Sonderausgabe – September 2007 Europäische Kommission Magazin des Europäischen Forschungsraums ISSN 1830-7973 research eu Kunstwerk Erde © ESA Satelliten research*eu, das Magazin des Europäischen Forschungsraums, will zur Erweiterung der demokratischen Debatte zwischen Wissenschaft und Gesellschaft beitragen. Es wird von unabhängigen Journalisten verfasst und analysiert und stellt Forschungsprojekte, Ergebnisse sowie Initiativen vor, deren Akteure, Frauen und Männer, zur Stärkung und Bündelung der wissenschaftlichen und technologischen Exzellenz Europas beitragen. research*eu wird auf Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch – vom Referat Information und Kommunikation der GD Forschung der Europäischen Kommission herausgegeben. Es erscheint zehn Mal im Jahr. edito research*eu Chefredakteur Michel Claessens Blick auf die Erde Die Erde – ein Kunstwerk? Die Fotos in dieser Ausgabe regen uns tatsächlich dazu an, unseren schönen, reichen, aber gleichzeitig auch zerbrechlichen Planeten (neu) zu entdecken. Auf den folgenden Seiten wird auch die Wissenschaft zu einem Kunstwerk. Denn die Illustrationen in dieser Nummer wurden nicht zufällig ausgewählt: Sie sind ein reines Produkt von Spitzenforschung und Hightech. Die dargebotenen überwältigenden Bilder sollen uns daran erinnern, dass die Beobachtung der Erde, die zunächst für militärische Zwecke entwickelt wurde, der Gesellschaft ebenso zahlreiche zivile Anwendungen an die Hand gegeben hat. Sie haben die Meteorologie revolutioniert und alle ihre Modelle umgestoßen. Indem die Satelliten Wirbelstürme, Hurrikane und Tsunamis verfolgen, können sie die bedrohten Menschen warnen. Anhand der Daten aus dem Weltraum können die Wissenschaftler das Auftreten und die Entwicklung von Epidemien voraussagen und damit Menschenleben retten. Die Satelliten beobachten die Entwicklung des Klimas und überwachen den Zustand der Ozonschicht. Und das ist noch nicht alles: Die Radargeräte auf diesen Satelliten kartografieren den Meeresboden und die Strömungen und ermöglichen dadurch die Optimierung der maritimen Wegermittlung, der Fischerei sowie der Küstengestaltung und der Offshore-Plattformen. Von der Erde aus gesehen gibt die sich im Himmel entwickelnde Aktivität den Maßstab für den Markt an, den Weltraumanwendungen darstellen. Heute fliegen rund 3 100 Satelliten auf Umlaufbahnen rund um den Planeten – die geheimen Militärsatelliten und alle Arten von zurückgelassenen Trümmern nicht mitgezählt! Während sich auf der Erde langsam ein gemeinsames Europa aufbaut, ist es im Himmel bereits zur Realität geworden! Und mit den Augen zum Weltraum gerichtet lade ich Sie in dieser Nummer herzlich dazu ein, die Kooperation und die Gesichter dieser „wiederverzauberten“ Union zu entdecken sowie auch die zahlreichen Facetten eines Planeten, der die Spuren der menschlichen Besiedlung trägt. Michel Claessens Chefredakteur Die in diesem Editorial und den Artikeln wiedergegebenen Meinungen sind nicht bindend für die Europäische Kommission. 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Lektorat der Sprachversionen Julia Acevedo (ES), Stephen Gosden (EN), Regine Prunzel (DE) Allgemeine Koordination Jean-Pierre Geets, Philippe Gosseries Redaktion Philippe Gosseries Redaktionelle Koordination Didier Buysse, Christine Rugemer Autoren Delphine d’Hoop, Christian Dubreuil, Carlotta Franzoni Übersetzungen Andrea Broom (EN), Martin Clissold (EN), Silvia Ebert (DE), Consuelo Manzano (ES) Graphik Gérald Alary (Projektleiter), Gregorie Desmons (Gestaltung), François Xavier Pihen (Layout), Gaëlle Ryelandt und Yaël Rouach (Koordination und Produktionsablauf ) Internetversion Pierre-Vincent Ledoux, Katherine o’Loghlen Titelseite Mündung des Flusses Betsiboka, Madagaskar, © Helmholtz-Gemeinschaft Deckblatt Wirbelsturm – Zeichnung (Ausschnitt) eingesandt aus Belize von William Lopez, 12 Jahre, an die WMO Gesamtproduktion PubliResearch Druck Enschedé/Van Muysewinkel, Brüssel Auflage dieser Nummer 322 000 Alle Ausgaben von research*eu sind auch auf der Website der GD Forschung zu finden: http://ec.europa.eu/research/research-eu Für die Ausgabe verantwortlich: Michel Claessens Tel.: +32 2 295 9971 Fax: +32 2 295 8220 E-mail : [email protected] © Europäische Gemeinschaften, 2007 Nachdruck mit Quellenangabe gestattet Weder die Europäische Kommission noch irgendeine Person, die im Namen der Kommission handelt, sind für die Verwendung der in dieser Publikation enthaltenen Informationen oder für eventuelle, trotz der sorgfältigen Vorbereitung der Texte noch vorhandene Fehler verantwortlich. INHALT Ausstellung 4 Kunstwerk Erde! Rückblick auf die Ausstellung Kunstwerk Erde mit Susan Kentner, Koordinatorin der Veranstaltung für die deutsche HelmholtzGemeinschaft. Internationale Zusammenarbeit DOSSIER Satellitenfotos 20 Vielfalt im Orbit Wie erfolgt die Erdbeobachtung auf internationaler Ebene? Eine – nicht ganz vollständige – Präsentation der heutzutage eindrucksvollsten Satelliten und Fernerkundungsgeräte. Kunstwerk Erde Wissenschaft und Kunst 6 Die Subjektivität des Objektivs Gedankengänge zur abstrakten Ästhetik, die Satellitenbilder und die moderne Kunst miteinander vereint. Gespräch mit Ralph Dekoninck, Kunsthistoriker der nationalen belgischen Kulturstiftung. Diese Ausgabe wurde in Zusammenarbeit mit der Helmholtz-Gemeinschaft erstellt. Sie kombiniert Kunst und Wissenschaft in einer Reihe erstaunlicher Satellitenbilder. Eine bunte Reise um die Welt… Business 22 Der blühende, dezentralisierte Markt der Erdbeobachtung Die wirtschaftliche Seite der Satellitenbilder. Von der Kommerzialisierung dieser Art von Daten profitieren immer mehr kleine und mittlere Unternehmen. Fernerkundung 8 Die Augen auf den Blauen Planeten gerichtet Einführung in die Fernerkundung oder wie beobachtet man die Erde mit Geräten mit sogenannter Raum- oder Spektralauflösung? 10 Militärische Überwachung Die Fernerkundung aus dem Weltraum hat sich als unverzichtbares Instrument bei der militärischen Überwachung erwiesen. Von Spionagesatelliten und Apparaten für streng geheime Missionen. Exzellenz 12 Europa an der Spitze In der zivilen Fernerkundung steht Europa heute an der Weltspitze. Eine Erfolgsgeschichte, die noch nicht am Ende ist. Internationale Charta 14 Planetarischer Notstand Um besser auf eventuelle, den Planeten erschütternde Naturkatastrophen reagieren zu können, mobilisieren sich die großen Weltraumorganisationen rund um die Internationale Charta für „Weltraum und Naturkatastrophen“. Meteorologie 24 EUMETSAT, die „andere“ europäische Weltraumorganisation Da das Wetter sich direkt auf unser Leben auswirkt, ist es wichtig, Daten, Bilder und Satellitenprodukte rund um die Uhr 365 Tage im Jahr zu liefern. Dies ist die Aufgabe von EUMETSAT, der operationellen europäischen Weltraumorganisation. Porträt 15 Beruf: Fernerkundungsspezialist Ein Porträt des belgischen Forschers Alexandre Carleer, Spezialist für hoch auflösende Satellitenbilder. Weltraummüll Auslese 16 Zahlreiche ungeahnte Anwendungen Rundblick über die praktischen Einsatzmöglichkeiten der Erdbeobachtung, nicht nur zur Vorhersage von Regen und Sonnenschein. Earth Explorers 18 Sechs Kundschafter im Dienste des Planeten Die Europäische Weltraumorganisation hat gerade das Programm Earth Explorers gestartet: sechs Satelliten, die sich jeweils mit einem bestimmten Aspekt der Biosphäre beschäftigen. 26 Die Spuren des Menschen im Weltraum Blick auf ein wenig bekanntes Problem: die Bedrohung durch Weltraumtrümmer. Bestandsaufnahme mit Heiner Klinkrad, Leiter des Büros für Raumfahrtrückstände bei der ESOC. GMES 27 Umwelt unter strenger Beobachtung Das GMES-Programm ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der ESA und der Europäischen Union. Ziel: global über die Umwelt im Allgemeinen und den sozialen und wirtschaftlichen Wohlstand der Europäer sowie ihre Sicherheit zu wachen. Bild der Wissenschaft 28 Mosaik vom Nordosten Chinas research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 3 AUSSTELLUNG Kunstwerk Erde! Vom Weltraum aus bietet die Erde in jeder Hinsicht einen faszinierenden Anblick. Man muss die von den Satelliten geschossenen Fotos wirklich bewundern. Unsere Welt und ihr Reichtum versetzen den Betrachter in Erstaunen, da auch die wissenschaftlichen Daten, mit denen diese beschrieben werden, zur Enthüllung ihrer ganzen Schönheit beitragen. D ie Ausstellung Kunstwerk Erde, die vom 7. März bis zum 24. April 2007 stattfand, stellte die Wissenschaft der Weltraumfernerkundung aus einem ästhetischen Blickwinkel heraus vor. Die Esplanade des BerlaymontGebäudes in Brüssel, dem Sitz der Europäischen Kommission, wurde von 26 zwölf Quadratmeter großen Satellitenbildern bunt gesäumt. Susan Kentner koordinierte diese Ausstellung für die deutsche HelmholtzGemeinschaft, in der 15 deutsche Forschungszentren aus sechs Forschungsbereichen, darunter auch Raumfahrt und Weltraum, zusammengeschlossen sind. Ein Blick macht neugierig Die Mission der Helmholtz-Gemeinschaft besteht nicht nur darin, ihre Mitglieder untereinander bekannt zu machen, sondern auch aktuelle wissenschaftliche Fragestellungen zu identifizieren, zum Beispiel zum Klima und zur Energie. „Die Idee zur Ausstellung entstand, nachdem eine Sonderausgabe der Zeitschrift GEO, die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR), einem Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, gemacht worden war, einen riesigen Erfolg 4 verbucht hatte. Im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft hat die HelmholtzGemeinschaft dann die Initiative ergriffen, den Wert unserer Forschungsarbeiten auch in Brüssel hervorzuheben“, erklärt Susan Kentner. „Wir wollen die Wissenschaft jedem Einzelnen zugänglich machen und sie ihm näher bringen. Die Fotos und Daten, die uns dank der Satelliten vorliegen, besitzen diese Fähigkeit. Sie verführen den Blick und wecken die Neugier des Publikums.“ Alle ausgestellten Bilder wurden zu wissenschaftlichen Zwecken angefertigt und stammen von Satelliten aus Europa und aus Drittländern. Das DLR, das täglich solche Daten sammelt und verarbeitet, hat die Fotos für diese Ausstellung nach ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt, indem verschiedenste Anwendungsbereiche nach außergewöhnlichen Bildern durchforstet wurden. „Jeder kann selber die zahlreichen Funktionen entdecken, die die Satelliten ausüben. Die Fernerkundungsinstrumente enthüllen beispielsweise die Merkmale der Oberfläche und der Atmosphäre und verändern unsere Wahrnehmung der Welt radikal. Seit den ersten Aufnahmen von der Erde im Jahr 1946 haben sich die Techniken verfeinert, sie sind präziser geworden und tragen zu einem besseren Verständnis unseres Lebens bei.“ research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 © Philippe Gosseries Viele Zwecke Die Fernerkundungswerkzeuge gehen fast alle auf militärische Aktivitäten zurück. Zum Beispiel ermöglichen uns Technologien, die für die nächtliche Raketenabwehr eingesetzt werden, heute, die Verteilung des Stromverbrauchs zu messen. Damit erhält die Erkundung, deren Präzision von den militärischen Nutzern ständig verfeinert wird, auch eine zivile Anwendung. Diese hat zunächst die Meteorologie revolutioniert und alle ihre Modelle über den Haufen geworfen. Die Satelliten verfolgen jetzt Wirbelstürme, Hurrikane und Tsunamis ebenso wie das Auftreten und die Verbreitung von Epidemien, die sehr stark an Wetterbedingungen gekoppelt sind, und retten damit Menschenleben. Auf globaler Ebene unterstützen sie außerdem langfristig die Klimaforschung. Die Wissenschaftler überwachen die Ozonschicht und messen die Folgen der Klimaerwärmung, indem sie die Konzentrationen der verschiedenen Gase in der Atmosphäre beobachten. Jedes Gas spiegelt sich dabei in einem bestimmten Teil des magnetischen Spektrums wider. Die auf den Satelliten installierten Radarinstrumente kartografieren auch den Meeresboden, um die Bewegung von Wassermassen und Phänomene in den Tiefen der Ozeane zu verfolgen. Anhand dieser Beobachtungen zu den unterschiedlichen Strömungen oder der marinen Topografie können die Seewege, die Fischerei sowie die Gestaltung der Küstengebiete und der OffshorePlattformen optimiert werden. Dank der unmittelbaren Abdeckung riesiger Gebiete könnte die Kartografierung in mehrere Richtungen erweitert werden. Die NRO bedienen sich der Satelliten, um im Fall von Naturkatastrophen Hilfe und Kooperation zu organisieren. In Industrieländern helfen die Satellitendaten bei der Raumplanung und der Einrichtung von Infrastrukturen. Die kartografischen Anwendungen werden immer vielfältiger und nützlicher. Mit ihrer Hilfe werden Mineralien, der richtige Boden für landwirt- schaftlichen Anbau, der Stand der landwirtschaftlichen Erzeugung, Entwaldung, unterirdische Wasservorkommen und vieles mehr aufgespürt. „Das ist sehr faszinierend, weil die aus diesen Aktivitäten entstandenen Bilder das Interesse des Publikums für die wissenschaftliche Forschung tatsächlich anregen!