Anwendungen des Reflexionsprinzips

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Anwendungen des Reflexionsprinzips
Sandra Breitenberger
21. Jänner 2011
Inhaltsverzeichnis
1 Grundlagen
3
2 Anwendungen des Reflexionsprinzips
3
Literatur
8
2
1
Grundlagen
Vergleiche diesen Abschnitt auch mit [1].
Wir setzen voraus, dass X1 , X2 ,. . . eine Folge von unabhängigen, identisch verteilten Zufallsvariablen ist mit P(Xj = 1) = 21 beziehungsweise P(Xj = −1) = 21 . Außerdem gilt
P(X1 = 1 , . . . , Xn = n ) = P(X1 = 1 ) · . . . · P(Xn = n ) = 2−n .
Sei Sn = X1 + . . . + Xn ein Pfad der Länge n und S0 := x ein gegebener Startpunkt. Sn+1 ergibt
sich dann als Summe von Sn + Xn+1 .
Weiters führen wir die Bezeichnung Tx = inf {n > 0 : Sn = x} ein. Dies entspricht dem
ersten Zeitpunkt in dem die Irrfahrt den Punkt x erreicht, x ∈ Z. T0 entspricht dann dem
Zeitpunkt der ersten Rückkehr zum Nullpunkt - offensichtlich muss dies ein gerader Zeitpunkt
sein.
Px sei im Folgenden die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses, wobei der Linienzug im Punkt
x gestartet wird, also S0 = x. Offensichtlich gilt dann P0 (S0 = 0) = 1 und
!
0
P (S2n = 2k) =
2n
· 2−2n ,
n+k
das mit Hilfe folgender Nebenrechnung ermittelt wurde:
vorwärts
+ rückwärts = 2n
vorwärts
− rückwärts = 2k
2 · vorwärts
= 2n + 2k
vorwärts
= n + k ⇒ rückwärts = n − k
Speziell gilt:
!
P0 (S2n = 0) =
2
2n
· 2−2n
n
Anwendungen des Reflexionsprinzips
Lemma 1 Seien a und b nichtnegative ganze Zahlen mit a-b > 0 und k=a+b. Dann gilt:
Die
k
Anzahl der Pfade der Länge k mit S0 = 0, S1 > 0, . . . , Sk−1 > 0, Sk = a − b ist gleich a−b
(vgl.
k a
[2]).
Beweis:
Anzahl der Pfade der Länge k mit S0 = 0, S1 > 0, . . . , Sk−1 > 0, Sk = a − b
=
Anzahl der Pfade der Länge k mit S1 = 1, S2 > 0, . . . , Sk−1 > 0, Sk = a − b
=
Anzahl der Pfade der Länge k mit S1 = 1, Sk = a − b
- Anzahl der Pfade der Länge k mit S1 = 1, Sk = a − b, ∃i, 2 ≤ i ≤ k − 1, so dass Si ≤ 0
3
Nun betrachten wir den zweiten Ausdruck etwas näher:
Anzahl der Pfade der Länge k mit S1 = 1, Sk = a − b, ∃i, 2 ≤ i ≤ k − 1, so dass Si ≤ 0
=
Anzahl der Pfade der Länge k mit S1 = −1, Sk = a − b,
d.h. die Anzahl aller in (1, 1) startenden und im Punkt (k, a-b) endenden Pfade,
die entweder die Zeitachse berühren oder sie schneiden, ist gleich der Anzahl der Pfade,
die von (1, -1) ausgehen und in (k, a-b) enden.
Diese Aussage wird Reflexions-, bzw. Spiegelungsprinzip genannt. Siehe Abbildung 1.
Abbildung 1: Reflexionsprinzip
Insgesamt folgt nun:
Anzahl der Pfade der Länge k mit S1 = 1, Sk = a − b
- Anzahl der Pfade der Länge k mit S1 = 1, Sk = a − b, ∃i, 2 ≤ i ≤ k − 1, so dass Si ≤ 0
=
k−1
a−1
−
k−1
a ,
das mit Hilfe der folgenden Nebenrechnungen ermittelt wurde:
vorwärts
+ rückwärts = k − 1 = a + b − 1
vorwärts
− rückwärts = a − b − 1
2 · vorwärts
= 2a − 2
vorwärts
= a − 1 ⇒ rückwärts = b
vorwärts
+ rückwärts = k − 1 = a + b − 1
vorwärts
− rückwärts = a − b + 1
2 · vorwärts
= 2a
vorwärts
= a ⇒ rückwärts = b − 1
Nun folgt weiters:
4
k−1
a−1
−
k−1
a
=
(k−1)!
