Kunstwerk Erde - Europäische Kommission

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Sonderausgabe – September 2007
Europäische Kommission
Magazin des Europäischen Forschungsraums
ISSN 1830-7973
research eu
Kunstwerk Erde
© ESA
Satelliten
research*eu, das Magazin des Europäischen Forschungsraums, will zur Erweiterung der demokratischen Debatte
zwischen Wissenschaft und Gesellschaft beitragen. Es wird von unabhängigen Journalisten verfasst und analysiert
und stellt Forschungsprojekte, Ergebnisse sowie Initiativen vor, deren Akteure, Frauen und Männer, zur Stärkung
und Bündelung der wissenschaftlichen und technologischen Exzellenz Europas beitragen. research*eu wird auf
Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch – vom Referat Information und Kommunikation der GD Forschung der
Europäischen Kommission herausgegeben. Es erscheint zehn Mal im Jahr.
edito
research*eu
Chefredakteur
Michel Claessens
Blick auf die Erde
Die Erde – ein Kunstwerk? Die Fotos in dieser Ausgabe regen uns tatsächlich dazu an,
unseren schönen, reichen, aber gleichzeitig auch zerbrechlichen Planeten (neu) zu
entdecken. Auf den folgenden Seiten wird auch die Wissenschaft zu einem Kunstwerk.
Denn die Illustrationen in dieser Nummer wurden nicht zufällig ausgewählt: Sie sind
ein reines Produkt von Spitzenforschung und Hightech. Die dargebotenen überwältigenden Bilder sollen uns daran erinnern, dass die Beobachtung der Erde, die zunächst
für militärische Zwecke entwickelt wurde, der Gesellschaft ebenso zahlreiche zivile
Anwendungen an die Hand gegeben hat. Sie haben die Meteorologie revolutioniert und alle ihre Modelle
umgestoßen. Indem die Satelliten Wirbelstürme, Hurrikane und Tsunamis verfolgen, können sie die bedrohten
Menschen warnen. Anhand der Daten aus dem Weltraum können die Wissenschaftler das Auftreten und die
Entwicklung von Epidemien voraussagen und damit Menschenleben retten. Die Satelliten beobachten die
Entwicklung des Klimas und überwachen den Zustand der Ozonschicht. Und das ist noch nicht alles: Die
Radargeräte auf diesen Satelliten kartografieren den Meeresboden und die Strömungen und ermöglichen
dadurch die Optimierung der maritimen Wegermittlung, der Fischerei sowie der Küstengestaltung und der
Offshore-Plattformen.
Von der Erde aus gesehen gibt die sich im Himmel entwickelnde Aktivität den Maßstab für den Markt an, den
Weltraumanwendungen darstellen. Heute fliegen rund 3 100 Satelliten auf Umlaufbahnen rund um den
Planeten – die geheimen Militärsatelliten und alle Arten von zurückgelassenen Trümmern nicht mitgezählt!
Während sich auf der Erde langsam ein gemeinsames Europa aufbaut, ist es im Himmel bereits zur Realität
geworden! Und mit den Augen zum Weltraum gerichtet lade ich Sie in dieser Nummer herzlich dazu ein, die
Kooperation und die Gesichter dieser „wiederverzauberten“ Union zu entdecken sowie auch die zahlreichen
Facetten eines Planeten, der die Spuren der menschlichen Besiedlung trägt.
Michel Claessens
Chefredakteur
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nicht bindend für die Europäische Kommission.