“, hebt Susan Kentner hervor. Eine Frage des Blicks Die ausgestellten Bilder zeigen auch eine Erde in außergewöhnlichen Farben, die mit anderen Augen als den unseren gesehen wurde. Die Fernerkundungssysteme können Teile des elektromagnetischen Spektrums erfassen, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind, beispielsweise Infrarotlicht. Diese Spektralbänder entsprechen jeweils bestimmten Farben, in denen die für das menschliche Auge unsichtbaren Informationen dargestellt werden. Die dargestellten Bilder werden also in Falschfarben oder überlagerten Farben dargestellt, damit die Forscher diese interpretieren können. Dank dieser Analysen können Technologien bei der Organisation menschlicher Tätigkeiten, beim Verständnis von deren manchmal irreversiblen Folgen und beim Erhalt der Erde helfen. Die Instrumente zur Fernerkundung sind für das Überleben der Bevölkerung oder auch nur für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region wichtig, und sie können auf verschiedenste Gefahrenlagen reagieren. Erkundungen für die Raumplanung beispielsweise nützen sowohl den Industrieländern – etwa bei der Aufteilung von Grünflächen im Herzen von Madrid in Spanien – als auch den Entwicklungsländern – z. B. bei der Sanierung der durch den Krieg zerstörten landwirtschaftlichen Böden an der irakisch-iranischen Grenze. Erlaubt die optische Distanz der Satellitenbilder auch eine gedankliche Distanz zu unserem Planeten? „Es stimmt schon, dass wir auch die holistische Dimension der Forschung berücksichtigen müssen, indem wir die anderen kulturellen Visionen und verschiedenen Facetten der Forschung integrieren, ohne dass wir in unseren Laboratorien eingeschlossen bleiben“, schließt Susan Kentner. Weitere Informationen Interaktive Karte: Die Stationen von Kunstwerk Erde www.cdworks.de/entry/kwe/ Helmholtz-Gemeinschaft: www.helmholtz.de research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 5 © Helmholtz AUSSTELLUNG WISSENSCHAFT UND KUNST Die Subjektivität des Objektivs Es sind nur „gewöhnliche“ hochauflösende Satellitenbilder, die für die Bedürfnisse der Forschung, ohne jegliche künstlerische Intentionen, angefertigt wurden. Dennoch lässt der Ausstellungstitel „Kunstwerk Erde“ aufhorchen. Wie würden wir diese „Werke“ sehen, wenn sie ein Künstler angefertigt hätte? Ralph Dekoninck, Kunsthistoriker am Fonds national de la recherche scientifique (BE), legt hier seine kurzen Überlegungen über die ästhetische Dimension dieser neuartigen Bilder aus der Realität, die uns die Wissenschaft liefert, dar. Victor Vasarely, Folk Toy Object (1969) Victor Vasarely ist der Begründer der „Op art“, einer Kunstform, die kinetische Effekte oder optische Phänomene einsetzt. Im Mittelpunkt steht die Fehlbarkeit des Auges durch optische Täuschungen. Hier bildet sich ein neues Verhältnis zwischen Betrachter und Werk, indem es ihn aktiv beteiligt. Die visuelle Sinnesschärfe zu stimulieren, hierin liegt nur ein Schritt zwischen Kunst und Wissenschaft… © SABAM Belgium 2007 Satellitenbild von den landwirtschaftlichen Anbauflächen in Kansas, USA (vergrößertes Bild auf S. 32) 6 research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 WISSENSCHAFT UND KUNST Wie reagieren Sie als Kunsthistoriker auf diese Satellitenbilder? Mit den Augen des einfachen Betrachters ist man fasziniert von der Schönheit dieser Bilder oder genauer gesagt von ihrer fantastischen Seite, die uns vergessen lässt, dass es sich um Fotos handelt. Die erste Reaktion ist, dass man an abstrakte Netze denkt. Der aufmerksame Betrachter könnte sich auch über die Wirkungen einer derartigen kontextuellen Verschiebung der Bilder aus dem wissenschaftlichen in einen künstlerischen Kontext Gedanken machen. Denn diese Bilder wurden nicht aufgrund einer ästhetischen Intention geschaffen. Aber kann man sich ihnen nicht annähern, indem man einfach die eigentliche Bedeutung vergisst, um sich dann nur noch mit dem Formen- und Farbenspiel zu befassen? Wie dem auch sei, die Tatsache, dass sie ihren Kontext ändern, verändert unweigerlich auch die Perspektive, aus der man sie betrachtet. Steht ein Objekt in einem anderen als dem ihm eigenen Rahmen, so verändert sich auch die Wahrnehmung, die man von ihm hat. Das hatten die Surrealisten sehr wohl verstanden. In welchem Maße kann man hier von der „Erde als Kunstwerk“ sprechen? Ein derartiges ästhetisches Verständnis stammt direkt aus unserer westlichen visuellen Kultur, die an Abstraktion gewöhnt ist. Solche Bilder hätten einen Betrachter aus dem 18. Jahrhundert sicherlich nicht in ihren Bann gezogen. Die Art und Weise, wie wir uns der uns umgebenden Realität annähern ist gar nicht so alt wie man meist annimmt. Sicherlich war es seit Beginn unseres Zeitalters üblich, in der Natur die Spur des göttlichen Schöpfers wiederzuerkennen, der übrigens meist mit einem Maler gleichgesetzt wird, dessen Werk die sichtbare Welt reflektiert. Dagegen ist die Sichtweise von der Natur als selbstlose Betrachtung ihrer Schönheit das Ergebnis der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit verlegten die Maler ihren Arbeitsplatz ins Freie und versuchten nicht mehr, die Natur im Atelier neu zu erfinden. Seit den Impressionisten, die sich mit den Lichteffekten beschäftigten, hat sich unser Bezug zur wahrgenommenen Welt stark verändert. Wir sehen und beurteilen die Natur oft so, wie man es mit einem Gemälde machen würde. Können denn die exakten Wissenschaften „abstrakt“ sein? Das 20. Jahrhundert hat uns Welten eröffnet, die bislang außerhalb unseres Blickfeldes lagen. Das unendlich Große und das unendlich Kleine, die beide für das bloße Auge unsichtbar sind, wurden uns durch wissenschaftliche Beobachtungsverfahren enthüllt. Da es keine Punkte gibt, an denen man sich festhalten kann, erscheint uns diese Welt als abstrakt, da sie nicht der gewöhnlich wahrgenommenen Realität entspricht. Die Wissenschaft hat an Faszination gewonnen, da sie uns eine Art Zugang zum „Unsichtbaren“ geschaffen hat. Das ist fast schon wie eine magische Kraft, mit der die Welt um uns herum, die wir ja so gut zu kennen glaubten, erneut verzaubert wird. Wie können sich Kunst und Wissenschaft gegenseitig inspirieren? Wissenschaft und moderne Kunst entstanden fast zur selben Zeit. Ihr Ursprung geht zurück in die Zeit der Renaissance, als sich die meisten Künstler sowohl als Gelehrte als auch als schöpferisch Tätige sahen. Das beste Beispiel dafür ist Leonardo da Vinci. Die Wissenschaft unterstand zu jenem Zeitpunkt, genauso wie die Kunst, im wahrsten Sinne des Wortes der Erfindung d. h. der Entdeckung einer vorher existierenden Wahrheit. Aufgrund dieser gemeinsamen Wurzel ist es nicht verwunderlich, dass diese beiden Bereiche immer miteinander kommuniziert haben. Jedoch sind Wissenschaft und Kunst in der kollektiven Scheinwelt auch voneinander getrennt, da das eine die Objektivität verkörpert und das andere sich als das Reich der Subjektivität darstellt. Die jüngsten wissenschaftlichen Entdeckungen, vor allem in der Astrophysik, lassen uns neue unbekannte Universen betreten, die zur Erschaffung einer neuen Scheinwelt beitragen. Diese wurde bereits von einigen modernen Künstlern aufgenommen und verarbeitet. Im Gegenzug lassen sich die Wissenschaftler von der künstlerischen Scheinwelt inspirieren, um das Undenkbare zu denken. An dieser Stelle könnte man von einer gegenseitigen Inspiration sprechen. research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 7 FERNERKUNDUNG Wasserdampf, aufgenommen von Meteosat 8, einem geostationären Satelliten mit Blick auf die Erde. 6. März 2004. Die Augen auf den Blau W ie man sich leicht vorstellen kann, umfasst die Fernerkundung nicht ausschließlich Geräte im Weltraum. Sie betrifft vielmehr die gesamte Technik, mit der mithilfe von Instrumenten Informationen über ein Objekt erlangt werden können, das sich nicht in direkter Nähe der Instrumente befindet. Gemeint sind also ebenso die Instrumente an Bord von Flugzeugen, die unsere Erde beobachten und damit Fernerkundung betreiben. Zu den Erdbeobachtungssatelliten zählt eine Reihe von Geräten mit sehr verschiedenen Eigenschaften, die in unterschiedlichen Entfernungen die Erde umkreisen. Die ersten Beobachtungssatelliten bestanden aus Fotoapparaten, die noch mit „guten alten Filmen“ ausgestattet waren. Sobald sie im Orbit waren, schossen sie eine Reihe von 8 © Eumestat Wo ziehen die Erdbeobachtungssatelliten ihre Kreise? Was sehen sie in Wirklichkeit? Was ist mit der Raumauflösung oder auch Spektralauflösung eines Instruments gemeint? Fernerkundung – eine Gebrauchsanweisung. Aufnahmen und wurden anschließend wieder auf die Erde zurückgeholt, wo die Filme dann eingesammelt und entwickelt wurden. Später wurden Fernsehkameras in den Weltraum geschickt, die die Übertragung von Bildern aus dem Orbit ermöglichten. Und schließlich wurden die Sensoren immer mehr verfeinert und spezialisiert. Nun gehört das Weltall den rechnergestützten Sensoren, Scannern oder Radaren, die sowohl das Sichtbare als auch das Unsichtbare, wie z. B. den Infrarotbereich, erfassen können. Die Umlaufbahnen Die Umlaufbahn, auf der das jeweilige Gerät abgesetzt wird, hängt vom jeweiligen Zweck der Mission ab. Ein geostationärer Wettersatellit, wie Meteosat 5 zum Beispiel, „schwebt” 36 000 km über der Erde. Seine Auflösung ist research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 aber bei weitem nicht hervorragend. Er kann keine Einzelheiten unterscheiden – aber das wird auch nicht von ihm erwartet. Er bleibt auf dieser Höhe über einem festen Punkt über dem Äquator und hat damit einen kontinuierlichen Blick auf die gesamte Erdhalbkugel. Dieser feste Standort ist besonders für die Beobachtung der Atmosphäre und deren Entwicklung interessant. Die Fernerkundungssatelliten stehen normalerweise auf niedrigeren Umlaufbahnen in 450 km bis 1 000 km Höhe. Auf dieser Höhe verändern sie ihre Position und kreisen auf ihren Bahnen in kurzer Zeit um die Erde. Der Satellit Spot 4 benötigt beispielsweise 101,5 Minuten, um auf einer mittleren Höhe von 830 km die Erde zu umkreisen. Die ausgewählten Ebenen der Umlaufbahnen bilden einen Winkel zur Äquatorebene. Die FERNERKUNDUNG en Planeten gerichtet Satelliten können sich auf einer polaren Umlaufbahn (wobei die Pole überquert werden), auf direkten Umlaufbahnen (die Ebene ist dann zwischen 0° und 90° im Bezug zum Äquator geneigt und der Satellit fliegt Richtung Osten) oder auf einer rückläufigen Bahn bewegen. Bei letzterer liegt die Inklination zwischen 90° und 180° (und die Bewegung läuft Richtung Westen). Die Inklination der Umlaufebene eines Satelliten bestimmt auch den Teil der Erde, der beobachtet werden kann. Wenn er auf einer Umlaufbahn mit einer Inklination von 50° steht, umkreist er die Erde nur zwischen einer Länge von 50° Nord und 50° Süd. Er wird also niemals Oslo (NO) überfliegen, das bei 60° Nord liegt. Der sogenannte sonnensynchrone Orbit ist besonders interessant, da er im Verhältnis zur Position der Sonne konstant bleibt. Ein Satellit auf dieser Umlaufbahn überfliegt jeden Punkt der Erde zur selben Tageszeit, das ganze Jahr über. Dadurch können Aufnahmen miteinander verglichen werden, die unter denselben Lichtverhältnissen gemacht wurden. Dieser Orbit wird vor allem für die Satelliten vom Typ Spot benutzt. Spektralauflösung – Raumauflösung Die Sensoren der Satelliten nehmen die Strahlung (das sichtbare und unsichtbare Licht verschiedener Wellenlängen) auf, die vom Boden und den verschiedenen Objekten reflektiert oder ausgestrahlt werden. Unter Spektralauflösung versteht man die Fähigkeit der Sensoren, elektromagnetische Strahlungen unterschiedlicher Frequenzen zu unterscheiden. Je empfindlicher der Sensor für feine spektrale Unterschiede (schmale Wellenlängenintervalle) ist, umso höher ist die Spektralauflösung des