Medizin & Wissen Arthrose ist nicht gleich Arthrose Viele verschiedene Ursachen können Finger- und Handgelenksarthrosen haben. Therapiert werden sie zunächst gleich – mit Wärme, Salben, Spritzen und medizinischen Hilfsmitteln. Erst wenn operiert werden muss, ist die Eigenart des betroffenen Gelenks wiederum entscheidend. von sind die Arthrosen des Handgelenks. Fingergelenke haben einen scharnierähnlichen Aufbau und unterscheiden sich grundlegend vom Aufbau eines Handgelenks oder eines Daumenwurzelgelenks. Letzteres verursacht nicht zwangsläufig, aber zumindest zeitweilig, Schmerzen beim Zugreifen im Bereich des betroffenen Daumens und des Handgelenks. Die fortgeschrittene Daumenwurzelgelenkarthrose (Rhizarthrose) ist am daumenwärts-seitlichen Herauswandern der Daumenbasis zu erkennen. Arthrosen der Handgelenke sind im Gegensatz zu Fingergelenkpolyarthrosen meistens Folgeerscheinungen anderer Erkrankungen, so beispielsweise der rheumatoiden Arthritis, eines Bruches oder eines abgestorbenen Handwurzelknochens infolge einer vibrationsbelasteten Berufserkrankung. Sie gehen mit Schmerzen im Handgelenk und einem Instabilitätsgefühl einher. rthrosen der Fingergelenke sind auch heute noch eng mit ihren Namensgebern, dem britischen Arzt William Heberden (Fingerendgelenke) und seinem französischen Kollegen Charles Bouchard (Fingermittelgelenke) verbunden. Fingergelenkpolyarthrosen treten zu 95 Prozent bei Frauen jenseits der Wechseljahre auf, oft gleichzeitig als Heberden- und Bouchard-Arthrosen nebeneinander. Im Laufe der Erkrankung kann es zu einer massiven Verdickung der Gelenke mit zeitweiliger Rötung und Schwellung kommen. Die anfänglich weiche, elastische Gelenkverdickung weicht mit der Zeit einer harten, knöchernen Verdickung. Die Hände zu einer Faust zu schließen, fällt bei der Bouchard-Arthrose schwer. Anfänglich 14 wegen der Schmerzen, später wegen der eingetretenen Bewegungseinschränkung. Erste typische Symptome sind neben einer kurzen Morgensteifigkeit Schmerzen bei Bewegung und in Ruhe. Ebenso wird häufiger über Kälteempfindlichkeit und Missempfindungen geklagt. Alltagsverrichtungen wie das Öffnen von Schraubverschlüssen sowie das feste Zupacken und Greifen von Gegenständen sind eingeschränkt. Auch das Auswringen von Lappen beim Saubermachen ist sehr schmerzhaft. Glücklicherweise sind Fingerpolyarthrosen in ihrem Verlauf gutartig. Sie verursachen zwar zeitweilig Schmerzen, aber in der Regel nicht so, dass man über Jahre eine intensive Therapie benötigt. Abzugrenzen da- Arthrose als Spätfolge rheumatoider Arthritis Als Spätfolge einer rheumatoiden Arthritis an betroffenen Handgelenken entwickelt sich die Arthrose langsam über Jahre, sodass das betroffene Handgelenk in einem Mischbild aus beidem endet. Dabei überwiegt allerdings die Arthritis bei Weitem. Sie führt zu typischer Schwellung und zu charakteristischen Fehlstellungen des Handgelenks (Bajonettstellung). Die Entzündung lockert die Bänder zwischen den Handwurzelknochen, die Knorpelflächen werden dünner, die Knochen weicher und deformierter, sodass schließlich einige der Handwurzelknochen auseinanderdriften und andere miteinander verkleben. Eine MOBIL 4/2011 Fotos: Getty Images; S. Schewe A 왘 Arthrose entwickelt sich dann schließlich an den Gelenken, die noch beweglich sind. Arthroserisiko: Fehlstellung nach Brüchen Nach Handgelenkbrüchen kann sich eine Handgelenkarthrose ganz anderer Art entwickeln. Der Sturz auf die ausgestreckte Hand im höheren Lebensalter kann dazu führen, dass die beiden Unterarmknochen über dem Handgelenk brechen. Bewegungseinschränkung und Fehlstellung können die Folge sein. Je ausgeprägter die Fehlstellung ist, in der der Bruch verheilt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Arthrose. Glücklicherweise hat sich die Unfallchirurgie in den vergangenen Jahren erheblich weiterentwickelt. Heute können auch Hochbetagte vor Fehlstellungen dadurch bewahrt werden, dass diese Brüche operativ versorgt werden. Seltenere Ursache: körperlich schwere Arbeit Eine Handgelenkarthrose, bei der alle oder fast