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Lektorat der Sprachversionen
Julia Acevedo (ES), Stephen Gosden (EN),
Regine Prunzel (DE)
Allgemeine Koordination
Jean-Pierre Geets, Philippe Gosseries
Redaktion
Philippe Gosseries
Redaktionelle Koordination
Didier Buysse, Christine Rugemer
Autoren
Delphine d’Hoop, Christian Dubreuil,
Carlotta Franzoni
Übersetzungen
Andrea Broom (EN), Martin Clissold (EN),
Silvia Ebert (DE), Consuelo Manzano (ES)
Graphik
Gérald Alary (Projektleiter),
Gregorie Desmons (Gestaltung),
François Xavier Pihen (Layout),
Gaëlle Ryelandt und Yaël Rouach
(Koordination und Produktionsablauf )
Internetversion
Pierre-Vincent Ledoux, Katherine o’Loghlen
Titelseite
Mündung des Flusses Betsiboka,
Madagaskar, © Helmholtz-Gemeinschaft
Deckblatt
Wirbelsturm – Zeichnung (Ausschnitt)
eingesandt aus Belize von William Lopez,
12 Jahre, an die WMO
Gesamtproduktion
PubliResearch
Druck
Enschedé/Van Muysewinkel, Brüssel
Auflage dieser Nummer 322 000
Alle Ausgaben von research*eu sind auch
auf der Website der GD Forschung zu finden:
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Für die Ausgabe verantwortlich:
Michel Claessens
Tel.:
+32 2 295 9971
Fax:
+32 2 295 8220
E-mail : [email protected]
© Europäische Gemeinschaften, 2007
Nachdruck mit Quellenangabe gestattet
Weder die Europäische Kommission
noch irgendeine Person, die im Namen
der Kommission handelt, sind für die
Verwendung der in dieser Publikation
enthaltenen Informationen oder für
eventuelle, trotz der sorgfältigen
Vorbereitung der Texte noch vorhandene
Fehler verantwortlich.
INHALT
Ausstellung
4 Kunstwerk Erde!
Rückblick auf die Ausstellung Kunstwerk Erde
mit Susan Kentner, Koordinatorin der
Veranstaltung für die deutsche HelmholtzGemeinschaft.
Internationale
Zusammenarbeit
DOSSIER
Satellitenfotos
20 Vielfalt im Orbit
Wie erfolgt die Erdbeobachtung auf
internationaler Ebene? Eine – nicht ganz
vollständige – Präsentation der heutzutage
eindrucksvollsten Satelliten und
Fernerkundungsgeräte.
Kunstwerk Erde
Wissenschaft und Kunst
6 Die Subjektivität des Objektivs
Gedankengänge zur abstrakten Ästhetik, die
Satellitenbilder und die moderne Kunst
miteinander vereint. Gespräch mit Ralph
Dekoninck, Kunsthistoriker der nationalen
belgischen Kulturstiftung.
Diese Ausgabe wurde in
Zusammenarbeit mit der
Helmholtz-Gemeinschaft
erstellt. Sie kombiniert
Kunst und Wissenschaft
in einer Reihe
erstaunlicher
Satellitenbilder. Eine
bunte Reise um die
Welt…
Business
22 Der blühende, dezentralisierte
Markt der Erdbeobachtung
Die wirtschaftliche Seite der Satellitenbilder.
Von der Kommerzialisierung dieser Art von
Daten profitieren immer mehr kleine und
mittlere Unternehmen.
Fernerkundung
8 Die Augen auf den Blauen
Planeten gerichtet
Einführung in die Fernerkundung oder wie
beobachtet man die Erde mit Geräten mit
sogenannter Raum- oder
Spektralauflösung?
10 Militärische Überwachung
Die Fernerkundung aus dem Weltraum hat
sich als unverzichtbares Instrument bei der
militärischen Überwachung erwiesen.
Von Spionagesatelliten und Apparaten für
streng geheime Missionen.
Exzellenz
12 Europa an der Spitze
In der zivilen Fernerkundung steht
Europa heute an der Weltspitze.
Eine Erfolgsgeschichte, die noch nicht
am Ende ist.
Internationale Charta
14 Planetarischer Notstand
Um besser auf eventuelle, den Planeten
erschütternde Naturkatastrophen reagieren
zu können, mobilisieren sich die großen
Weltraumorganisationen rund um die
Internationale Charta für „Weltraum und
Naturkatastrophen“.