Sensors. Daraus ergeben sich zwei Bildtypen. Zunächst das panchromatische Bild, das aus einer einzigen Strahlung aus allen sichtbaren Wellenlängen erstellt wird. Die Nuancen bei der Strahlungsintensität ergeben ein Schwarz-Weiß-Bild des beobachteten Bereichs. Dieser Bildtyp liefert genauere Details. Hierbei ist die Raumauflösung der beobachteten Objekte sehr gut, im Gegensatz zur schlechteren Spektralauflösung. In der Fernerkundung bedeutet Raumauflösung die Größe der beobachteten Zone, die von einem einzigen Bildpunkt des Sensors abgedeckt wird. Jeder Bildpunkt des Bildes entspricht einem Teil der Erdoberfläche. Die genausten Satelliten heutzutage haben eine – panchromatische – Raumauflösung von 60 cm. Dagegen sind multispektrale Bilder farbige Bilder. Sie werden von mehreren Sensoren erstellt. Dabei arbeitet jeder in einem bestimmten Bereich der elektromagnetischen Strahlung (Rot, Grün und Blau für sichtbares Licht, aber auch Infrarot). Durch Kombination der Informationen dieser verschiedenen Spektralkanäle wird das Farbbild aufgebaut. Rot, für die Vegetation? Auf den meisten wissenschaftlichen Satellitenbildern ist die Vegetation generell in Rot abgebildet. Das ist recht erstaunlich für Wälder, Felder oder auch Gärten, die uns doch eigentlich grün erscheinen… Woran liegt das? Die meisten Satelliten, die multispektrale Bilder liefern, sind mit Sensoren ausgestattet, die in verschiedenen Spektralkanälen arbeiten. Im Bereich der sichtbaren Strahlung von Blau über Grün bis Rot besitzen die Satelliten Sensoren für drei Spektralkanäle: Blau, Grün und Rot. Ausgehend von diesen drei Kanälen können alle „echten“ Farben eines Bildes rekonstruiert werden, indem die Farbintensität verändert wird. In der Fernerkundung ist Blau jedoch nicht besonders interessant. Dieser Spektralkanal reagiert sehr empfindlich auf atmosphärische Störungen. Deshalb werden für diesen Bereich keine Sensoren auf dem Satelliten installiert. Stattdessen trägt er Sensoren für den für das bloße Auge unsichtbaren nahen Infrarotbereich (der im elektromagnetischen Spektrum direkt auf die Farbe Rot folgt). Der nahe Infrarotbereich ist aus technischer Sicht sehr interessant, da er für die Vegetation typisch ist. So verschiebt sich auf den Fernerkundungssatelliten die Farbentsprechung der verschiedenen Sensoren Kanal für Kanal. Den Sensoren für die Farbe Grün ordnen die Wissenschaftler auf ihren Bildern die Ersatzfarbe Blau zu. Für Rot-Sensoren ist es die Ersatzfarbe Grün, und in Rot werden die Elemente wiedergegeben, die von den InfrarotSensoren erfasst werden. Diese sind also für die Farbe der Vegetation verantwortlich, die uns so unpassend erscheint. Aber es gibt auch noch andere Ungereimtheiten. Beispielsweise werden rote Dachziegel in Gelb dargestellt und Wasserflächen in Schwarz. Hyperspektrale Bilder Hyperspektrale Bilder erhält man von Sensoren, die Informationen über zahlreiche schmale Spektralkanäle – oft über 200 – im sichtbaren Bereich sowie im nahen und im mittleren Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums erfassen können. Alle Objekte reflektieren, absorbieren oder strahlen elektromagnetische Wellen aus, die ihrer Zusammensetzung und ihrer Struktur entsprechen. Hyperspektrale Daten bieten somit weit detailliertere Informationen über die spektralen Eigenschaften (Spektralsignatur) eines Ausschnitts und ermöglichen dadurch eine weitaus genauere Identifizierung und Unterscheidung der Objekte, als dies konventionelle multispektrale Breitbandsensoren bieten. Für die hyperspektrale Bildaufnahme gibt es zahlreiche Einsatzbereiche. Zu den wichtigsten gehören die Geologie (Identifizierung von Mineralien u. ä.), die Präzisionslandwirtschaft, die Forstwirtschaft (Gesundheitszustand, Artenbestimmung usw.) oder auch das Wassermanagement (Wasserqualität, Zusammensetzung des Phytoplanktons u. a.). Bild des BetaniaStaudamms und seiner Umgebung (Kolumbien), aufgenommen im sichtbaren und Infrarotbereich. Die Vegetation erscheint in Rot, Wasser dagegen in Schwarz. © Landsat research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 9 FERNERKUNDUNG Militärische Überwachung Es ist eine Tatsache: Der Weltraum ist ein beliebter Ort, um Informationen für militärische Zwecke zu sammeln. Zahlreiche Erdbeobachtungssatelliten verfolgen bereits seit Beginn der Raumfahrt weitaus geheimere Ziele als gewöhnliche andere. Sie unterscheiden sich sowohl durch ihre technischen als auch operationellen Merkmale. W as Informationen betrifft, war das Militär immer schon sehr diskret. Aber es ist auch ganz klar, dass die Fernerkundung aus dem Weltraum dafür ein unverzichtbares Instrument ist. Praktisch seit Beginn des Abenteuers Weltraum vor knapp 50 Jahren haben die damaligen Großmächte (die USA und die UdSSR) Spionagesatelliten entwickelt und ins All geschickt. Sie wurden entwickelt, um die Aktivitäten anderer Länder mithilfe von Instrumenten mit hoher Raum- und Spektralauflösung zu beobachten. Einige dieser Geräte wurden auch entwickelt, um eventuelle nukleare Explosionen festzustellen oder auch um frühzeitig den Start feindlicher ballistischer Raketen aufzudecken. Die amerikanische Armee hat bereits 1959 erste experimentelle Erdbeobachtungsgeräte (Discoverer und Samos) in eine Umlaufbahn gebracht. Diese Pioniere haben ihren Platz inzwischen Dutzenden von Spionagesatelliten des Typs Key-Hole (KH) überlassen. Die Sowjetunion ist diesem Beispiel mit ihrem Prototypen Kosmos-4 (1962) und dessen zahlreichen Nachfolgern gefolgt. Eine Mission, ein Film Diese ersten militärischen Fernerkundungsgeräte unterscheiden sich von anderen Beobachtungssatelliten durch die sehr niedrige Umlaufbahn, ihre kurze Lebensdauer im Weltraum (wenige Tage bis Wochen) und durch ihre Optik. Aus technischer Sicht waren sie 10 lediglich mit sehr ausgeklügelten Fotoapparaten ausgestattet. Sobald sie sich auf einer zu dem zu untersuchenden Objekt passenden Umlaufbahn befanden, spulten sie ihren Film ab. Ihre Mission endete, sobald der Film vollständig belichtet war. Zurück auf der Erde wurde der Film entwickelt und die einzelnen Aufnahmen analysiert. Durch die technischen Entwicklungen und Fortschritte der vergangenen 40 Jahre konnte das Militär immer raffiniertere Geräte einsetzen: mit rechnergestützter Bildverarbeitung, Infrarot- und Radargeräten (um rund um die Uhr, unabhängig von der Wolkendecke, beobachten zu können) und, das war entscheidend, mit der Fähigkeit, die Daten aus dem Weltraum zur Erde zu senden. Es war also nicht mehr nötig zu warten, bis die Satelliten wieder auf die Erde zurückgekehrt waren, um die gesammelten Daten auszuwerten. Was für eine Auflösung haben sie? Die von Militärsatelliten verwendete Auflösung der Sensoren ist wohlgemerkt geheim. Aber angesichts der Fähigkeiten der leistungsfähigsten zivilen Satelliten kann man diese mehr oder weniger abschätzen. „Hinsichtlich der Raumauflösung liefern manche zivilen Satelliten sehr genaue Daten, im Bereich von 80 cm“, erklärt Volker Liebig, Direktor für Erdbeobachtungsprogramme bei der ESA (Europäische Weltraumorganisation). „Es ist auch klar, dass die Übertragung der Daten und die Fernsteuerungsbefehle an die zivilen Satelliten research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 verschlüsselt erfolgen, genauso wie bei den Militärsatelliten. Es geht hier in gewisser Weise darum, sich gegen Hackerangriffe zu schützen! Dennoch machen sich in bestimmten Bereichen Unterschiede zwischen den zivilen und militärischen Satelliten bemerkbar. Dazu gehören die Abschirmung der Satelliten gegen Strahlung oder auch ihre Fähigkeit (das gilt für Militärsatelliten), je nach Krisensituation ganz schnell die Umlaufbahn zu wechseln. Das setzt also voraus, dass die Militärsatelliten über mehr Treibstoff verfügen müssen, da sie einen höheren Verbrauch haben. Sie müssen aber auch die Fähigkeit besitzen, ein und denselben Punkt auf dem Globus mehrmals überqueren zu können, um die Entwicklung einer Situation zu verfolgen.“ Angesichts der historischen amerikanisch-russischen Vorherrschaft im Bereich der Fernerkundung haben sich auch andere Nationen mit Erdbeobachtungsgeräten ausgestattet. So hat Israel 1988 seinen ersten Satelliten Offeq ins All geschickt. Vor nicht allzu langer Zeit hat sich auch China mit Erdbeobachtungssatelliten ausgerüstet, mit rückführbaren FSW-Kapseln und einem System mit doppeltem – zivilem und militärischem – Zweck, dem Zi Yuan, mit dem auch Daten an die Erde gesendet werden können. Europa holt auf In Europa entwickelt Frankreich in Zusammenarbeit mit Italien und Spanien seit 1995 die optischen Satelliten der Reihe Hélios. Das französische Militärprogramm Hélios-2 (ein Satellit, der von der zivilen Plattform Spot abstammt), ebenfalls im optischen Bereich, befindet sich heute im Orbit. Der Satellit Hélios-2A wurde im Dezember 2004 gestartet. Seine Bilder werden von der französischen Armee genutzt, aber es bestehen auch Partnerschaften mit Spanien und Belgien. Der zweite Satellit dieser Baureihe, Hélios-2B, soll 2009 gestartet werden, um den Staffelstab bis 2014 zu übernehmen. Deutschland setzt seinerseits auf eine Konstellation mit militärischen Radarsatelliten: FERNERKUNDUNG © Thales-Alenia Space Vorbereitung der optischen Komponenten der beiden künftigen Satelliten Pléiades im Reinraum von Thales Alénia Space in Cannes (FR). das Programm SAR-Lupe. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von fünf Geräten, von denen das erste bereits im Dezember 2006 gestartet wurde. Frankreich entwickelt derzeit zwei Zwillingssatelliten für optische Beobachtungen: Die sogenannten Pléiades bestehen aus zwei kleinen Satelliten (jeweils eine Tonne schwer) mit einer Raumauflösung von 0,7 m und einem Sichtfeld von 20 km. Die Satellitengruppe Pléiades wird stereoskopische Aufnahmefähigkeiten besitzen, um selbst Bedürfnisse für feine Kartografierungen, besonders im städtischen Raum, abzudecken und zusätzlich zur Luftfotografie eingesetzt werden zu können. Deutschland, Belgien, Italien, Spanien, Schweden und Österreich haben sich diesem „dualen“ (zivilen und militärischen) Programm angeschlossen. Italien entwickelt eine Gruppe von vier Radarsatelliten, ebenfalls zu militärisch-zivilen Zwecken. Sie tragen den Namen Cosmo SkyMed und sollen gemeinsam arbeiten. Diese Gruppe (Pléiades und Cosmo SkyMed) bildet das Kernstück des Kooperationsprojekts Musis (Multinational Space based Imaging System for surveillance, reconnaissance and observation), das 2005 von Frankreich initiiert wurde. Zu den Partnern gehören Deutschland, Belgien, Italien, Spanien und Griechenland. Dieses Projekt soll bereits den Weg für die Zeit nach Helios ebnen. Das künftige Erdbeobachtungssystem soll sowohl über optische als auch über Radarinstrumente verfügen. Seine operationelle Inbetriebnahme soll noch vor dem Ausscheiden des Satelliten Hélios-2B 2014 erfolgen. Damit zeichnet sich die Zukunft der militärischen Weltraumaufklärung bereits ab. www.eusc.europa.eu Das EUSC von Torrejon U m die von den Erdbeobachtungssatelliten gesendeten Daten auch nutzen zu können, hat Europa sein eigenes Expertenzentrum geschaffen. In Torrejon de Ardoz, nicht weit von Madrid (ES) entfernt, wurde 2002 das Satellitenzentrum der Europäischen Union (EUSC) eröffnet. Es handelt sich um eine Organisation, die mit der Produktion und Auswertung von Informationen beauftragt ist, die aus der Analyse von Satellitenaufnahmen von der Erde gewonnen werden. Das Zentrum unterstützt damit die Entscheidungsfindung der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Seine Beiträge betreffen insbesondere Krisenmanagementeinsätze durch die Union, dazu gehören Informationen aus der Analyse von Satellitenbildern und kollateralen Daten, einschließlich Luftaufnahmen und damit verbundenen Dienstleistungen. Die Produkte und Dienstleistungen des EUSC können auch den Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission, möglichen Drittstaaten und verschiedenen internationalen Organisationen (Vereinte Nationen, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Nordatlantikpakt usw.) zur Verfügung gestellt werden. Das EUSC wird durch die Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten und durch Einnahmen aus Dienstleistungen finanziert. Sie werden im Rahmen genau definierter Initiativen geleistet. Dazu gehören Rettungs- oder humanitäre Missionen, friedenserhaltende Operationen, die Überprüfung der Einhaltung