Kapitel V Relativistische Wellengleichungen für Fermionen und Bosonen 119 V.1. RELATIVISTISCHE NOTATION Das Ziel der folgenden Ausführungen ist es, die Quantenmechanik mit der (speziellen) Relativitätstheorie konsistent zu machen. Die Verbindung von Quantenmechanik und spezieller Relativitätstheorie erfordert streng genommen eine Beschreibung durch die Quantenfeldtheorie. Hier beschränken wir uns im Wesentlichen auf die Betrachtung von relativistischen Wellengleichungen für Fermionen und Bosonen. V.1 Relativistische Notation Im CGS- bzw. SI System gilt ~ = 6.382 · 10−25 GeV s und ~ c = 0.1973 GeV fm . Natürliche Einheiten. Die Einheiten werden im Folgenden so gewählt, dass ~ = 1 und c = 1 ist. Damit sind sowohl Zeiten als auch Längen in reziproken Einheiten der Energie meßbar, 10−25 s = 1 6.582 GeV bzw. 10−15 m = 1 . 0.1973 GeV Indizes. Griechische Indizes (µ, ν, . . . ) bedeuten, dass der Index von 0 bis 3 läuft, lateinische Indizes (i, j . . . ), dass der Index nur über die räumlichen Komponenten, d.h. von 1 bis 3, läuft. Ortskoordinaten. “Ereignisse” werde mit Vierer–Vektoren assoziiert. Beispielsweise könnte man dem Ereignis ‘Startschuß zum München–Marathon’ die Zeit 14.10.2012 und den Ort Ackermannstraße zuordnen. Ein Vektor ist in einem Bezugssystem spezifiziert durch seine Komponenten, X X x = xµ eµ = xµ eµ . µ µ Oft identifiziert man Vektoren mit den Komponenten. Kontravariante Vierervektoren werden notiert mit xµ = (t, x, y, z) = (t, ~x) , kovariante Vierervektoren mit xµ = (t, −x, −y, −z) = (t, −~x) . Die Indizes kann man ‘hoch’- bzw. ‘runterziehen’, xµ = η µν xν bzw. xµ = ηµν xν , 120 V.1. RELATIVISTISCHE NOTATION wobei ηµν 1 0 0 0 0 −1 0 0 µν = 0 0 −1 0 = η 0 0 0 −1 der metrische Tensor ist. Das Skalarprodukt des Vierervektors x mit sich selbst ist x · x = xµ xµ = t2 − ~r 2 . Dieses Skalarprodukt nimmt in jedem Bezugssystem den selben Wert an. Wir könnten beispielsweise ein zweites Ereignis definieren als ‘Läufer beendet den München– Marathon um 13:20 im Olympiastadion’. Für den Läufer und eine Zuschauer sind die Zeitdifferenzen, die sich ergeben, indem man die 0–te Komponente der Differenz ∆x der beiden Vierervektoren leicht unterschiedlich, jedoch stimmt ∆x · ∆x in beiden Bezugssystemen überein. Hierbei haben wir von der Einstein’schen Summenkonvention Gebrauch gemacht, die besagt, dass über wiederholt auftretende Indizes in unterschiedlichen Stellungen (d.h. oben und unten) zu summieren ist. Invariantes Raum–Zeit–Linienelement. In jedem (physikalischen) Bezugssystem ist der metrische Tensor derselbe. M.a.W. sind also zulässige Bezugssysteme gerade so definiert, dass der metrische Tensor darin die gleiche Gestalt hat. Insbesondere sind Lorentz–Transformationen, d.h. Transformationen zwischen physikalischen Bezugssystemen, gerade solche Transformationen, die die Metrik ηµν invariant lassen. Entsprechend ist das Raum–Zeit–Linienelement t dxµ xµ xµ + dxµ (ds)2 = dxµ dxµ = c2 (dt)2 − (dx)2 − (dy)2 − (dz)2 in jedem Bezugssystem gleich. Impulskoordinaten. pµ = (E, p~) , Der Viererimpuls wird geschrieben als pµ = ηµν pν = (E, −~ p) . Ableitungen. ∂µ Man schreibt ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ~ = ∇µ = , = , , = (∂t , ∇) ∂xµ ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 bzw. ~ ∂ µ = η µν ∂ν = (∂t , −∇) 121 x (V.1) V.2. KLEIN–GORDON–GLEICHUNG Als d’Alembert-Operator“ bezeichnet man ” ∂2 ~ 2. −∇ = ∂ µ ∂µ = ∂t2 Der Impulsoperator ist in der Ortsdarstellung gegeben durch ∂ 1~ ∂ µ p = i = i , ∇ = i∇µ . ∂xµ ∂t i (V.2) Damit stimmt p2 bis aufs Vorzeichen mit überein, pµ pµ = − ∂ ∂ = − ∂ µ ∂µ = − . ∂xµ ∂xµ Elektromagnetisches Feld. (V.3) Das elektromagnetische Feld wird als ~ Aµ = (φ, A) geschrieben, und der Feldstärketensor ist F µν = ∂ µ Aν − ∂ ν Aµ . V.2 Klein–Gordon–Gleichung Es soll eine relativistische Wellengleichung aufgestellt werden. Zunächst werden einige Vorbetrachtungen gemacht. Die Ausführungen orientieren sich an [Ryd96, Abschnitt 2]. V.2.1 Erinnerung an die Schrödingergleichung In diesem Abschnitt schreiben wir noch mal die ~ Faktoren explizit aus. In einer nichtrelativistischen Theorie gilt für ein isoliertes Teilchen die Energie–Impuls–Beziehung E = p~ 2 . 2m (V.4) Korrespondenzprinzip. Das Korrespondenzprinzip besagt, dass die Erwartungswerte der quantenmechanischen Operatoren genauso transformieren sollen wie die zugehörigen klassischen Größen. Bezogen auf die Energie und den Impulse liefert das Korrespondenzprinzip die üblichen Ersetzungen E → i~ ∂ , ∂t ~ . p~ → −i ~ ∇ (V.5) Damit wird aus (V.4) die Schrödingergleichung 122 V.2. KLEIN–GORDON–GLEICHUNG i~ ~2 ~ 2 ∂ ψ = − ∇ ψ. ∂t 2m (V.6) Durch komplexe Konjugation erhält man −i ~ ∂ ∗ ~2 ~ 2 ∗ ψ = − ∇ ψ ∂t 2m (V.7) Durch Ableitung der positiv definiten Wahrscheinlichkeitsdichte ρ(t, ~x) = ψ ∗ (t, ~x) ψ(t, ~x) (V.8) nach der Zeit t wird daraus ∗ ∂ψ ∂ψ ∂ρ = ψ + ψ∗ ∂t ∂t ∂t ~ ~ 2ψ ~ 2 ψ∗ ψ − ψ∗ ∇ ∇ = 2m i (V.9) Mit der Wahrscheinlichkeitsstromdichte ~ h ∗ ~ ~ ∗ i ψ ∇ψ − ∇ψ ψ ~ = 2m i (V.10) ∂ ~ · ~ (~x, t) = 0 . ρ(~x, t) + ∇ ∂t (V.11) ist dann (V.9) gleichbedeutend mit der Kontinuitätsgleichung V.2.2 Klein–Gordon–Gleichung Die relativistische Energie–Impulsbeziehung impliziert (mit c = 1) E 2 = p~ 2 + m2 . (V.12) Mit dem Korrespondenzprinzip, d.h. mit den Ersetzungen (V.5), entsteht (für ~ = 1) − ∂2 ~ 2 + m2 ψ . ψ = − ∇ ∂t2 (V.13) Dies liefert die Klein–Gordon–Gleichung 123 V.2. KLEIN–GORDON–GLEICHUNG + m2 ψ(x) = 0 . (V.14) Wäre eine Interpretation völlig analog zu der bei der Schrödingergleichung möglich, wäre der nächste Schritt nun, die Wahrscheinlichkeitsdichte ρ und die Wahrscheinlichkeitsstromdichte ~ für die Klein–Gordon–Gleichung zu identifizieren. Wie wir sehen werden, ist das jedoch nicht der Fall. Kontinuitätsgleichung. Wir fordern, dass es einen Vierervektor j = (ρ, ~) gibt, dessen 0–te Komponente ρ ist und dessen räumliche Komponenten ~ sind. Des Weiteren übernehmen wir ~ einfach aus der Schrödingertheorie (vgl. (V.10)), ~ [ψ ∗ (∂i ψ) − (∂i ψ ∗ ) ψ) . 2m i Damit ist auch die 0–te Komponente ρ bestimmt, ji = ρ = ~ [ψ ∗ (∂t ψ) − (∂t ψ ∗ ) ψ] 2m i (V.15) Der so konstruierte Vierervektor erfüllt die Kontinuitätsgleichung 0 = ∂µ j µ = denn ∂ ~ · ~ , ρ+∇ ∂t (V.16) 2 ~ ∂ 2 ψ∗ ∗∂ ψ − ψ , ψ 2m i ∂t2 ∂t2 ~ ∗ ~ 2 ~ 2 ψ ∗ )ψ , ψ (∇ ψ) − (∇ = − 2m i ∂ ρ = ∂t ∂i j i ~ 2) . (∂i ∂ i = −∇ Durch Einsetzen folgt die Behauptung, ~ · ~ ∂µ j µ = ∂t ρ + ∇ ~ = (ψ ∗ (ψ) − (ψ ∗ )ψ) 2m i (V.14) = 0. Probleme der Klein–Gordon–Gleichung: 1. ρ ist nicht positiv definit, denn (V.14) ist eine partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung, d.h. ψ und ∂t ψ kann für eine bestimmte (Anfangs–)Zeit im Sinne der Problemstellung beliebig gewählt werden, sodass ρ positiv oder negativ werden kann. p 2. Die quadratische Energie–Impuls–Beziehung (V.12) erlaubt E = ± p~ 2 + m2 . Die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten können erst mit der Antiteilchen– Interpretation behoben werden. 