Kapitel 8: Experimentelle Aspekte der Spektroskopie Übersicht: 8.1 Spektrale Linienformen und -breiten 8.2 Laser 8.3 Methoden der Laserspektroskopie Literatur: W. Demtröder, Laser Spectroscopy, 4. Aufl., Springer 2008 8.1 Spektrale Linienformen und -breiten Die Linien in einem Spektrum sind nicht unendlich schmal, sondern weisen eine endliche Form und Breite auf. Das Verständnis dieser Phänomene ist essentiell, um quantitative Informationen wie Probenkonzentration und Übergangsmomente zu erhalten. Spektrale Linien sind einer Reihe von Verbreiterungsmechanismen unterworfen: • • • • Natürliche Linienverbreiterung (Lebenszeitverbreiterung) Dopplerverbreiterung Kollisionsverbreiterung Leistungsverbreiterung 8.1.1 Natürliche Linienverbreiterung (Lebenszeitverbreiterung) Die natürliche Linienverbreiterung wird durch die Lebenszeit des angeregten Zustandes hervorgerufen. Eine untere Grenze für die energetische Breite des Zustands ist in jedem Fall durch die Energie-Zeit-Unschärfe gegeben: Δt ΔE≥h/4π. Die Lebenszeit kann durch die in Abschnitt 7.4 beschriebenen Prozesse limitiert sein, in jedem Fall aber durch die spontane Emissionsrate aus diesem Zustand. Wenn der angeregte Zustand gemäss einem Geschwindigkeitsgesetz erster Ordnung zerfällt: dN2 = N N2 , (8.1.1) dt Zerfallskonstante dann ist die Linienform durch eine LorentzFunktion gegeben: N (8.1.2) Intensität der Linie Zerfallskonstante = Linienbreite (volle Linienbreite auf halber Höhe = full width at half maximum, FWHM) Die natürliche Linienbreite ΓN entspricht dem Kehrwert der Lebenszeit τ des angeregten Zustands: falls [ΓN]=[ω] !!! (8.1.3) Wenn spontane Emission der einzige Zerfallsprozess ist, kann man Gl. (8.1.1) mit Gl. (4.4.5) vergleichen: (4.4.5) N = A21 (8.1.4) falls [ΓN]=[ω] !!! Der Einstein A-Koeffizient kann also direkt aus der Linienbreite abgelesen werden ! 8.1.2 Dopplerverbreiterung Die Linienbreite kann weiters durch den Doppler-Effekt vergrössert werden: Geschwindigkeitsvektor des Moleküls Kreisfrequenz der Lichtwelle für das bewegte Molekül (8.1.5) Kreisfrequenz der Wellenvektor der Lichtwelle für ein Lichtwelle ruhendes Molekül Ein sich bewegendes Molekül nimmt also die Lichtwelle bei einer verschobenen Frequenz wahr. Weil Moleküle unter thermischen Bedingungen eine breite MaxwellBoltzmann-Verteilung von Geschwindigkeiten aufweisen, nimmt jedes Molekül die einstrahlende Lichtwelle bei einer anderen Frequenz wahr. Gemittelt über das gesamte Ensemble von Molekülen ergibt sich eine Verbreiterung der Spektrallinie. Die Doppler-verbreiterte Linienform ist durch eine Gaussfunktion wiedergegeben: (8.1.6) wahrscheinlichste Geschwindigkeit der Moleküle (8.1.7) Gaussförmige Linie wegen Dopplerverbreiterung Die Doppler-Linienbreite ΓD ist gegeben durch: (8.1.8) Die Temperatur der Probe kann also direkt aus der Doppler-Linienbreite abgelesen werden. Lorentzförmige Linie wegen Lebenszeitverbreiterung 8.1.3 Stossverbreiterung Wenn ein Molekül mit einem anderen Teilchen stösst, z.B. mit anderen Gasmolekülen oder Lösungsmittelmolekülen in der Flüssigphase, werden seine Energieniveaus durch die Wechselwirkung mit dem Stosspartner gestört. Findet während dem Stoss eine spektroskopische Anregung statt, so passiert diese