Astronomie mit Papier und Bleistift Oberjoch 2008 Thorsten Nagel [email protected] 1 Überblick • Motivation • Die Cepheiden und die kosmische Entfernungsskala • Das Hubble-Gesetz • Die Rotation des Merkur • Die Masse des Jupiter • Das Farben-Helligkeits-Diagramm • Praktische Arbeit an ausgewählten Beispielen 2 Motivation • interessante Themen der Astronomie praktisch durchgeführt • Schüler können wichtige Entdeckungen selbst nachvollziehen • zum Teil kann eigenes Beobachtungsmaterial verwendet werden • basiert auf Anfängerpraktikum Astronomie Uni Tübingen astro.uni-tuebingen.de/seminars/astro prakt/astro prakt.shtml • Webseite mit netten Projekten inkl. Softwareprogrammen http://public.gettysburg.edu/˜marschal/clea/CLEAhome.html 3 1. Die Cepheiden und die kosmische Entfernungsskala Kurzbeschreibung: • Entfernungsbestimmung bei größeren Abständen als wenige 100 LJ nicht mehr trigonometrisch möglich • Cepheiden: Sterne (Überriesen) mit regelmäßiger Helligkeitsvariation (P∼1-100 d) • bis in die nächsten Galaxien nachweisbar • strenge Perioden-Leuchtkraft-Beziehung • aus der Periode folgt damit die absolute Helligkeit, Vergleich mit der gemessenen scheinbaren Helligkeit liefert die Entfernung • durchgeführt am Beispiel der Kleinen Magellanschen Wolke: 1. Beziehung Helligkeit - Periode 2. Entfernungsbestimmung SMC 4 1. Die Cepheiden und die kosmische Entfernungsskala • Cepheiden: Sterne (Überriesen) mit regelmäßiger Helligkeitsvariation (P∼1-100 d) • sehr hell, bis in die nächsten Galaxien nachweisbar • Ursache der Helligkeitsvariation: radiale Pulsation (κ-Effekt) • strenge Perioden-Leuchtkraft-Beziehung, entdeckt von Henrietta Leavitt (1912) mittels Cepheiden aus der SMC • es gibt 2 Sorten (Baade 1952): δ Cephei- und W Virginis-Sterne • aus der Periode folgt die absolute Helligkeit, Vergleich mit der gemessenen scheinbaren Helligkeit liefert die Entfernung • Problem: Kalibrierung, es wurden scheinbare Helligkeiten m gemessen, entscheidend ist die absolute Helligkeit M • Entfernung zu Cepheiden mit unabhängigen Methoden bestimmen, damit die P-L-Beziehung kalibrieren 5 1. Die Cepheiden und die kosmische Entfernungsskala 6 1. Die Cepheiden und die kosmische Entfernungsskala 7 1. Die Cepheiden und die kosmische Entfernungsskala Aufgaben: • Beziehung zwischen gemessener Sternhelligkeit m und Pulsationsperiode P (Sterne der SMC) • Kalibration der Beziehung auf absolute Helligkeit M mittels Cepheiden bekannter Entfernung • Bestimmung der Entfernung r der SMC mittels des Entfernungsmoduls Mv − mv = −5 log r + 5 • Wie ändert sich die Größe des Universums wenn sich Mv um −1m.5 ändert ? 8 2. Das Hubble-Gesetz Kurzbeschreibung: • Fluchtbewegung der Galaxien seit 1920 aus Beobachtungen von V.W. Slipher u.a. bekannt • Edwin Hubble zeigt 1929: je weiter Galaxien von uns entfernt sind, desto schneller bewegen sie sich von uns weg • Hubble-Gesetz: v = H · D • Hubble-Konstante H ist ein Maß für die Änderung der Fluchtgeschwindigkeit • Aufgabe: Hubble-Gesetz verifizieren, Hubble-Konstante bestimmen • Spektren von Galaxien stehen zu Verfügung 9 2. Das Hubble-Gesetz 10 2. Das Hubble-Gesetz • 1917 A. Einstein, ART, statisches Universum • 1917 W. de Sitter, ART als Grundlage, ruhendes Universum, Spektrallinien ferner Galaxien sind rotverschoben da Zeit mit zunehmender Entfernung langsamer abläuft • 1917 V. Slipher, vermisst Spektren von Spiralnebeln auf