alle Handwurzelknochen betroffen sind, kommt gelegentlich vor, auch ohne dass eine Verletzung vorausgegangen ist. Meist trifft es Menschen, die körperlich über Jahrzehnte schwer gearbeitet haben. Die Erkrankung ist aber auch nicht so häufig, dass sie sich typischerweise bestimmten Berufsgruppen zuordnen ließe. Eine seltene Sonderform ist die Gelenkschädigung durch Vibrationen (Berufserkrankung Nr. 2103), wobei Muskelsehnen und eben auch Handgelenke durch Rüttelplatten oder Vibrationsmaschinen geschädigt wurden. Wärme, Wärme, Wärme und Schmerztherapie Die konservative Therapie, das heißt die nicht operative Therapie der genannten Arthrosen, ist in weiten Teilen gleich. Bewährt hat sich Wärme in jeglicher Form, im Wasser, im Sandbad oder als Elektrotherapie. Therapie der ersten Wahl ist wegen 4/2011 MOBIL der geringen erforderlichen Eindringtiefe das Auftragen schmerzstillender Salben oder das Aufbringen von Salben mit einem „Salbenverband“ in Verbindung mit Bewegungsübungen. Kortisonspritzen ins betroffene Gelenk sind immer eine wichtige Therapieoption, während für eine Radiosynoviorthese (RSO), bei der leicht strahlendes Material in das Gelenk eingebracht wird, nur in Ausnahmefällen eine medizinische Notwendigkeit besteht. Bei Handgelenkarthrosen und Rhizarthrosen haben sich Orthesen, die meist mit Klettverschlüssen angelegt werden, sehr bewährt. Versteifung und Prothese? Operative Optionen Die operative Therapie hingegen orientiert sich sehr an den anatomischen und funktionellen Eigenarten des Gelenkes. Während sich bei ausgeprägten HeberdenBefunden eine operative Versteifung der Endgelenke in etwa 10-Grad-Winkelstellung bewährt hat, kommt diese Methode für Bouchard-Arthrosen vorrangig nicht infrage, da dadurch die Greiffunktion der Hand erheblich eingeschränkt wäre. Deshalb wird in fortgeschrittenen Fällen, wenn die konservative Therapie und auch die operative Entfernung der Gelenkinnenhaut versagen, der endoprothetische Ersatz in der Regel mit einer Swanson-Prothese angestrebt. Dabei handelt es sich um ein Silikonimplantat, welches eine Beweglichkeit nicht durch Gelenkflächen, sondern durch die eigene Biegsamkeit gewährleistet. Was auf den ersten Blick befremdlich wirkt, funktioniert in der Praxis über Jahre zufriedenstellend, auch wenn die volle Beweglichkeit nicht erreicht werden kann. Bei Implantatbruch ist der biegsame Platzhalter jederzeit austauschbar. Beim Daumenwurzelgelenk hat sich über Jahrzehnte die Entfernung arthrotischer Knochenanteile und das anschließende Setzen eines Platzhalters aus einer Sehne bewährt. Ist dem Betroffenen besonders an einer guten Stabilität gelegen, kommt auch eine Versteifung des Daumenwurzelgelenks infrage. Schließlich ist das Schwerpunkt-Thema Ausgeprägte Arthrose mit Verdickung der Fingerendgelenke, zum Beispiel am kleinen Finger beidseits (Heberden-Arthrose), Verdickungen an den Fingermittelgelenken, zum Beispiel am Mittel- und kleinen Finger rechts (Bouchard-Arthrose), Verdickungen an beiden Daumensattelgelenken (Rhizarthrose). Gelenk auch durch eine Prothese ersetzbar, was zur guten Beweglichkeit, Stabilität und Kraft führt, allerdings um den Preis, dass die „Lebensdauer“ der Prothese in der Regel nicht die anderer prothetischer Eingriffe erreicht. Bei fortgeschrittener Handgelenkarthrose und anhaltend starken Beschwerden kommt eine Teil- oder Gesamtversteifung des Handgelenks infrage. Grundsätzlich kann jedoch auch die völlige Versteifung eines Handgelenks dem Betroffenen sehr helfen, sorgt sie doch für maximale Stabilität und für Schmerzfreiheit. Im Alltag lassen sich sehr viele Arbeiten auch mit einem versteiften Handgelenk erledigen. Stehen beide Handgelenke zur Operation an, bemüht man sich, eines von beiden beweglich zu halten, da die komplette Versteifung beider Handgelenke erhebliche Einschränkungen im Alltag nach sich zieht. ❚ Dr. Martin Quarz, Chefarzt am MEDIAN-Rehazentrum Bernkastel-Kues und langjähriger ärztlicher Berater der Redaktion mobil, plädiert für eine Arthrosebehandlung, die sich am konkreten Alltag orientiert. 15