bei einer leicht verschobenen Frequenz wegen der Wechselwirkung mit dem Stosspartner. In Gasen unter hohem Druck oder in der Flüssigphase finden ständig Stösse statt. In solchen Medien aufgenommene Spektren weisen daher immer verbreiterte Linien auf ! Stossverbreiterung ist die hauptsächliche Ursache für die stark verbreiterten Linien in Flüssigphasen-Spektren. Um hochaufgelöste Spektren mit schmalen Linien zu erhalten, ist es daher essentiell, in der Gasphase bei tiefem Druck zu arbeiten ! 8.2 Laser Viele moderne spektroskopische Experimente benutzen Laser als Lichtquellen. Wir beschäftigen uns daher kurz mit den Eigenschaften von Lasern und Laserstrahlung. LASER = light amplification by stimulated emission of radiation Anwendungen von Lasern: • • • • • • Optische Datenspeicher Schweissen Chirurgie Präzisionsmessungen, Interferometrie Kernfusion Laserpointer • • • • • Holographie Laserspektroskopie Initiierung und Kontrolle chemischer Reaktionen Laserkühlung Kohärente Manipulation von Materie und chemischen Reaktionen Elemente eines Lasers: • • • Aktives Medium: Medium zur Verstärkung einer elektromagnetischen (EM) Welle Pumpprozess: Prozess, der dem aktiven Medium Energie zuführt: • optisches Pumpen: Blitzlampen, andere Laser • elektrisches Pumpen: elektrische Anregung des aktiven Mediums, z.B. durch elektrische Entladungen Optischer Resonator: Kavität bestehend aus zwei hochreflektiven Spiegeln, die die EM-Strahlung speichern und einen Rückkopplungsmechanismus zu ihrer Verstärkung ermöglichen Optischer Resonator: • Strahlung wird durch stimulierte Emission im aktiven Medium erzeugt und zwischen den Spiegeln hin- und her reflektiert. Die erzeugten Photonen stimulieren so wiederum die Emission von weiteren Photonen. Rückkopplung: alle Photonen weisen den selben Wellenvektor, Frequenz und Phase auf. • Es bildet sich eine stehende Welle in der Kavität aus (longitudinale Resonator-Moden): n = Lc (8.2.1) 2 mit n= 1,2,3,... und der Länge des Resonators Lc. nc Mit c=λν folgt: ⌫= (8.2.2) 2Lc D.h. nur Wellen mit einer bestimmten Wellenlänge werden verstärkt ! Resonatorspiegel Bedingung für die Verstärkung der Strahlung: • Der Absorptionskoeffizient des Mediums ist definiert als (s. Gl. (4.3.3)): ↵12 (⌫) = [N1 • (g1 /g2 )N2 ] (4.3.3) 12 (⌫) Betrachte den Fall einer Inversion der Besetzungsdichten: (8.2.3) (g1 /g2 )N2 > N1 In diesem Fall ist α12<0 und die EM-Welle wird gemäss dem Lambert-Beer-Gesetz verstärkt, und nicht absorbiert: I(⌫) = I0 (⌫) exp{ ↵12 (⌫)L} (8.2.4) >0 falls α12<0 • Der Verstärkungsfaktor G pro Umlauf (=zwei Weglängen L in der Kavität) ist: I(⌫, 2L) G(⌫) = = exp{ 2↵12 L} I0 (⌫) def (8.2.5) Strahlungsverluste (Absorption, Streuung, imperfekte Spiegel, ...) führen zu einer Abschwächung der Welle mit einem Verlustkoeffizienten Υ: I(⌫) = I0 (⌫) exp{ } Man erhält somit für die totale Intensität pro Umlauf: I(⌫, 2L) = I0 (⌫) exp{ 2↵12 (⌫)L • } (8.2.6) (8.2.7) Daraus folgt die Bedingung für die Verstärkung der Welle: 2↵12 (⌫)L > (8.2.8) • Mit der Definition des Absorptionskoeffizienten Gl. (4.3.3) sowie der Definition def N = (g1 /g2 )N2 N1 (8.2.9) erhält man die sog. Schwellenbedingung für die Besetzungsdichten: N > Nmin = 2 12 (⌫)L (8.2.10) D.h. um Lasing (=Verstärkung