Moderne nuklearmedizinische Diagnostik mit leistungsfähigen

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Moderne nuklearmedizinische Diagnostik
mit leistungsfähigen Gammakameras
M. Laßmann, P. Schneider, Chr. Reiners
Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Würzburg
1. Prinzipien der nuklearmedizinischen Diagnostik
In der nuklearmedizinischen Diagnostik werden offene
radioaktive Stoffe dazu verwendet, Organfunktionen
nicht-invasiv abzubilden. Im Gegensatz zu anderen bildgebenden Diagnostikverfahren (Ultraschall, Röntgen,
m.E. auch Kernspintomographie) ist der nuklearmedizinische Untersuchungsansatz primär funktionsorientiert.
Dabei können Lebensvorgänge wie Durchblutung, Stoffwechsel und Vitalität von Organen und Tumoren in
Form von „Funktions-Bildern“ dargestellt werden [1,2].
Für die Darstellung von Durchblutung, Blutvolumen,
Lungenbelüftung, Magen-Darmpassage, Resorption und
Ausscheidung, Phagozytose, Zellkinetik, Antigen- oder
Rezeptorbindung sowie des Stoffwechsels und damit der
Vitalität werden unterschiedliche Radiopharmaka eingesetzt (Tab.1). Weitaus am häufigsten findet dabei das
künstliche radioaktive Isotop Technetium-99m Verwendung, das die Vorzüge optimaler Strahlungseigenschaften
(Emission ausschließlich von Gamma-Strahlung günstiger Energie, kurze Halbwertzeit von 6 Stunden) und
einfacher Verfügbarkeit als Generatornuklid auf sich
vereinigt. Technetium-markierte Radiopharmaka erlauben entsprechend dem pathophysiologischen Prinzip der
Anreicherung im Organismus Antworten auf zahlreiche
diagnostische Fragen aus den verschiedensten Indikationsgebieten. Methoden der nuklearmedizinischen
Routinediagnostik werden heute am häufigsten zu
Untersuchungen der Schilddrüse, des Skeletts, des
Herzens, der Nieren, der Lunge, des Gehirns sowie von
Tumor- und Entzündungskrankheiten eingesetzt [3].
Die Aussagekraft nuklearmedizinischer Untersuchungen von Organfunktionen läßt sich durch interventionelle
Tests steigern (z. B. definierte ergometrische Belastung
bei der Myokardperfusionsszintigraphie oder Schilddrüsenhormon-Suppression bei der Diagnostik der
funktionellen Schilddrüsenautonomie). Hierbei sind die
fehlende Invasivität und die vergleichsweise geringe
Strahlenexposition nuklearmedizinischer Verfahren von
Vorteil (Bild 1).
Organ/
Erkrankung
Bildgebung/Test
Radiopharmazeutikum
Skelett
Knochen
Knochenmark
Tc-99m-MDP oder HDP
Tc-99m-Kolloid
600
400
Herz
Perfusion
Tc-99m-Sestamibi
Tc-99m-Furifosmin
Tc-99m-Tetrofosmin
Tl-201-Chlorid
Tc-99m-Pertechnetat
(in-vivo oder in-vitro markierte Erythrozyten)
800
800
800
75
600
Vitalität
Ventrikuläre Funktion
Standardaktivität
(MBq)
Schilddrüse
Tc-99m-Uptake und Scan
I-123-Uptake und Scan
I-131-Kinetik und Scan
Tc-99m-Pertechnetat
I-123 NaI
I-131 NaI
50
10
3
Hirn
Blutfluß
Tc-99m-HMPAO
Tc-99m-ECD
I-123-Iomazenil
I-123-IBZM
500
500
185
185
GFR
statische Szintigraphie
Tc-99m-MAG3
I-123-Hippurat
Tc-99m-DTPA
Tc-99m-DMSA
150
30
150
70
Perfusion
Ventilation
Tc-99m-MAA oder Microsphären
Tc-99m-Aerosol
100
1000
Benzodiazepin-Rezeptoren
Dopamin-Rezeptoren
Nieren
Lunge
ERPF
Tabelle 1
Am häufigsten gebräuchliche
Radiopharmaka in der Nuklearmedizin.
electromedica 66 (1998) Heft 2
43
Vor der Anwendung offener radioaktiver Stoffe zu
therapeutischen Zwecken bietet die nuklearmedizinische Diagnostik die Voraussetzungen, mit geringen
Tracermengen eine genaue Dosimetrie durchzuführen.