internationaler Abkommen, Krisenmanagement, die Kontrolle der Nichtverbreitung strategischer Massenvernichtungswaffen oder auch gewisse gerichtliche Untersuchungen. research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 11 Europa an der Spitze In Fragen der zivilen Fernerkundung steht Europa heute fraglos an der Weltspitze. Diese Erfolgsgeschichte geht weit in die 70er Jahre zurück! Und sie ist noch nicht am Ende. ie zivile Erdbeobachtung ist eine Weltraumdisziplin, für die sich die Europäer bereits sehr früh begeistert haben. Bereits 1977 hatte die ESA ihren ersten optischen Satelliten Meteosat-1 im Weltraum ausgesetzt, der unsere Erde aus einer geostationären Umlaufbahn heraus beobachten sollte. Dieser Wettersatellit hat inzwischen viele kleine Brüder mit immer schärferem Blick bekommen – wir sind jetzt bei Meteosat-7 angelangt –, ausgestattet mit Instrumenten für alle möglichen Wellenlängen: im sichtbaren und im Infrarotbereich. Diese Satellitenfamilie fliegt auf einer geostationären Umlaufbahn in 36 000 km Höhe. In Bezug auf eine bestimmte Region der Erde scheint der Satellit auf einer festen Stelle zu stehen und diese Region kontinuierlich zu beobachten. D Spot, Envisat und die anderen 1978 hat eine zweite Satellitengruppe das Licht der Welt erblickt: die Spot-Satelliten (Satellite Pour l’Observation de la Terre, deutsch: Erdbeobachtungssatelliten), die aus einer Kooperation zwi- 12 Farbbild von der Erde, eine Aufnahme des Satelliten MSG-2 im Januar 2006. schen Frankreich, Belgien und Schweden hervorgegangen sind. Bis dato wurden fünf Exemplare davon abgesetzt. Sie fliegen auf niedrigeren kreisförmigen und heliosynchronen Umlaufbahnen auf einer Höhe von 830 km. Das jüngste Exemplar Spot-5 liefert Bilder mit Auflösungen von 2,5 m in schwarz-weiß (panchromatisch) und von 10 m in Farbe (multispektral). Die ESA hat auch mehrere Forschungsinstrumente entwickelt und in die Umlaufbahn gebracht. Darunter befinden sich die Satellitenradare des ERS-Programms (European Remote Sensing satellite). Zwei Satelliten dieser Familie wurden bereits im Rahmen dieses 1982 verabschiedeten Programms konstruiert. ERS-2 ist im Orbit immer noch im Einsatz. Seitdem hat er Gesellschaft durch den riesigen Satelliten Envisat bekommen. Aber die Ressourcen der ESA zur Erdbeobachtung beschränken sich nicht auf diese beiden großen Programme. Die „Drittmissionen“ Die Europäische Weltraumorganisation stellt auch Drittländern ihre Einrichtungen und research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 Anlagen am Boden zur Verfügung, um Daten anderer Erdbeobachtungsgeräte zu sammeln, zu verarbeiten und zu archivieren. Im Rahmen dieser „Drittmissionen“ (Third party missions) wurde ein Forschungssatellit der ESA, der kleine belgische Proba (Project for on board autonomy) in eine Umlaufbahn geschossen. Ursprünglich hätte dieses Gerät, das 2001 in die Umlaufbahn gebracht wurde, nicht länger als ein Jahr überleben dürfen. Nachdem sich aber gezeigt hat, dass dieses technologische Demonstrationsobjekt effizient war, wurde es in Betrieb genommen. Seitdem liefert die kleine orbitale Plattform (sie wiegt knapp 100 kg) dank ihrer hochauflösenden Kamera und ihres kompakten multispektralen Bildgebers aus britischer Fertigung unaufhörlich erstaunliche Bilder unseres Planeten. Kap der Zukunft Heute ist das Interesse an der Erdbeobachtung ungebrochen. In Paris, dem Sitz der Europäischen Weltraumorganisation, wie auch in Frascati, in der Nähe von Rom, wo sich ESRIN, © ESA EXZELLENZ © ESA Envisat, ein europäischer Erfolg für den Planeten D © ESA/Envisat Algenaufmarsch in der Ostsee, Aufnahme des Meris-Spektrometers an Bord von Envisat (13. Juli 2005). das Europäische Raumfahrtforschungsinstitut der ESA, befindet, stehen die Projekte Schlange. Die europäische Schwärmerei und ihre Zukunftsperspektiven haben natürlich auch die Wissenschaftler anderer Länder und Kontinente, darunter auch der USA, in den Bann gezogen: „Ganz einfach weil Europa die Erdbeobachtung zu einer ihrer Prioritäten gemacht hat, während die zu diesem Zweck bereitgestellten Mittel in den USA ununterbrochen beschnitten werden“, erklärt Simonetta Cheli, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und institutionelle Beziehungen bei ESA-ESRIN in Italien. „Immer mehr amerikanische Wissenschaftler in diesem Bereich suchen nach einer Zusammenarbeit mit europäischen Wissenschaftlern, um von den neuen Daten zu profitieren, die von unseren Instrumenten im Orbit stammen.“ er ehrgeizigste Erdbeobachtungssatellit, der jemals gebaut wurde, ist ein „Kind“ der ESA. Seit fünf Jahren ist Envisat (ENVIronment SATellite) eine Fundgrube für Informationen über unseren Planeten. Seitdem er im März 2002 in der Umlaufbahn ausgesetzt wurde, liefert dieser Koloss – der acht Tonnen wiegt und zehn Forschungsinstrumente enthält – jeden Tag gute 280 Gigabyte an Daten. „Auf dem wissenschaftlichen Symposium in Montreux (Schweiz), das im April 2007 anlässlich des fünften Geburtstags von Envisat stattfand, haben mehr als tausend Forscher aus 50 verschiedenen Ländern ihre wissenschaftlichen Ergebnisse vorgestellt, die sie dank der von Envisat gesendeten Daten erarbeiten konnten“, erklärt Henri Laur, Direktor der Envisat-Mission bei der ESA. „Rund 1 200 wissenschaftliche Projekte wurden hier vorgestellt. Und das ist noch nicht alles!“ Envisat dürfte noch bis 2010 in Betrieb sein. Aber auch noch nach Ende der Beobachtungen aus dem Orbit werden die Daten, die er im Laufe seines aktiven Lebens produziert hat, eine Informationsquelle von bester Qualität darstellen. Sie werden neue Algorithmen speisen und neue Informationen über unsere Biosphäre liefern. „Die große Stärke dieses Satelliten geht auf die vielfältigen Daten zurück, die im Orbit gleichzeitig von den verschiedenen Sensoren zu ein und derselben Weltregion gewonnen werden“, fährt Henri Laur fort. „Die Daten betreffen sowohl das Festland als auch Ozeane, die Kryosphäre oder auch unsere Atmosphäre und natürlich ebenso die vielfältigen Interaktionen zwischen den verschiedenen Bereichen. Das erklärt auch, weshalb immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse, die dank dieses Satelliten erlangt werden, das Klima und seine Entwicklung betreffen.“ Zu den beeindruckendsten Instrumenten des Satelliten gehören das bildgebende Radar Asar, das „Thermometer“ AATSR und Meris, ein Spektrometer, das sowohl die Farbigkeit der Ozeane als auch die Vegetation auf der Erdoberfläche mit einer Auflösung von 300 Metern untersucht. Die Karte zur Luftverschmutzung durch Stickstoffdioxid (NO2) wurde anhand der von Envisat gesendeten Daten erstellt. Eine längerfristige Belastung kann zu Schäden an der Lunge und dem Atmungsapparat führen. NO2 spielt auch eine wichtige Rolle in der Atmosphäre, da es zur Ozonbildung in der Troposphäre führt. Die Dichte der NO2-Säule wird in 1015 mol./cm2 angegeben. envisat.esa.int www.miravi.eo.esa.int research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 13 INTERNATIONALE CHARTA © CDB Planetarischer Notstand Stephen Briggs, Koordinator des Programms „Charta“ bei der ESA. D Erdbeben, Erdrutsche, Vulkanausbrüche, aber auch Überschwemmungen, Ölteppiche und Waldbrände – im Falle einer Naturkatastrophe auf der Erde muss man schnell handeln können. Leben sind in Gefahr. Zur Erleichterung der Arbeiten der Rettungsmannschaften setzen die großen Weltraumorganisationen ihre Erdbeobachtungssatelliten ein. Dieser Service hat auch einen Namen: die Internationale Charta für „Weltraum und Naturkatastrophen“. ie Internationale Charta bietet bei Naturkatastrophen und durch den Menschen verursachten Katastrophen ein vereinheitlichtes System zur Erfassung und Bereitstellung von Satellitendaten für befugte Benutzer an. Jedes Mitglied hat sich dazu verpflichtet, der Charta seine eigenen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Damit trägt jeder Partner dazu bei, die Folgen derartiger Katastrophen auf Mensch und Eigentum zu mildern. Die Internationale Charta ist offiziell am 1. November 2000 in Kraft getreten. Jeder registrierte Benutzer kann sich an die Partner des Programms wenden und sie um die Mobilisierung der Weltraumressourcen und der dazugehörigen terrestrischen Ressourcen (Radarsat, ERS, Envisat, Spot, IRS, SAC-C, NOAA-Satelliten, Landsat, ALOS, DMC-Satelliten und andere) der Chartamitglieder bitten. „Zu den befugten Benutzern zählen Katastrophenschutzorganisationen, Rettungs-, Verteidigungs- oder auch Sicherheitsorganisationen des Landes des jeweiligen Chartamitglieds, aber auch die Weltraumorganisationen sowie die Betreiber der Weltraumsysteme“, erklärt Stephen Briggs, der bei ESRIN (ESA Italien) das Programm der Charta koordiniert. „Ausnahmsweise kann die Chartaleitung die Lieferung von Weltraumdaten auch an bestimmte Drittorganisationen zulassen.“ In der Praxis ist täglich wechselnd jeweils ein Betreiber in Bereitschaft. Er nimmt die Anfragen der befugten Benutzer der Charta über eine weltweit einheitliche Telefonnummer an. Nachdem die Notsituation und die formu- 14 lierten Anfragen analysiert wurden, wird ein Plan zur Erfassung von Satellitenbildern und Archivaufnahmen aufgestellt. Die angefragten Daten werden so schnell wie möglich bereitgestellt, im Allgemeinen innerhalb von weniger als 24 Stunden, um die Eingriffsteams vor Ort sofort zu informieren. Durch Vergleiche der neuen Aufnahmen mit den Archivbildern ist eine bessere Schadensbeurteilung möglich. SOS auf allen Kontinenten Seit ihrer Einrichtung war die Charta bereits über 130 Mal aktiv. Allein im Jahr 2006 wurden ihre Dienste 25 Mal angefragt, so bei Naturkatastrophen im Sudan, in Pakistan, in Frankreich, auf den Philippinen, in Deutschland und in der Tschechischen Republik, um nur einige Beispiele zu nennen. research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 Im ersten Drittel dieses Jahres wurde die Charta bereits in verschiedenen Katastrophenfällen um Hilfe gebeten. Ab dem 19. Januar 2007 wurde die Charta wegen Überschwemmungen in Bolivien, Paraguay und Argentinien aktiv. Drei Tage später war sie dann wegen eines Mineralölunfalls im Vereinigten Königreich im Einsatz. Am 9. Februar wurden die Satelliten der Charta mobilisiert, um erneute Überschwemmungen in Mosambik zu beobachten. Ende Februar waren es Vulkanaktivitäten in Kolumbien, dann Überschwemmungen in Bolivien, mit denen sich die Charta beschäftigte. Im März 2007 wurden die Erdbeobachtungssatelliten drei Mal in Anspruch genommen: wegen eines Erdbebens in Indonesien, eines Wirbelsturms in Madagaskar und Überschwemmungen mit nachfolgenden Erdrutschen in Argentinien. Kurzer Einblick in die Geschichte I m Anschluss an die Konferenz Unispace III der Vereinten Nationen im Jahr 1999 haben die europäische (ESA) und die französische Weltraumbehörde (CNES) die Internationale Charta für Weltraum und Naturkatastrophen gegründet. Schon sehr bald schloss sich die Kanadische Weltraumbehörde (ASC) dieser Einrichtung an. Im September 2001 folgten die US-amerikanische Meeresbehörde „National Oceanic and Atmospheric Administration“ (NOAA) und die Indische Weltraumforschungsorganisation (ISRO). Heute gehören zu den Unterzeichnern der Charta auch die Argentinische Weltraumbehörde (CONAE), die Japanische Weltraumforschungsagentur (JAXA), die USGS (United States Geological Survey) sowie die britischen und multinationalen Partner BNSC/DMC (British National Space Centre und Disaster Management Centre), zu denen drei Drittländer gehören, die über Satellitenmittel verfügen: Algerien, Nigeria und die Türkei. Letztere sind seit November 2005 Chartamitglieder, und erst kürzlich, im Mai 2007, ist auch China mit seiner Weltraumagentur CNSA (China National Space Administration) der Charta beigetreten. © CDB PORTRÄT Alexander Carleer, Forscher am Institut für Umweltmanagement und Raumplanung (IGEAT) der Freien Universität Brüssel. Ü Beruf: Fernerkundungsspezialist In der Fernerkundung gibt es verschiedene Berufsbilder, vom Ingenieur über den Techniker bis zum Satellitenbetreiber oder -händler, der die Daten aus dem Weltraum verbreitet. Ein Gespräch mit dem belgischen Forscher Alexandre Carleer. Er testet eine Methode zur automatischen Identifizierung von Objekten anhand von sehr hochauflösenden Satellitenbildern. berall an den Wänden seines Büros an der Freien Universität Brüssel hängen Satellitenbilder. Der Blick schweift von Städten hin zu Gebirgen, von ländlichen Gebieten bis zu Wüsten. „Schöne Bilder“, meint er. „Aber man muss sie auch entschlüsseln, sie lesen und interpretieren können.