Raumfahrt - Science on Stage Deutschland

Werbung
60 C
Vom Fahrrad zum Weltraum
Dionysis Konstantinou · Corina Toma
C
Raumfahrt
Vom Fahrrad zum Weltraum
Length of theCDay61
Einführung
Stellen Sie sich die Reise zwischen zwei Planeten vor. Warum müssen wir uns erst in kreisförmigen Bahnen bewegen anstatt den direkten Weg einzuschlagen? Vor Beginn
unserer Reise müssen wir Folgendes in Betracht ziehen:
die Umdrehungsgeschwindigkeit des Planeten, von dem
wir starten, die notwendige Geschwindigkeit des Raumschiffs, den optimalen Zeitpunkt, das Raumschiff zu starten
(denn wenn wir den verpassen, fliegen wir am Zielplaneten vorbei, ohne es überhaupt zu merken), und die Treibstoffmenge, die bei der Reise verbraucht wird (schließlich
gibt es im Weltraum keine Tankstellen). In dieser Unterrichtseinheit lernen die Schüler, wie ein Raumschiff seine
Umlaufbahn um einen Planeten erreicht und wie es dann
von einem Planeten zum nächsten auf einer HohmannTransferbahn fliegt. Die Einheit eignet sich für Schüler im
Alter zwischen 12 und 19 Jahren und die beteiligten
­Fächer sind: Physik, Mathematik, Informatik und Biologie.
hilfsmittel
Die Schüler benötigen folgende Hilfsmittel: Intel Dual Core
Computer mit 2GB RAM, 3D-beschleunigte Grafikkarte;
Betriebssystem: Windows, Mac OSX oder Linux; Bildschirmauflösung: mind. 1024x768; installierte Software:
Oracle Java JRE 1.6; Lizenzmodell: LGPL, Internetzugang.
Für diese Unterrichtseinheit wurden zwei Java-SoftwareAnwendungen erstellt: „Orbiting and Escaping“ und „Solar
System Travel” (siehe www.science-on-stage.de).
inhalt
Wir wiederholen das Newtonsche Gravitationsgesetz, die
Größen der Kreisbewegung, die Keplerschen Gesetze sowie
die potentielle und kinetische Energie im Gravitationsfeld.
Kreisen um einen Planeten und Austreten aus der
­Einflusssphäre des Planeten
Die Schüler sollen vertraut werden mit dem Wert physikalischer Merkmale bei der kreisförmigen Bewegung eines
Satelliten um einen Planeten oder bei der Drehbewegung
eines Planeten. Sie haben die Aufgabe, die Umlaufgeschwindigkeit in nächstmöglicher Nähe des Planeten und
die notwendige Geschwindigkeit für den Austritt aus dem
Gravitationsfeld dieses Planeten zu untersuchen. Formeln für diese beiden Geschwindigkeiten können sie mit
dem Programm „Orbiting and Escaping” aufstellen und
die Werte mit dem Programm „Solar System Travel” überprüfen.
Die Anwendung „Orbiting and Escaping” basiert auf Newtons Berg-Modell. Isaac Newton beschrieb einen hypothetischen Versuch: Würde man auf den Gipfel des höchsten
Berges der Erde steigen und von dort ein Projektil horizontal mit der geeigneten Geschwindigkeit abschießen, hätte
man, gäbe es die Erdatmosphäre nicht, dieses Projektil in
einen künstlichen Satelliten verwandelt, der um die Erde
kreist.
Reisen zwischen zwei Planeten auf einer HohmannTransferbahn
Bei Anwendung des Programms „Solar System Travel”
müssen die Schüler entscheiden, zwischen welchen Planeten sie reisen möchten. Mit Klick auf die HOHMANNSchaltfläche können sie die Übergangsellipse zwischen
den Planeten sehen. Die Ellipse verlagert ihre Position mit
der Drehung des Startplaneten. Sie wartet auf den richtigen Moment, in dem die Positionen der Planeten die Reise
gestatten. Das Programm zeigt das Raumschiff auf seinem Flug zwischen den Planeten und errechnet die für
das Erreichen des Ziels benötigte Zeit.
Der Hohmann-Transfer kann mit nur geringem Schub am
Anfang und Ende der Reise durchgeführt werden. Auf der
Ellipse ist der Treibstoffverbrauch minimal, da die Änderungen der kinetischen Energie am geringsten sind.
Von einer Kreisbahn mit dem Radius r1 zu einer anderen
Kreisbahn mit dem Radius r2 gelangt man auf einer elliptischen Flugbahn mit der Hauptachse = r1+ r2, der sogenannten Hohmann-Transferbahn ¸.
Das Raumschiff muss seine Geschwindigkeit zweimal ändern, einmal am Anfang der elliptischen Flugbahn und
¸ Hohmann-Transferbahn
62 C
Vom Fahrrad zum Weltraum
einmal am Ende. Dies geschieht durch den sogenannten
Geschwindigkeitsimpuls delta-v (Δv). Diese Geschwindigkeitsänderung ist ein Maßstab für die „Kraft“, die für
die Änderung der Flugbahn mittels eines Bahnänderungsmanövers notwendig ist.