Meteorologie
24 EUMETSAT, die „andere“ europäische
Weltraumorganisation
Da das Wetter sich direkt auf unser Leben
auswirkt, ist es wichtig, Daten, Bilder und
Satellitenprodukte rund um die Uhr 365
Tage im Jahr zu liefern. Dies ist die Aufgabe
von EUMETSAT, der operationellen
europäischen Weltraumorganisation.
Porträt
15 Beruf: Fernerkundungsspezialist
Ein Porträt des belgischen Forschers
Alexandre Carleer, Spezialist für hoch
auflösende Satellitenbilder.
Weltraummüll
Auslese
16 Zahlreiche ungeahnte Anwendungen
Rundblick über die praktischen
Einsatzmöglichkeiten der Erdbeobachtung,
nicht nur zur Vorhersage von Regen und
Sonnenschein.
Earth Explorers
18 Sechs Kundschafter im Dienste
des Planeten
Die Europäische Weltraumorganisation
hat gerade das Programm Earth Explorers
gestartet: sechs Satelliten, die sich jeweils
mit einem bestimmten Aspekt der
Biosphäre beschäftigen.
26 Die Spuren des Menschen im Weltraum
Blick auf ein wenig bekanntes Problem: die
Bedrohung durch Weltraumtrümmer.
Bestandsaufnahme mit Heiner Klinkrad,
Leiter des Büros für Raumfahrtrückstände
bei der ESOC.
GMES
27 Umwelt unter strenger Beobachtung
Das GMES-Programm ist das Ergebnis einer
Zusammenarbeit zwischen der ESA und der
Europäischen Union. Ziel: global über die
Umwelt im Allgemeinen und den sozialen
und wirtschaftlichen Wohlstand der
Europäer sowie ihre Sicherheit zu wachen.
Bild der Wissenschaft
28 Mosaik vom Nordosten Chinas
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
3
AUSSTELLUNG
Kunstwerk Erde!
Vom Weltraum aus bietet die Erde in jeder
Hinsicht einen faszinierenden Anblick. Man
muss die von den Satelliten geschossenen Fotos
wirklich bewundern. Unsere Welt und ihr
Reichtum versetzen den Betrachter in Erstaunen,
da auch die wissenschaftlichen Daten, mit denen
diese beschrieben werden, zur Enthüllung ihrer
ganzen Schönheit beitragen.
D
ie Ausstellung Kunstwerk Erde,
die vom 7. März bis zum 24. April
2007 stattfand, stellte die
Wissenschaft der Weltraumfernerkundung aus einem ästhetischen Blickwinkel
heraus vor. Die Esplanade des BerlaymontGebäudes in Brüssel, dem Sitz der Europäischen Kommission, wurde von 26 zwölf
Quadratmeter großen Satellitenbildern bunt
gesäumt. Susan Kentner koordinierte diese
Ausstellung für die deutsche HelmholtzGemeinschaft, in der 15 deutsche Forschungszentren aus sechs Forschungsbereichen,
darunter auch Raumfahrt und Weltraum,
zusammengeschlossen sind.
Ein Blick macht neugierig
Die Mission der Helmholtz-Gemeinschaft
besteht nicht nur darin, ihre Mitglieder untereinander bekannt zu machen, sondern auch
aktuelle wissenschaftliche Fragestellungen zu
identifizieren, zum Beispiel zum Klima und zur
Energie. „Die Idee zur Ausstellung entstand,
nachdem eine Sonderausgabe der Zeitschrift
GEO, die in Zusammenarbeit mit dem
Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR),
einem Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft,
gemacht worden war, einen riesigen Erfolg
4
verbucht hatte. Im Rahmen der deutschen
Ratspräsidentschaft hat die HelmholtzGemeinschaft dann die Initiative ergriffen, den
Wert unserer Forschungsarbeiten auch in Brüssel
hervorzuheben“, erklärt Susan Kentner. „Wir wollen die Wissenschaft jedem Einzelnen zugänglich
machen und sie ihm näher bringen. Die Fotos
und Daten, die uns dank der Satelliten vorliegen,
besitzen diese Fähigkeit. Sie verführen den Blick
und wecken die Neugier des Publikums.“
Alle ausgestellten Bilder wurden zu wissenschaftlichen Zwecken angefertigt und stammen
von Satelliten aus Europa und aus Drittländern.