“ Wenn die beobachteten Bereiche sehr groß sind und die Bilder eine niedrige Raumauflösung haben, wie es im Jargon heißt, kann man leicht größere Strukturen erkennen: eine Bergkette, einen See, Felder, Wälder. Wenn es aber um Details gehen soll, dann wird diese Aufgabe praktisch unmöglich. „Dies ist seit 1999 anders“, erklärt der Agraringenieur, der sich später zu einer Promotion in Naturwissenschaften entschloss und sich auf Fernerkundung spezialisierte. „Seit jenem Jahr liegen uns sehr hochauflösende zivile Satellitenbilder vor. Davor haben wir uns mit Daten zufriedengeben müssen, die von LandsatSatelliten stammten, deren erste Generation Gegenstände auf dem Boden mit einer Auflösung von 80 m erfassen konnte. Später stieg die Raumauflösung auf 30 m. Bei der Satellitenreihe Spot begann man mit Bildpunkten, die eine Auflösung von 20 m über dem Boden darstellten. Schließlich ist man mit Spot 5 bei 2,5 m angelangt.“ Die Revolution von 1999 trägt einen zweifachen Namen: Ikonos und QuickBird, zwei amerikani- sche hochauflösende Satelliten. „Mit diesen beiden Satelliten nähert sich die Bildgenauigkeit der von Luftaufnahmen an“, führt der Forscher aus, „von wenigen Zentimetern bis zu einem Meter. Das hat zu einer massiven neuen Datenflut geführt.“ Da ist eine riesige Menge, die es noch zu identifizieren, zu klassifizieren und zu interpretieren gilt. Für die Luftaufnahmen erfolgte die Interpretation manuell. Aber bei großen Gebieten, die von den Satelliten regelmäßig überflogen werden, ist dies sehr langwierig und kostspielig. Daher musste man automatisierte Methoden finden. Diese Verfahren waren natürlich bereits für Satelliten mit einer weniger hohen Auflösung entwickelt worden. Sie erfolgten durch die Klassifizierung pro Bildpunkt. Bildsegmentierung „Für sehr hochauflösende Bilder war dieses Verfahren jedoch nicht mehr ausreichend“, fährt Alexandre Carleer fort. „Man musste zu einer anderen Methode übergehen: der Klassifizierung nach Bereich. Hierbei wird das Bild anhand der Farbe jedes Bildpunkts segmentiert. Sie kann aber auch an andere Kriterien, wie die Objektform oder sogar die Oberflächenstruktur, gekoppelt sein. Die von uns getesteten Programme tendieren schließlich dahin, die auf dem Boden erfassten Objekte auf einheitliche und kohärente Weise zu rekonstruieren. So kann man zahlreiche Elemente automatisch beobachten und bestimmen: Häuser, Industriegebäude, Bäume, Fahrzeuge und Straßen. Kurz: alles, was man vorher auf den Bildern mit einer gröberen Raumauflösung nicht sah. Mit diesem Verfahren ist es auch möglich, gleichfarbige Objekte (mit derselben Spektralsignatur) anhand ihrer Formen zu differenzieren. Ein Beispiel: Dort, wo man wegen der jeweils gleichen Spektralsignatur von Bitumen nicht unterscheiden konnte, ob es sich um einen Straßenabschnitt oder ein Dach handelt, lässt die heutige Methode eine Unterscheidung zu.“ Die rechnergestützte Verarbeitung der Daten findet natürlich auch zahlreiche praktische Anwendungen. „Bei der Überprüfung der Meldungen zu den angebauten Flächen beispielsweise, die die europäischen Landwirte einreichen müssen, wenn sie Subventionen erhalten, ermöglicht diese Methode, die tatsächlich angebauten Flächen zu kontrollieren und zu berechnen. Dabei werden auch eventuelle anbauflächenfremde Objekte (ein Weiher, ein Wald) auf den Parzellen identifiziert und die Anbauformen überprüft. Ein weiteres Beispiel, wo sich diese Methode ebenfalls als sehr effizient erwiesen hat, ist die regelmäßige Aktualisierung der Bodennutzung in einer Provinz, einer Region oder auch einem Landkreis“, erläutert der Forscher. research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 15 AUSLESE Die Jagd auf die Riesenwellen Zahlreiche ungeahnte Anwendungen Jeder erinnert sich noch an den tödlichen Tsunami, der am 26. Dezember 2004 über den Indischen Ozean hereinbrach. Er wurde durch ein Seebeben verursacht. Dabei vergisst man jedoch viel zu häufig, dass in den Ozeanen unseres Planeten jedes Jahr, ja sogar fast jede Woche, riesige Wellen aufgrund besonderer atmosphärischer Bedingungen – vor allem durch Stürme – entstehen und wieder abklingen. Meistens gehen diese Riesenwellen, die manchmal auch „Monsterwellen“ (1) genannt werden und große Verluste in der Handelsschifffahrt verursachen können, unbemerkt vorbei. Im vergangenen Mai jedoch hat eine solche „Monsterwelle“ mit einer Höhe von knapp elf Metern die französische Insel La Réunion im Indischen Ozean heimgesucht. Trotz prophylaktischer weltraumgestützter Erdbeobachtung hat die Welle, die den Hafen von Saint-Pierre im Süden der Insel überflutete, dazu geführt, dass zwei Fischer vermisst werden und mehrere Kaimauern einstürzten sowie Häuser und Geschäfte überschwemmt wurden. Man hatte ihre Stärke unterschätzt. Diese Riesenwelle war südlich des Kaps in Südafrika entstanden und innerhalb von drei Tagen 4 000 km weit in Richtung Nordosten gewandert, bevor sie die Insel erreichte. Der ESA-Satellit Envisat hatte sie mit seinem Asar (Advanced Synthetic Aperture Radar) aufgespürt und verfolgt. Dieses Radar kann entlang der Umlaufbahn des Satelliten alle 100 km kleine Aufnahmen von der Meeresoberfläche machen (10 x 5 km). Diese „Bildausschnitte“ liefern Informationen über die Höhe einzelner Wellen. Anschließend werden sie mathematisch umgesetzt und in durchschnittliche Energie- und Richtungswerte aufgespalten, das sogenannte Wellenspektrum. Diese Werte stellt die ESA den Wissenschaftlern und meteorologischen Einrichtungen zur Verfügung. Ohne diese Routineüberwachung wären diesem Ereignis wahrscheinlich sehr viel mehr Menschen auf La Réunion zum Opfer gefallen. Die Beobachtung der Erde vom Weltraum aus bietet zahlreiche praktische Einsatzmöglichkeiten. Manche Anwendungen sind sehr bekannt, beispielsweise die Wettervorhersage. Andere wiederum kennt man kaum. Eine kleine Rundreise. www.esa.int/esaEO/index.html 16 research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 Das Zusammenleben von Mensch und Elefant überwachen © ESA Wirbelsturm Gamede über den Inseln Mauritius und La Réunion am 23. Februar 2007. Bild Envisat, Meris-Spektrometer. In Botsuana (südliches Afrika) tragen die Maßnahmen zum Schutz und zur Bewahrung der Natur erste Früchte. Seit dem Abschussverbot für die dort lebenden Elefanten (Loxodonta Africana) aus dem Jahr 1991 ist die Zahl der Dickhäuter AUSLESE konstant gestiegen (um 5 % pro Jahr). Die Steigerung ist sogar so groß, dass in dieser Region Afrikas heutzutage die größte Population dieser Art lebt (ungefähr 120 000 Tiere). Diese Fülle bildet zusammen mit der Zerstückelung ihres natürlichen Lebensraums durch die Landesbewohner, die dort ihre Ackerflächen angelegt haben, eine neue Quelle für Konflikte zwischen Mensch und Tier. Die Verantwortlichen des lokalen Naturschutzzentrums (Center for Conservation of African resources: animals communities and land use oder CARACAL, in Kasane) haben in Zusammenarbeit mit dem King’s College London eine groß angelegte Studie zu diesem Problem in die Wege geleitet. Sie stützt sich vor allem auf Satellitenaufnahmen. Mit den ermittelten Daten sollen großflächig das zahlenmäßige Vorkommen sowie die Verbreitung der Dickhäuter bestimmt werden. Schon nach einem einzigen Überflug des Satelliten über das Land haben die Spezialisten einen generellen Überblick über die Elefantenpopulationen bekommen. Dieser reicht aus, um eventuelle Schutzmaßnahmen im Interesse der einen oder der anderen Population vorzunehmen. www.dmcii.com Vorhersage neuer Epidemien Vogelgrippe, Cholera, Malaria, Meningitis… Die satellitengestützte Vorhersage der Entwicklung von Epidemien, auch Tele-Epidemiologie genannt, ist heute ein Bereich, der sich konstant weiterentwickelt. In Kombination mit vor Ort gesammelten Daten ermöglicht die weltraumgestützte Beobachtung tatsächlich die Vorhersage von Epidemien, die beispielsweise durch Mücken oder Vögel verbreitet werden. Diese Wirte sind für Umweltveränderungen sehr empfänglich. Durch die Analyse bestimmter Satellitendaten (Bodenoberfläche, Vegetation, Winde, Wolken, Meerestemperaturen, Wetterereignisse usw.) und indem man diese Daten mit verschiedenen Felduntersuchungen (Menschen und Tiere betreffend) verbindet, können die Spezialisten die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung einer Epidemie voraussagen und damit auch die richtigen Maßnahmen zur Gefahreneindämmung einleiten. In Argentinien, im Senegal, im Niger, in China und im Mittelmeerraum sind bereits verschiedene Netze für die Tele-Epidemiologie im Einsatz. Für Antonio Güell von der französischen Weltraumbehörde (CNES) eröffnen sich durch diese Technologie riesige Möglichkeiten. Jedoch wird sie, obwohl sie die Hygieneverhältnisse in vielen Weltregionen radikal verbessern könnte, leider immer noch nicht umfassend eingesetzt. www.cnes.fr www.cermes.net Vorwarnung für Asthmatiker Ein Luftverschmutzungswarnsystem wurde fast zwei Jahre lang in mehreren Londoner Stadtteilen, wie z.B. in Croydon, getestet. Dieses EchtzeitWarnsystem wurde für Menschen mit Atembeschwerden entwickelt. Ende März 2007 wurde das von der ESA und einer Umweltforschungsberatungsfirma in Cambridge (Cambridge Environmental Research Consultants) entwickelte System in der britischen Hauptstadt allgemein eingeführt. Nicky Gordon, stellvertretender Bürgermeister von London, hat diesen neuen Bürgerservice mit dem Namen „Airtext“ eingeweiht. Airtext ist ein Warndienst, der über SMS, Sprachmitteilung oder E-Mail bereitgestellt wird. Das System empfängt die Atmosphärenbeobachtungsdaten des ESA-Satelliten Envisat aus dem Weltraum, kombiniert diese mit Bodenmessungen und den Verkehrsprognosen und sendet dann täglich am selben Morgen bzw. bereits am Vorabend den Abonnenten dieses Dienstes die Informationen zu den erwarteten höchsten Luftverschmutzungsraten zu. Die Abonnenten – Menschen, die unter Asthma, Bronchitis, Emphysemen, Herzschwächen oder Angina Pectoris leiden – können daraufhin ihren Tag entsprechend planen. Damit werden Leben gerettet. Nicky Gordon zufolge erleiden in London jedes Jahr tausende Menschen einen frühzeitigen Tod aufgrund von gesundheitlichen Problemen, die durch erhöhte Luftverschmutzung verschlimmert werden. www.airtext.info Grönlands „Begrünung“ vorgreifen Wenn der gesamte grönländische Eisschild abtauen würde, würde der mittlere Wasserstand aller Weltmeere um ungefähr sieben Meter steigen. Das heißt, die Überwachung dieser empfindlichen Fläche, die weitaus sensibler auf die globale Erwärmung unseres Planeten reagiert als die Antarktis, ist eine wichtige Angelegenheit. Das DMC-Konsortium (Disaster Monitoring Constellation), in dem vier Erdbeobachtungssatelliten zusammengeschlossen sind, die jeweils aus Algerien (Alsat-1), Nigeria (Nigeriasat), der Türkei (Bilsat-1) und dem Vereinigten Königreich (UKDMC) stammen, untersucht gemeinsam das Abschmelzen dieses Eisschildes. Die Kapazitäten dieser Satelliten erlauben den Forschern der Universität Swansea das Abschmelzen der Eisfläche, den Abfluss am Rand und allgemein die Dynamik aller dadurch verursachten Strömungen zu messen. www.dmcii.com Qualitätszuchtlachs Der größte Erzeuger von Zuchtlachs befindet sich auf der südlichen Erdhalbkugel! Chile und seine zahlreichen Aquakulturbetriebe produzieren derzeit den größten Anteil des weltweit konsumierten Zuchtlachses. Dieser Zweig ist aber auch sehr anfällig, da er plötzlichen Verschlechterungen der Meerwasserqualität ausgeliefert ist. Dies kommt regelmäßig vor und ist ein natürliches Phänomen, das zum Beispiel bei einem massiven Erscheinen von Phytoplankton auftritt. Die Spezialisten bezeichnen dieses Phänomen als Algenblüte. Wenn diese grüne Flut auftritt, absorbiert sie einen großen Teil des Sauerstoffs aus dem Wasser, woraufhin die Lachse sterben können. Ganz zu schweigen davon, dass sie chemische Stoffe abgibt und dadurch andere marine und wirtschaftlich wichtige Lebewesen, beispielsweise Muscheln, vergiftet. Um solche Ereignisse vorauszusehen und diese fast in Echtzeit verfolgen zu können, wurde das von der ESA unterstützte Projekt CAP (Chilean Aquaculture Project) eingerichtet. Die Überwachung der Wasserqualität und des Auftretens von Phytoplankton erfolgt vom Weltraum aus. Diese Aufgabe haben der Satellit Envisat (mit dem Radiometer Meris) und der amerikanische Satellit Aqua, der mit dem Instrument Modis ausgestattet ist, übernommen. Sie untersuchen grundsätzlich die farblichen Veränderungen des Wassers (aufgrund des im Plankton enthaltenen Chlorophylls), den Trübungsgrad, die Schwebstoffe und die Oberflächentemperatur. Diese Daten werden mit hydrodynamischen Modellen (Meeresströmungen) kombiniert und bilden ein neues Hilfsmittel für die Bewirtschaftung der Aquakulturbetriebe in Chile. www.eomd.esa.int (1) Siehe FTE info Nr. 42. research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 17 EARTH EXPLORERS Sechs Kundschafter im Dienste des Planeten © ESA Das Earth Explorers-Programm ist die neue Initiative der ESA im Bereich der wissenschaftlichen Erdbeobachtung. Dazu gehören sechs Satelliten, die jeweils einen bestimmten Aspekt unserer Biosphäre erkunden. 