Dazu wird die Aufnahme und die Kinetik des Tracers
quantitativ aus Szintigrammen oder Sondenmessungen
ermittelt und daraus die zu applizierende Aktivität für
die Therapie bestimmt. Der Therapieerfolg kann bei
geringer Restaktivität im Körper des Patienten in Form
einer Dosisabschätzung vorhergesagt oder zu einem
späteren Zeitpunkt mittels erneuter szintigrafischer
Diagnostik dokumentiert werden.
Die Grenzen der nuklearmedizinischen Routinediagnostik sind zum einen radiopharmakologisch, zum
anderen apparativ bedingt [1]. Das leicht verfügbare und
von seinen physikalischen und chemischen Voraussetzungen her ideale Tc-99m läßt sich nicht an alle
gewünschten biologisch aktive Substanzen koppeln, so
daß mit diesem Radionuklid das Spektrum von Radiopharmaka für Untersuchungen des Organmetabolismus
eingeschränkt ist. Eine wichtige Erweiterung bieten
I-123 markierte Substanzen, die für viele Fragestellungen
Verwendung finden.
2. Anforderungen an moderne Gammakameras
2.1 Detektoren/Kollimatoren
Die Gammakamera galt jahrelang als technisch
ausgereift und nicht mehr wesentlich verbesserungsfähig [1]. Die Ortsauflösung in planarer Technik lag bei
maximal 10 mm, in SPECT-Technik bei etwa 0,5 cm3.
Eine absolute Quantifizierung der Anreicherung von
Röntgendiagnostik
Radiopharmaka schien wegen der bis vor kurzem
fehlenden Möglichkeit zur gleichzeitigen Erfassung der
Schwächung der Gammastrahlung in SPECT-Technik
als unmöglich.
Moderne, universell einsetzbare Gammakameras
werden heutzutage mit rechteckigen Detektorköpfen
bestückt. Als Detektormaterial für herkömmliche
Kameras wird weiterhin ein NaI(Tl)-Kristall mit
einer Dicke von 0,9 cm verwendet. Das im Kristall durch
Gammastrahlung erzeugte Licht wird durch eine Vielzahl von angekoppelten Photomultipliern ortsabhängig
registriert.
Der Energiebereich, in dem die Kameras sinnvoll verwendet werden können, wird im wesentlichen durch das
Gewicht der äußeren Bleiabschirmung und durch das
Ansprechvermögen des Kristalls bestimmt. Die praktische Einsetzbarkeit von Gammakameras endet bei der
Energie von positronen-emittierenden Nukliden.
Um eine hohe inhärente räumliche Auflösung mit
einer Halbwertsbreite von 3,5- 4 mm im “Central Field
Of View“ (CFOV) und um eine möglichst gleichmäßige
Quanteneffizienz über das gesamte Sichtfeld des Detektors zu erzielen, sollte jeder Photomultiplier an einen
eigenen Analog-Digital-Konverter (ADC) angeschlossen
sein. Damit lassen sich Homogenitätswerte nach NEMA
z. B. für die integrale Homogenität von weniger als 3 %
im CFOV verwirklichen. Die digitale Weiterverarbeitung der Daten der einzelnen Photomultiplier ermöglicht
so bei modernen Kameras gegenüber älteren Modellen
eine deutliche Verbesserung der Ortsauflösung, der Totzeitverluste und der Langzeitstabilität. Das Zusammen-
Nuklearmedizinische
Diagnostik
mSv
CT Abdomen
CT Thorax
Kolonkontrasteinlauf
Urogramm
Magen-Dünndarm Passage
LWS 2 Ebenen
Abdomen-Übersicht
z – 20 – y
z – 10 –
z
y
z –5–
y
z natürliche y
z jährliche y
z Strahlen-
Herz TI-201 Chlorid
Hirn Tc-99m HMPAO
Leber Tc-99m HIDA
Herz Tc-99m Erythrozyten
Skelett Tc-99m Phosphonat
belastung
44
Becken-Übersicht
BWS 2 Ebenen
z
z
–1–
Schädel 2 Ebenen
z
– 0,5 –
Thorax 2 Ebenen
z
– 0,1 –
electromedica 66 (1998) Heft 2
y
y
y
y
y
y
y
Nieren Tc-99m MAG3
Lunge Tc-99m Mikrosphären
Schilddrüse Tc-99m Pertechnetat
Nieren Tc-99m DMSA
Nieren I-123 Hippuran
Schillingtest Co-57 Vit. B12
Clearance Cr-51 EDTA
Bild 1
Strahlenexposition (effektive
Dosis) bei den häufigsten
Untersuchungsverfahren in der
Nuklearmedizin und der
Röntgendiagnostik im Vergleich
zur jährlichen Schwankungsbreite der natürlichen Strahlenbelastung (aus [4]).