124 V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG Bemerkungen: 1. Die Klein–Gordon–Gleichung ist eine relativistische Gleichung für Teilchen ohne Spin. Die Felder aller anderen Teilchen erfüllen ebenfalls diese Gleichung, da sie die Energie–Impuls–Beziehung darstellt. 2. Ist ψ rein reellwertig, so ist ρ = 0 und ~ = 0. Es stellt sich heraus, dass man ρ als Ladungsdichte und ~ als Stromdichte interpretieren kann. Geladene Teilchen werden dann durch komplexwertige ψ beschrieben, ungeladene durch reellwertige ψ. V.3 Lorentzgruppe und Spinor–Darstellung Zunächst soll untersucht werden, was es mit den sog. Spinor–Darstellungen auf sich hat. Dazu wird das Transformationsverhalten von Spins von Spin– 12 –Teilchen unter Rotationen rekapituliert. V.3.1 Rotationsgruppe und SU(2) Es geht darum, die Beziehungen zwischen der Rotationsgruppe SO(3) und der SU(2) zu finden. (i) Rotationsgruppe Die Elemente der Rotationsgruppe sind Drehungen R im dreidimensionalen Raum, ′ x x ~r ′ = R · ~r , y ′ = R y , (V.17) ′ z z wobei der Betrag von ~r erhalten bleibt, x2 + y 2 + z 2 = x′ 2 + y ′ 2 + z ′ 2 . R kann daher als orthogonale 3 × 3–Matrix dargestellt werden. Im Folgenden spezialisieren wir uns auf R ∈ SO(3), d.h. det R = +1. Die Drehungen um die drei Raumachsen haben die folgenden Matrixdarstellungen:1 1 0 0 Rx (ϕ) = 0 cos ϕ sin ϕ , (V.18a) 0 − sin ϕ cos ϕ 1 Hier folgen wir den Konventionen von [Ryd96], die leider nicht mit den Konventionen des Standard–Buches [PS95] (siehe Gleichung (3.20)) übereinstimmen. Diese Transformationen geben an, wie sich die Komponenten eines Vektors ändern, wenn man die Achsen des Koordinatensystems in mathematisch positive Richtung gedreht wird ( passive Rotation“). Die auftretenden Subtilitäten ” sind beispielsweise in [Sch97, Abschnitt 7] diskutiert. 125 V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG cos ψ 0 − sin ψ , 1 0 Ry (ψ) = 0 sin ψ 0 cos ψ cos ϑ sin ϑ 0 Rz (ϑ) = − sin ϑ cos ϑ 0 . 0 0 1 Die drei Winkel ϕ, ψ, ϑ sind also die Parameter der Gruppe. Es gibt drei Generatoren, die diesen Parametern entsprechen, 0 0 0 1 dRx = 0 0 −i , Jx = i dϕ ϕ=0 0 i 0 0 0 i 1 dRy Jy = = 0 0 0 , i dψ ψ=0 −i 0 0 0 −i 0 1 dRz = i 0 0 . Jz = i dϑ ϑ=0 0 0 0 (V.18b) (V.18c) (V.19a) (V.19b) (V.19c) Diese erfüllen die Kommutatorrelation [Ji , Jj ] = i εijk Jk . (V.20) Mit den Generatoren kann durch die Exponentialabbildung jede der Drehungen um die Raumachsen erzeugt werden, Rx (ϕ) = exp(i Jx ϕ) , (V.21a) Ry (ψ) = exp(i Jy ψ) , (V.21b) Rz (ϑ) = exp(i Jz ϑ) . (V.21c) Eine beliebige Rotation bezüglich einer normierten Achse ~n um den Winkel θ besitzt dann die Darstellung R~n (θ) = exp(i J~ · ~ θ) , (ii) ~ θ = ~n · θ . (V.22) Die SU(2) Die Elemente der Matrix–Gruppe SU(2) sind definiert als als unitäre 2 × 2–Matrizen U mit Determinante 1, d.h. U · U† = 12 , det U = 1 . (V.23) 126 V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG Die Matrizen lassen sich parametrisieren in der Form (vgl. Übungen) a b U = , −b∗ a∗ (V.24) wobei a, b ∈ C der Nebenbedingung |a|2 + |b|2 = 1 ⇐⇒ det U = 1 (V.25) genügen müssen. Man kann U als eine Selbst–Abbildung des zweidimensionalen komplexen Raumes auffassen, ξ† → ξ† U † , ξ → Uξ, wobei wir ξ = ξ1 ξ2 , (V.26) ξ † = [ξ1∗ , ξ2∗ ] als Spinoren bezeichnen. Bemerkungen: 1. Die Größe ξ † ξ = |ξ1 |2 + |ξ2 |2 ist invariant unter Transformationen U ∈ SU(2), denn U ξ†ξ − → ξ ′† ξ ′ = ξ † U † U ξ = ξ † ξ . 2. Die Spinoren ξ = ξ1 ξ2 0 −1 1 0 und εξ ∗ = −ξ2∗ ξ1∗ , wobei ε = , transformieren auf der gleichen Weise unter der SU(2). Generatoren. Betrachte die Entwicklung eines beliebigen U(2)–Elements um das Einheitselement U (t) = 12 + i t T + O(t2 ) . Wegen der definierenden Bedingung ! U † (t) U (t) = 12 127 V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG entsteht 12 + i t (T − T† ) + O(t2 ) =! 12 , oder T† = T . (V.27) Die Generatoren der U(2) (oder allgemeiner der U(N )), und damit insbesondere der SU(2) ⊂ U(2) sind hermitesche 2 × 2–Matrizen. Für eine beliebige 2 × 2–Matrix a b T = c d ergeben sich aus (V.27) die Bedingungen a∗ = a , d∗ = d , b∗ = c , c∗ = b . (V.28) Dies zeigt, dass es vier linear unabhängige U(2) Generatoren gibt. Des Weiteren gilt für beliebige n × n–Matrizen M det exp(M ) = exp tr M . (V.29) Daher führt die zusätzliche Forderung ! det U = 1 auf die Forderung der Spurfreiheit von T, d.h. a = −c. Somit hat die SU(2) lediglich drei Generatoren. Als SU(2) Generatoren kann man (bis auf einen Faktor 1/2) die Pauli–Matrizen wählen, Ti = σi /2 . Strukturkonstanten. schungsklammern, [Ti , Tj ] = (V.30) Die sog. Strukturkonstanten ermittelt man aus den Vertau- 1 σk [σi , σj ] = i εijk . 4 2 (V.31) Die Generatoren der SU(2) können also genau so gewählt werden, dass die Strukturkonstanten denen der SO(3) entsprechen, [Ti , Tj ] = i εijk Tk . (V.32) 128 V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG Bemerkung: Die Strukturkonstanten haben große Bedeutung in der Theorie der Lie–Gruppen bzw. Lie–Algebren. Insbesondere legen die Strukturkonstanten, d.h. Objekte, die die Lie–Algebra definieren, die Lie–Gruppe bis auf Zusammenhangs– Eigenschaften. Das impliziert insbesondere, dass wenn die SU(2) und SO(3) beide einfach zusammenhängend wären, beide gemäß dem dritten Lie’schen Fundamentalsatz isomorph wären. Das ist jedoch nicht der Fall. Pauli–Matrizen. 