18 research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 EARTH EXPLORERS In diesem Programm bilden zwei Satellitenkategorien eine Gemeinschaft: einerseits Satelliten, die sogenannte „Core-Missionen“ zu ganz bestimmten Forschungsbereichen durchführen – sie sind von großem wissenschaftlichen Interesse und verfolgen langfristige Ziele der Organisation –, andererseits die Satelliten, die sich auf die sogenannten „OpportunityMissionen“ konzentrieren, die eine geringere Reichweite haben und nicht unbedingt von der ESA geleitet werden. Mit ihnen kann beispielsweise auf aktuelle sensible umweltbezogene Fragestellungen reagiert werden, zu denen die Wissenschaftsgemeinschaft dringend neue Daten benötigt. Der Satellit SMOS (Soil Moisture and Ocean Salinity) taucht in die Tiefen des Wasserkreislaufs der Erde ein. SMOS ist für 2008 geplant und wird umfassend und eingehend die Bodenfeuchtigkeit messen (dies ermöglicht beispielsweise eine rechtzeitige Ausweitung der Bewässerung, um einem Verlust von landwirtschaftlichen Erträgen aufgrund von Trockenheit vorzubeugen u. ä.). Außerdem wird er sich mit der Entwicklung des Salzgehaltes der Meere und Ozeane befassen. Cryosat-2 wird dagegen das Instrument für die Kryosphäre darstellen. Vorrangige Beobachtungsobjekte dieses Satelliten werden das Meereseis, aber auch die riesigen Eisschilde der Antarktis und Grönlands sein. Der Start des Satelliten ist für 2009 geplant. ADM-Aeolus (Atmospheric Dynamics Mission) wird die Windprofile in allen Schichten der Atmosphäre messen. Geplanter Start: 2009. Swarm wird das Magnetfeld der Erde und dessen zeitliche Entwicklung untersuchen. Für diese Mission werden drei Satelliten eingesetzt, sie soll 2010 beginnen. Die Mission Earthcare (Earth Clouds Aerosols and Radiation Explorer) schließlich, die in Partnerschaft mit Japan durchgeführt wird, befasst sich mit der Vertiefung unserer Kenntnisse über das Strahlungsgleichgewicht der Erde (Treibhauseffekt, Bedeutung von Aerosolen, Staub in der Atmosphäre usw.). Damit sollen die numerischen Wettervorhersagemodelle verbessert werden (Start 2013). Die Startaufstellung Von den sechs Satelliten, die derzeit vorbereitet werden, sollen drei (GOCE, ADM-Aeolus und Earthcare) eine Core-Mission und die drei anderen (SMOS, CryoSat-2 und Swarm) eine Opportunity-Mission durchführen. Die Mission GOCE (Gravity field and steadystate Ocean Circulation Explorer) ist für 2008 geplant und befasst sich mit dem Gravitationsfeld der Erde. Mit den Daten aus dieser Mission sollen Modelle in diesem Bereich abgestimmt und unser Wissen über das „Innere“ unseres Planeten erweitert werden. Außerdem geht es darum, das Geoid der Erde zu bestimmen. Nächste Missionen © ESA D ie Europäische Weltraumorganisation (ESA) hat ihre Erdbeobachtungsstrategie geändert. Anstatt ihre gesamten Mittel in den Bau eines einzigen imposanten Satelliten zu stecken, wie dies bei Envisat der Fall war, setzt sie nun auf einzelne kleinere Missionen. „Die Missionen sind zwar bescheidener, aber dafür umso spezialisierter, und sie lassen sich schneller umsetzen“, kommentiert Jérôme Benveniste von der Abteilung für Erdbeobachtungsanwendungen bei ESRIN (ESA Italien). „Die Earth Explorers erkunden sowohl die Atmosphäre als auch die Biosphäre unseres Planeten. Sie konzentrieren sich aber auch auf den Wasserstoff, die Kryosphäre (Eisflächen) und natürlich auf seine „verborgene Seite“, das Erdinnere. Ziel ist es, mehr über die Wechselwirkungen zwischen diesen verschiedenen ‚Sphären‘ und über die Folgen der menschlichen Aktivitäten zu erfahren.“ Das Programm Earth Explorers geht allerdings über die hier beschriebenen Missionen hinaus. Die ESA hat bereits einen Aufruf für neue Projekte der Wissenschaftsgemeinschaft veröffentlicht. Daraufhin sind 24 Vorschläge eingegangen. Von diesen wurden sechs Projekte ausgewählt, die derzeit auf ihre Machbarkeit überprüft werden. Es geht um Biomass (forstwirtschaftliche Biomasse), Traq (Langstreckenflüge und Verschmutzungstransport), Premier (Zusammenhänge zwischen Spurengasen in der Atmosphäre, Strahlung und Atmosphärenchemie), Flex (Untersuchung der Fotosynthese durch Fluoreszenzmessungen), A-Scope (globaler Kohlenstoffkreislauf ) und schließlich CoReH2O (Wasserkreisläufe in Schnee- und Eisphasen). Die ersten Satelliten dieser zweiten Auswahl könnten bereits 2010 an den Start gehen. research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 19 INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT Vielfalt im Orbit Mehr denn je ist das Studium unseres Planeten ein globales Anliegen. Jedes Land, das über Fernerkundungsinstrumente im Weltraum verfügt, stellt seine Daten auch ausländischen Forschern zur Verfügung. Das steht der Bildung einer vorrangigen Zusammenarbeit aber nicht im Wege. Neben den alten Stars QuickBird und Ikonos (1999), die über eine sehr hohe Auflösung verfügen und zu zivilen Zwecken eingesetzt werden, wird hier eine kleine Auswahl weiterer Kooperationen gegeben. Von allem ein bisschen Alos – Dieser japanische Erdbeobachtungssatellit ist seit Januar 2006 im Orbit. Er tastet den Planeten unabhängig von den atmosphärischen Bedingungen Tag und Nacht ab. Dies ist möglich, weil er ein L-Band-Radar (Palsar) und einen panchromatischen Sensor für Stereoaufnahmen (Prism) an Bord hat. Quikscat – Der Satellit wurde 1999 von der NASA gestartet. Sein Hauptinstrument, ein Scatterometer, liefert Informationen über die Winde auf der Planetenoberfläche, über Land und über den Ozeanen. Damit lassen sich verschiedene Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre und der Erde erkunden. IRSP6 – Dieses Instrument zur Fernerkundung, das auch unter der Bezeichnung Resourcesat-1 bekannt ist, wurde von der indischen Weltraumforschungsorganisation ISRO (Indian Space Research Organization) gestartet. Den Satelliten IRS-P3 hat die indische Weltraumorganisation bereits 1996 in Betrieb genommen. Dieser Erdbeobachtungssatellit ist mit einem modularen optoelektronischen Scanner, MOS, ausgestattet. © ESA Der Berg Fuji, erstes Bild des japanischen Satelliten ALOS, gesendet 2006. Am unteren Bildrand sind die Straßen und Flüsse des KofuBeckens und der Motusu-See zu sehen. 20 research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT TerraSAR X – Dieser Radarsatellit der deutschen Firma Infoterra soll 2007 betriebsbereit sein. Kompsat-1 – Der erste südkoreanische Satellit einer Baureihe mit hochauflösender Optik wurde 1999 gestartet. Kompsat-2 (KOrean MultiPurpose SATellite), ein hochauflösender Sensor des Koreanischen Weltraumforschungsinstituts KARI (Korean Aerospace Research Institute) wurde am 28. Juli 2006 erfolgreich gestartet. Er liefert Bilder mit einer Auflösung von 1 m. Formosat-2 – Der taiwanesische Satellit von der National Space Organization (NSPO) wurde in Europa konzipiert und von EADS Astrium hergestellt. Der Satellit ermöglicht hochauflösende Beobachtungen (2 m) sowie einen täglichen Überflug! Scisat – Dieser Sensor unterstützt eine kanadisch-internationale Forschergruppe bei ihren Forschungsarbeiten zum Schwund der Ozonschicht und soll zu einem besseren Verständnis dieses Problems führen. Die Forscher befassen sich dabei vor allem mit den Verän- derungen über Kanada und der Arktis. Der Satellit ist seit 2003 im Orbit. Terra – Dieser amerikanische Satellit (gestartet 1999) ist mit fünf wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet, darunter auch ein Spektroradiometer, das in Zusammenarbeit mit Kanada entwickelt wurde. Er ist das Pendant des „Morgenorbits“ des amerikanischen Satelliten Aqua, der zum A-Train (siehe unten) gehört. Ein „Weltraumzug“ Aus der Zusammenarbeit dreier Länder (USA, Frankreich und Kanada) sind sechs wissenschaftliche Erdbeobachtungssatelliten hervorgegangen, die direkt hintereinander auf derselben sonnensynchronen Umlaufbahn fliegen. Dieser Weltraumzug wurde A-Train (afternoon train, deutsch: Nachmittagszug) genannt, weil die sechs Satelliten den Äquator in einem Abstand von wenigen Minuten gegen 13.30 Uhr lokaler Zeit überqueren. Er stellt ein außergewöhnliches Weltraumobservatorium dar, in dem alle aktiven und passiven Messmethoden miteinander vereint werden, um das Zusammenwirken der verschiedenen Rädchen des Klimasystems besser zu verstehen. Der „Zug“ besteht aus den Satelliten: Aqua (Nasa, 2002), Aura (Nasa, 2004), Parasol (CNES, 2004), Calipso (Nasa/CNES) und Cloudsat (NASA/ASC) (jeweils 2006) sowie OCO (Nasa), dessen Start für 2008 geplant ist. Kurs auf neue Generationen Die Fernerkundung der Zukunft wird drei Forderungen erfüllen müssen: höhere Auflösung (räumlich und spektral); höhere Wendigkeit der Satelliten, damit sie schneller auf ein Ziel ausgerichtet werden können; eine höhere Überflugrate, damit eine Situation auf dem Boden im täglichen Ablauf verfolgt werden kann. Bis Ende 2008 soll Digitalglobe mit einem neuen Sensor ausgestattet werden, der alle diese Eigenschaften erfüllt. Worldview-1 wird eine bislang nie erreichte Wendigkeit im Orbit besitzen. Er wird ein und dieselbe Stelle am Boden alle 1,7 Tage überfliegen können und Bilder mit einer Auflösung von 50 cm liefern. Eine Premiere für einen zivilen Satelliten… © ESA Calipso, einer von sechs hochauflösenden Beobachtungssatelliten des Afternoon train. Er verfügt über eine sehr spezielle HightechAusrüstung, die das Verständnis klimatischer Mechanismen erweitern soll. research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 21 BUSINESS Der blühende, dezentralisierte Markt Die ständige Verbesserung der Satellitenbilder, ihre immer größere Verfügbarkeit, aber auch ihre zahlreichen Anwendungsgebiete machen aus diesem Sektor eine Goldgrube für kleine und mittlere Unternehmen. Datenvermarktung Satellitenbilder kann man zu einem bestimmten Preis kaufen. Der Satellit musste zunächst entworfen und gebaut werden, er musste in den Orbit gebracht und anschließend Jahre lang genutzt werden. Am Ende bezahlt der Kunde in der Regel die Rechnung. Wer auch immer Daten erwerben möchte, die von Erdbeobachtungs- satelliten stammen, wird im Allgemeinen zur Kasse gebeten! Kommerzielle Betreiber sind auf dem Markt gut vertreten. Spot Image vermarktet zum Beispiel die Daten aus der eigenen Satellitentätigkeit, aber auch Bilder der Erde von Satelliten Dritter, deren kommerzielle Verwertung dem Unternehmen übertragen wurde (wie Envisat, ERS, Radarsat usw.). Unter den anderen großen Betreibern auf der Welt sind auch die Unternehmen DigitalGlobe und Geo Eye. Sie bieten die genauesten und schärfsten Bilder auf dem Markt an. Diese stammen von ihren eigenen Satelliten Quickbird (Auflösung 60 cm) und Ikonos (Auflösung 1 m). Die riesigen Datenmengen, die jede Woche von den zehn Instrumenten des Forschungssatelliten Envisat der ESA produziert werden, werden nach festen Regeln, die noch vor dem Start des Satelliten festgelegt worden sind, vermarktet. „Diese Regelung wurde von den Mitgliedstaaten beschlossen, die diese Mission finanziert haben“, erklärt Simonetta Cheli, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Institutionelle Beziehungen bei ESA-ESRIN in Italien. „Es gibt drei Benutzerkategorien. Die erste umfasst die Wissenschaftler. Sie erhalten kostenlosen Zugriff auf die Daten von Envisat, sobald ihr Forschungsprojekt von ihren Peers im Rahmen der verschiedenen Ausschüsse unterstützt wurde. In der zweiten Kategorie wird der Zugriff auf Informationen mit eingeschränktem Nutzungsrecht gewährt. Zu den Benutzern dieser Kategorie gehören vor allem öffentliche Einrichtungen. Alle anderen Benutzer fallen in die dritte Kategorie. Sie erhalten nur über die kommerziellen Betreiber Zugriff auf unsere Daten und müssen dafür den Marktpreis zahlen.