Es wird angenommen, dass sich das Raumfahrzeug auf
der anfänglichen Umlaufbahn mit dem Radius r1 mit der
Geschwindigkeit v1 bewegt und auf der letzten Umlaufbahn mit dem Radius r2 mit der Geschwindigkeit v2. Die
Gravitationskraft entspricht der Zentrifugalkraft:
,
wobei M die Masse der Sonne, m die Masse des Raumfahrzeugs und G die Gravitationskonstante darstellt. Die
Geschwindigkeiten v1 und v2 sind gegeben durch:
und
wobei
.
Die Lösung dieser Gleichung ergibt die Geschwindigkeit
am Ausgangspunkt der elliptischen Flugbahn (Perihel) v’1
und der Geschwindigkeit am Endpunkt der elliptischen
Flugbahn (Aphel) v’2:
und
2r2
r1+r2
2
r1+r2
2
r2
2r1
.
r1+r2
2
r1+r2
In diesem Fall kommt es zu folgenden Geschwindigkeitsänderungen:
2r2
r1+r2
und
.
❙❙ Warten auf den richtigen Moment
Die Anordnung der beiden Planeten in ihren Umlaufbahnen
ist entscheidend – der Zielplanet und das Raumschiff
müssen zur selben Zeit am selben Ort in ihren jeweiligen
Umlaufbahnen um die Sonne ankommen. Dieses Übereinstimmungserfordernis führt zum Konzept der Startfenster.
.
Der Transfer besteht aus einem Geschwindigkeitsimpuls
Δv1, der das Raumschiff auf eine elliptische Umlaufbahn
treibt, und einem weiteren Geschwindigkeitsimpuls Δv2,
der das Raumfahrzeug auf die Kreisbahn mit dem Radius
r2 und der Geschwindigkeit v2 befördert. Die Gesamtenergie des Raumfahrzeugs besteht aus der Summe der kinetischen und potentiellen Energie und ist gleich der Hälfte
der potentiellen Energie auf der großen Halbachse a:
2
r1
Wichtig
❙❙ Wenn Δvi > 0, dient der Antriebsimpuls des Raumfahrzeugs der Beschleunigung; wenn Δvi < 0, dient der Antriebsimpuls des Raumfahrzeugs der Abbremsung.
❙❙ Die Transferzeit vom Perihel zum Aphel ergibt sich
nach dem dritten Keplerschen Gesetz:
.
Schüleraktivitäten bei der Anwendung des Programms
„Orbiting and Escaping”
Wie ermittelt man die erste und zweite kosmische
­Geschwindigkeit? Die Schüler können die Kreisbahngeschwindigkeit um die Erde (Erste kosmische Geschwindigkeit) und die Fluchtgeschwindigkeit (Zweite kosmische
Geschwindigkeit) mit der „Earth“-Option der Anwendung
ermitteln. Sie können erkennen, welche Auswirkungen es
Vom Fahrrad zum Weltraum
Length of theCDay63
hat, wenn die Anfangsgeschwindigkeit größer bzw. kleiner­
als die erste kosmische Geschwindigkeit ist
überprüfen, die sie soeben mithilfe der ersten Anwendung ermittelt haben.
Wie definiert man zwei Formeln mithilfe dieser Anwendung? Die Schüler bestimmen die Formeln für die Kreisbahngeschwindigkeit eines umlaufenden Satelliten um
einen Himmelskörper und für die Fluchtgeschwindigkeit
dieses Körpers mittels einer grundlegenden Versuchsmethode. Durch diesen Arbeitsvorgang kommen sie mit den
besonderen Aspekten von Newtons universellem Gravitationsgesetz in Berührung. Auf der ersten Stufe ergibt sich
für die Schüler beim Sammeln und Verarbeiten der Anwendungsdaten jede Formel als Proportionalität. Auf einer höheren Stufe definieren sie den Koeffizienten dieser
Proportionalität und wandeln diese in eine Gleichung um.
Mit der SHIFT-Taste können die Schüler den Blickwinkel
auf die Umlaufbahnen verändern und das Bild mit der
­SCROLL-Taste der Maus vergrößern oder verkleinern.
Mit der Option „Green planet” (für jede Anordnung außer
Mi/MEarth = 1 und Radius = 6400 km, wobei Mi die Masse
des Planeten in Massen der Erde ausgedrückt) können
die Schüler die Formel für die Umlaufgeschwindigkeit definieren. Dafür wählen sie einen Wert für den Radius des
Planeten und notieren die Kreisbahngeschwindigkeit für
verschiedene Massewerte des Planeten. Ziehen sie eine
Schlussfolgerung aus der Abhängigkeit zwischen Kreisbahngeschwindigkeit und Masse des Planeten, drücken
sie dies als Proportionalität aus. Wiederholen sie dieselben Schritte für einen festen Wert der Masse des Planeten und variable Werte von R (Radius + Höhe), erhalten
die Schüler eine zweite Proportionalität.