1. σi2 = Die Pauli–Matrizen haben die Eigenschaften: 12 ; 2. [σx , σy ] = 2i σz usw. zyklisch; 3. {σx , σy } = 0 usw. zyklisch; 4. σx σy = − σy σx = i σz usw. zyklisch; 5. σx σy σz = i 12 ; 6. tr σi = 0; 7. tr(σi σj ) = 2 δij ; 8. det σi = − 1. Des Weiteren gilt für Operatoren ~a, ~b, deren sämtliche Komponenten mit den Pauli– Matrizen vertauschen, d.h. [ai , σj ] = [bi , σj ] = 0 ∀i, j die Formel (~σ · ~a) ~σ · ~b = ~a · ~b + i~σ · ~a × ~b . (V.33) Um (V.33) zu zeigen, benutzt man die Relation σi · σj = δij 12 + i εijk σ k und rechnet nach, dass ~ ~ (~σ · a) ~σ · b = σi ai σj bj = σi σj ai bj = ai bi + i σ k εijk ai bj . (iii) Der Zusammenhang SU(2) ↔ SO(3) Wir konstruieren nun eine explizite Relation zwischen der SU(2) und der SO(3) durch die Forderung für die Gruppenelemente i~ ~ ~ θ · ~σ ∈ SU(2) . (V.34) SO(3) ∋ exp i θ · J ↔ exp 2 Einer Drehung im Ortsraum ordnet. R3 wird also eine Transformation im Spinorraum zuge129 V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG Transformationsverhalten von Spinoren. liefert Transformationsregeln für Spinoren ψ↑ (~x) ψ(~x) = . ψ↓ (~x) Die konstruierte Übersetzungsregel Betrachte eine Rotation der Koordinaten, ~ ~ ~x → exp −i θ · J ~x . Dann gilt i~ ψ↑ ψ↑ . → exp − θ · ~σ ψ↓ ψ↓ 2 (V.35) (V.36) Z.B. die Pauli–Gleichung ist invariant unter einer solchen Transformation (vgl. Übung). Zweideutigkeit“ der Relation (V.34). Betrachte z.B. Drehungen um die y– ” Achse, d.h. θ~ = (0, θ, 0). Dann ist i cos θ/2 sin θ/2 = exp θ σ2 . − sin θ/2 cos θ/2 2 Vergleicht man dies mit dem entsprechenden SO(3)–Element, cos θ 0 sin θ exp (i θ J2 ) = 0 1 0 , − sin θ 0 cos θ so stellt man fest, dass für θ = 2π exp(i 2π J2 ) = 12 ist, während i 2πσ2 exp = − 12 2 ergibt. Erst eine Drehung“ um 4π ergibt im Spinorraum die Identität. Dies hat ” observable Konsequenzen (siehe [Sak94, S. 162 ff.]). Deswegen kann man die SU(2) nicht als Darstellung der Drehgruppe im streng mathematischen Sinn bezeichnen. Man spricht von der Überlagerungsgruppe (siehe z.B. [SU01]). Fazit: In der Physik kann man die SU(2) als Darstellung der Rotationsgruppe auffassen. Die SU(2)–Vektoren ξ heissen Spinoren, und man spricht von der Spinordarstellung. 130 V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG V.3.2 Die SO(1, 3) Die Elemente der SO(1, 3) sind die Transformationen (x0 , x1 , x2 , x3 ) → (x′ 0 , x′ 1 , x′ 2 , x′ 3 ) , wobei x′ µ = Λµ ν xν , welche x · x = xµ xν ηµν = (x0 )2 − (x1 )2 − (x2 )2 − (x3 )2 invariant lassen. Die SO(1, 3) ist daher die definierende Darstellung der Lorentzgruppe. Aus physikalischen Gründen unterteilt man die Tansformationen in Boosts und Rotationen. Lorentz–Boost. Ein Lorentz–Boost verbindet zwei verschiedene Inertialsysteme, welche sich mit der relativen Geschwindigkeit ~v bewegen. Für eine relative Bewegung k ~e1 gehen die Koordinaten in I.S.′ aus denen von I.S. folgendermaßen hervor: x′ 0 = γ (x0 + β x1 ) , x′ 1 = γ (β x0 + x1 ) , x′ 2 = x2 , x′ 3 = x3 . (V.37) Hierbei ist β = v/c Da und γ = p 1 . 1 − v 2 /c2 γ2 − γ2 β2 = 1 ist, kann man ein ϕ so finden, dass γ = cosh ϕ ist. Damit schreibt ′0 x x′1 x′2 = x′3 und γ β = sinh ϕ sich der Boost in x–Richtung (V.37) 0 cosh ϕ sinh ϕ 0 0 x sinh ϕ cosh ϕ 0 0 x1 · . 0 0 1 0 x2 0 0 0 1 x3 | {z } =: Bx 131 (V.38) V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG In Analogie zu (V.19a) können wir die Generatoren Kx , Ky und Kz einführen, 0 1 0 0 1 0 0 0 1 ∂Bx Kx = = − i (V.39) 0 0 0 0 , i ∂ϕ ϕ=0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 ∂By (V.40) = −i Ky = 1 0 0 0 , i ∂ψ ψ=0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 ∂Bz Kz = = −i (V.41) 0 0 0 0 . i ∂ϑ ϑ=0 1 0 0 0 Rotation. In der 4 × 4–Notation erhalten wir für die Generatoren der Rotationsgruppe (vgl. (V.19)) 0 0 0 0 0 0 0 0 Jx = −i 0 0 0 1 , 0 0 −1 0 0 0 0 0 0 0 0 −1 Jy = −i 0 0 0 0 , 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 (V.42) Jz = −i 0 −1 0 0 . 0 0 0 0 Generatoren M . Die Generatoren Ki und Ji können zusammengefasst werden in Matrizen M κρ mit Komponenten (M κρ )µ ν = i (η κµ η ρ ν − η ρµ η κ ν ) . (V.43) Mit diesen schreibt sich eine infinitesimale Lorentztransformation als i (V.44) x′ µ = xµ − ωκρ (M κρ )µ ν xν , 2 wobei die infinitesimalen Parameter ωκρ antisimmetrisch sind, d.h. ωκρ = −ωρκ . Durch Nachrechnen zeigt man [M κρ , M µν ] = i (η κν M ρµ − η κµ M ρν − η ρν M κµ + η ρµ M κν ) . (V.45) Oft werden diese Relationen benutzt, um die (abstrakte) Lorentz–Algebra zu defininieren. 132 V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG Vertauschungsrelationen. Eine allgemeine Lorentztransformation besteht aus einem Boost und einer Rotation. Entsprechend sind die Generatoren der Lorentz– Gruppe gegeben durch Ki und Ji , wobei i = x, y, z ist. Für diese gelten die Vertauschungsrelationen [Ki , Kj ] = −i εijk Jk , [Ji , Kj ] = i εijk Kk , [Ji , Jj ] = i εijk Jk . (V.46) Bemerkung: Die Lorentzboosts alleine bilden keine Gruppe, da die Generatoren– Vertauschungsklammern nicht wieder auf Generatoren für Boosts führen.2 V.3.3 Spinordarstellung der Lorentzgruppe Jetzt geht es darum, zu diskutieren, wie sich Pauli–Spinoren unter Lorentz–Transformationen verhalten. Weil die Ki den gleichen Vertauschungsrelationen genügen wie die ±iσi /2 und die Ji den gleichen Vertauschungsrelationen genügen wie die σi /2, sehen wir, dass die neuen Definitionen ~ = ± i ~σ K 2 und ~σ J~ = , 2 (V.47) die Gleichung (V.46) erfüllen. Die Ki sind offenbar nicht hermitesch, was man mit der Tatsache in Verbindung bringen kann, dass SO(1, 3) nicht kompakt ist. Wegen (V.47) erwarten wir, dass es zwei Arten von Spinoren gibt. Wir führen neue hermitesche Generatoren als komplexe Linearkombinationen der Ki und Ji ein, ~ ~ = 1 J~ − i K ~ . ~ = 1 J~ + i K und B (V.48) A 2 2 Die Ai und Bi genügen wegen (V.46) dann jeweils für sich den SO(3)- bzw. SU(2)– Vertauschungsrelationen, [Ai , Aj ] = i εijk Ak , (V.49a) [Bi , Bj ] = i εijk Bk , (V.49b) [Ai , Bj ] = 0 . (V.49c) 2 Diese Tatsache, dass die Vertauschung der Reihenfolge bei Hintereinanderausführung auf einen Generator der Rotationsgruppe liefert, hat die sog. Thomaspräzession zur Folge (siehe [SU01, S. 42 ff.]). 133 V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG Folgerungen: 1. Die Gleichungen (V.49) zeigen, dass die Ai bzw. Bi durch σi /2 dargestellt werden ~ und B ~ jeweils separat eine Lie– können. Damit können wir schließen, dass A Algebra der SU(2)–Gruppe generieren. Die Elemente der einen SU(2) Gruppe kommutiert mit denen der anderen. 2. Insgesamt habe wir eine Beziehung Lorentzgruppe ↔ SU(2) × SU(2) . Man beachte, dass die Lorentzgruppe nicht äquivalent ist zu SU(2) × SU(2). Was wir gezeigt haben, ist, dass die komplexen Erweiterungen der Lie–Algebren übereinstimmen. Dies bedeutet, wie man in der Gruppentheorie lernt, dass die Darstellungstheorie für beide Gruppen übereinstimmt. Für unsere weitere Diskussion ist wesentlich, dass zwei SU(2) Faktoren auftreten. Es genügt also nicht, wie im Fall der Rotationsgruppe einen Spinor zu betrachten, sondern man muß zwei Arten von Spinoren einführen. Wir unterscheiden zwischen den Spinoren der Bauart ξ und η.3 ~ = ~σ /2 und B ~ = 0, d.h. nach (V.48) 1. Spinor ξ: Wir setzen A ~σ ~ = i ~σ . und K (V.50) J~ = 2 2 Das Transformationsverhalten von ξ ist durch die Exponentialmatrix gegeben. Für eine Lorentztransformation, bestehend aus einer Rotation mit ~θ und einem Boost mit ϕ ~ , ergibt sich also ~σ ~ ~σ ~ ξ ξ → exp i · θ + · ϕ 2 2 ~σ ~ = exp i θ − i ϕ ~ · ξ 2 = Mξ. (V.51) ~ = 0 und B ~ = ~σ /2, d.h. 2. Spinor η: Wir setzen A ~σ J~ = 2 3 ~ = − i ~σ und K 2 (V.52) Analog zu Obigem ergibt sich das Transformationsverhalten ~σ ~ η → exp i θ + i ϕ η = Nη. ~ · 2 (V.53) An diesem Punkt gibt es Unstimmigkeiten in der Literatur. Die Transformationsgesetze in Ryder [Ryd96] und Peskin–Schroeder [PS95] stimmen nicht miteinander überein. Um die Regeln von Peskin–Schroeder [PS95, (3.37) auf Seite 44] zu erhalten, muß man ein globales relatives “−” in den Transformationsregeln gegenüber Ryder einführen; dieses Vorzeichen ist genau der Unterschied zwischen aktiven“ und passiven“ Transformationen. Allerdings wird in [Ryd96] ξ als rechtshändiger ” ” Spinor bezeichnet; dies ist inkonsistent mit [PS95]. Man kann sich überlegen, dass, wenn man das Transformationsgesetz in Ryder als passive“ Transformation auffaßt, der Spinor ξ linkshändig sein ” muß. 134 V.3. LORENTZGRUPPE UND SPINOR–DARSTELLUNG Bemerkungen: 1. M und N sind komplexe 2 × 2–Matrizen mit Determinante 1. Solche Matrizen bilden die Gruppe SL(2, C). 