(a−1)!(k−a)!
=
a(k−1)!
a(a−1)!(k−a)!
=
a(k−1)!−(k−a)(k−1)!
a!(k−a)!
=
(k−1)!(2a−k)k
a!(k−a)!k
=
k!(a−b)
a!(k−a)!k
=
a−b k
k a
−
(k−1)!
a!(k−a−1)!
−
(k−a)(k−1)!
(k−a)a!(k−a−1)!
Satz 1
P0 (T0 = 2k) =
1
2k
· P0 (S2(k−1) = 0)
für 1 ≤ k ≤ n
(vgl. [2])
Beweis:
Für 1 ≤ k ≤ n gilt offenbar
{T0 = 2k} = {S1 6= 0, S2 6= 0, . . . , S2k−1 6= 0, S2k = 0}
und aus Symmetriegründen
P0 (T0 = 2k)
=
P0 (S1 6= 0, S2 6= 0, . . . , S2k−1 6= 0, S2k = 0)
=
2 · P0 (S1 > 0, . . . , S2k−1 > 0, S2k = 0)
=
2·
1
·
22k
Anzahl der Pfade der Länge 2k mit S0 = 0, S1 > 0, . . . , S2k−1 > 0, S2k = 0
=
2·
1
·
22k
Anzahl der Pfade der Länge 2k-1 mit S0 = 0, S1 > 0, . . . , S2k−2 > 0, S2k−1 = 1
=
2·
1
22k
·
1
2k−1
·
2k−1
k
=
2·
1
22k
·
1
2k−1
·
(2k−1)!
k!(k−1)!
=
2·
1
22k
·
(2k−2)!
k!(k−1)!
=
1
2
1
22k−2
=
1
2k
·
1
22k−2
=
1
2k
·
=
1
2k
·
1
· 2(k−1)
k−1
22(k−1)
0
P (S2(k−1) = 0)
·
·
(nach Lemma 1)
(2k−2)!
k!(k−1)!
·
(2k−2)!
(k−1)!(k−1)!
5
Beispiel 1 Für niedriges k sieht man noch relativ leicht, dass die Beziehung aus dem vorherigen
Satz gilt:
Sei k=1. Laut vorherigem Satz soll folgende Beziehung gelten:
1 0
· P (S0 = 0)
2
P0 (T0 = 2) =
Zur linken Seite der Gleichung: Es gibt vier Möglichkeiten für den Verlauf eines Linienzuges der
Länge 2. Zwei von diesen vier Verläufen erfüllen die Eigenschaft, dass sie nach zwei Schritten
das erste Mal im Nullpunkt landen. Daher ist P0 (T0 = 2) = 24 = 12 .
Zur rechten Seite der Gleichung: 21 · P0 (S0 = 0) = 21 .
Sei k=2. Es soll gelten:
1 0
· P (S2 = 0)
4
Zur linken Seite der Gleichung: Es gibt sechzehn Möglichkeiten für den Verlauf eines Linienzuges
der Länge 4. Zwei von diesen sechzehn Verläufen erfüllen die gesuchte Eigenschaft. Nämlich der
Linienzug der zuerst zweimal steigt und dann zweimal fällt beziehungsweise der Linienzug der
2
zuerst zweimal fällt und dann zweimal steigt. Daher ist P0 (T0 = 4) = 16
= 18 .
Zur rechten Seite der Gleichung: 41 · P0 (S2 = 0) = 41 · 12 = 18 .
P0 (T0 = 4) =
Aus dem Korollar von DeMoivre-Laplace (vgl. [1]) erhalten wir
2k
k
P0 (S2k = 0) =
· 2−2k ∼
√1 ,
kΠ
k → ∞.
√ 1
,
2 Πk3/2
k → ∞.