Das Verfahren zur Ermittlung der Formel für die Kreisbahngeschwindigkeit um einen Planeten ist abgeschlossen, wenn die Schüler die Proportionalität in eine Gleichung umwandeln. Zunächst verbinden sie die beiden
Proportionalitäten zu einer. Dann zeichnen sie den Graphen für v2 = f(Mi / R), wobei Mi in kg ausgedrückt wird,
mit MEarth = 6·1024 kg. Aus der Steigung des Graphen erhalten die Schüler den Koeffizienten, mit dem sie die
­Gleichung bestimmen können.
Stellen sie die gleichen Überlegungen an und führen die
gleichen Schritte wie bei der oben beschriebenen Vorgehensweise aus, können die Schüler die Formel für die
Fluchtgeschwindigkeit, vescape, definieren.
Schüleraktivitäten bei der Anwendung des Programms
„Solar System Travel”
Die Schüler führen die Anwendung aus und können eine
Reise zwischen zwei Planeten wählen. Sie können die
Werte der Anfangsgeschwindigkeiten für jeden Planeten
und die Hohmann-Bahn ablesen und sie mit den Formeln
Die elliptische Hohmann-Bahn (gestrichelt) führt eine
Rotationsbewegung vom Startplaneten des Raumschiffs
aus. Die Schüler klicken auf die HOHMANN-Schaltfläche
und warten solange, bis die Ellipse anhält. In diesem
­Moment startet das Raumfahrzeug seine Reise, da die
Stellung der Planeten günstig ist.
Untersuchen von Umlaufgeschwindigkeiten und
­Umlaufzeiten verschiedener Planeten
Nimmt der Umlaufradius zu, können die Schüler daraus
schließen, dass dadurch die Geschwindigkeiten der Planeten abnehmen und die Umlaufzeiten steigen. Die Schüler
können Graphen zeichnen, die die Planetengeschwindigkeit und -umlaufzeit in Abhängigkeit vom Umlaufradius r
darstellen, v = f(r) und T = f(r).
Vergleich verschiedener notwendiger Geschwindigkeitsimpulse (Delta-v)
Die Schüler wählen eine Hohmann-Transferbahn von der
Erde zur Venus oder zum Merkur aus. Sie können beob-
64 C
Vom Fahrrad zum Weltraum
achten, dass Δvi < 0 ist. Reisen sie zu einem der anderen
Planeten, die weiter von der Sonne entfernt sind, werden
sie beobachten, dass Δvi > 0 ist. Daraus können sie
schließen, dass das Raumfahrzeug bei einer Reise von einer kleinen auf eine größere Umlaufbahn beschleunigen
muss und dass es, umgekehrt, bei einer Reise von einer
größeren auf eine kleinere Umlaufbahn abbremsen muss.
Der Treibstoffverbrauch ist derselbe.
Vergleich Delta-v-Geschwindigkeiten –
Fluchtgeschwindigkeiten ve
Wenn die Schüler in einer Tabelle die delta-v-Werte für jede
Reise und die Fluchtgeschwindigkeit ve für jeden Planeten
notieren, können sie beobachten, dass die Werte in manchen Fällen sehr nahe beieinander liegen. So ist es zum
Beispiel unmöglich von der Erde zum Uranus auf einer
Hohmann-Bahn zu gelangen, dafür müssen alternative
Lösungen gefunden werden.
Mögliche körperliche Schäden der Astronauten
Die Schüler vergleichen mithilfe des Programms die
Transferzeit t der verschiedenen Reisen. Sie können erkennen, dass sich die notwendige Reisezeit unter Berücksichtigung des geeigneten „Startfensters“ erheblich verlängern kann. In diesem Fall müssen sie die
physiologischen Folgen einer verlängerten Reise im Weltraum im Zustand der Schwerelosigkeit (zum Beispiel
Schwächung der Knochen oder Überbelastung des Herzmuskels), unter Röntgen- und Gammastrahlung (Zellschädigungen) und im Zustand der Längsbeschleunigung
(übermäßige Konzentration von Blut in Kopf oder Füßen
der Astronauten) in Betracht ziehen. Die Schüler suchen
Material über die biologischen Schäden einer Reise im
Weltraum und erstellen Schaubilder zu diesem Thema.
schlussfolgerung
Bei der Durchführung dieser Simulationen können die
Schüler ihr Wissen über das Sonnensystem und die
Raumfahrt ausbauen und vergleichen. Dadurch erweitern
sie ihren Horizont und werden auf die verschiedenen Problemstellungen bei der Raumfahrt aufmerksam gemacht.
Wie bereits erwähnt, handelt es sich um ein interdisziplinäres Konzept, das nicht nur Physik und Informatik, sondern auch Biologie und Mathematik mit einbezieht.
Als Erweiterung dieses Themas können die Schüler auch
etwas über die Störungen erfahren, die bei dieser Art der
Fortbewegung auftreten können, wie zum Beispiel: Störungen durch Drittkörper, Luftwiderstand und Solarstrahlung, oder sie können andere Bahnänderungsmanöver
ausprobieren, wie die Gravitationsschleuder und den
Oberth-Effekt.
Herunterladen