der Welle) zu erhalten, muss die Differenz der Besetzungsdichten grösser als ΔNmin sein. Eigenschaften von Laserstrahlung: • Helligkeit: Laser können um viele Grössenordnungen intensiver als thermische Strahlungsquellen sein. • Monochromatizität: Die Breite der Laserstrahlung im Frequenzbereich Δν (Bandbreite) kann sehr klein sein aufgrund • der endlichen Linienbreite der Emissionslinien des aktiven Mediums. • der Frequenzselektivität des optischen Resonators. • von zusätzlichen wellenlängenselektiven Elementen, die in den Resonator eingebaut werden (Gitter, Prismen, Interferometer). • Direktionalität: Durch die stimulierte Emission ist die Laserstrahlung immer entlang der Resonatorachse gerichtet. • Kohärenz: Durch die stimulierte Emission besitzt die Lichtwelle eine wohldefinierte Phase → Interferenz und kohärente Phänomene. • Polarisation: Laserstrahlung kann durch polarisiationsselektive Optik im Oszillator polarisiert werden. Eigenschaften des aktiven Mediums: man wählt in der Regel ein aktives Medium, in dem sich ein quantenmechanisches 4-Niveau-System realisieren lässt. In einem solchen System kann leicht eine Populationsinversion zwischen den Niveaus |1⟩ und |2⟩ erreicht werden: |4〉 schnelle Relaxation |2〉 Pumpprozess |3〉 Lasing |1〉 schnelle Relaxation Bem.: in einem 2-Niveau-System lässt sich eine Populationsinversion in der Praxis nicht, in einem 3-Niveausystem nur in bestimmten Fällen realisieren (s. Übung 8). Beispiel 1: CO2-Laser • • • • Gas-Infrarot-Laser Aktives Medium: Mischung aus CO2, N2 und He Pumpprozess: elektrische Entladung Extrem leistungsstark: P ≈ 100 kW |2〉 • Anwendungen: • Laserschweissen • Chirurgie • Laserchemie Energietransfer durch Stösse |4〉 Lasing |1〉 Pumpprozess Stossrelaxation |3〉 Beispiel 2: Farbstofflaser • • einer der wichtigsten Laser für chemische und spektroskopische Anwendungen Aktives Medium: organischer Farbstoff in Lösung Generisches Energieniveaudiagramm eines Laserfarbstoffs |4〉 |2〉 |1〉 |3〉 • • Pumpprozess: Anregung durch andere Laser Anwendungen: • Spektroskopie • Analytik • Laserchemie Absorptions-/Emissionsspektrum von Rhodamin 6G • Durch die Wahl des Laser-Farbstoffs kann Laserstrahlung in verschiedenen Spektralbereichen erzeugt werden: breite Einsetzbarkeit für eine Reihe chemischer Probleme. Emissionsprofile gängiger Laserfarbstoffe Beispiel 3: Diodenlaser • • • Sehr kompakte Feststofflaser bestehend aus p-n Halbleiter-Dioden Strahlung wird durch die Rekombination von Elektronen im Leitungsband mit Löchern im Valenzband des Halbleiters erzeugt Pumpprozess = Zuführung von Elektronen (elektrischer Strom) p-n Halbleiterdiode • • Frequenz der emittierten Photonen bestimmt sich durch die Bandlücke des betreffenden Halbleiters (IR bis UV) Anwendungen: • optische Datenspeicherung (CD, DVD, BD) • Spektroskopie • Laserkühlung p-n Halbleiterdiode mit angelegter Vorspannung 8.3 Methoden der Laserspektroskopie Die besonderen Eigenschaften von Laserstrahlung werden in einer Reihe moderner spektroskopischer Methoden mit dem Ziel eingesetzt, eine möglichst hohe spektrale Auflösung und Messempfindlichkeit zu erreichen. Cavity-Ringdown-(CRD-)Spektroskopie: • Ziel: hohe Messempfindlichket durch Realisierung extrem langer