Versuchsanleitung zum Astrophysikalischen Praktikum Standardkerzen: Entfernungsbestimmung von M100 In dieser Aufgabe bestimmen Sie anhand gegebener Lichtkurven von Cepheiden in der Spiralgalaxie M100 im Virgo-Galaxienhaufen die Entfernung von M100 zur Sonne sowie die Hubble-Konstante H0 . Die gemessene kosmische Rotverschiebung des Virgohaufens aufgrund der Expansion des Universums beträgt z ≈ 4.67 · 10−3 . Allgemeines Die Entfernungsbestimmung astronomischer Objekte ist eines der wichtigsten Teilgebiete der Astronomie. Viele Schlußfolgerungen aus Beobachtungen hängen in kritischer Weise von der Entfernung der untersuchten Objekte ab. Die größte Schwierigkeit dabei ist die Tatsache, daß außerhalb unseres Sonnensytems nur indirekte Methoden zur Entfernungsbestimmung angewendet werden können. Die gebräuchlichsten Methoden (innerhalb unserer Galaxis) sind: • Bestimmung der Parallaxe: Der Umlauf der Erde um die Sonne führt zu einer zeitabhängigen Verschiebung von “nahen” Sternen gegenüber den sehr weit entfernten “Fixsternen”. Die der Sonne näheren Sterne zeigen im Lauf des Jahres eine Kreisbahn (i.a. eine Ellipse) mit einem Radius, der proportional zur Entfernung ist. Die Messung des Radius der Kreisbahn erfordert jedoch eine sehr hohe Winkelauflösung und ist daher nur für Objekte bis ca. 100 Lichtjahre möglich. • Sternstromparallaxe: Bei offenen oder geschlossen Kugelsternhaufen ergibt sich eine scheinbare Bewegung auf einen Fixpunkt am Himmel hin. Der Effekt tritt bei paralleler Bewegung der Sterne durch die Projektion auf die Himmelssphäre auf. Die Entfernung läßt sich bestimmen, wenn durch Messung der Dopplergeschwindigkeit und der scheinbaren Bewegung am Himmel sowohl radiale und tangentiale Geschwindigkeitskomponenten als auch aufgelöste Spektren nötig. Die tangentiale Bewegung (Eigenbewegung) darf nicht zu klein sein, was wiederum eine Obergrenze für die Entfernung der Sternhaufen setzt, bei der diese Methode angewendet werden kann. • Cepheiden und RR-Lyrae-Sterne: Bei einer bestimmten Klasse von veränderlichen Sternen wurde ein direkter Zusammenhang zwischen der Periode der Helligkeitsschwankung und der absoluten Leuchtkraft gefunden. Die Helligkeitsänderung kommt durch eine radiale Pulsation des Sternes zustande, deren Periode von der Masse des Sternes abhängt (P ∝ √1ρ ). Da für Hauptreihensterne die Masse-Leuchtkraft-Beziehung gilt, erhält man in diesem Fall eine Perioden - Leuchtkraft - Beziehung. Für extragalaktische Objekte kann man Cepheiden noch verwenden, solange einzelne Sterne aufgelöst werden, z.B. in der Andromedagalaxis. Ansonsten ist man auf sehr indirekte Methoden angewiesen, die meist auf der Annahme von bestimmten konstanten Eigenschaften astronomischer Objekte basieren (“Standardkerzen”): • Hellster Stern: Mit der Annahme, daß die hellsten Sterne in jeder Galaxie gleich hell sind, kann man aus der scheinbaren Helligkeit des hellsten Sternes die Entfernung bestimmen. • Hellste Galaxie: dasselbe mit hellsten Galaxien in einem Haufen. • Supernovae: Bei Supernovae vom Typ 1a geht man ebenfalls von einer konstanten absoluten Leuchtkraft aus. Da SN die Helligkeit einer ganzen Galaxie erreichen können, sind sie auch in den entfernteren Galaxien beobachtbar. • Kosmologische Rotverschiebung (“Galaxienflucht”): Die von E. Hubble festgestellte Eigenschaft, daß sich alle Galaxien außerhalb der gravitativ gebundenen lokalen Gruppe mit einer zu ihrer Entfernung proportionalen Geschwindigkeit von uns wegzubewegen scheinen. Da man sukzessive die verschiedenen Standardkerzen verwenden muß, erhält man eine sogennante “Entfernungsleiter”, bei der sich allerdings auch die Fehler der einzelnen Schritte aufsummieren. Aufgabenstellung: • Welchen Winkel hat der Durchmesser der Erdbahn in einem Lichtjahr Entfernung? Welche Größe muß ein optisches Teleskop (λ = 600 nm) haben, um diesen Winkel auflösen zu können? • Ermitteln Sie für jeden Cepheiden die Entfernung zur Sonne sowie die absolute Helligkeit • Berechnen Sie für die Entfernung den Mittelwert und dessen Fehler. • Rechnen Sie die Rotverschiebung z in die Fluchtgeschwindigkeit um. • Bestimmen Sie aus der gegebenen Fluchtgeschwindigkeit die Hubble-Konstante und das “Weltalter“. Versuchen Sie Vergleichswerte für Ihre Ergebnisse zu finden. Ergänzungsfragen 1. Aus den Lichtkurven werden Sie unterschiedliche Entfernungen von M100 erhalten - kann dies an den verschiedenen Positionen der Cepheiden in M100 liegen? 