Das DLR, das täglich solche Daten sammelt und
verarbeitet, hat die Fotos für diese Ausstellung
nach ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt,
indem verschiedenste Anwendungsbereiche
nach außergewöhnlichen Bildern durchforstet
wurden. „Jeder kann selber die zahlreichen
Funktionen entdecken, die die Satelliten ausüben. Die Fernerkundungsinstrumente enthüllen
beispielsweise die Merkmale der Oberfläche und
der Atmosphäre und verändern unsere
Wahrnehmung der Welt radikal. Seit den ersten
Aufnahmen von der Erde im Jahr 1946 haben
sich die Techniken verfeinert, sie sind präziser
geworden und tragen zu einem besseren
Verständnis unseres Lebens bei.“
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
© Philippe Gosseries
Viele Zwecke
Die Fernerkundungswerkzeuge gehen fast
alle auf militärische Aktivitäten zurück. Zum
Beispiel ermöglichen uns Technologien, die für
die nächtliche Raketenabwehr eingesetzt werden, heute, die Verteilung des Stromverbrauchs
zu messen. Damit erhält die Erkundung, deren
Präzision von den militärischen Nutzern ständig
verfeinert wird, auch eine zivile Anwendung.
Diese hat zunächst die Meteorologie
revolutioniert und alle ihre Modelle über den
Haufen geworfen. Die Satelliten verfolgen jetzt
Wirbelstürme, Hurrikane und Tsunamis ebenso
wie das Auftreten und die Verbreitung
von Epidemien, die sehr stark an
Wetterbedingungen gekoppelt sind, und retten
damit Menschenleben. Auf globaler Ebene
unterstützen sie außerdem langfristig die
Klimaforschung. Die Wissenschaftler überwachen die Ozonschicht und messen die Folgen
der Klimaerwärmung, indem sie die
Konzentrationen der verschiedenen Gase in der
Atmosphäre beobachten. Jedes Gas spiegelt
sich dabei in einem bestimmten Teil des
magnetischen Spektrums wider.
Die
auf
den
Satelliten
installierten
Radarinstrumente kartografieren auch den
Meeresboden, um die Bewegung von
Wassermassen und Phänomene in den Tiefen
der Ozeane zu verfolgen. Anhand dieser
Beobachtungen zu den unterschiedlichen
Strömungen oder der marinen Topografie
können die Seewege, die Fischerei sowie die
Gestaltung der Küstengebiete und der OffshorePlattformen optimiert werden.
Dank der unmittelbaren Abdeckung riesiger
Gebiete könnte die Kartografierung in mehrere
Richtungen erweitert werden. Die NRO bedienen sich der Satelliten, um im Fall von
Naturkatastrophen Hilfe und Kooperation zu
organisieren. In Industrieländern helfen die
Satellitendaten bei der Raumplanung und der
Einrichtung von Infrastrukturen. Die kartografischen Anwendungen werden immer vielfältiger
und nützlicher. Mit ihrer Hilfe werden
Mineralien, der richtige Boden für landwirt-
schaftlichen Anbau, der Stand der landwirtschaftlichen Erzeugung, Entwaldung, unterirdische Wasservorkommen und vieles mehr
aufgespürt. „Das ist sehr faszinierend, weil die
aus diesen Aktivitäten entstandenen Bilder das
Interesse des Publikums für die wissenschaftliche Forschung tatsächlich anregen!“, hebt
Susan Kentner hervor.