Deshalb gilt
P0 (T0 = 2k) ∼
1 √1
2k kΠ
=
Daraus folgt, dass der Erwartungswert der Zeit der ersten Rückkehr in den Nullpunkt ziemlich groß ist:
n
X
0
0
2kP (T0 = 2k) + 2nP (S2n = 0) =
k=1
n
X
P0 (S2(k−1) = 0) + 2nP0 (S2n = 0)
k=1
P∞
Des Weiteren gilt k=1 P0 (S2(k−1) = 0) = ∞. Demzufolge ist der Grenzwert der mittleren
Rückkehrzeit in den Nullpunkt (bei unbegrenzter Schrittzahl) gleich ∞.
Diese Tatsache erklärt viele unerwartete Eigenschaften der betrachteten symmetrischen zufälligen Irrfahrt. Beispielsweise wäre es natürlich zu erwarten, dass beim Spiel zweier gleich starker
Spieler die Anzahl der Zeitpunkte mit unentschiedenem Spielstand proportional zur Spieldauer
2n
√ ist. Jedoch besitzt die Anzahl der Zeitpunkte mit unentschiedenem Spielstand die Ordnung
2n (vgl. [2]).
Daraus folgt insbesondere, dass die „typischen“ Realisierungen der Irrfahrt nicht sinusförmigen Charakter besitzen müssen, sondern den Charakter langer gedämpfter Wellen. Die exakte
6
Formulierung dieser Behauptung liefert das Arkussinus-Gesetz, zu dessen Behandlung wir nun
übergehen.
Sei L2n := sup{2m ≤ 2n : S2m = 0}, also der Zeitpunkt ≤ 2n der letzten Rückkehr zum
Nullpunkt.
Satz 2
Es gilt für alle k ≤ n ∈ N (vgl. [1]):
P0 (L2n = 2k) = P0 (S2k = 0) · P0 (S2n−2k = 0) ∼
1
Π k(n − k)
p
Beweis:
P0 (L2n = 2k)
= P0 (S2k = 0, S2k+1 6= 0, . . . , S2n 6= 0)
= P0 (S2k = 0, S2k+1 − S2k 6= 0, . . . , S2n − S2k 6= 0)
= P0 (S2k = 0) · P0 (S1 6= 0, S2 6= 0, . . . , S2n−2k 6= 0)
= P0 (S2k = 0) · P0 (T0 > 2n − 2k)
= P0 (S2k = 0) · 2 · P0 (S1 > 0, . . . , S2n−2k > 0)
= P0 (S2k = 0) · 2 ·
= P0 (S2k = 0) ·
Pn
k=1 P
Pn
k=1 (P
0 (S
1
> 0, . . . , S2n−2k = 2k)
0 (S
2n−2k−1
= 2k − 1) − P0 (S2n−2k−1 = 2k + 1))
= P0 (S2k = 0) · P0 (S2n−2k−1 = 1)
2n−2k−1
n−k
= P0 (S2k = 0) ·
1
22n−2k−1
= P0 (S2k = 0) ·
1
22n−2k
·
2(2n−2k−1)!
(n−k)!(n−k−1)!
= P0 (S2k = 0) ·
1
22n−2k
·
2(2n−2k−1)!(n−k)
(n−k)!(n−k−1)!(n−k)
= P0 (S2k = 0) ·
1
22n−2k
·
(2n−2k)!
(n−k)!(n−k)!
= P0 (S2k = 0) ·
1
22n−2k
·
·
2n−2k
n−k
= P0 (S2k = 0) · P0 (S2n−2k = 0)
7
Weiters gilt:
P0 (S2k = 0) · P0 (S2n−2k = 0)
=
2k
k
∼
√1
kΠ
=
Π
· 2−2k ·
·√
2n−2k
n−k
· 2−2n+2k
1
(n−k)Π
1
k(n−k)
√
Beispiel 2 Sei einerseits n = 100, k = 1.
P0 (L200 = 2) ∼
1
= 0.03199
Π 1 · 99
√
Sei andererseits n = 100, k = 50.
P0 (L200 = 100) ∼
1
= 0.00637
Π 50 · 50
√
Es ist also wahrscheinlicher, dass die letzte Rückkehr zum Nullpunkt bei einem Linienzug der
Länge 200 nach zwei Schritten erfolgt, als nach 100 Schritten.
Literatur
[1] Michael Schmuckenschläger, Mathematische Modelle WS2010/11, Linz 2010
[2] A. N. Sirjaev, Wahrscheinlichkeit, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften,
Berlin 1988
8
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