Sendung durch jenen verstanden werden, der, in Solidarität mit uns, sühnend für uns ans Kreuz gegangen ist - aus Liebe. Fazit: Der Begriff der Sühne ist von der Solidarität der Menschen untereinander sowie von der Proexistenz Christi her zu verstehen. Dabei wird dem Menschen nicht seine Verantwortung abgenommen; er bleibt unvertretbar. Wohl aber wird dem Menschen dort beigestanden, wo er mit seinen eigenen Möglichkeiten am Ende ist, so dass er aufs neue seiner Verantwortung in Freiheit und Liebe gerecht werden kann. So ist der Mensch in der stellvertretenden Sühne eines anderen getragen und umgriffen vom Mit-Sein des anderen. An der Stelle unseres Versagens befreit uns Christus. Folie 91 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie d) Trinitarische Ausfaltung (Hans Urs von Balthasar) Wie kommen im Fokus des Kreuzes Liebe und Sünde überein? 1. These: In Christus als Bruder der Menschen ist der Mensch ernstgenommen. Gerade in seiner sündhaften Situation ist die Befreiung von ihm selbst her nicht mehr möglich, weshalb Jesus stellvertretend für uns diese Befreiung in Liebe bewirkt. 2. These: Der eigentlich Handelnde im Kreuzesdrama ist und bleibt Gott, der damit seinem innersten Wesen entspricht und so auch seiner fehlgegangenen Schöpfung treu bleibt, um sie zu ihrer eigentlich vorbestimmten Vollendung zu führen. 3. These: Die absolute Liebe Gottes in Jesus läßt sich so sehr auf das Ränkespiel sündhafter Weltstrukturen ein, daß die Sünde von innen heraus aufgesprengt werden kann, wovon allerdings erst der Sieg der Auferstehung Zeugnis ablegt. Folie 92 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.2. Der auferweckte und erhöhte Christus 2.2.1 Der neutestamentliche Befund 2.2.1.1 Alte Bekenntnisformeln a) Eingliedrige Auferweckungsformeln „Gott, der Jesus aus (von) den Toten auferweckt hat“ oder „Gott hat Jesus aus (den) Toten auferweckt“: 1 Thess 1,10; Gal 1,1; 1 Kor 6,14; Röm 4,24; 8,11; Apg 2,24.32 u. ö.; passivisch: Röm 6,4.9; 7,4; 1 Kor 15,12.20; Mk 16,6 par u. ö.; als Auferstehungsformel: 1 Thess 4,14; Mk 8,31 par; 9,9f. 31 par; 10,34 u. ö. Folie 93 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie b) Ausgestaltete Auferweckungsformeln Die Auferstehungsformeln wurden erweitert 1. auf die alles auslösenden Erscheinungen hin: 1 Kor 14,4f; Lk 24,34; Apg 10,39 u. ö. 2. im Hinblick auf die gegenwärtige Heilsmittlerstellung des erhöhten Herrn: Röm 1,3f; 10,9; 8,34 u. ö. 3. im Hinblick auf sein Sterben: 1 Thess 4,14; Röm 8,34; Mk 8,31 u. ö. und dessen soteriologische Bedeutung: 1 Kor 15,3-5; Röm 4,25 u. ö. 4. im Blick auf Taufe und Bekehrung: Röm 6,3f; Kol 2,12f; Eph 2,5f; 5,14 sowie auf die eigene Auferstehung der Christuszugehörigen: 1 Thess 4,13ff; 1 Kor 15,12ff u. ö. Folie 94 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.2.1.2 Späte Ostererzählungen a) Die Erzählungen vom leeren Grab Ob das Grab nun leer war oder nicht, ist historisch umstritten: 1. Da Frauen, die das Grab entdeckten, nach jüdischem Recht nicht zeugnisfähig waren, ist der Bericht keine Legende. Aber: Nach V. 8 besteht die Aufgabe der Frauen nicht im Zeugnisgeben; überdies könnte diese Erzählung im hellenistischen Milieu entstanden sein, wo Frauen durchaus Zeugnisrecht hatten. 