Eine Frage des Blicks
Die ausgestellten Bilder zeigen auch eine Erde
in außergewöhnlichen Farben, die mit anderen Augen als den unseren gesehen wurde. Die
Fernerkundungssysteme können Teile des elektromagnetischen Spektrums erfassen, die mit
bloßem Auge nicht zu erkennen sind, beispielsweise Infrarotlicht. Diese Spektralbänder entsprechen jeweils bestimmten Farben, in denen
die für das menschliche Auge unsichtbaren
Informationen dargestellt werden. Die dargestellten Bilder werden also in Falschfarben oder
überlagerten Farben dargestellt, damit die
Forscher diese interpretieren können.
Dank dieser Analysen können Technologien bei
der Organisation menschlicher Tätigkeiten, beim
Verständnis von deren manchmal irreversiblen
Folgen und beim Erhalt der Erde helfen. Die
Instrumente zur Fernerkundung sind für das
Überleben der Bevölkerung oder auch nur für
die wirtschaftliche Entwicklung einer Region
wichtig, und sie können auf verschiedenste
Gefahrenlagen reagieren. Erkundungen für die
Raumplanung beispielsweise nützen sowohl den
Industrieländern – etwa bei der Aufteilung von
Grünflächen im Herzen von Madrid in Spanien –
als auch den Entwicklungsländern – z. B. bei der
Sanierung der durch den Krieg zerstörten landwirtschaftlichen Böden an der irakisch-iranischen Grenze.
Erlaubt die optische Distanz der Satellitenbilder
auch eine gedankliche Distanz zu unserem
Planeten? „Es stimmt schon, dass wir auch die
holistische Dimension der Forschung berücksichtigen müssen, indem wir die anderen kulturellen Visionen und verschiedenen Facetten
der Forschung integrieren, ohne dass wir in
unseren Laboratorien eingeschlossen bleiben“, schließt Susan Kentner.
Weitere Informationen
Interaktive Karte: Die Stationen von
Kunstwerk Erde
www.cdworks.de/entry/kwe/
Helmholtz-Gemeinschaft:
www.helmholtz.de
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
5
© Helmholtz
AUSSTELLUNG
WISSENSCHAFT UND KUNST
Die
Subjektivität
des Objektivs
Es sind nur „gewöhnliche“
hochauflösende Satellitenbilder,
die für die Bedürfnisse der
Forschung, ohne jegliche
künstlerische Intentionen,
angefertigt wurden. Dennoch lässt
der Ausstellungstitel „Kunstwerk
Erde“ aufhorchen. Wie würden wir
diese „Werke“ sehen, wenn sie ein
Künstler angefertigt hätte? Ralph
Dekoninck, Kunsthistoriker am
Fonds national de la recherche
scientifique (BE), legt hier seine
kurzen Überlegungen über die
ästhetische Dimension dieser
neuartigen Bilder aus der Realität,
die uns die Wissenschaft liefert, dar.
Victor Vasarely,
Folk Toy Object (1969)
Victor Vasarely ist der Begründer der „Op art“, einer Kunstform,
die kinetische Effekte oder optische Phänomene einsetzt. Im
Mittelpunkt steht die Fehlbarkeit des Auges durch optische
Täuschungen. Hier bildet sich ein neues Verhältnis zwischen
Betrachter und Werk, indem es ihn aktiv beteiligt. Die visuelle
Sinnesschärfe zu stimulieren, hierin liegt nur ein Schritt zwischen
Kunst und Wissenschaft…
© SABAM Belgium 2007
Satellitenbild von den landwirtschaftlichen
Anbauflächen in Kansas, USA (vergrößertes Bild auf S. 32)
6
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
WISSENSCHAFT UND KUNST
Wie reagieren Sie als Kunsthistoriker auf
diese Satellitenbilder?