BAU 8
ICON AP
ORBITER
Raum 111
BAU 9-11
ICON P
Rechnerraum
Raum 112
µVAX 3400
Rechnerraum
Raum 112
ICON P
Rechnerraum
Raum 13
Ethernet 10 Mbit/s
LAT, DecNet,TCP/IP, Ethertalk, NetBEUI
SIMEDOS (Raum 50, 2. OG), KIS
ICON AP
DIACAM
Raum 113
ICON AP
BASICAM
Raum 10
Bild 2
Die Vernetzung der Modalitäten
innerhalb der Klinik und
Poliklinik für Nuklearmedizin
der Universität Würzburg.
ICON AP
BODYSCAN
Raum 108
ICON AP
MULTISPECT 3
Raum 12
ICON AP
ORBITER
Raum 14
Arbeitsräume 2. OG
DICOM
ICON A E.CAM
Raum 11
ULTRASCHALL
SIEMENS ELEGRA
ICON P E.CAM
Raum 11
IMATION
DRY VIEW 8300
PRINT SERVER
PRINT Spooler
wirken der technischen Neuerungen und Verbesserungen ermöglicht bei SPECT-Aufnahmen mittlerweile eine
Auflösung von weniger als 0,5 cm3. Die direkte digitale
Signalverarbeitung gilt darüber hinaus als Voraussetzung
für die Nutzung einer Gammakamera als KoinzidenzSystem für positronen-emittierende Radionuklide.
Als Kollimatoren werden heute weiterhin standardmäßig low-energy high-resolution Kollimatoren eingesetzt. Für hohe räumliche Auflösung bei SPECT bei
gleichzeitig erhöhter Transmission durch den Kollimator
werden sogenannte Fan-Beam-Kollimatoren empfohlen.
Diese haben allerdings den Nachteil, daß das abzubildende Objekt sich nahe zum Rotationszentrum der
Kamera befinden muß, um geometrische Verzerrungen
zu reduzieren.
2.2 Gantry/Liege
Die Bedienung der Gantry sowie der Liege erfolgt
heute durch mikroprozessorgesteuerte Motoren. Die
Qualität der Szintigramme wird von der Schwächung
der Gammastrahlen durch die Patientenliege beeinflußt.
Durch die automatische Konturabtastung der Patienten
bei Ganzkörper- sowie SPECT-Aufnahmen, bei der die
Kamera so nahe wie möglich an den Patienten heranfährt,
kann die Qualität der Szintigramme weiter verbessert
werden. Damit erreicht man ein Maximum an räumlicher
Auflösung bei gleichzeitig hoher Quantenausbeute.
Bei modernen Kameras müssen Liege und Detektorköpfe möglichst vielfältig verstellbar sein, um dem Arzt
auch bei ungünstigen Verhältnissen den notwendigen
Zugang zum Patienten zu ermöglichen. Besonders hervorzuheben ist, daß ein großes rechteckiges Gesichtsfeld
bei diesen Kameras die Untersuchung von Kleinkindern
deutlich erleichtert, da sie sehr nahe an den Detektor herangebracht und dabei vom Gesichtsfeld des Detektors
komplett erfaßt werden können.