2. Die Zeitangabe am dritten Tag bzw. nach drei Tagen (vgl. Mk 14,58) stimmt überein mit der Aussage „am ersten Tag der Woche“ (z. B. Mk 16,1), also der Gemeindezusammenkunft, die nicht mehr am Sabbat, sondern am Sonntag stattfand. Aber: Die Zeitangabe „am dritten Tage“ z. B. in 1 Kor 15,4 ist eine theologische Aussage, wonach Gott seinen Getreuen nicht länger als drei Tage allein lässt (Hos 6,2). 3. Die jüdische Polemik hat das leere Grab nicht bestritten, sondern nur anders gedeutet (vgl. Mt 28,15; Joh 15,20). Aber: Diese Texte gehören einer späteren Reflexionsstufe an. 4. Die Auferstehungsbotschaft hätte sich nicht in Jerusalem halten können, hätte es den Leichnam im Grab gegeben. Aber: Ein solches Zeigen des Leichnams war nicht möglich, nicht einmal für den Fall, dass das Grab leer war. Denn das Öffnen des Grabes war weder den Freunden noch den Gegnern Jesu zuzutrauen. Folie 95 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie b) Die Erscheinungserzählungen Sichtet man die Erscheinungserzählungen, so sind vier Motive zu eruieren: 1. Bestätigung der Auferstehung durch die persönliche Erscheinung des Herrn. 2. Beauftragung und Sendung (vgl. Mt 28,16-20; Lk 24,3649; Joh 20,19-23). Aus der personalen Begegnung (Mt 28,18; Lk 24,36b.45f; Joh 20,19.21) erfolgt die Sendung (vgl. Mt 28,19f; Lk 24,47f; Joh 20,21b), verbunden mit der Verheißung einer bleibenden Gegenwart des Erhöhten (vgl. Mt 28,20; Lk 24,49; Joh 20,22). 3. Wiedererkennung: Lk 24,13-31; Joh 21,4b.9.12f; Joh 20,2429; Lk 24,33-35; Joh 20,24; Lk 24,31; Joh 20,17a.29; Lk 24,15f; Joh 20,14ff; Lk 24-30-32; Joh 21,12f; Mt 18,20. 4. Identitätsbeweis aufgrund vorangegangenen Zweifels, insbesondere bei Lk und Joh (Lk 24,36-43; Joh 20,19f.24-29), bei dem die Pole Unberührbarkeit und Berührbarkeit einen dialektischen Zusammenhang bilden (vgl. Lk 24,39; Joh 20,20.27). Fazit: Älter als alle Ostererzählungen, ob Grabes- oder Erscheinungserzählungen, ist die Überzeugung, daß der Gekreuzigte lebt und den Jüngern begegnet ist. Folie 96 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie Auferstehung und Erscheinungen Jesu: Historisch konstatierbare Sachverhalte öffentliches Wirken Jesu Tod Jesu am Kreuz (vgl. Dtn 21,23) ca. 30 nC Flucht/Heimkehr nach Galiläa Wende im Jüngerverhalten ? auslösendes X ? Rückkehr nach Jerus./Urgemeinde/ Behauptung der Auferweckung Jesu: eingliedrige Auferweckungsformel (z. B. Röm 4,24; 10,9; Apg 2,32; Mk 9,9f; Mt 28,7) mehrgliedrige Auferweckungsformeln (z. B. Röm 4,25; 6,3f; 8,34; 1 Kor 15,3-5; Lk 24,34) Behauptung von Erscheinungen ca. 35/37: Paulus sieht Petrus + Jakobus in Jerusalem (15 Tage) ca. 50/51: Paulus gibt den Kor die erhaltene Tradition weiter: 