Mit den Augen des einfachen Betrachters ist
man fasziniert von der Schönheit dieser Bilder
oder genauer gesagt von ihrer fantastischen
Seite, die uns vergessen lässt, dass es sich um
Fotos handelt. Die erste Reaktion ist, dass man
an abstrakte Netze denkt. Der aufmerksame
Betrachter könnte sich auch über die
Wirkungen einer derartigen kontextuellen
Verschiebung der Bilder aus dem wissenschaftlichen in einen künstlerischen Kontext
Gedanken machen. Denn diese Bilder wurden
nicht aufgrund einer ästhetischen Intention
geschaffen. Aber kann man sich ihnen nicht
annähern, indem man einfach die eigentliche
Bedeutung vergisst, um sich dann nur noch
mit dem Formen- und Farbenspiel zu befassen? Wie dem auch sei, die Tatsache, dass sie
ihren Kontext ändern, verändert unweigerlich
auch die Perspektive, aus der man sie betrachtet. Steht ein Objekt in einem anderen als dem
ihm eigenen Rahmen, so verändert sich auch
die Wahrnehmung, die man von ihm hat. Das
hatten die Surrealisten sehr wohl verstanden.
In welchem Maße kann man hier von
der „Erde als Kunstwerk“ sprechen?
Ein derartiges ästhetisches Verständnis stammt
direkt aus unserer westlichen visuellen Kultur,
die an Abstraktion gewöhnt ist. Solche Bilder
hätten einen Betrachter aus dem 18. Jahrhundert
sicherlich nicht in ihren Bann gezogen. Die Art
und Weise, wie wir uns der uns umgebenden
Realität annähern ist gar nicht so alt wie man
meist annimmt. Sicherlich war es seit Beginn
unseres Zeitalters üblich, in der Natur die Spur
des göttlichen Schöpfers wiederzuerkennen,
der übrigens meist mit einem Maler gleichgesetzt wird, dessen Werk die sichtbare Welt
reflektiert.
Dagegen ist die Sichtweise von der Natur
als selbstlose Betrachtung ihrer Schönheit
das Ergebnis der Landschaftsmalerei des
19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit verlegten die
Maler ihren Arbeitsplatz ins Freie und versuchten nicht mehr, die Natur im Atelier neu zu
erfinden. Seit den Impressionisten, die sich mit
den Lichteffekten beschäftigten, hat sich unser
Bezug zur wahrgenommenen Welt stark verändert. Wir sehen und beurteilen die Natur oft so,
wie man es mit einem Gemälde machen würde.
Können denn die exakten
Wissenschaften „abstrakt“ sein?
Das 20. Jahrhundert hat uns Welten eröffnet,
die bislang außerhalb unseres Blickfeldes
lagen. Das unendlich Große und das unendlich Kleine, die beide für das bloße Auge
unsichtbar sind, wurden uns durch wissenschaftliche Beobachtungsverfahren enthüllt.
Da es keine Punkte gibt, an denen man sich
festhalten kann, erscheint uns diese Welt als
abstrakt, da sie nicht der gewöhnlich wahrgenommenen
Realität
entspricht.
Die
Wissenschaft hat an Faszination gewonnen, da
sie uns eine Art Zugang zum „Unsichtbaren“
geschaffen hat. Das ist fast schon wie eine
magische Kraft, mit der die Welt um uns
herum, die wir ja so gut zu kennen glaubten,
erneut verzaubert wird.
Wie können sich Kunst und Wissenschaft
gegenseitig inspirieren?
Wissenschaft und moderne Kunst entstanden
fast zur selben Zeit. Ihr Ursprung geht zurück
in die Zeit der Renaissance, als sich die meisten Künstler sowohl als Gelehrte als auch als
schöpferisch Tätige sahen. Das beste Beispiel
dafür ist Leonardo da Vinci. Die Wissenschaft
unterstand zu jenem Zeitpunkt, genauso wie
die Kunst, im wahrsten Sinne des Wortes der
Erfindung d. h. der Entdeckung einer vorher
existierenden Wahrheit. Aufgrund dieser
gemeinsamen Wurzel ist es nicht verwunderlich, dass diese beiden Bereiche immer
miteinander kommuniziert haben.