“ Die Preise variieren je nach „Frische“ des Bildes. Ein Beispiel: 400 Euro kostet eine Archivaufnahme der Radare ERS oder Asar (Envisat), die Die Rechnung im Einzelnen Bei DMC International Imaging hängt der zu zahlende Betrag von dem Bildausschnitt ab, für den man sich interessiert. Der Mindestpreis für ein Bild von 160 km2 mit einer Auflösung von 32 m, für das drei Satellitenüberquerungen nötig sind, beträgt 2 240 Euro. Ein Festbetrag in Höhe von 614 Euro dient der Kostendeckung für die Parametrisierung des Satelliten. Spot Image bietet seinerseits Farbfotos nach der Norm Spot-5 mit mindestens 60 km2 und einer Auflösung von 2,5 m zum Preis von 8 900 Euro an. Hinzu kommen 3 100 Euro für notwendige Programmierkosten. Das Gewicht der europäischen Raumfahrt Die europäische Weltraumindustrie hat 2005 Umsätze in Höhe von 4,4 Milliarden Euro erzielt. Sie beschäftigt rund 28 000 Menschen. Einer Schätzung der Europäischen Kommission zufolge generiert dieser Sektor eine nachgelagerte Wirtschaftsaktivität, die noch fünfmal größer ist. Trotz relativ geringer öffentlicher Investitionen in diesem Sektor ist die europäische Weltraumindustrie äußerst wettbewerbsfähig. Sie hält hinsichtlich Konstruktion, Abschuss und Bewirtschaftung von Satelliten 40 % des globalen Marktes in ihrer Hand. 22 „Maßanfertigung“ von der ESA research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 © ESA D ie Erdbeobachtung ist natürlicherweise ein riesiges Abenteuer für Wissenschaft und Technologie. Sie ist im Laufe der Jahre auch zu einem wichtigen Wirtschaftssektor geworden. Das betrifft zunächst einmal den Betrieb und die Bewirtschaftung der Satelliten, ihre Kontrolle im Orbit, ihre Verwaltung sowie die Erfassung und Weiterleitung der Daten. Dies sind viele Bereiche, in denen Arbeitsplätze für hoch qualifizierte Mitarbeiter geschaffen werden. Insgesamt gesehen trägt die Vermarktung der Informationen durch Großbetreiber und ihre Handelsvertreter, aber auch durch eine große Zahl von Dienstleistungsunternehmen zu einer wichtigen zusätzlichen Wertschöpfung dieses Wissens bei. Dabei sind die direkten Auswirkungen einiger Anwendungen, wie beispielsweise von Wettervorhersagen, auf andere menschliche Aktivitäten an Land, auf See oder in der Luft noch nicht einmal mit eingerechnet. Hochauflösende Bilder, beispielsweise vom Satelliten Quickbird, werden vom europäischen Händler Eurimage zum Preis von 25 US-Dollar pro Quadratkilometer verkauft. Für eine komplette Satellitenaufnahme, d.h. für eine Fläche von 272 km2, beträgt der Mindestpreis ungefähr 5 300 Euro pro Bild (und praktisch das Doppelte für „dringende“ Aufträge). der Erdbeobachtung eine Fläche von 100 km2 mit einer Auflösung von 25 m umfasst. Dasselbe Bild kostet auf Bestellung 600 Euro, da der Satellit dafür eigens programmiert werden muss. Aber der Preis kann auch auf 150 Euro sinken, wenn man nur eine Auflösung von 150 m wünscht. „Für unsere künftigen Missionen, wie die der Sentinel-Satelliten des GMES-Programms, ist die Vermarktungspolitik zur Kommerzialisierung noch festzulegen“, schließt Simonetta Cheli. Mitteilung der Europäischen Kommission, GD Unternehmen, IP/07/575 www.eurimage.com www.spotimage.com www.dmcii.com ec.europa.eu/enterprise/ „Schlüsselfertige“ Satelliten? Warum sollen sich die großen Nutzer von Satellitenbildern nicht zum Kauf ihres eigenen Mikro-Satelliten entschließen, mit einem Empfangssystem im Haus? In Europa hat sich die Mikrosatellitenserie Proba, die ursprünglich als ein technologisches Demonstrationsobjekt der ESA konstruiert wurde, zu einem echten kommerziellen Produkt entwickelt. Das Industriekonsortium bietet es jedoch als Komplettsystem an: Satellit, Abschuss und dazugehöriges Bodensystem. Eine von der europäischen Industrie geschaffene Erfolgsgeschichte, für die sich Drittländer interessieren, die selbst nicht über Mittel zur Erdbeobachtung verfügen. www.verhaertspace.com An der Spitze der Weltraumindustrie, halten die Europäer rund 40 % des globalen Marktes für den Bau, den Abschuss und die Bewirtschaftung von Satelliten in der Hand. Hier sind der Abschuss der Rakete Ariane V und Vorbereitungsarbeiten zu sehen. © ESA BUSINESS Ein „lokaler“ KMUzentrierter Sektor Die Vermarktung der „rohen“ Satellitendaten ist allerdings kaum von Interesse. Daher gibt es zahlreiche Unternehmen, die ihre Wertschöpfungsleistungen zu diesen Bildern komplett anbieten. Im Jahr 2004 haben die ESA und zwei ConsultingFirmen, Vega Group und Booz Allen Hamilton, eine Bestandsaufnahme des in diesem Bereich spezialisierten Industriesektors durchgeführt. Aus dieser Studie geht hervor, dass es rund 160 Unternehmen gibt, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben. Darunter auch sehr viele KMU: 33 % der Unternehmen dieses Sektors hatten weniger als zehn Angestellte, 27 % hatten elf bis 30 Mitarbeiter und 15 % zwischen 31 und 60 Mitarbeitern. Nur 9 % der Unternehmen verfügten über mehr als 500 Mitarbeiter. Eine weitere Erkenntnis aus diesem Überblick: Der globale Umsatz dieses Sektors wurde 2002 auf 285 Millionen Euro geschätzt – eine Summe, die den Verkauf von Rohdaten (unbearbeitete Bilder) noch nicht mit einschließt. Der Bericht zeigt auch, dass es sich hierbei um einen im Wesentlichen „einheimischen“ Markt handelt. Dabei schaffen die Unternehmen dieses Sektors ihren Umsatz hauptsächlich durch Kunden aus der eigenen Region bzw. dem eigenen Land. „Bei Unternehmen, die ihren Sitz in der EU haben, stammt nur ein sehr kleiner Teil der Einnahmen aus Drittländern (15 %)“, verzeichnet der Bericht. Der größte Anteil der Einnahmen aus dieser Tätigkeit stammt aus Dienstleistungen zur Bestimmung der natürlichen Ressourcen unseres Planeten und der Kartografie sowie aus Sicherheitsanwendungen. Quelle: The state and health of the European and Canadian EO service industry, ESA/Vega group & Booz Allen Hamilton. Das Monument Valley, Gebiet der Navaho-Indianer an der Grenze zwischen Arizona und Utah, aus der Sicht des kleinen belgischen Satelliten Proba. research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 23 METEOROLOGIE Regen und schönes Wetter – dies bildet den Stoff für unendliche Gespräche, aber auch für Vorbehalte. Wetterbedingungen haben vor allem direkte Folgen auf die Wirtschaftsaktivitäten der Erdbewohner. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass ein Großteil der Satelliten, die unsere Erde erforschen, sich mit der Erdatmosphäre, ihrer Zusammensetzung und Entwicklung, aber auch mit den Ozeanen befasst, die das Wetter von heute und von morgen beeinflussen. K aum fallen die ersten Tropfen, schon stockt der Verkehr. Eine Trockenperiode, schon leidet die Landwirtschaft und in den Wäldern herrscht erhöhte Brandgefahr. Starke Winde, und schon sind die Aktivitäten der Handelsschifffahrt und der Fischerei betroffen. Die Meteorologie ist zu einer operationellen Wissenschaft geworden, auf die man nicht mehr verzichten kann. Die Europäer haben das sehr wohl verstanden. Nach der ESA (1975) wurde 1986 EUMETSAT, eine zweite, vor allem operationelle europäische Weltraumorganisation gegründet. Ihre Missionen bestehen darin, die nationalen Wetterdienste der Mitgliedstaaten (siehe Kasten) sowie zahlreiche öffentliche (UNESCO, Welternährungsorganisation, UNEP, WOM, NOAA, EZMW) und private Nutzer auf der ganzen Welt mit Daten, Bildern und anderen Produkten ihrer Satelliten rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr zu beliefern. 24 Dazu wertet die Organisation von ihrem operationellen Standort in Deutschland aus die Daten ihrer eigenen Satelliten (Meteosat und MetOP), aber auch die Daten anderer spezialisierter Satellitenauswertungszentren, den SAF (Satellite application facility), aus. Diese Satellitenauswertungszentren sind auf bestimmte Bereiche spezialisiert. Es gibt SAF für die numerische Wettervorhersage (koordiniert vom britischen Met Office), für operationelle Hydrologie (betrieben vom Italienischen Wetterdienst), für Ozeane und Meereseis (Météo-France) oder auch für Ozon (Finnischer Wetterdienst), für die Klimaüberwachung (Deutscher Wetterdienst) oder für das sogenannte nowcasting, das sind kurzfristige Wettervorhersagen (koordiniert vom Spanischen Meteorologischen Institut). Vielfältige Instrumente im Orbit Über die traditionellen Wettersatelliten hinaus, die die Erde auf einer geostationären Umlaufbahn research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 Zwanzig plus zehn © Eumetsat EUMETSAT, die „andere“ europäische Weltraumorganisation Eumetsat vereint 20 Nationen: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Spanien, die Türkei und das Vereinigte Königreich. Zusätzlich bestehen Kooperationsverträge mit zehn weiteren Staaten: Bulgarien, Estland, Island, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn. Im Hinblick auf den Zugang und die Nutzung von Daten und Dienstleistungen der Organisation haben sie dieselben Rechte und Pflichten wie die anderen Mitglieder auch. Allerdings zahlen sie jeweils nur die Hälfte des Beitrags der Staaten aus der ersten Gruppe. Deshalb besitzen sie auch nicht das Recht, an Entscheidungsprozessen teilzunehmen oder sich an Ausschreibungen zu beteiligen, und ihre Staatsangehörigen können sich nicht auf eine Position bei EUMETSAT bewerben. Die Organisation hat ihren Sitz in Darmstadt (DE). 36 000 km über dem Erdboden umkreisen und bereits die Hälfte der Erdkugel beobachten (Meteosat der ersten und zweiten Generation), besitzt EUMETSAT seit letztem Jahr einen ersten eigenen Satelliten auf einer polaren Umlaufbahn, MetOP-A. Dieser umkreist die Erde in geringerer Höhe (850 km) und liefert dank seiner acht wissenschaftlichen Instrumente sehr viel genauere Daten über Wolken, Feuchtigkeit und Atmosphärentemperaturen, über die vertikale Auflösung der Temperatur in der Troposphäre, die Windgeschwindigkeiten auf der Höhe des Meeresspiegels oder auch über die Entwicklung des Ozons und anderer Bestandteile der Troposphäre und der Stratosphäre. In Kürze, nämlich 2008, wird auch Jason-2, ein Satellit für die Altimetrie der Ozeane, in der Umlaufbahn stehen. Er ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der NASA (USA). Er wird die Computer von EUMETSAT mit zentimetergenauen Daten über Fluktuationen der Meeresspiegel speisen. METEOROLOGIE Wettersatelliten auf der ganzen Welt (1) Europa Meteosat-5 Meteosat-6 Meteosat-7 Meteosat-8 Meteosat-9 MSG-3 und MSG-4 MetOP-A Jason-2 Russland seit dem 16. April 2007 auf einem „Friedhofsorbit“ (2) . seit dem 26. April 2007 geostationärer Reservesatellit auf 67,5° Ost, um DCP-Daten zu sammeln, wenn Meteosat-7 nicht sendet. deckt den Indischen Ozean IODC ab bei 57,5° Ost (bis mindestens Ende 2008). Reservesatellit von Meteosat-9 bei 3,4° West (geostationäre Umlaufbahn). geostationärer Hauptsatellit bei 0°. Start voraussichtlich 2011 bzw. 2013. erster nicht geostationärer Satellit von EUMETSAT, Start 19. Oktober 2006, offiziell betriebsbereit seit dem 15. Mai 2007. MetOP-A ist seit dem 21. Mai 2007 der erste Satellit, der auf einem polaren Vormittagsorbit des Initial Joint Polar-Orbiting Operational Satellite Systems (IJPS) fliegt. MetOP-B und MetOP-C werden in Abständen von fünf Jahren 2011 und 2015 ins Weltall starten. wird Jason-1 folgen. Zusammen sollen sie die Mission zur Topografie der Meeresoberflächen erfüllen. Voraussichtlicher Start ist Mitte 2008 auf einer geneigten, nicht sonnensynchronen Umlaufbahn (Inklination 66°). Vereinigte Staaten von Amerika derzeit stationiert auf 160° Ost. auf 60° West stationiert, um Südamerika komplett abzudecken. GOES-11 operationeller geostationärer Satellit auf 135° West. GOES-12 operationeller geostationärer Satellit auf 75° West. GOES-13 gestartet im Mai 2006; Reservesatellit auf Position 105° West. GOES-O, -P, -R, -S Starts sind geplant für jeweils 2008, 2009, 2014 und 2016, um den Dienst bei 135° oder 75° West sicherzustellen. NOAA-12 Satellit im polaren Vormittagsorbit, der ausschließlich Datenübertragung in Echtzeit gewährleistet. NOAA-14 Satellit im polarem Vormittagsorbit, der ausschließlich Datenübertragung in Echtzeit gewährleistet. NOAA-15 Reservesatellit von NOAA-17 (früher Morgenorbit). NOAA-16 Reservesatellit von NOAA-18 (Nachmittagsorbit). NOAA-17 Satellit auf polarem