Absorptionswege durch die Probe. Ideal für Substanzen in sehr hoher Verdünnung oder mit sehr kleinen Absorptionsquerschnitten. • Dies wird erreicht, indem die Probe in eine Kavität bestehend aus zwei hochreflektiven Spiegeln eingebracht wird. Kavität gefüllt mit Probe • Man beobachtet eine Serie von Lichtpulsen aus der Kavität, deren Intensität abnimmt gemäss: Nummer des Pulses Absorptionskoeffizient Länge der Kavität (8.3.1) Intensität des n-ten Puls • • Transmission Verlustkoeffider Spiegel zient der Kavität Der n-te Puls wird nach einer Zeit t beobachtet, die n Mal der Umlaufzeit tR in der Kavität entspricht: t = ntR = 2n`/c (8.3.2) Ein langsamer Lichtdetektor kann die einzelnen Pulse zeitlich nicht auflösen und mittelt über die Intensität der Pulse → ersetze n durch ct/2ℓin Gl. (8.3.1): mit (8.3.3) Abklingzeit (ringdown time) • • Der Absorptionskoeffizient α wird aus der Messung der Abklingzeit bestimmt. Typische Abklingzeiten sind im Bereich von ms entsprechend typischen Absorptions-Weglängen von einigen km ! Laser-induzierte Fluoreszenz-(LIF)-Spektroskopie • Prinzip: Anstatt die Abnahme der Laserintensität beim Durchgang durch die Probe (Absorbanz) zu messen, werden einzelne Photonen detektiert, die nach der Anregung durch spontane Emission aus dem angeregten Zustand entstehen. Dies ist mit extrem hoher Empfindlichkeit möglich. Spontane Emission • Die Probe muss hierfür fluoreszent sein. LIF wird hauptsächlich in der elektronischen Spektroskopie von Molekülen mit hohen Fluoreszenzraten verwendet. • Vergleich zwischen LIF- und CRD-Spektroskopie. Beispiel: das elektronische Spektrum von HNO (einem atmosphärischen Spurengas) Lit.: J. Pearson et al., J. Chem. Phys. 106 (1997),5850 • Die Unterschiede zwischen den Spektren werden durch unterschiedliche Zerfallsprozesse der angeregten Zustände erklärt. CRD liefert ein echtes Absorptionsspektrum, währen mit LIF nur fluoreszente angeregte Zustände detektiert werden können. Wenn strahlungslose Zerfälle viel effizienter als Fluoreszenz sind, können die betreffenden Zustände mit LIF nicht beobachtet werden. Resonanzverstärkte-Mehrphotonen-Ionisationsspektroskopie (resonance enhanced multiphoton ionization spectroscopy, REMPI): • Prinzip: Detektion geladener Teilchen (Kationen) anstelle von Photonen • Nach der Laseranregung absorbiert das Molekül ein oder mehrere weitere Photonen und wird ionisiert. • Die Ionisationsausbeute als Funktion der Laserfrequenz entspricht dem Absorptionsspektrum des ersten Anregungsschrittes. • REMPI wird hauptsächlich in der vibratorischen und elektronischen Spektroskopie eingesetzt. • Vorteil: extrem hohe Empfindlichkeit (man kann leicht einzelne Ionen detektieren) und Massenselektivität in Kombination mit einem Massenspektrometer • Beispiel: Gasphasen-UV-Spektroskopie von RNA/DNA-Basenpaaren (z.B. zur Untersuchung von Mechanismen zur Strahlungsschädigung von DNA/RNA) • Experiment: verschiedene Basenpaare und ihre Isomere wurden in der Gashase durch Laserdesorption von Mischungen der festen Basen erzeugt • Massenselektive Spektren der Komponenten der Mischung wurden durch REMPI erhalten andere Spezies Cytosin-Guanin-Isomere Abo-Riziq et al., Proceedings of the National Academy of Sciences 102 (2005), 20