2. Die Matrizen der SL(2, C) haben 6 unabhängige Parameter wie die Lorentz– Gruppe, denn die 8 Parameter in M = a b c d a, b, c, d ∈ C , werden durch die Nebenbedingung ! det M = a d − b c = 1 , die jeweils einer Bedingung für den Realteil und den Imaginärteil entspricht, auf 6 Parameter reduziert. 3. Da ε = −i σ2 ist, hat man ε · (~σ )∗ · εT = − ~σ . Somit gilt ∗ T ε·M ·ε i ∗ ~ = σ2 · exp − ~σ · (θ + i ϕ ~ ) · σ2 2 i ~ = exp ~σ · (θ + i ϕ ~) = N . 2 (V.54) Dies bedeutet, dass N bis auf eine Ähnlichkeitstransformation mit M ∗ übereinstimmt. Somit transformiert η, grob gesprochen, in der zu ξ komplex konjugierten Darstellung — dies erklärt das quer“. ” 4. Man kann den Zusammenhang zwischen Lorentz–Transformationen von Vektoren und Spinoren auch mittels der (abstrakten) Generatoren M µν (vgl. (V.44)) ausdrücken. Die entsprechenden Darstellungsmatrizen für die Spinoren ξ und η sind R1 (M µν ) = R2 (M µν ) = 1 µν σ , 2 1 µν σ̄ , 2 (V.55a) (V.55b) wobei σ µν = i µ ν (σ σ̄ − σ ν σ̄ µ ) , 2 (V.56a) 135 V.4. DIRAC–GLEICHUNG σ̄ µν = i µ ν (σ̄ σ − σ̄ ν σ µ ) . 2 (V.56b) Hierbei ist σ µ = (1, σ i ) und σ̄ µ = (1, −σ i ) (V.57) komponentenweise. V.4 Dirac–Gleichung V.4.1 Ableitung der Dirac–Gleichung aus gruppentheoretischen Überlegungen Wir betrachten nun zunächst Spin–1/2 Teilchen der Masse m. Masselose Teilchen werden später separat behandelt. Gruppentheoretische Überlegungen. gewinnt man folgende Erkenntnisse: Aus den Diskussionen in V.3.1 und V.3.2 1. Das Transformationsverhalten von zweidimensionalen Spinoren bei der Rotation ist durch (V.34) gegeben. 2. Bei der Lorentz–Transformation gibt es zwei Arten von Spinoren, die mit (V.51) und (V.53) transformieren. Paritätstransformation. Die Paritätstransformation oder Raumspiegelung P bildet Dreier–Vektoren ~v auf ihr Negatives ab, P : ~v → − ~v . (V.58) Ein Lorentz–Boost mit der Relativgeschwindigkeit ~v geht unter der Paritätstransformation in sein Negatives über, d.h. P B~v x = B−~v P x , während eine Rotation um die Normale ~n unverändert bleibt, d.h. P R~n·θ x = R~n·θ P x . Demzufolge ändern die Generatoren Ki der Boosts unter P ihr Vorzeichen, die Generatoren Ji der Rotationsgruppe hingegen nicht, ~ → −K ~ P : K und J~ → J~ . (V.59) Beachtet man (V.50) und (V.52), so sieht man, dass sich unter P die Rolle der Zweier– Spinoren ξ und η gerade vertauscht, P : ξ ↔ η. (V.60) 136 V.4. DIRAC–GLEICHUNG Daher genügt es nicht, ξ und η getrennt zu betrachten. Wir führen daher einen vierkomponentigen Spinor ein, ξ . (V.61) Ψ = η Dieser verhält sich unter einer Lorentztransformation wie ! 1 ~ ~ ξ ei 2 [~σ·(θ−i ϕ)] ξ 0 Lorentztransformation −−−−−−−−−−−−−→ . ~ ϕ i 12 [~ σ·(θ+i ~ )] η η 0 e Die Paritätstransformation kann folgendermaßen dargestellt werden: ξ 0 1 ξ Paritätstransformation −−−−−−−−−−−−−−→ . 1 0 η η Unter dem Boost transformiert ξ also gemäß ϕ i h ϕ 1 Lorentz−Boost + ~σ · ~n sinh ξ, ξ −−−−−−−−−→ e 2 ~σ·~ϕ ξ = cosh 2 2 (V.62) (V.63) Dirac–Gleichung. (V.64) wobei ~n Einheitsvektor in Boostrichtung ist. Wir können die Gestalt des Zweier– Spinors ξ für ein Teilchen mit Impuls p~ aus dem Spinor für ~p = 0 ermitteln, indem wir uns in ein Bezugssystem setzen, das sich mit ~v = −~ p/(γ m) bewegt, transformieren, 1 ξ(~ p) = e− 2 ~σ·~ϕ ξ(0) . (V.65) Hierbei ist ϕ ~ = ϕ · ~n und ~n = p~ . |~ p| Durch elementare Umrechnungen erhält man q γ+1 cosh ϕ = 2 , 2 q cosh ϕ = γ =⇒ γ−1 sinh ϕ = 2 . 2 Für ein Teilchen der Masse m 6= 0 und Impuls (E, p~) ergibt sich weiter r E+m γ+1 = p , 2 2m (E + m) r |~ p| γ−1 = p . 2 2m (E + m) (V.66) Durch Kombination von (V.64)–(V.66) können wir also für den Spinor ξ eines Teilchens mit Impuls p~ schreiben E + m − ~σ · p~ ξ(~ p) = p ξ(0) . 2m (E + m) (V.67) 137 V.4. DIRAC–GLEICHUNG Analog erhält man für einen η–Spinor E + m + ~σ · p~ η(~ p) = p η(0) . 2m (E + m) (V.68) In Ruhe ist es nicht möglich, ξ von η zu unterscheiden, da beide durch die Paritätstransformation P ineinander übergehen und für p~ = 0 keine Richtung ausgezeichnet ist. Daher setzen wir an ξ(0) = η(0) . (V.69) Durch die Ersetzung p~ → −~ p ergeben sich die Umkehrungen von (V.67), (V.68), ξ(0) = η(0) = E + m + ~σ · p~ p ξ(~ p) , 2m (E + m) E + m − ~σ · p~ p η(~ p) . 2m (E + m) (V.70a) (V.70b) Durch Kombination von (V.67)–(V.70) erhält man unter Benutzung von4 (E + m + ~σ · p~) · (E + m − ~σ · p~) = (E + m)2 − |~ p|2 = E 2 + m2 + 2 m E − |~ p|2 = 2 m (m + E) die Relationen E − ~σ · p~ η(~ p) , m E + ~σ · p~ ξ(~ p) . η(~ p) = m Durch Multiplikation mit m hat man mit p0 = E ξ(~ p) = −m ξ(~ p) + (p0 − ~σ · p~) η(~ p) = 0 , (p0 + ~σ · p~) ξ(~ p) − m η(~ p) = 0 , oder in Matrixform (pi = −pi ) ξ(~ p) 1 · p0 + σ i pi −m · = 0. 1 · p0 − σ i pi −m η(~ p) (V.71a) (V.71b) (V.72a) (V.72b) (V.73) Das ist schon die Dirac–Gleichung (im Impulsraum), die wir noch ein wenig kompakter schreiben wollen. γ–Matrizen. Wir führen nun die γ–Matrizen in der chiralen Darstellung ein, 0 12 0 σi 0 i , (V.74) γ = , γ = −σ i 0 12 0 oder kürzer 4 Für die Identität (~σ · p ~)2 = |~ p|2 siehe (V.33) auf S. 129. 