Wellenlängenverschiebung, findet (1924) 41 rotverschoben, 4 blauverschoben, Dopplereffekt ? de Sitter-Zeit ? • Anfang 1920er, Natur und Entfernung der Spiralnebel unbekannt • 1925 E. Hubble M31 u.a. sind weit entfernte Galaxien (Cepheiden) • 1926 statistische Untersuchung von 400 extragalaktischen Nebeln, mtot - D 11 2. Das Hubble-Gesetz • 1925 Le Maı̂tre zeigt Inkonsistenz in de Sitters Modell, korrigiert es • 1927 Le Maı̂tre entwickelt Modell das über Einstein-de Sitter hinausgeht • dynamische Lösung der ART (nicht statisch !) • Krümmungsradius vergrößert sich mit der Zeit (Expansion !) • Rotverschiebung: nicht Dopplereffekt, sondern Expansion, vergrößert sich mit der Distanz • 1927 leitet Le Maı̂tre das später von Hubble gefundene Hubble“” Gesetz her • benutzt Sliphers Rotverschiebungen und Hubbles Entfernungen, erkennt lineare Beziehung, berechnet H ≈ 500 • betont, Rotverschiebung zeigt die Expansion des Universums • publiziert 1927 in frz. Annales de la societe scientific de Bruxelles (findet keinerlei Beachtung !) 12 2. Das Hubble-Gesetz • 1929 E. Hubble: bilden extragalaktische Nebel einen Hintergrund vor dem sich die Sonne bewegt ? • Daten wie Le Maı̂tre, ergänzt durch Humason, kannte Le Maı̂tres Arbeit nicht • findet lineare Beziehung zwischen Rotverschiebung und Distanz (v = H · r), H ≈ 500 • seine Interpretation: zu wenig Daten für endgültigen Schluss, Bestätigung des de Sitter-Universums (statisch !!) • Hubble sagt nichts über Expansion, ihm war nur wichtig als Entdecker von v = H · r zu gelten 13 2. Das Hubble-Gesetz • 10. Jan. 1930 Vortrag de Sitter bei RAS, Diskussion de Sitter und Eddington über Hubbles Gesetz • Sitzungsprotokoll wird veröffentlicht, Le Maı̂tre liest es, schickt Eddington und de Sitter Kopien seiner Arbeit • beide erkennen: Durchbruch durch Le Maı̂tre • Teilübersetzung ins Englische (ohne H=...) • 1922 Alexander Friedmann: Universum kann nach ART expandieren und kontrahieren • Friedmann stellt aber keine Verbindung zu Beobachtungen her • seine Arbeiten werden bis 1929 nicht zur Kenntnis genommen 14 2. Das Hubble-Gesetz Aufgaben: • Bestimmung der Fluchtgeschwindigkeit v mehrerer Galaxien mittels aufgenommener Spektren (Rotverschiebung bekannter Spektrallinien) • Bestimmung der Durchmesser der Galaxien und ihrer Entfernung D (Annahme: Galaxien sind vom gleichen Typ, 0.03 Mpc realer Durchmesser) • Bestimmung der Hubblekonstante H mittels eines Diagramms v gegen D aufgetragen • Bestimmung des Weltradius“ und Weltalters“ ” ” 15 3. Die Rotation des Merkur Kurzbeschreibung: • Bestimmung der Rotation bei Planeten schwierig wenn keine Oberflächenmerkmale beobachtbar • gute Methode: Analyse dopplerverbreiteter Radarechos • Durchführung anhand der Originaldaten von 1965, lieferte damals ein überraschendes Ergebnis 16 3. Die Rotation des Merkur • bis etwa 1900: Bestimmung der Rotation eines Planeten durch Beobachtung von Oberflächenerscheinungen • Merkur problematisch: nahe an der Sonne, kleiner Durchmesser, geringer Kontrast • F.W. Bessel, basierend auf Merkurzeichnungen von Schröter: Rotation von 24 h (akzeptiert bis etwa 1880) • 1889 Schiaparelli: permanente Markierungen an der Oberfläche entdeckt, Rotation 88 Tage (= Umlauf), bestätigt von anderen Beobachtern • um 1900: spektrographische Methode (Dopplerverschiebung von Spektrallinien), Slipher, John und Nicholson: Rotationsperiode mehrere Tage • 1965: Untersuchung der Radarreflexion