Nuklearmedizinische Diagnostik des Herzens Myokard-Perfusions-Szintigraphie Vitalitätsnachweis mittels FDG-PET Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin UKL AöR (Direktor: Univ.-Prof. Dr. O. Sabri) 1 Allgemeines: Myokardperfusions-Szintigraphie • Erfassung von Ausmaß und Ausdehnung von szintigraphisch nachweisbaren Perfusionsstörungen in Ruhe und Belastung Wie sieht ein MP-Szintigramm aus? UND: Wie funktioniert das? 2 Indikationen Nach der Nationalen Versorgungsleitlinie „chronische KHK“ Empfehlung einer bildgebenden Diagnostik • Myokard-Perfusionsszintigraphie • Streß-Echokardiographie • Kardiales MRT mit Dobutamin oder Adenosion 3 4 5 6 Trägerstoff (Tracer) verantwortlich für: myokardiale Anreicherung Sesta-MIBI Tetrofosmin Thallium-Chlorid Radionuklid verantwortlich für: Bildgebung Strahlenexposition 99mTc 99mTc 201Tl 7 Radiopharmaka • Tc-99m-Tetrofosmin • Tc-99m-Sestamibi • Tl-201 – hohe Strahlenexposition – nur noch eingeschränkt empfohlen – Thallium-201 zerfällt unter Gammazerfall in Quecksilber-201 – Gammaquanten besitzen aber nur geringe Emissionswahrscheinlichkeit – deshalb Aufzeichnung der vom Hg-201 emittierten Röntgenstrahlung 8 Prinzip • 99mTc-MIBI und Tetrofosmin: • lipophiles Kation passive Aufnahme in Myokardzelle durch negatives Membranpotential • physikal. HWZ 6 h, myokardiale HWZ > 6 h kaum washout, keine Redistribution nach Ende der Belastung: intrazellulär weitgehend stabil an Mitochondrien der Myozyten • Strahlenexposition: ca. 3 - 4 mSv (für Belastungs- + Ruheuntersuchung) 9 Indikationen DGN e.V. - Leitlinie für die Myokard-Perfusions-Szintigraphie 4/2012 10 Indikationen DGN e.V. - Leitlinie für die Myokard-Perfusions-Szintigraphie 4/2012 11 Verdacht auf KHK • mittlere Vortestwahrscheinlichkeit (10-90%) + • auffälliges Ruhe-EKG – – – – – linksventrikuläre Hypertrophie ST-Senkung > 0,1mV Wolff- Parkinson- White (WPW) -Syndrom Linksschenkelblock (LSB) Schrittmacher-EKG • fehlende oder unzureichende Belastbarkeit – – Hf < 0,85 * (220 – Alter) 50a: 145min-1; 60a: 136min-1; 70a: 128min-1 • fraglicher Belastungs-EKG Befund 12 bekannter KHK Zusätzliche Indikationen: • Veränderung der klin. Symptomatik • Pat. nicht ausbelastbar • erneute Beschwerden unter antianginöser Therapie nach Symptomfreiheit + Frage nach fkt. Relevanz einer Stenose /Vitalität • Risikostratifizierung vor Beginn eines Fitnessprogrammes • Risikostratifizierung bei Hochrisikopatienten 13 Hochrisikopatienten • Pat. mit chron. KHK + • eingeschränkter LV-Funktion • Mehrgefäßerkrankung • prox. RIVA-Stenose • „überlebter plötzlicher Herztod“ (Kammerflimmern) • Diabetes mellitus • suboptimalem Interventionsergebnis • gefahrgeneigten Tätigkeiten 14 Wahl des Belastungsverfahrens Ergometrische und pharmakologische Belastungsuntersuchungen können in vergleichbarer Genauigkeit Perfusionsstörungen nachweisen (Metaanalyse über 24 Studien mit ca. 14.900 Patienten) Trotzdem: Ergometrie geht vor medik. Belastung, da Zusatzinfos über kardiopulmonale und physische Leistungsfähigkeit, Kreislaufreaktion und Symptomdynamik des Patienten 15 Ergometrie Ziel: O2 Verbrauch des Myokards erhöhen, Perfusion reflektorisch steigern Wie? Stufentest beginnend mit 25-75 Watt, einbis zweiminütige Steigerung um 25-50 Watt 16 Ergometrie Zielfrequenz und Güte der Belastung: Mindest-Hf: (220 – Alter) x 0,85 ansonsten deutliche Reduktion der Sensitivität Rate-Pressure-Product (RRsyst x Herzfrequenz): 20.000 – 25.000 = genügend 25.000 – 30.000 = gut > 30.000 = sehr gut 17 Ergometrie Tracerinjektion: Zum Zeitpunkt der höchsten Belastungsstufe, die im Anschluss 1-2 Minuten aufrecht erhalten wird 45‘ 18 Pharmakologische Belastung Vasodilatatoren 19 