Moderne Kamera-Systeme ermöglichen die wahlweise Positionierung der Kameraköpfe in einem Winkel
von 180° (z.B. Knochen-SPECT) oder 90° (z.B. HerzSPECT) zueinander.
Der halb- oder vollautomatische Kollimatorwechsel
ist in Kliniken oder Praxen, in denen häufig verschiedene Radionuklide eingesetzt werden, eine Möglichkeit
zur Zeitersparnis.
2.3 Rechnersysteme
Die Anforderungen an das Rechnersystem sind
Stabilität bei der Akquisition sowie Geschwindigkeit
und eine möglichst einfach zu bedienende Benutzeroberfläche bei der Auswertung von Studien. Ein umfassendes
Paket an klinischer Software, bei dem eigene Programme
durch eine Programmieroberfläche erstellt und eingebunden werden können, ist nach dem heutigen Stand der
Technik zu fordern. Derzeit wird bei Siemens sowohl
electromedica 66 (1998) Heft 2
45
in der konventionellen Nuklearmedizin als auch bei
PET die Einführung der nahezu plattformunabhängigen
Programmiersprache IDL (Interactive Data Language)
mit entsprechenden Interfaces zum ICON realisiert.
Schnittstellen zu Radiologieinformationssystemen
(für die Eingabe der Patientendaten), einfach zu handhabende Archivierungsmöglichkeiten für Studien sowie
standardisierte Schnittstellen zu anderen Modalitäten
(DICOM) sollten heute bei den in der Nuklearmedizin
verwendeten rein digitalen Systemen selbstverständlich
sein.
Typische Merkmale der Hardware-Ausstattung
moderner Kamera-Rechner sind:
• mind. 64 MByte Hauptspeicher,
• 20’’-Monitor mit einer Auflösung von wenigstens
1024 x 786 bei 256 Farben,
• mind. 2 GByte-Festplatte,
Bild 3
Die E.CAM der Klinik und
Poliklinik für Nuklearmedizin
der Universität Würzburg.
• Netzwerkanschluß.
Die Softwareausstattung erleichtert neben Aufnahmeund Auswerteprogrammen die Nutzung von zusätzlichen
Paketen zur Qualitätskontrolle, Schnittstellen zu anderen
DV-Verfahren sowie leichte und einfache Archivierungsmöglichkeiten. Die Möglichkeit der Fernwartung per
Modem unterstützt die Ortung und die Behebung
komplexerer Software- und Hardwareprobleme.
Für die Bildausgabe sind heute entweder Schwarzweiß-Laserdrucker mit einer Auflösung von mindestens
1200 dpi, Farbdrucker (Thermotransfer, Festtinte oder
Sublimation) oder Röntgenfilmbelichter einsetzbar.
Bei dem im Vergleich zur Röntgendiagnostik geringen
Filmdurchsatz und den dadurch bedingten Problemen
mit Entwicklungsmaschinen bietet sich für die Nuklearmedizin die Verwendung digital angeschlossener
Trocken-Laser-Imager an.
Bild 4
Detailansicht der Liege
der E.CAM
Um für zukünftige Vernetzungen offen zu sein und
um die Integration der digitalen nuklearmedizinischen
Auswertekonsolen in ein Klinik-Kommunikationssystem
(KIS) zu erleichtern, ist ein leistungsfähiges Netzwerk
zumindestens innerhalb einer Abteilung/Klinik vorzusehen. Stand der Technik heute ist eine sternförmige
Vernetzung mit Twisted-Pair-Verkabelung, die derzeit je
nach aktiver Netzwerkkomponente, Datenübertragungsgeschwindigkeiten bis zu 100 MBit/s erlaubt.
Als Beispiel ist in Bild 2 die Vernetzung der Rechnersysteme innerhalb der Klinik und Poliklinik für
Nuklearmedizin der Universität Würzburg abgebildet.