an Merkur liefert bisher bestes Ergebnis 17 3. Die Rotation des Merkur • 1965: Dyce, Pettengill und Shapiro schicken mit dem 300 m Radioteleskop in Arecibo Radarpulse zum Merkur (Pulsdauer 0.1 ms bzw. 0.5 ms) • Laufzeit des Signal länger als Pulsdauer • reflektiertes Signal wird zeitaufgelöst aufgezeichnet 18 3. Die Rotation des Merkur 19 3. Die Rotation des Merkur x=R−d v0 c = y= ∆f f √ v v0 20 R 2 − x2 = R y 3. Die Rotation des Merkur Aufgaben: • Berechnung des Reflexionspunktes des aufgefangenen Signals auf der Merkuroberfläche • Bestimmung der Dopplerverschiebung und der Radialkomponente v0 der Rotationsgeschwindigkeit • Berechnung der echten Rotationsgeschwindigkeit v mittels geometr. Überlegungen • Berechnung der Rotationsperiode P des Merkur 21 4. Die Masse des Jupiter Kurzbeschreibung: • Bestimmung der Masse des Jupiter aus der Analyse der Bewegung der Galileischen Monde • Kräftegleichgewicht Fliehkraft = Gravitationskraft • zur Verfügung stehen Aufnahmen des Jupiter und seiner 4 hellsten Monde in kurzen zeitlichen Abständen • Vorteil: wenn Teleskop und Kamera vorhanden, können die selbst aufgenommenen Daten ausgewertet werden 22 4. Die Masse des Jupiter • Bestimmung der Masse des Jupiter aus der Analyse der Bewegung der Galileischen Monde 23 4. Die Masse des Jupiter 24 4. Die Masse des Jupiter • 2 Positionen eines Jupitermondes: cos θ1 = r1 r0 cos θ2 = r2 r0 • siderische Umlaufzeit (Annahme Kreisbahn): ∆t P = 360◦ ∆θ • Kräftegleichgewicht zwischen Fliehkraft und Gravitation: mv 2 mM =G· 2 Q Q • für die Periode gilt P = 2πQ v , damit ergibt sich 4π 2Q2 M = G · P2 Q → 25 4π 2Q3 M= GP 2 4. Die Masse des Jupiter • Für den Sichtwinkel α im Bogenmaß gilt: α= Q D wobei wir für D = 4.46 AU annehmen. 26 4. Die Masse des Jupiter Aufgaben: • Bestimmung des Abstandes der Jupitermonde von Jupiter auf den Aufnahmen • Bestimmung der Perioden der Jupitermonde • Berechnung des wahren Abstandes Jupitermond-Jupiter • Berechnung der Jupitermasse 27 5. Das Farben-Helligkeits-Diagramm Kurzbeschreibung: • Sterne eines Sternhaufens sind in etwa gleich alt und gleich weit entfernt • Farbindex (mB − mV ) der Sterne gegen Helligkeit mv auftragen: Farben-Helligkeitsdiagramm • ähnelt dem Hertzsprung-Russell-Diagramm • am Beispiel der Hyaden wird ein FHD erstellt und daraus die Entfernung des Haufens und sein Alter ermittelt • Vorteil: wenn Teleskop und Kamera mit Filtersystem vorhanden, können die selbst aufgenommenen Daten ausgewertet werden 28 5. Das Farben-Helligkeits-Diagramm • Sterne eines Sternhaufens sind zur selben Zeit aus der selben Gaswolke entstanden: Entfernung und Alter in etwa gleich • photometrische Aufnahme des Haufens in den Filtern B und V • Bestimmung der Helligkeiten mV und mB der Haufensterne • Alle Sterne in ein Diagramm mit dem Farbindex mB − mV als x-Achse und der Helligkeit mV als y-Achse eintragen: FHD • Farben-Helligkeitsdiagramm entspricht dem Hertzsprung-Russel-Diagramm 29 5. Das Farben-Helligkeits-Diagramm 30 5. Das Farben-Helligkeits-Diagramm 31 5. Das Farben-Helligkeits-Diagramm Aufgaben: • Aufstellen einer Alter-Null-Hauptreihe • Erstellen eines FHD für die Sterne der Hyaden (gleicher Maßstab wie oben) • Vergleich beider Diagramme, Bestimmung von M − m • Berechnung der Entfernung r des Haufens mit Hilfe des Entfernungsmoduls M − m = −5 log r + 5 • Bestimmung des Abknickpunktes, dadurch Bestimmung des Alters des Haufens 32