Pharmakologische Belastung Vasodilatatoren 20 Auswertung 21 Auswertung 22 Auswertung 23 Schwächungskorrektur Schwächung der Gammastrahlung im Körper (bei 99mTc ca. 50% alle 4,5 cm) ohne Schwächungskorrektur: mit Schwächungskorrektur: „Minderperfusion“ der Hinterwand Normalbefund Gated SPECT Herzbinnenraum Herzoberfläche Parameter der Pumpfunktion • Regionale Wandbewegung • Regionale Wanddickenzunahme • Ejektionsfraktion • Enddiastolisches Volumen • Endsystolisches Volumen Klinisches Beispiel I • Aus der Sportambulanz • Eigenanamnestisch keine Beschwerden • Risikofaktoren: Art. Hypertonie, Adipositas, Z.n. Nikotinabusus, DM Typ II • Letztes Belastungs-EKG bei 100W dyspnoeisch abgebrochen • Belastungs-EKG lt. Überweisung auffällig 29 Belastung • Fahrradergometrie: – max. 150 W/min – RR-Anstieg von 140/80 auf 200/100 mmHg – HF-Anstieg von 48 auf 100/min (RPP: 2,98) – deutliche ST-Streckensenkung – Abbruch aufgrund von Dyspnoe & ST-Senkung • Ruhe 30 Korrigiert 31 Burteilung • Deutliche Tracerminderbelegung in der gesamten Hinterwand unter Belastung mit Betonung des apexnahen Hinterwandbereiches, unter Ruhebedingungen homogene Nuklidbelegung im gesamten linksventrikulären Myokard. 32 33 Beurteilung • Unter ergometrischer Belastung zeigt sich eine deutlich verminderte Perfusion in der Hinterwand (insbesondere apexnah), welche sich unter Ruhebedingungen nicht reproduzieren lässt. Insgesamt spricht der Befund für eine mäßiggradige Belastungsischämie in der Hinterwand. Sonst regelrechte Perfusion im übrigen linksventrikulären Myokard. • Keine Wandbewegungsstörungen Beurteilung der Pumpfunktion: enddiastolisches Volumen: endsystolisches Volumen: EF: Summed Stress-Score: Summed Rest-Score: Belastung 184 ml 117 ml 37 % 5 0 Ruhe 164 ml 88 ml 47 % 34 Vitalitätsdiagnostik des Myokards Glukosestoffwechsel: 18F-FDG - PET 35 Durchführung: Vitalitätsdiagnostik Ruheuntersuchung 1. Patient 6-12 h nüchtern 2. orale Glucosebelastung Erhöhung der Insulinsekretion ca. Verdreifachung der myokardialen Glucoseutilisation 3. Injektion von 18F-FDG 4. PET nach Injektion in Ruhe VITALITÄTSDIAGNOSTIK Differenzierung akinetischer Wandabschnitte Narbe hibernation („Winterschlaf“) stunning (Betäubung – Akinesie nach Myokardinfarkt) Perfusion Stoffwechsel vermindert vermindert vermindert erhalten wieder da erhalten „Winterschlaf“ in der Hinterwand Perfusion Stoffwechsel Avitale Vorderwand Perfusion: 99mTc-MIBI Glukosestoffwechsel: 18F-FDG Prognose und Therapiesteuerung Eitzman et al. JACC 1992, Di Carli et al. Am J Cardiol 1994, Lee et al. Circulation 1994, vom Dahl et al. J Nucl Med 1997 465 Patienten PET “vital” PET „avital“ 202 Patienten 263 Patienten konservativ revaskularisiert konservativ revaskularisiert 65 Patienten 137 Patienten 165 Patienten 98 Patienten Ereignisrate (1-2 Jahre): 30/65 14/137 26/165 12/98 46% 10% 16% 12% + höhere Mortalität bei Narbe und Revaskularisation ! Allmann et al. JACC 2002 ZUSAMMENFASSUNG HERZDIAGNOSTIK Belastungsuntersuchung: Perfusionsdefekte ? nein Normalbefund oder gute Kollateralisation: i.d.R. kein Interventionsbedarf ja Ruheuntersuchung: Deckungsgleiche Perfusionsdefekte ? nein Belastungsabhängige Myokardischämie: i.d.R. Interventionsbedarf ja ggf. Vitalitätsnachweis: Nachweis von noch vorhandenem Glukosemetabolismus (FDG-PET) Vitalität vorhanden ? nein Vernarbtes Myokard: Revaskularisierungsmaßnahmen nicht sinnvoll ja stunning oder hibernation: Revaskularisierungsmaßnahmen ggf. möglich ZUSAMMENFASSUNG HERZDIAGNOSTIK ZUSAMMENFASSUNG HERZDIAGNOSTIK Die mittlere Rate an Herztod oder nichttödlichem Herzinfarkt nach HochrisikoSzintigramm betrug 5,9%/Jahr, bei normaler Perfusion hingegen nur 0,6%/Jahr.