138 V.4. DIRAC–GLEICHUNG γ µ = 0 σµ σ̄ µ 0 . (V.75) Damit gilt für den Vierer–Spinor ξ(~ p) Ψ(~ p) = η(~ p) die Gleichung 0 p) = 0 γ p0 − ~γ · p~ − m Ψ(~ oder kompakter {γ µ pµ − m} Ψ(~ p) = 0 (V.76) Im Ortsraum wird daraus mit Hilfe der aus dem Korrespondenzprinzip folgenden Ersetzungsregeln (V.5) γ µ pµ − m Ψ(x) = 0 . (V.77) Dies ist die Dirac–Gleichung, die wir im Folgenden im Detail diskutieren werden. Der hier beschrittene Weg der Herleitung stimmt nicht mit dem historischen überein (dieser ist beispielsweise in [Sch97] skizziert). Weyl–Gleichungen. Nun betrachten wir den Fall m = 0. Man kann sich zu (V.72a) und (V.72b) analoge Gleichungen herleiten, (p0 + ~σ · p~) ξ(~ p) = 0 , (V.78a) (p0 − ~σ · ~ p) η(~ p) = 0 . (V.78b) Da für masselose Teilchen E = p0 = |~ p| gilt, können wir das auch schreiben in der Form ~σ · p~ ξ(~ p) = −ξ(~ p) , |~ p| ~σ · p~ η(~ p) = η(~ p) . |~ p| (V.79) (V.80) 139 V.4. DIRAC–GLEICHUNG Die Spinoren ξ und η sind also Eigenspinoren zur Matrix ~σ · p~ |~ p| zu den Eigenwerten ±1. Diese Eigenwerte entsprechen der Projektion des Spins auf den Impuls, wobei die Projektion oft als Helizität bezeichnet wird. Die Helizität ist also eine gute Quantenzahl für masselose Freiheitsgrade. Interpretation der Spinoren ξ und η. sondere bezeichnen wir5 ξ =: ϕL Insbe- und η =: ϕR , wobei R“ für rechts“ und L“ für links“ steht. ” ” ” ” Die Interpretation ist, dass bei rechtshändingen“ ” Spinoren der Spin in die Bewegungsrichtung weist und bei linkshändigen“ entgegengesetzt dazu. ” ~v ) ξ ~v ) η Diese Diskussion wirft natürlich die Frage auf, ob es möglich ist, ein massives Teilchen als links- bzw. rechtshändig zu ‘deklarieren’. Dies ist nicht der Fall, wie die folgende Überlegung zeigt: Betrachte ein Teilchen, für das in einem Bezugssystem die Projektion des Spins auf die Geschwindigkeit ~v positiv ist. Da das Teilchen massiv ist, gilt |~v | < c, und wir können das Teilchen überholen“, d.h. uns in eine Bezugssystem ” setzen, in dem sich Teilchen mit −~v bewegt. Dort ist dann die Projektion des Spins auf die Geschwindigkeit negativ. In dieser Argumentation haben wir davon Gebrauch gemacht, dass die Masse des Teilchens endlich ist. Andererseits zeigt die Tatsache, dass ξ und η in den Weyl–Gleichungen separieren, dass masselose Freiheitsgrade tatsächlich sich tasächlich in links- bzw. rechtshändige unterteilen lassen. V.4.2 Lorentzkovarianz und Kontinuitätsgleichung Wir haben per Konstruktion sicher gestellt, dass die Dirac–Gleichung lorentzkovariant ist, d.h. dass sie nach einer Lorentztransformation ihre Form behält. Es geht nun darum, das explizit zu überprüfen. Die Ortskoordinaten transformieren mit der Lorentz–Transformation Λ : x 7→ x′ = Λ x mit x′ν = Λν µ xµ , (V.81) wobei Λ = Λ(~ θ, ϕ ~ ) von den Parametern θ~ und ϕ ~ abhängt. Die Index–Stellung unterscheidet zwischen einer Lorentztransformation und ihrer Inversen, Λµ ν Λµ σ = δν σ . 5 (V.82) Beachte: Dies ist nicht konsistent mit [Ryd96]. 140 V.4. DIRAC–GLEICHUNG Wir betrachten die Dirac–Gleichung in zwei Systemen, welche durch eine Lorentztransformation auseinander hervorgehen, µ ∂ − m Ψ(x) = 0 , (V.83a) iγ ∂xµ µ ∂ iγ − m Ψ′ (x′ ) = 0 . (V.83b) ∂x′µ Der Vorteil unserer Herleitung der Dirac–Gleichung ist, dass wir das Transformationsverhalten des Spinors Ψ bereits kennen, ! ′ 1 ~ ξ 0 ξ ei 2 [~σ·(θ−i ϕ~ )] . (V.84) = 1 ′ ~ i [~ σ ·( θ+i ϕ ~ )] η η 0 e 2 | {z } =: S(Λ) Wir setzen Ψ′ (x′ ) = S(Λ) Ψ(x) in (V.83b) ein, ν ∂ µ ∂x S(Λ) − m S(Λ) Ψ(x) = 0 , iγ ∂x′µ ∂xν (V.85) wobei ∂xν = (Λ−1 )ν µ ∂x′µ ist. Um aus (V.85) die Gleichung (V.83a) zu erhalten, muß S −1 γ µ S · (Λ−1 )ν µ = γ ν (V.86) bzw. S −1 γ µ S = Λµ ν γ ν oder γ µ (Λ−1 )ν µ = S(Λ) γ ν S −1 (Λ) gelten. Um nachzuweisen, dass dieses S(Λ) auch (V.86) erfüllt, kann man die Generatoren der Lorentztransformation Ji und Ki (vgl. (V.42) und (V.46) auf Seite 132) einsetzen. Es genügt, den Nachweis für infinitesimale Parameter durchzuführen. Wir betrachten infinitesimale Transformationen, Λµ ν = δµ ν + α ∆ω µ ν + O(α2 ) , (V.87) Aus der Bedingung (V.82) schließt man ! δσν = (δµ ν + α ∆ωµν ) · (δµ σ + α ∆ω µ σ ) + O(α2 ) = δσν + α ∆ωσ ν + α ∆ω ν σ + O(α2 ) 141 V.4. DIRAC–GLEICHUNG = δσν + α ηµσ (∆ω µν + ∆ω νµ ) +O(α2 ) , {z } | ! =0 d.h. ∆ωµν muß antisymmetrisch in µ und ν sein. Man beachte hierbei, dass η µ ν = δνµ komponentenweise. Durch explizites Nachrechnen zeigt man, dass man in erster Ordnung in α S = i 4 14 − α σµν ∆ω µν mit σµν = i [γµ , γν ] 2 (V.88) setzen kann. Diese Rechnung sei dem Leser als Übung überlassen. Vektor j µ . Wir wollen nun zeigen, dass die Dirac–Stromdichte j µ (x) = Ψ(x) γ µ Ψ(x) (V.89) mit dem adjungierten Spinor Ψ = Ψ† γ 0 (V.90) einen Vierervektor bildet. Dazu benötigen wir die Relation γ 0 S −1 = S † γ 0 . Um dies zu zeigen, schreiben wir 1 S = ~ ei 2 [~σ·(θ−i ϕ~ )] 0 ~ ϕ i 12 [~ σ·(θ+i ~ )] 0 e (V.91) ! =: A 0 0 B . Damit ist dann S −1 S† ! 1 ~ 0 A−1 0 e−i 2 [~σ·(θ−i ϕ~ )] , = = 1 ~ 0 B −1 0 e−i 2 [~σ·(θ+i ϕ~ )] ! † 1 ~ A 0 e−i 2 [~σ·(θ+i ϕ~ )] 0 = = . 1 ~ 0 B† 0 e−i 2 [~σ·(θ−i ϕ~ )] Offensichtlich gilt A† = B −1 und A−1 = B † , somit ist γ 0 S −1 γ 0 = S † . Dies impliziert insbesondere für das Transformationsverhalten des adjungierten Spinors, dass 142 V.4. DIRAC–GLEICHUNG ′ Ψ (x′ ) = Ψ(x) S −1 . (V.92) Nun unterwerfen wir j einer Lorentztransformation, j ′µ (x′ ) = Ψ′† (x′ ) γ 0 γ µ Ψ′ (x′ ) = Ψ† (x) S † γ 0 γ µ S Ψ(x) (V.91) Ψ† (x) γ 0 S −1 γ µ S Ψ(x) (V.86) Λµ ν Ψ† (x) γ 0 γ ν Ψ(x) = Λµ ν j ν . = = (V.93) Das zeigt, dass j µ in der Tat als Vektor transformiert. Kontinuitätsgleichung. Nun soll die Interpretation von j µ diskutiert werden. Ausgangspunkt ist die Dirac–Gleichung, (i γ µ ∂µ − m) Ψ = 0 . Durch hermitesche Konjugation ( Daggern“) entsteht ” ← ← Ψ† −i γ 0 ∂0 + i γ i ∂i − m = 0 , (V.94) wobei der hochgestellte Pfeil ←“ andeutet, dass die Ableitung nach links wirkt. ” Durch Nachrechnen bestätigt man die Relationen (γ 0 )† = γ 0 , (γ i )† = − γ i , γ0 γi = − γi γ0 . Einsetzen dieser Relationen liefert ← Ψ i γ µ ∂µ + m = 0 . (V.95) Nun verwenden wir diese Relationen, um zu zeigen ∂µ j µ = ∂µ Ψ γ µ Ψ + Ψ γ µ (∂µ Ψ) = i m Ψ Ψ + Ψ (−i m Ψ) = 0 . (V.96) D.h. j µ erfüllt die Kontinuitätsgleichung. Für die 0–te Komponente gilt j 0 = Ψ γ 0 Ψ = Ψ† Ψ = |Ψ0 |2 + |Ψ1 |2 + |Ψ2 |2 + |Ψ3 |2 . Insbesondere ist j 0 positiv definit und somit prinzipiell dazu geeignet, als Wahrscheinlihkeitsdichte interpretiert zu werden. Bemerkung: Aus Gründen, die wir später sehen werden, ist die Interpretation nicht haltbar. Wir werden j µ als Ladungsdichte interpretieren. 143 V.4. DIRAC–GLEICHUNG Bilineare Kovarianten. Analog zu dem Vektor j µ = Ψ γ µ Ψ lassen sich weitere Lorentz–Tensoren aus Ψ, Ψ und γ–Matrizen konstruieren. Die allgemeine Strukur ist Lorentz–Tensor = Ψ(x) M Ψ , wo M eine 4 × 4 Matrix im Spinorraum ist. Wir definieren ferner6 M := γ 0 M † γ 0 , (Ψ Φ)∗ := Φ† Ψ † (V.97a) = ΦΨ . (V.97b) Soll nun Ψ M Ψ reell sein, so folgt aus der Rechnung (Ψ M Φ)∗ = Φ† M † (γ 0 )† Ψ = Φ† γ 0 γ 0 M † γ 0 Ψ = Φ M Ψ , dass M = M. (V.98) Wegen der Forderung (V.98) gibt es 16 unabhängige Matrizen, als deren Basis üblicherweise die folgenden Matrizen verwendet werden: 1 y Skalar , γµ y Vektor , (V.99) M = y antisymmetrischer Tensor , Σµν = 2i [γ µ , γ ν ] iγ y Pseudoskalar , µ5 γ γ5 y Pseudovektor . Dabei haben wir das Transformationsverhalten der entsprechenden Größe unter Lorentz– Transformationen angegeben. Ausserdem haben wir die Matrix γ5 eingeführt, γ5 = i γ 0 γ 1 γ 2 γ 3 −12 0 = 12 0 (Chirale Darstellung) . (V.100) Diese besitzt die Eigenschaften γ µ γ5 = −γ5 γ µ , (V.101a) [γ5 , Σµν ] = 0 . (V.101b) Wegen (V.86) gilt: S γ5 = (det Λ) γ5 S , wobei det Λ = 1 für eigentliche Lorentz–Transformationen ist. 6 Der Sinn der zweiten Definition wird klar(er), wenn man das Dirac–Feld quantisiert und Ψ† zum hermitesch konjugierten Feldoperator erhoben wird. Die komplexe Konjugation wird dann ebenfalls zur hermiteschen Konjugation, d.h. kehrt die Reihenfolge der Operatoren um, und wir wissen bereits, dass es bei Operatoren auf die Reihenfolge ankommt. 