3. Die Siemens E.CAM als Beispiel für eine moderne
Gammakamera
Eine moderne Gammakamera sollte möglichst vielseitig sein. Dabei ist eine Doppelkopfkamera, deren
Detektoren variabel positioniert werden können, sowohl
für Ganzkörper-Aufnahmen als auch für Einzelaufnah-
46
electromedica 66 (1998) Heft 2
men in allen Positionen einsetzbar. Von wesentlichem
Vorteil ist ein offenes Gantry-Design, das auch die
uneingeschränkte Untersuchung von stehenden Patienten
oder von Patienten in Rollstühlen bzw. Krankenhausbetten erlaubt. Die Umrüstzeiten für den Kollimatorwechsel, der Zeitbedarf für die routinemäßige Qualitätskontrolle und auch der Zugang für den Service
(Ferndiagnose) sollten möglichst kurz sein. Zusätzlich
ist zu fordern, daß die Bedienung von Hardware und
Software für das medizinisch-technische Personal möglichst einfach und komfortabel ist. Diese Forderungen
sind nach dem heutigen Entwicklungsstand optimal in
der Doppelkopfkamera E.CAM realisiert (Bild 3). Die
sehr kompakt konzipierte Doppelkopfkamera verfügt
über Systemeigenschaften, die einen hohen Patientendurchsatz erlauben (variable Detektorpositionierung,
freie Schwenkbewegung der Detektoren, automatische
Körperkonturfindung bei Ganzkörper und SPECT, automatisierte Systemabläufe). Die energieunabhängigen
digitalen Detektoren, der nur 2,5 mm dicke PatientenPixel size FWHM Diameter from
FWHM
mm/pixel pixels
mm
Actual
diameter
mm
Error
Multispect 3
3.56
E.CAM
4.8
38.1
31.8
25.4
38.1
31.6
25.4
15.9
37.2
22.9
3.3
0.2
3.6
9.0
5.6
5.5
5.2
6.6
5.1
32.0
19.9
19.6
39.4
31.7
24.5
lagerungstisch aus Aluminium (Bild 4) und spezielle
Kollimatoren garantieren eine ausgezeichnete Bildqualität bei allen Aufnahmearten. Mit Hilfe des JaszczakPhantoms wurde die räumliche Auflösung des Systems
im Vergleich zur Multispect 3-Kopfkamera untersucht.
Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Verbesserung bei
der E.CAM (Tabelle 2). Die E.CAM unterscheidet sich
ebenfalls eindeutig von anderen untersuchten Gammakameras in Bezug auf Homogenität (Tabelle 3).
4. Klinischer Einsatz moderner Gammakameras
In Deutschland ist weiterhin die Schilddrüse das am
häufigsten nuklearmedizinisch untersuchte Organ.Wenngleich sich die Schilddrüse auch mit einer modernen
Doppelkopf-Gammakamera, deren Detektoren variabel
positionierbar sind, sowohl am liegenden wie am sitzenden Patienten untersuchen läßt, wird im Regelfall die
Schilddrüsen-Szintigraphie mit weniger aufwendigen
Gammakameras adäquat durchgeführt (Bild 5).
%
Tabelle 2
Räumliche Auflösung der
E.CAM verglichen mit der
Multispect-Gammakamera
mit Hilfe des JaszczakKugelphantoms.
(FWHM =
full width half maximum)
E.CAM
Multispect
Bodyscan
Orbiter
int. UFOV (%)
int.CFOV (%)
diff. UFOV (%) diff. CFOV (%)
2.6
3.3
4.5
7.7
2.5
2.4
2.8
4.5
2.1
2.9
3.4
4.2
1.8
2.2
2.3
2.6
Tabelle 3
Homogenität von vier verschiedenen Gammakameras.
(UFOV = useful field of view,
CFOV = central field of view,
int. = integral, diff. = differential)
Bild 5
Schildrüsenszintigramm mit
Tc-99m-Pertechnetat vor (oben)
und nach (unten) Suppression
mit Triiodthyronin. Es liegt ein
autonomes Adenom links vor.
electromedica 66 (1998) Heft 2
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Bild 6
Tc-99m MDP – Ganzkörperskelettszintigramm eines
Patienten mit Prostatakarzinom
und multiplen Knochenmetastasen, ventrale und dorsale
Ansicht.