1 Kor 15,3-5: Christus gestorben (Aor.) für unsre Sünden ndS begraben (Aor.) auferweckt (dur. Perf.) am 3. Tag ndS erschienen (Aor.) dem Kephas, dann den Zwölfen; 15,6-7 500, Jakobus, allen Aposteln; (15,8f fügt Paulus an: zuletzt auch mir) Gal 1,12.15f; 1 Kor 9,1; Phil 3,8-12 Grabfindungserzählungen (Jerusalem) Mk 16,1-8 (ca. 70) Mk 16,7 Erscheinungserzählungen (Galiläa) (Beauftragung oder Rekognition) Lk 24,1-11 Mt 28,1-15 Mt 28,16-20 Lk 24,13-53 (12) Joh 20,19-29 Joh 20,1-18 21,1-23 Mk 16,9-16 (Hans Kessler, Sucht den Lebenden nicht bei den Toten. Die Auferstehung Jesu Christi in biblischer, fundamentaltheologischer und systematischer Sicht, Würzburg 1995, 158.) Folie 97 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.2.2 Hermeneutische Voraussetzungen zur Entstehung des Auferstehungsglaubens Niemand ist unmittelbarer Zeuge des Auferstehungsereignisses gewesen. Wenn das NT hier dennoch Brücken schlägt, so mit Hilfe der Kategorie der Begegnung. Auslösender Faktor sind (nach dem vorpaulinischen Traditionsstück in 1 Kor 15,3-7) die Erscheinungen. Handelndes Subjekt ist in dem ganzen Geschehen Gott bzw. Jesus, und von diesem Initialereignis her wird der Auferstehungsglaube in den Jüngern grundgelegt. Paulus qualifiziert den Inhalt dieses Widerfahrnisses in Gal 1,15f als Offenbarung Jesu als Sohn Gottes. Diese Beschreibungen im NT verbieten es, den Osterglauben von psychologisch bedingten, subjektiven Visionen der Jünger herzuleiten. Von dieser Erfahrung her kann man dann rückwirkend sagen, dass die Auferstehung ein historisches Ereignis ist, also ein Ereignis, bei dem der tote Jesus als Mensch dieser Welt in das Leben Gottes übergegangen ist. Folie 98 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie 2.2.3 Inhalte des Auferweckungsglaubens in systematischer Perspektive 2.2.3.1 Zum Zeugnis berufen 2.2.3.2 Sprachmodelle für die Auferweckung Jesu a) Sprachmodell: Auferstehung bezeichnet ursprünglich den Akt des Aufrichtens oder Aufstehens vom Schlaf oder von einer Krankheit. Es ereignet sich eine vollkommen neue Tat in die herkömmliche Welt hinein, die eine Störung der bisherigen Zusammenhänge bedeutet. b) Sprachmodell: Erhöhung Phil 2,8f, Apg 2,32f, 1 Tim 3,16, Röm 10,9 u. ö. Aufnahme in Gottes Leben und seine Macht. Der Gekreuzigte ist durch Auferweckung und Erhöhung zur Rechten Gottes zum Messias (vgl. Apg 2,36), zum Sohn Gottes (vgl. Röm 1,4) bzw. zum Kyrios (vgl. Apg 2,36; Phil 2,11) eingesetzt: 1. Aspekt: Die Macht und Herrschaft des erhöhten Gekreuzigten 2. Aspekt: Der erhöhte Herr besitzt eine universale Heilsmittlerschaft 3. Aspekt: Erhöhung als Himmelfahrt Folie 99 Prof. Dr. O. Meuffels, Christologie c) Sprachmodell: Leben Mit dem Begriff Leben wird die Auferstehungsthematik in hellenistisches Denken übersetzt. Der Gekreuzigte ist „am Leben“ (Röm 6,10; 2 Kor 4,10f; 13,4; Apg 25,19; Lk 24,23); er ist „lebendig“ (Lk 24,5; Apg 1,3); „er stirbt nicht mehr“ (Röm 6,9; Apg 13,34). Folie 100