144 V.4. DIRAC–GLEICHUNG V.4.3 Dirac–Darstellung Die bisher diskutierte chirale Darstellung ist eine äußerst nützliche Darstellung, jedoch gibt es gewisse Sachverhalte, zu deren Klärung es sich lohnt, eine andere Darstellung zu wählen. Wir hatten gesehen (vgl. (V.69)), dass ξ(~ p = 0) = η(~ p = 0). Dies legt nahe, eine andere Basis von Spinoren auszuprobieren“, ” 1 1 ψ ϕ = = √ (η + ξ) , (V.102a) ψ2 2 3 1 ψ √ (η − ξ) . (V.102b) χ = 4 ψ 2 D.h., wir unterscheiden zwischen dem Dirac–Spinor in chiraler Darstellung, ΨC , und in der sog. Dirac–Darstellung, ΨD , 1 ψ ψ2 ϕ ξ . (V.103) und ΨD = 3 = ΨC = χ η ψ ψ4 Der Wechsel zwischen beiden Darstellungen ist eine unitäre Transformation, 1 1 1 ΨD = T ΨC mit T = √ . (V.104) 2 −1 1 Offensichtlich ist T −1 = T † = T T . Multiplikation der Dirac–Gleichung in chiraler Darstellung mit T von links liefert µ T i γC ∂µ ΨC − m T ΨC = 0 , µ wobei γC die γ–Matrizen in chiraler Darstellung (vgl. (V.75)) bezeichnen. Dies führt auf µ −1 i T γC T ∂µ T ΨC − m T ΨC = 0 bzw. µ i γD ∂µ − m ΨD = 0 . (V.105) µ µ −1 Hierbei ist γD = T γC T , explizit hat man 0 γD = 1 0 0 −1 , i γD = 0 σi −σ i 0 145 5 und γ = 0 1 1 0 .(V.106) V.4. DIRAC–GLEICHUNG Benutzen wir für die Transformations–Matrix der Spinoren in der chiralen Darstellung, SC , (V.84) oder kurz A 0 SC = , 0 B so folgt SD 1 = 2 A+B B−A B−A A+B . (V.107) Insbesondere stimmen bei Betrachtung von ausschließlich Rotation, d.h. ϕ ~ = 0, die Transformationsmatrizen in beiden Darstellungen überein, ! 1 ~ 0 ei 2 ~σ·θ . (V.108) SC = SD = 1 ~ 0 ei 2 ~σ·θ V.4.4 Raumspiegelung Betrachtet wird hier eine diskrete Lorentztransformation, nämlich die Raumspiegelung ~x ′ = − ~x , t′ = + t . Wir suchen eine Abbildung P : Ψ(x) → Ψ′ (x′ ) = P Ψ(x) (V.109) Man kann die Raumspiegelung auch als Lorentztransformation schreiben mit: 1 0 0 0 0 −1 0 0 Λµ ν = (V.110) 0 0 −1 0 . 0 0 0 −1 Wir hatten zuvor gesehen (vgl. Gleichung (V.63)), dass eine Raumspiegelung gerade ξ und η vertauscht, d.h. P = P = γ0 in chiraler Darstellung . Daraus erschließen wir die Transformation in der Dirac–Darstellung, 0 0 −1 0 Ψ D = T Ψ C → T γC Ψ C = T γC T T Ψ C = γD ΨD , d.h. P = γ0 in Dirac–Darstellung . Wegen der Vertauschungsrelation P γ5 = − γ5 P (V.111) 146 V.4. DIRAC–GLEICHUNG ergibt sich das in (V.99) erwähnte Transformationsverhalten Pseudoskalar“ für Ψ γ5 Ψ ” und Pseudovektor“ für Ψ γ5 γ µ Ψ. ” Man rechnet nun leicht nach, dass 1 1 ϕ ϕ ξ+η η+ξ P √ √ Ψ = = − → = , χ η−ξ −χ ξ−η 2 2 d.h. in Dirac–Darstellung P ϕ −→ ϕ , Die Rolle von γ5 . wir ΨL := P χ −→ − χ . (V.112) Sowohl in der chiralen als auch in der Dirac–Darstellung setzen 1 (1 − γ5 ) Ψ 2 und ΨR := 1 (1 + γ5 ) Ψ , 2 wobei die explizite Matrixdarstellung lautet 0 1 2 (Chiral) , 0 0 1 (1 − γ5 ) = 2 12 −12 21 (Dirac) , −12 12 bzw. 0 0 0 12 1 (1 + γ5 ) = 2 1 2 12 1 2 12 12 (V.113) (V.114) (Chiral) , (V.115) (Dirac) . In der chiralen Darstellung wird der Sinn der obigen Bezeichnungen (V.113) offensichtlich, 0 ξ ξ =⇒ ΨR = , ΨL = . ΨC = η η 0 Die Spinoren ΨL bzw. ΨR haben in der Dirac–Darstellung die folgende Gestalt: 1 1 1 ξ η+ξ η =⇒ ΨR = √ , ΨL = √ ΨD = √ . η−ξ 2 2 η 2 −ξ Insbesondere ist der Dirac–Spinor gegeben durch Ψ = ΨR + ΨL . Man bezeichnet ΠC ± = 1 (1 ± γ5 ) 2 (V.116) als Chiralitäts–Projektions–Operatoren. 147 V.4. DIRAC–GLEICHUNG V.4.5 Dirac–Gleichung und Klein–Gordon–Gleichung Der Ausgangspunkt ist die Dirac–Gleichung, (i γ µ ∂µ − m) Ψ = 0 . Durch Multiplizieren mit i γ ν ∂ν von links entsteht [− (γ ν ∂ν ) (γ µ ∂µ ) − i (γ ν ∂ν ) m] Ψ = 0 . Einsetzen der Dirac–Gleichung im zweiten Term liefert ν µ −γ γ ∂ν ∂µ − m2 Ψ = 0 . (V.117) Aufgrund der Symmetrie der zweiten Ableitung, ∂µ ∂ν = ∂ν ∂µ , kann der erste Term in der Klammer umgeformt werden, γ ν γ µ ∂ν ∂µ = = 1 ν µ (γ γ ∂ν ∂µ + γ µ γ ν ∂µ ∂ν ) 2 1 1 ν µ (γ γ + γ µ γ ν ) ∂µ ∂ν = {γ ν , γ µ } ∂µ ∂ν . 2 2 Durch explizites Nachrechnen bestätigt man leicht, dass {γ ν , γ µ } = 2 η µν (V.118) gilt. Diese Relation definiert die sog. Clifford–Algebra. Bemerkung: Häufig ist die Clifford–Algebra der Startpunkt für die Konstruktion der Spinor–Darstellung (siehe auch [SU01]). Durch Einsetzen von (V.118) in (V.117) erhalten wir + m2 Ψ = 0 . D.h., jede Komponente des Dirac–Spinors Ψ erfüllt die Klein–Gordon–Gleichung. Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob die Lösungen der Dirac–Gleichung auch das im Zusammenhang mit der Klein–Gordon–Gleichung diskutierte Problem der negativen Energien ‘erben’. V.4.6 (i) Lösungen mit negativen Energien Problematik Für ~p = 0 ergibt die Dirac–Gleichung γ 0 p0 Ψ = m Ψ y p0 Ψ = m γ 0 Ψ , 148 V.4. DIRAC–GLEICHUNG wobei in der Dirac–Darstellung 12 0 ϕ 0 γ = und Ψ = 0 −12 χ ist. Identifiziert man p0 mit der Energie E, so ist E = m für p ϕ und E = −m für χ. Für nichtverschwindendes ~ p = 0 hat man entsprechend E = ± p~ 2 + m2 . (ii) Löcher–Theorie Um die Lösungen negativer Energie in den Griff zu bekommen, d.h. um zu erklären, warum die Elektronen nicht in beliebige negative Energieniveaus kaskadieren, diskutieren wir folgenden Erklärungsversuch. Im Vakuumzustand sind • alle Niveaus mit E > 0 leer und • alle Niveaus mit E < 0 besetzt. • • • • • • • E =0 Dirac-See Betrachte nun ein Dirac–Teilchen mit positiver Energie. Aufgrund des Pauli–Prinzip der entsprehende Ein–Teilchen–Zustand nicht in Zustände negativer Energie übergehen. Paarerzeugung. Wir betrachten nun die An• γ ε′ regung eines Zustands mit −ε < 0 und Q = g1 in einen Zustand positiver Energie ε′ > 0 E =0 • (und natürlich dem selben Q). Wir haben nun • • einen Zustand mit einem Loch“, d.h. in dem ◦ −ε Dirac-See ” • ein Teilchen negativer Energie fehlt, plus einem • • Teilchen positiver Energie. Relativ zum Vakuum, d.h. dem Ausgangszustand, mußten wir die Energie des Teilchens positiver Energie (ε′ ) sowie ε aufwenden. Das Loch trägt also positive zur Gesamtenergie bei. Aus Gründern der Ladungserhaltung muss das Loch Q = +1 