Bild 7
Tc-99m-MIBI – Untersuchung
bei einem Patienten mit einem
intrathorakalen Nebenschilddrüsenadenom in planarer
Technik (oben) und in SPECTTechnik (unten).
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electromedica 66 (1996) Heft 2
Die Hauptanwendungsgebiete für eine moderne
SPECT-fähige Doppelkopf-Gammakamera liegen auf
den Gebieten der Onkologie, Kardiologie, Neurologie
und Psychiatrie.
Unter den onkologischen Fragestellungen hat die
Skelett- und Knochenmark-Szintigraphie eine große
Bedeutung. Skelettmetastasen lassen sich häufig szintigraphisch wesentlich früher nachweisen als röntgenologisch. In Ganzkörperszintigrammen wird eine hohe
Bildqualität erwartet (Bild 6). Die Untersuchung soll
darüber hinaus für Patienten, die an Schmerzen leiden,
möglichst komfortabel und rasch ablaufen. Von Vorteil
ist auch die Möglichkeit, Einzelaufnahmen in allen
Ebenen oder SPECT-Untersuchungen ohne Umlagerung
des Patienten durchführen zu können.
Für die Tumorszintigraphie werden unspezifische oder
spezifischere Radiopharmaka eingesetzt. In die erste
Gruppe fallen z. B. Thallium-201 oder Tc-99m-MIBI
sowie das heute weitgehend überholte Gallium-67Chlorid. Es hat sich gezeigt, daß Tc-99m-MIBI für eine
Zahl von Fragestellungen auf dem Gebiete der Onkologie
einsetzbar ist. Dies betrifft die Lokalisation von Metastasen des Schilddrüsenkarzinoms ebenso wie die Ausbreitungsdiagnostik bei Bronchialkarzinomen. Bild 7
zeigt ein Beispiel für ein intrathorakales Nebenschilddrüsenadenom, dargestellt mit Tc-99m-MIBI in planarer
und in SPECT-Technik.
Spezifischer sind nuklearmedizinische Verfahren, die
auf der Antigen-/Antikörper-Bindung oder der Bindung
an spezifische Rezeptoren basieren. In letzter Zeit hat
sich insbesondere In-111-Oktreotide als Radiopharmakon für die Diagnostik neuroendokrin aktiver Tumoren
etabliert. Bild 8 zeigt eine Hirnmetastase eines solchen
Tumors bei einem Kind.
In der nuklearmedizinisch-kardiologischen Diagnostik
ist heute das mit Tc-99m markierte MIBI als Perfusionsmarker neben dem Tallium-201 Chlorid weit verbreitet.
Die Myokard-Perfusionsszintigraphie erfaßt die Durchblutung des Herzmuskels unter ergometrischer oder
medikamentöser Belastung sowie in Ruhe (Bild 9). Dabei
lassen sich reversible Ischämien von permanenten Durchblutungsstörungen oder Myokardnarben differenzieren.
Voraussetzung ist eine optimierte tomographische
Untersuchungstechnik. Hierbei sind um 90° kippbare
Detektoren und die Möglichkeit einer Schwächungskorrektur von Vorteil.
Für die Untersuchung der Hirndurchblutung und von
zerebalen Rezeptorsystemen stehen heute eine ganze
Reihe von Radiopharmaka zur Verfügung. Die HirnSzintigraphie wird ausschließlich in SPECT-Technik
tomographisch durchgeführt. Für die Auswertung hirnszintigraphischer Untersuchungen ist eine Vernetzung
bzw. Überlagerung mit der Röntgen-Computertomographie oder Kernspintomographie von großer Bedeutung.
Hier ist zu fordern, daß moderne Gammakameras die
aktuellen Standards (z. B. DICOM) erfüllen. Bild 10
zeigt ein Beispiel für die parallele Betrachtung von
SPECT-Tomogrammen und MR-Tomogrammen auf einer
Bildgebungskonsole.
Bild 8
In-111-Oktreotide SPECT –
Untersuchung bei einem Kind
mit einem neuroendokrin
aktiven Hirntumor (PNET),
transversale Schnittbilder
(E.CAM).