Morgenorbit. NOAA-18 erster Satellit des IJPS-Systems, hat NOAA-16 als Hauptsatellit im Nachmittagsorbit ersetzt. NOAA-N’ geplanter Start ist 2009, um den Dienst im Nachmittagsorbit aufzunehmen. NPP-NPOESS geplanter Start ist 2009, um den Dienst im Nachmittagsorbit aufzunehmen. NPOESS-C1 und –C3 geplante Starts 2013 und 2020 (Nachmittagsorbit). NPOESS-C2 und –C4 geplante Starts 2016 und 2022 (früher Morgenorbit). GOES-9 GOES-10 Meteor-3M N1 GOMS-N1 Meteor-M N1 Electro-L N1 Electro-L N2 wird auf einer sonnensynchronen Umlaufbahn am Morgen betrieben. Start im November 1994, im Bereitschaftsmodus bei 76° Ost. geplante Starts 2008 und 2009 (Morgenorbit). Start geplant im Laufe von 2007 auf 76° Ost. Start geplant für 2009, bei 76° Ost oder 14,5° Ost. China meteorologischer Hauptsatellit, gestartet im Mai 2002, befindet sich im sonnensynchronen (polaren) Morgenorbit. FY-2C geostationärer Hauptsatellit bei 105° Ost. FY-2D Start im Dezember 2006, dient als Reserve für FY-2C bei 86,5° Ost. FY-2E, -2F und -2G geplante Starts jeweils 2008, 2010 und 2012. FY-3A erstes Modell der zweiten Generation chinesischer nicht geostationärer Satelliten. Er wird im Laufe von 2007 gestartet, die beiden folgenden (FY-3B und FY-3C) 2009 und 2011. Fengyun-1D Indien KALPANA-1 INSAT-3A INSAT-3D (früher Metsat), steht auf 74° Ost; erster indischer Satellit zu rein meteorologischen Zwecken. wird auf 93,5° Ost betrieben. geplanter Start Ende 2007 oder Anfang 2008. Südkorea COMS-1 und -2 die Starts dieser multifunktionalen Satelliten, die Anwendungen zur Meteorologie, Meeresbeobachtung und Telekommunikation unter einem Dach vereinen, sind für 2008 und 2014 geplant. Sie werden auf 116,2° oder 128,2° Ost betrieben. Japan MTSAT-1R MTSAT-2 seit dem 28. Juni 2005 auf 140° Ost in Betrieb. Start am 18. Februar 2006, steht auf 145° Ost in Stand-by-Position. Die nächsten Satelliten werden 2013 und 2015 gestartet. (1) Mai 2007, Quelle: EUMETSAT (2) Friedhofsorbit: Wenn ein Satellit auf einem nützlichen Orbit ausgedient hat, wie zum Beispiel auf der geostationären Umlaufbahn, wird er in eine sogenannte Friedhofsbahn manövriert, die sich mehrere hundert Kilometer „oberhalb“ seiner Umlaufbahn befindet. So verbrauchen die Satellitenbetreiber auch den Resttreibstoff auf dieser letzten Reise. Damit wird Platz für einen neuen Satelliten freigemacht und vermieden, dass Treibstoffreste des ausgedienten Satelliten plötzlich eine unerwünschte Explosion im Orbit verursachen, die wiederum Quelle für neue „Trümmer“ ist. research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 25 WELTRAUMMÜLL Die Spuren des Menschen im Weltraum Eine kaum bekannte Problematik: Wenn sich das Verhalten bei der Nutzung des Weltraums nicht ändert, birgt Weltraummüll die Gefahr, die nützlichen Umlaufbahnen zu verstopfen. Heiner Klinkrad, Leiter des Büros für Raumfahrtrückstände des ESOC(1), macht eine Bestandsaufnahme, nachdem am 11. Januar eine chinesische ballistische Rakete den außer Betrieb gesetzten Wettersatelliten Feng-Yun 1C zerstörte und dadurch mindestens 1 600 neue Trümmerteile schuf. „D ies ist in Bezug auf die Anzahl verursachter Rückstände das größte bekannte Ereignis“, kommentiert Heiner Klinkrad. „Die bis heute gefundenen Teile erweitern den in den vergangenen 15 Jahren erstellten Katalog um 15 %.“ Er unterstreicht, dass „Missionen heute zwar noch sicher durchgeführt werden können. Aber aus amerikanischen Untersuchungen geht hervor, dass sich, selbst wenn wir unsere Aktivitäten im Weltraum einstellen würden, die Müllmenge in bestimmten Höhen noch vergrößern wird und damit auch das Kollisionsrisiko steigt.“ Kollisionen und Explosionen Der Weltraummüll stammt aus verschiedenen Quellen. Kollisionen können zufällig sein. Der bekannteste Fall ist mit Abstand jener des französischen Satelliten Cerise. „Zehn Jahre nach der Explosion der oberen Stufe der Ariane-Rakete ist 1996 ein Trümmerstück auf den französischen Satelliten aufgeprallt“, erklärt Heiner Klinkrad. Nach diesem Ereignis konnten bereits zwei weitere Zusammenstöße beobachtet werden. Kollisionen können aber auch absichtlich herbeigeführt werden, wie im Fall der chinesischen Rakete. In jedem Fall sind jedoch Explosionen die häufigste Ursache für die Verursachung von Trümmern. „Seitdem der Weltraum erobert wird, wurden rund 200 Explosionen gezählt. Aber in den vergangenen Jahren hat sich dieses Phänomen beschleunigt. Der Jahresdurchschnitt von vier bis fünf Explosionen hat sich nunmehr verdoppelt. Diese Unfälle gehen auf abgestoßene Stufen nach Absetzung der Satelliten im Orbit zurück oder auf ältere Weltraumfähren, deren Resttreibstoff sich entzündet hat.“ Projektilen ausweichen Die Zahl der von der Erde aus zu beobachtenden über 10 cm großen Bruchstücke wird auf rund 18 000 geschätzt. Davon sind 11 500 erfasst. Das Raumflugkontrollzentrum ESOC, das seinen Sitz in Deutschland hat, kümmert sich täglich um Ausweichmanöver hinsichtlich der Trümmer dieser Größe. Aber für die 550 000 Teilchen, die nur zwischen 1 cm und 10 cm groß sind und die nicht aufgezeichnet werden können, sind Ausweichmanöver unmöglich. Mit ihren Geschwindigkeiten, die bis zu 70 000 km/h betragen, können sie jedoch einen beträchtlichen Schaden anrichten. Die Forschungen der ESA machen auch im Hinblick auf die Modellbildung der Flugbahn dieser Trümmer und bei der Konzeption fortschrittlicher Schutzsysteme Fortschritte, vor allem durch die Untersuchung der Auswirkungen von Objekten, die auf die Erde zurückgefallen sind. © CNES/David Ducros Praktiken ändern Aber selbst wenn diese Schutz- und Ausweichmaßnahmen die durch den Menschen geschaffenen Risiken reduzieren, müssen die herrschenden Praktiken weiterentwickelt werden, um die wie in einer Kettenreaktion stattfindende Ausbreitung der Trümmer zu bremsen. „Wir müssen zunächst einmal vermeiden, Objekte abzustoßen, sofern dies nicht für den Ablauf der Mission unbedingt erforderlich ist. Dies ist beispielsweise der Fall bei den optischen Linsen, die nach Gebrauch abgestoßen werden. Des Weiteren müssen Explosionen durch Reste von Satellitentreibstoff nach Ende der Mission vermieden werden. Und schließlich ist die Entfernung der Teile aus nützlichen Umlaufbahnen das wirksamste Mittel, wie beispielsweise aus der geostationären Umlaufbahn, in der es nur eine begrenzte Zahl von Plätzen gibt, die alle bereits besetzt sind. In einer Höhe von 36 000 km können die Satelliten auf dieser Umlaufbahn nicht mehr in die Atmosphäre gebracht werden, um sie durch Erhitzung zu zerstören. Am Ende ihrer Lebenszeit werden sie deshalb in eine 300 km höher liegende „Friedhofsbahn“ manövriert. Im Gegensatz dazu ist die atmosphärische Auflösung für diejenigen Satelliten möglich, die sich in niedrigeren Umlaufbahnen befinden“, erklärt Heiner Klinkrad. Derzeit haben die internationalen Bemühungen dazu geführt, dass sich 67 Länder auf Prinzipien geeinigt haben, die im Rahmen des COPUOSAusschusses (Committee on the Peaceful Uses of Outer Space) der Vereinten Nationen erlassen wurden. Aber es gibt immer noch keine zwingende Einigung, mit der die Unterzeichnerstaaten wirksam gebunden werden könnten. Und laut Heiner Klinkrad wird es, „wenn wir nicht sehr bald unsere Handlungsweise ändern, in 50 Jahren weit mehr zufällige Kollisionen als Explosionen geben. Eine internationale Gesetzgebung würde uns in diesem Bereich dabei helfen, ein solches Szenario zu vermeiden.“ (1) Europäisches Raumflugkontrollzentrum der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) 26 research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 GMES Umwelt unter strenger Beobachtung Die Annäherung zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Weltraumorganisation, ESA, erfolgt vor allem über das GMES-Programm (1). Hierbei geht es um die globale Überwachung der Umwelt im Allgemeinen für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohlstand der Bürger Europas und für ihre Sicherheit. Ein Gespräch mit Volker Liebig, ESA-Direktor für Erdbeobachtungsprogramme bei ESRIN (ESA). ie Europäische Union hat sich 2001 entschlossen, eine Initiative für die Globale Umweltund Sicherheitsüberwachung (GMES) in die Wege zu leiten. Dieses Weltraumpuzzle besteht aus mehreren Satelliten: den Sentinel-Missionen der ESA, die aus jeweils mehreren operationellen und mit ganz bestimmten Formen der Beobachtung betrauten Satelliten bestehen. D Im Rahmen des GMES-Programms kommen ganz neue Erdbeobachtungssatelliten ins Spiel: die Sentinel-Satelliten der ESA. In ihrem Zusammenhang spricht man meist von einem dualen (militärischen und zivilen) Einsatzzweck. Und außerdem steht der Buchstabe „S“ in GMES für „Sicherheit“. Was genau ist damit gemeint? Mit der dualen Technologie ist sowohl ein ziviler als auch ein militärischer Einsatz der neuen Generationen von Erdbeobachtungssatelliten möglich. Man weiß zum Beispiel, dass die italienischen Radarsatelliten des Typs Cosmo Sky Med, die auch für militärische Zwecke genutzt werden, im Rahmen von GMES ebenfalls zu 40 % eingesetzt werden könnten. Aber in diesem Fall geht es selbstverständlich um die öffentliche Sicherheit – die Überwachung der Grenzen der Europäischen Union oder auch die Kontrolle der illegalen Einwanderung über das Meer. In dieser Hinsicht haben wir hier bei der ESA einen ersten Prototypen entwickelt: das Projekt MARISS (MARItime Security Services). Es soll durch weltraumgestützte Überwachung und Identifikation von Schiffen, insbesondere im Mittelmeer, vor allem die illegale Einwanderung nach Europa eindämmen. Man kann damit aber auch die Übergabe illegaler Warenlieferungen auf dem Meer, Waffenhandel usw. aufdecken. Werden die Dienste, die das GMESProgramm eines Tages leisten wird, nicht bereits von der „Internationalen Charta“ abgedeckt? Sicherheit hat, wohlverstanden, auch mit der Überwachung von Naturkatastrophen und der schnellen Organisation von Rettungseinsätzen zu tun. Bei einem Tsunami beispielsweise ermöglichen es die Satellitenbilder, die im Rahmen der internationalen Charta verbreitet werden, das Ausmaß der Schäden sofort nach der Katastrophe zu bestimmen, da die neuen Bilder mit Archivbildern verglichen werden können. Bei GMES wird diese Art der Dienstleistung zeitlich nicht begrenzt sein, d. h. sich nicht auf wenige Tage nach einer Katastrophe beschränken. Es handelt sich hierbei um einen kontinuierlichen Überwachungsdienst, der, falls möglich, auch präventiv sein kann und einen Mehrwert bietet. Bleiben wir beim Tsunami. GMES würde zusätzlich wertvolle Informationen über den Straßenzustand liefern können, über die Existenz einer Brücke, nachdem die Welle abgeklungen ist, zur Analyse der Örtlichkeiten, um den optimalen Ort für den Aufbau eines Flüchtlingslagers zu bestimmen, oder auch für die Lokalisierung von Trinkwasserquellen. Dieser Beitrag der Satellitendaten wird damit von zahlreichen nachgelagerten Diensten unterstützt, während die Charta nur punktuell Daten liefert, ohne zusätzliche Dienste. Könnte man sagen, dass das GMESProgramm auch einen politischen Zweck verfolgt? Absolut. GMES verfolgt in Wirklichkeit ein doppeltes Ziel: ein operationelles und ein politisches. Europa will sich mit diesen neuen Instrumenten ausstatten – einerseits, indem ein föderatives operationelles System eingesetzt wird, das allen Europäern zugutekommt, wodurch sich Europa aus der Abhängigkeit von Drittstaaten hinsichtlich der Sammlung von Weltraumdaten befreit, andererseits aber auch, indem die europäischen Nationen sich für ihren eigenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen zusammenschließen. Was kostet die Durchführung von GMES? Wenn man nur die drei ersten „Sentinel-Satelliten“ und die Vorplanungsphasen für Sentinel-4 und -5 berücksichtigt, so benötigen wir ein Budget in Höhe von 1,17 Milliarden Euro. Dieses Budget wird über Investitionen der ESA und der Europäischen Kommission gedeckt. (1) Global monitoring for environment and security. research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007 27 © ESA Universität Jena – Chinesische Akademie für Forstwirtschaft KI-AH-07-S02-DE-C BILD DER WISSENSCHAFT Mosaik vom Nordosten Chinas Dieses aus vielen kleinen Teilen zusammengesetzte Bild wurde aus einer Kombination der Daten der Satelliten ERS-1 und ERS-2 erstellt. Wälder erscheinen in Grün, die landwirtschaftlichen Gebiete in Orange sowie Gelb, und die blauen Flecken stellen die zugefrorenen Seen Hulun Nur und Buir dar.