2. Als offizielles Ergebnis ([?]) für die Entfernung wurde d = 17.1 ± 1.8 Mpc veröffentlicht. Geben Sie mögliche Gründe an, falls sich Ihr Resultat von diesem Wert unterscheiden sollte. (1) Durchführung 1 Standardkerzen: Cepheiden 3 Hinweise • Perioden-Helligkeits-Beziehung Die Perioden-Helligkeits-Beziehung liefert Ihnen den Zusammenhang zwischen Periode P der Helligkeitsvariation - gemessen in Tagen - und der absoluten Helligkeit M eines Cepheiden M = −2.78 log10 P − 1.35 (2) • Entfernungsmodul Die scheinbare und absolute Helligkeit, m und M , sind über das Entfernungsmodul miteinander verknüpft: r m−M = 5 log10 10 pc (3) • Rotverschiebung und relativistischer Dopplereffekt Für kleine Rotverschiebungen z 1 kann man diese als Dopplereffekt deuten und es gilt dann s 1 + vc (4) 1+z = 1 − vc mit c ≈ 3 · 105 kms−1 als Licht- und v als Fluchtgeschwindigkeit. • Hubble-Konstante und Weltalter Die Hubble-Konstante ist definiert als H0 = das “Weltalter” bestimmt sich aus t0 = v , d 1 H0 • Fehlerrechnung Nehmen Sie als Ablesefehler der scheinbaren Helligkeit etwa 0.05mag und für die Zeitmessung etwa 1 Tag an. 2 Durchführung • Ermitteln Sie für jeden Cepheiden aus seiner Lichtkurve in Abschnitt 3 die jeweilige Periode der Helligkeitsvariation • Überlegen Sie sich eine Methode, wie Sie aus der Lichtkurve einen effektive scheinbare Helligkeit meff ermitteln können. 3 PSfrag replacements PSfrag replacements Experimentelle Daten Standardkerzen: Cepheiden Experimentelle Daten 4 Cepheid 1 Cepheid 2 24.0 24.0 24.2 m [mag] m [mag] 24.2 24.4 24.6 24.8 25.0 25.6 25.8 26.0 0 24.6 24.8 25.0 25.2 25.4 25.6 25.8 26.0 26.2 26.4 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 110 PSfrag replacements 25.4 PSfrag replacements 25.2 24.4 0 t [days] 5 10 15 20 25 30 35 40 m [mag] m [mag] 25.3 25.5 25.7 0 26.1 26.3 26.5 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 0 t [days] 5 10 15 20 25 30 35 m [mag] m [mag] 26.0 26.2 45 50 55 60 65 70 75 80 85 t [days] 25.9 26.1 26.3 26.5 26.7 26.9 27.1 27.3 27.5 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 PSfrag replacements PSfrag replacements 0 0 t [days] 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 55 60 t [days] Cepheid 7 Cepheid 8 25.5 24.5 24.7 m [mag] 25.7 m [mag] 40 25.7 25.8 27.4 95 100 Cepheid 6 25.6 27.2 90 25.5 25.4 27.0 85 25.5 25.9 25.2 26.8 80 25.3 Cepheid 5 26.6 75 25.1 25.7 25.0 26.4 70 24.9 PSfrag replacements 26.9 PSfrag replacements 26.7 65 24.7 25.1 26.5 60 Cepheid 4 24.9 26.3 55 24.5 24.7 26.1 50 t [days] Cepheid 3 24.5 25.9 45 25.9 26.1 26.3 26.5 24.9 25.1 25.3 25.5 25.7 25.9 26.7 26.1 26.9 26.3 27.1 26.5 26.7 27.3 26.9 27.5 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 t [days] 50 55 60 65 0 5 10 15 20 25 30 35 40 t [days] 45 50 rag replacements rag replacements Cepheid 9 Cepheid 10 25.5 24.5 24.7 m [mag] m [mag] 25.7 25.9 26.1 26.3 26.5 27.1 27.3 27.5 0 25.1 25.3 25.5 25.7 25.9 26.1 26.3 26.5 26.7 26.9 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 PSfrag replacements 26.9 PSfrag replacements 26.7 24.9 0 t [days] 5 10 15 20 30 35 40 45 50 55 40 45 50 55 t [days] Cepheid 11 Cepheid 12 25.5 25.0 25.2 m [mag] 25.7 m [mag] 25 25.9 26.1 26.3 26.5 25.4 25.6 25.8 26.0 26.2 26.4 26.7 26.6 26.9 26.8 27.1 27.0 27.2 27.3 27.4 27.5 0 5 10 15 20 25 30 35 t [days] 4 40 45 50 55 0 5 10 15 20 25 30 35 t [days] Literatur Literatur [1] W. Freedman et al. Distance to the Virgo cluster galaxy M100 from Hubble Space Telescope observations of Cepheids. Nature, 371:757–762, 1994. [2] H. Karttunen, P. Kröger, H. Oja, and M. Poutanen und K. Donner. Fundamental Astronomy. Springer Verlag, fourth edition, 2003. [3] A. Unsöld und B. Baschek. Der Neue Kosmos - Einführung in die Astronomie und Astrophysik. Springer Verlag, 6th edition, 1999.