zur Gesamtladung beitragen. M.a.W., die Abwesenheit eines Teilchens mit −E und Q = −1 entspricht der Anwesenheit eines Teilchens mit +E und Q = +1. Tatsächlich gibt es Prozesse, die auf diese Weise sinnvoll interpretiert werden können, insbesondere den Paarerzeugungsprozeß 2 Photonen → Elektron + Positron , wobei aus Gründen der Viererimpulserhaltung wirklich 2 Photonen benötigt werden. Die Theorie der Dirac–Gleichung wird automatisch zur Mehrteilchentheorie, wobei es Teilchen mit Masse m und Ladung Q und entsprechende Antiteilchen ebenfalls mit 149 V.4. DIRAC–GLEICHUNG Masse m, aber mit Ladung −Q gibt. Ordnet man einem Zustand mit negativer Energie den Impuls ~ p und den Spin s zu, so entspricht die Abwesenheit eines solchen Zustands (anschaulich aus Gründen der der Gesamtimpuls- bzw. Gesamtdrehimpulserhaltung) der Anwesenheit eines Teilchens mit −~ p und −s. Die Löchertheorie führt also auf folgende Uminterpretation der Lösungen negativer Energie, Zustand mit Loch mit ↔ . −E, −Q, p~, s E, Q, −~ p, −s Bemerkung: Die Löcher–Theorie wirft allerdings Fragen auf, die sie nicht beantworten kann. Insbesondere basiert sie auf dem Pauli–Prinzip, kann also nicht auf Bosonen angewendet werden. Nach einer kurzen Diskussion der freien Lösungen der Dirac–Gleichung werden wir skizzieren, wie die Lösungen negativen Energien im feldtheoretischen Formalismus in den Griff bekommen werden können; es treten einige Gemeinsamkeiten mit der Löchertheorie auf. V.4.7 Lösungen der Dirac–Gleichung für freie Teilchen Fragestellung. Wir suchen einen Spinor u(p), so dass (γ µ pµ − m) u(p) = 0 . (V.119) Wenn wir ein solches u gefunden haben, stellt die ebene Welle Ψ(x) = e−i x·p u(p) eine freie Lösung der Dirac–Gleichung zu positiven Energien bzw. Frequenzen dar.7 Wir betrachten den Fall m 6= 0. Im Ruhesystem, p~ = 0, lautet die Dirac–Gleichung in der chiralen Darstellung −12 12 0 p = 0) = m u(~ p = 0) = 0 . (V.120) m γ − m 14 u(~ 12 −12 Diese Gleichung wird offensichtlich gelöst durch die zwei linear unabhängigene Spinoren (s) √ χ (s) u (~ p = 0) = m , (s = 1, 2) (V.121) χ(s) √ wobei der Vorfaktor m sich später als nützlich erweisen wird und χ(s) die zweidimensionalen Basisspinoren bezeichnen, 1 0 χ(1) = und χ(2) = . (V.122) 0 1 7 Man beachte, dass wegen ~ = 1 die Begriffe ‘Energie’ und ‘Frequenz’ für ebene Wellen äquivalent sind. 150 V.4. DIRAC–GLEICHUNG Nebenrechnung. m+p·σ p 2 (p0 + m) m + p · σ̄ p 2 (p0 + m) Man zeigt leicht, dass (mit p · σ = pµ σµ ) !2 !2 = p·σ , (V.123a) = p · σ̄ . (V.123b) Dies impliziert √ √ p·σ = p · σ̄ = m+p·σ p , 2 (p0 + m) m + p · σ̄ p . 2 (p0 + m) (V.124a) (V.124b) p ~ 6= 0. Wir hatten uns bereits erarbeitet (Gleichungen (V.67) und (V.68)), dass für die beiden verschiedenen Spinoren ξ und η gilt ξ(~ p) = η(~ p) = E + m − ~σ · p~ p ξ(0) 2m (E + m) E + m + ~σ · p~ p η(0) 2m (E + m) (V.124a) = (V.124b) = 1 √ √ p · σ ξ(0) , m 1 √ √ p · σ̄ η(0) . m Dies impliziert, dass in einem beliebigen beliebigen Bezugssystem √ p · σ χ(s) (s) √ . u (p) = p · σ̄ χ(s) (V.125a) (V.125b) (V.126) √ Diese Beziehung überlebt auch den Limes m → 0 (was den Vorfaktor m in (V.121) nachträglich rechtfertigt). Was passiert, wenn wir das Teilchen sehr stark in z–Richtung beschleunigen? Wir finden p 0 1 3 E−p √ E≫m 0 , 0 − u(1) (p) = (V.127a) −−− → 2E p 1 1 3 E+p 0 0 p 0 0 E + p3 √ 1 E≫m 1 . −−−− (V.127b) u(2) (p) = → 2E p 0 0 E − p3 0 1 D.h., in Übereinstimmung mit unseren vorhergehenden Überlegungen werden • in den oberen Komponenten die Anteile mit positiver Projektions des Spins auf p~ und 151 V.4. DIRAC–GLEICHUNG • in den unteren Komponenten die Anteile mit negativer Projektions des Spins auf p~ herausgefiltert. Wie bereits erwähnt, definiert dann u(s) Lösungen der Dirac–Gleichung, X Ψ(x) = bs u(s) (p) e−i p·x , (V.128) s mit Koeffizienten bs . Diese Lösungen haben positive Frequenzen/Energien, i ∂t Ψ(x) = p0 Ψ(x) mit p0 > 0 . Völlig analog zu obiger Diskussion konstruiert man die Lösungen zu negativen Frequenzen/Energien, X Ψ(x) = cs v (s) (p) ei p·x , (V.129) s wobei p0 > 0 ist, cs Koeffizienten sind und √ p · σ χ(s) (s) √ v = . − p · σ̄ χ(s) (V.130) v (s) erfüllt (γ µ pµ + m) v (s) (p) = 0 . (V.131) Bemerkungen: 1. Die u- und v–Spinoren sind in einer Weise normiert, die sich beispielsweise bei der Berechnung von Streuprozessen als vorteilhaft erweist. Man hat u(r) † u(s) = 2 E δrs , (V.132a) u(r) u(s) = 2 m δrs , (V.132b) (r) † (s) = 2 E δrs , (V.132c) = −2 m δrs . (V.132d) v v v (r) v (s) 2. Durch Nachrechnen verifiziert man X s X s u(s) (p) u(s) (p) = γ · p + m , (V.133a) v (s) (p) v (s) (p) = γ · p − m . (V.133b) 152 V.4. DIRAC–GLEICHUNG V.4.8 Quantisierung des Dirac–Feldes und Antiteilchen Die Lösungen zu negativen Energien treten als mathematische Lösungen der Dirac– Gleichung auf. Physikalisch gesehen sind diese jedoch problematisch, denn sie würden implizieren, dass durch Erzeugung der zugehörigen Teilchen beliebig Energie gewonnen werden kann. In der Quantenfeldtheorie kann man das Problem lösen: Man interpretiert (in Anlehnung an die Löcher–Theorie) die Erzeugung einer Lösung negativer Energien als Vernichtung eines Antiteilchens. Das Dirac–Feld läßt sich schreiben als8 Z 1 X d3 p (s) −i p·x (s) +i p·x p . b (p) u (p) e + c (p) v (p) e Ψ(x) = s s (2π)3 2 p0 s (V.134) Im feldtheoretischen Formalismus werden die Entwicklungskoeffizienten bs und cs zu Operatoren, d.h. der naive Operator des Dirac–Feldes ist Z 1 X d3 p (s) −i p·x (s) +i p·x p , b (p) u (p) e + c (p) v (p) e Ψnaiv (x) = s s (2π)3 2 p0 s (V.135) wobei bs (p) bzw. cs (p) eine Welle mit positiver bzw. negativer Frequenz vernichten. Das Problem mit diesem Ansatz ist, dass man ausgehend vom Vakuum (wie üblich definiert als Zustand ohne Teilchen) beliebig viele Energie gewinnen kann, indem man die Zustände negativer Energie besetzt. Der Schritt, mit dem man das Problem der negativen Energien beseitigt, besteht nun darin, den naiven Ansatz (V.135) zu verwerfen, und cs (p) durch das hermitesch konjugierte eines neuen Operators ds (p) zu ersetzen, Z X d3 p 1 (s) −i p·x † (s) +i p·x p Ψ(x) = . b (p) u (p) e + d (p) v (p) e s s (2π)3 2 p0 s (V.136) Man erhält für den Operator des adjungierten Spinorfeldes Z X d3 p 1 +i p·x −i p·x † (s) (s) p . Ψ(x) = + ds (p) v (p) e bs (p) u (p) e (2π)3 2 p0 s (V.137) 8 Der Faktor √ 1 2 p0 garantiert die relativistische Kovarianz. Man kann sich überlegen, dass Z d3 p 1 d4 p 2 2 δ(p − m ) ∝ , (2π)4 (2π)3 2 p0 p wobei p0 = m2 + p ~ 2 . Zusammen mit der Normierung der u und v-Spinoren (V.132a) und (V.132c) ergibt sich das richtige Transformationsverhalten. Z 153 V.5. NICHTRELATIVISTISCHER GRENZFALL ds (p) bzw. d†s (p) vernichtet bzw. erzeugt ein Antiteichen mit p, insbesondere mit positiver Energie. M.a.W. wir interpretieren die Lösungen zu negativen Frequenzen — in Analogie zur Löcher–Theorie — in folgender Weise: Anwesenheit von Abwesenheit von Zustand mit ↔ Anti–Teilchen mit −E, −Q, p~, s E, Q, −~ p, −s und Abwesenheit von Anwesenheit von Zustand mit ↔ Anti–Teilchen mit . −E, −Q, p~, s E, Q, −~ p, −s D.h., das Vakuum, definiert als Zustand ohne Teilchen bzw. Anregungen ist tatsächlich der energetisch am tiefsten liegende Zustand! Diese Beschreibung hat zwei wichtige Konsequenzen: 1. die Erzeugung von Antiteilchen erhöht — genau wie die Erzeugung von Teilchen — die Gesamtenergie, d.h. Antiteilchen tragen positiv zur Energiebilanz bei. 2. Die Antiteilchen tragen in der zu den Teilchen entgegengesetzter Weise zu der Gesamtladung bei. Bemerkung: Es gibt an diesem Punkt noch viel zu sagen. Beispielsweise ist aus der Diskussion der Vielteilchensysteme bekannt, dass man Antivertauschungsrelationen für die Fermionen fordern sollte.9 Es sei auf die Quantenfeldtheorie–Vorlesung verwiesen. V.5 Nichtrelativistischer Grenzfall V.5.1 Erhaltungssätze Wir gehen aus von der Dirac–Gleichung in Dirac–Darstellung, µ γD pµ − m ΨD = 0 . (V.138) 0 ergibt sich die Dirac–Gleichung in Hamilton–Form, Durch Multplikation mit β := γD mit H = α ~ · ~p + β m , H Ψ = i ∂t Ψ wobei i α = i β γD = 0 σi σi 0 (V.139) . Ein hermitescher Operator F beschreibt eine Erhaltungsgröße genau dann, wenn [H, F ] = 0 ist. 9 Um zu sehen, was schief geht, wenn man stattdessen Vertauschungsrelationen annimmt, siehe [PS95, Seite 52 ff.]. 154 V.5. NICHTRELATIVISTISCHER GRENZFALL Impulserhaltung. p~ ist eine Erhaltungsgröße, denn [H, ~p] = [~ α · ~p + β m, ~p] = 0 . Gesamtdrehimpulserhaltung. Der Bahndrehimpuls ~ = ~r × ~p L ist keine Erhaltungsgröße, denn [H, Lj ] = [~ α · ~p, (~r × ~p)j ] = [αi pi , εjkℓ r k pℓ ] ~ = αi εjkℓ [pi , r k pℓ ] = − α ~ ×∇ 6= 0 . j Andererseits ergibt mit dem Spin–Operator 1 ~σ 0 ~s = 0 ~σ 2 der Kommutator ~ . [H, ~s] = α ~ ×∇ Daher ist der Gesamtdrehimpuls ~ + ~s ~ = L erhalten, [H, ~ ] = 0 . (V.140) Das bedeutet, dass man den Spin einführen muß, um einen Erhaltungssatz formulieren zu können. Da der Spin auf obige Weise mit dem Bahndrehimpuls verknüpft ist, kann man ihn als Eigendrehimpuls des Dirac–Teilchens im Ruhesystem interpretieren. V.5.2 Pauli–Gleichung Die Dirac–Gleichung in Hamilton–Form (V.139) in Anwesenheit eines äußeren zeitunabhängigen elektromagnetischen Feldes A ist n o ∂Ψ ~ + β m + eφ Ψ . = α ~ · ~p − e A (V.141) i ∂t Mit den Ersetzungen ~ π = ~p − e A ~ und V = eφ kann sie im zeitunabhängigen Fall umgeschrieben werden, i ∂Ψ = {~ α·~ π+βm+V} Ψ = EΨ. ∂t 155 V.5. NICHTRELATIVISTISCHER GRENZFALL Dies führt auf den Ansatz ϕ(~x) −i E t Ψ(x) = e χ(~x) mit den Zweier–Spinoren ϕ und χ. Man erhält damit eine zeitunabhängige Gleichung für ϕ und χ ϕ ϕ E = {~ α·~ π+βm+V} . χ χ Man schreibt E = m+W , wobei wir im nichtrelativistischen Grenzfall W ≪ m erwarten, ϕ χ ϕ ϕ (m + W ) = ~σ · ~ π +m +V . χ ϕ −χ χ Dies führt auf ein System gekoppelter Gleichungen für ϕ und χ, ~σ · ~ π χ = (W − V ) ϕ , (V.142a) ~σ · ~ π ϕ = (2m + W − V ) χ . {z } | (V.142b) =:C Setzt man χ aus (V.142b), ~σ · ~ π ϕ C in (V.142a) ein, folgt χ = (W − V ) ϕ = (~σ · ~ π) 1 (~σ · ~ π) ϕ . C Nun nähern wir C ≃ 2m . Unter Benutzung von (V.33) ergibt sich10 i 1 1 h 2 ~ . (~σ · ~ π) ~ π − e ~σ · B (~σ · ~ π) ≃ C 2m (V.143) Pauli–Gleichung. Durch Zusammensetzen der obigen Terme ergibt sich die Pauli– Gleichung für den Zweier–Spinor ϕ, 10 Achtung: Das Kreuzprodukt ~ π×~ π verschwindet nicht, sondern ergibt ~ ~ × ~p − e A ~p − e A π×~ ~ π = ~ ×A ~+A ~×∇ ~ ~ . = ieB = ie ∇ 156 V.5. NICHTRELATIVISTISCHER GRENZFALL W ϕ(~x) = 2 1 ~ − e ~σ · B ~ + e φ ϕ(~x) . ~p − e A 2m 2m (V.144) W = E − m kann in diesem Grenzfall als kinetische plus potentielle Energie interpretiert werden. Der Term e ~ =: − ~ ~ − ~σ · B µ·B 2m enthält das magnetische Moment eines Dirac-Teilchens, e ~σ = µB g ~s 2m ~µ = mit ~s = 1 ~σ 2 und dem Bohrschen Magneton e~ 2me c µB = und dem g- oder Landé–Faktor des Elektrons g = 2. V.5.3 Bemerkungen zum Dirac–Wasserstoffatom Nun wollen wir davon ausgehen, dass V kugelsymmetrisch ist, d.h. V (~r) = V (|~r|) . Man rechnet leicht nach, dass wo ~σ · ~p = (~σ · rb) (~σ · rb) ~σ · ~p = (~σ · rb) rb = i ∂ ~ + ~σ · ℓ , −i ∂r r ~r . |~r| Die Näherung (V.143) kann verbessert werden, indem man die r–Abhängigkeit von C = 2m + W − V (r) berücksichtigt, −C ′ ∂ i 1 1 1 (~σ · p ~) = + ~σ · ~ℓ + (~σ · p ~) (~σ · p ~) (~σ · rb) (~σ · rb) −i (~σ · p ~) 2 C C i ∂r r C V′ i 1 ∂ ~ ≃ + ~σ · ℓ + (~σ · p ~)2 . −i 2 (2m) ∂r r 2m Insgesamt können wir schreiben (~σ · p ~) 1 1 (~σ · p ~) ≃ (~σ · p ~)2 + V LS + V Darwin , C 2m 157 (V.145) V.5. NICHTRELATIVISTISCHER GRENZFALL wobei ℓ V ′ (r) ~σ · ~ , (V.146a) 4m2 r 1 dV ∂ V Darwin = − 2 . (V.146b) 4m dr ∂r Diese Terme spielen eine wichtige Rolle bei der Berechnung der Energie–Niveaus von Atomen (siehe z.B. [Sch97]). Die nicht–relativistische Näherung der Dirac–Gleichung für das Wasserstoff–Atom kann völlig analog zur üblichen Schrödinger–Gleichung gelöst werden. Die Rechnungen werden hier nicht durchgeführt (sie können beispielsweise in [Sch97] gefunden werden). Hier geben wir nur einige Ergebnisse an. V LS = Energieeigenwerte. Die Energieeigenwerte ergeben sich zu 2 −1/2 α q Enj = M 1 + , 2 n − j + 12 + j + 12 − α2 (V.147) wobei M die reduzierten Masse bezeichnet, M = MElektron MProton . MElektron + MProton Taylorentwicklung in α = 1/137 liefert Enj = M − M α4 3 M α4 M α2 − + + O(α6 ) . 2n2 n3 (2j + 1) 8 n4 2 α entspricht dem nichtDer erste Term M beschreibt die Ruheenergie, der zweite M 2n2 relativistischen Energieeigenweert und der dritte Term beschreibt wesentliche Anteile der Feinstrukturaufspaltung. Tabelle der niedrigsten Energieniveaus. n ℓ j 1S 1/2 1 0 2S 1/2 2 0 1 2 1 2 2P 1/2 2P 3/2 2 2 1 1 1 2 3 2 Enj √ 1 − α4 M q √ M 12 (1 + 1 − α2 ) q √ M 12 (1 + 1 − α2 ) √ M 4 − α2 2 Zwischen den beiden P –Niveaus 2P1/2 und 2P3/2 kommt es zur Feinstrukturaufspaltung ∆E2P = E(2P3/2 ) − E(2P1/2 ) ≃ mα4 = 4, 53 · 10−5 eV = ˆ 10, 9 GHz . 32 158 V.5. NICHTRELATIVISTISCHER GRENZFALL Übersicht über die relativistischen Korrekturen. n = 2, ℓ = 0, 1 E Feinstruktur Lamb-Shift Hyperfeinstruktur 2P3/2 2S1/2 2S1/2 , 2P1/2 Lamb–Shift. 2P1/2 Entsteht durch Strahlungskorrekturen. Hyperfeinstruktur. Durch die Wechselwirkung des Spins des Proton mit dem Gesamtdrehmpuls des Elektrons kommt es zu einer weiteren Aufspaltung. Diese entspricht formal der Feinstrukturaufspaltung, ist aber betragsmäßig sehr viel kleiner. 159