Reihe 1 und 3: Störung der
Blut-Hirnschranke, dargestellt
mit Tc-99m DTPA,
Reihe 2 und 4: spezifischer
Uptake von In-111 Oktreotide
im Tumor.
5. Optionen/technische Weiterentwicklung
5.1 Schwächungskorrektur (SPECT)
Eine gleichzeitige Transmissions/Emissionsmessung
ist heute bei der verbesserten Detektorelektronik kein
Problem mehr. Viele SPECT-Untersuchungen (insbesondere z. B. des Myokards) zeigen Artefakte, weil die
Absorption der Gammastrahlung im Körper nicht berücksichtigt ist. Die Halbwertsschichtdicke von Tc-99m
in Wasser beträgt 4,5 cm. Daher werden z. B. von einem
Objekt in 4,5 cm Tiefe 50% weniger Photonen gesehen.
Durchgeführt wird die Korrektur bei Mehrkopfkameras
durch die zusätzliche Messung der Schwächung einer
Transmissions-Linienquelle (Am-241 oder Gd-153) beim
Patienten. Eine schwächungskorrigierte Rekonstruktion
der Emissionsdaten unter Einbeziehung der Daten der
Transmissionsmessungen erfolgt anschließend.
Bild 9
Myokard-SPECT – Untersuchung bei einem Patienten
mit einer reversiblen Vorderwand- und Septumischämie
(E.CAM).
Reihe 1, 3 und 5: Belastung,
Reihe 2, 4 und 6: Ruhe.
Mehrere Probleme erschweren allerdings die Interpretation der rekonstruierten tomografischen Schichten:
• Das SPECT-Volumen muß durch die Transmissionsmessung vollständig erfaßt werden, da ansonsten
Artefakte aufgrund unvollständiger Datensätze in die
Rekonstruktion eingeführt werden.
electromedica 66 (1998) Heft 2
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Bild 10
Anwendung der Bildüberlagerung bei morphologischer
und funktionaler Bildgebung
(Transversalschnitte bei der
Hirnszintigraphie).
Oben: Überlagerung
Mitte: MR-Bilder
Unten: SPECT-Bilder
(Siemens ICON Software)
Bild 11
Anwendung der Schwächungskorrektur bei der Myokardszintigraphie (ohne Korrektur:
Reihen 1, 3, 5; mit Schwächungskorrektur: Reihen 2, 4, 6).
Unten links:
Vergleich der Polar Maps
(Siemens ICON Software)
Bild 12
Rekonstruktionsalgorithmen bei
der SPECT (Hirnszintigraphie).
Links unten:
gefilterte Rückprojektion
(herkömmliche Methode)
Rechts unten:
iterative Rekonstruktion
(Siemens ICON Software)
50
electromedica 66 (1998) Heft 2
• Es erfolgt keine Korrektur der Streuung der Photonen
im Gewebe.
• Die Photonenenergien der für die Transmissionsmessung verwendeten Quellen ist nicht identisch mit
dem verwendeten Nuklid, so daß eine energieabhängige Anpassung an die Schwächungskoeffizienten
der Emissionsmessung erfolgen muß.
• Die Rekonstruktionsalgorithmen
Artefakte einführen.
können
neue
• Der Zeitbedarf für die Auswertung der Studien ist
aufgrund des erhöhten Rechenaufwandes größer.
Unter Berücksichtigung dieser Punkte erlaubt die
Schwächungskorrektur sowohl eine Verbesserung der
absoluten Quantifizierung des Radionuklid-Uptakes,
vergleichbar der PET, als auch die Vermeidung falscher
Befundungen durch Schwächungsartefakte. In Bild 11
ist ein Beispiel für die Anwendung der Schwächungskorrektur bei der Myokardszintigraphie dargestellt.
5.2 Iterative Rekonstruktion (SPECT)
Die Rekonstruktion von Schnittbildern mittels gefilterter Rückprojektion, einer heute gängigen und schnellen
Auswertemethode für SPECT-Studien, führt einerseits
grundsätzlich zu Artefakten, andererseits können Anreicherungen bzw. Defekte aufgrund übermäßig starker
Glättung bzw. Filterung im Bild verloren gehen.
Die iterative Rekonstruktion vermeidet diese Probleme und führt zu einer verbesserten Auswertung von
SPECT-Studien. Für die Firma Siemens wird z.B.
am Mallinckrodt Institute of Radiology, Washington
University School of Medicine, St. Louis, USA, ein Programm für die iterative Rekonstruktion an den ICON´s
unter IDL entwickelt. Die Technik der iterativen Rekonstruktion kann zu einer wesentlich verbesserten Bildqualität mit einer deutlichen Reduktion der durch die
analytische Rekonstruktion hervorgerufenen Artefakte
beitragen. Dies ist in Bild 12 deutlich zu erkennen
(links unten: gefilterte Rückprojektion, rechts unten:
iterative Rekonstruktion).
Probleme der iterativen Rekonstruktion liegen darin,
das mit der Anzahl von Iterationen zunehmende
Rauschen zu unterdrücken ohne gleichzeitig diagnostische Information zu verlieren und die Rechenzeit für
die Iterationen so gering zu halten sind, daß in
akzeptabler Zeit ohne Verwendung von Großrechnern
Ergebnisse produziert werden.
zitäten und dickere NaI(Tl)-Kristalle (1,3 cm) ermöglicht, deren Effizienz für 511keV-Photonen bei gleichzeitig nur geringer Qualititätseinbuße für herkömmliche
Nuklide deutlich besser ist. Als physikalisch-technische
Probleme ergeben sich unter anderem die Verarbeitung
hoher Zählraten durch Photonen mit Energien von weniger als 511 keV bei gleichzeitig geringer Ausbeute für
511 keV-Photonen. Geeignete schnelle Rekonstruktionsalgorithmen zur Auswertung von Koinzidenzmessungen
müssen noch erstellt werden.
Die klinische Evaluierung solcher Koinzidenzsysteme
für PET-Tracer findet derzeit statt. Der große Nachteil
dieser Methode ist allerdings, daß bisher eine absolute
Quantifizierung von Aktivitätskonzentrationen wie bei
Untersuchungen mit PET-Ringtomographen nicht möglich ist.
Inwieweit aktuelle Detektorentwicklungen, wie z. B.
Kristalle aus Lutetium-Orthosilikat und Yttrium-Orthosilikat (LSO/YSO) als Detektoren mit einer höheren
Quanteneffizienz, sowie eine weitere Optimierung der
Detektorelektronik die dedizierten PET-Tomographen
ersetzen können, muß die Zukunft zeigen.
Schrifttum
[1] Reiners, Chr.; Nuklearmedizinische Funktionsdiagnostik gestern
– heute – morgen: Möglichkeiten und Grenzen. Hrsg.: Börner, W.,
Holeczke, F., Messerschmidt, O., Gustav Fischer Verlag, Stuttgart,
1990, 30; 35-50
[2] Schicha, H.; Nuklearmedizinische Diagnostik – Prinzipien und
Indikationen. Z. ärztl. Fortbild. 91; 335-340, 1997
[3] Reiners, Chr., Sonnenschein, W.; Die Strahlenexposition durch
nuklearmedizinische Untersuchungen in Deutschland 1992 (alte Bundesländer). Nucl.-Med. 33; 254-262, 1994
[4] Hänscheid, H. et al.. Kursus der Nuklearmedizin. http://www.
uni-wuerzburg.de/nuklearmedizin/kursus/kursus.htm
5.3 Koinzidenzmessung mit neuen Detektortypen
Seit etwa zwei Jahren gewinnt die Koinzidenzmessung von Positronenstrahlern mit Gammakameras für
bestimmte Fragestellungen wie z.B. aus der Onkologie
immer mehr an Bedeutung. Dieses Meßverfahren wird
durch die durchgängige Digitalisierung der Kameradaten
nach den Photomultipliern, verbesserte Rechnerkapa-
Anschrift
Dr. rer. nat. Michael Laßmann
Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin
Universität Würzburg
Josef-Schneider-Straße 2
97080 Würzburg
electromedica 66 (1998) Heft 2
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