Jedoch sind Wissenschaft und Kunst in
der kollektiven Scheinwelt auch voneinander
getrennt, da das eine die Objektivität
verkörpert und das andere sich als das Reich
der Subjektivität darstellt. Die jüngsten
wissenschaftlichen Entdeckungen, vor allem in
der Astrophysik, lassen uns neue unbekannte
Universen betreten, die zur Erschaffung einer
neuen Scheinwelt beitragen. Diese wurde
bereits von einigen modernen Künstlern aufgenommen und verarbeitet. Im Gegenzug lassen
sich die Wissenschaftler von der künstlerischen
Scheinwelt inspirieren, um das Undenkbare zu
denken. An dieser Stelle könnte man von einer
gegenseitigen Inspiration sprechen.
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
7
FERNERKUNDUNG
Wasserdampf, aufgenommen
von Meteosat 8, einem
geostationären Satelliten
mit Blick auf die Erde.
6. März 2004.
Die Augen auf den Blau
W
ie man sich leicht vorstellen
kann, umfasst die Fernerkundung nicht ausschließlich
Geräte im Weltraum. Sie
betrifft vielmehr die gesamte Technik, mit der
mithilfe von Instrumenten Informationen über
ein Objekt erlangt werden können, das sich
nicht in direkter Nähe der Instrumente befindet.
Gemeint sind also ebenso die Instrumente an
Bord von Flugzeugen, die unsere Erde beobachten und damit Fernerkundung betreiben.
Zu den Erdbeobachtungssatelliten zählt eine
Reihe von Geräten mit sehr verschiedenen
Eigenschaften, die in unterschiedlichen
Entfernungen die Erde umkreisen.
Die ersten Beobachtungssatelliten bestanden
aus Fotoapparaten, die noch mit „guten alten
Filmen“ ausgestattet waren. Sobald sie im
Orbit waren, schossen sie eine Reihe von
8
© Eumestat
Wo ziehen die
Erdbeobachtungssatelliten ihre Kreise?
Was sehen sie in
Wirklichkeit?
Was ist mit der
Raumauflösung oder
auch Spektralauflösung
eines Instruments
gemeint?
Fernerkundung – eine
Gebrauchsanweisung.
Aufnahmen und wurden anschließend wieder
auf die Erde zurückgeholt, wo die Filme dann
eingesammelt und entwickelt wurden. Später
wurden Fernsehkameras in den Weltraum
geschickt, die die Übertragung von Bildern
aus dem Orbit ermöglichten. Und schließlich
wurden die Sensoren immer mehr verfeinert
und spezialisiert. Nun gehört das Weltall den
rechnergestützten Sensoren, Scannern oder
Radaren, die sowohl das Sichtbare als auch
das Unsichtbare, wie z. B. den Infrarotbereich,
erfassen können.
Die Umlaufbahnen
Die Umlaufbahn, auf der das jeweilige Gerät
abgesetzt wird, hängt vom jeweiligen Zweck
der Mission ab. Ein geostationärer Wettersatellit, wie Meteosat 5 zum Beispiel, „schwebt”
36 000 km über der Erde. Seine Auflösung ist
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
aber bei weitem nicht hervorragend. Er kann
keine Einzelheiten unterscheiden – aber das
wird auch nicht von ihm erwartet. Er bleibt auf
dieser Höhe über einem festen Punkt über
dem Äquator und hat damit einen kontinuierlichen Blick auf die gesamte Erdhalbkugel.
Dieser feste Standort ist besonders für die
Beobachtung der Atmosphäre und deren
Entwicklung interessant.
Die Fernerkundungssatelliten stehen normalerweise auf niedrigeren Umlaufbahnen in
450 km bis 1 000 km Höhe. Auf dieser Höhe
verändern sie ihre Position und kreisen auf
ihren Bahnen in kurzer Zeit um die Erde. Der
Satellit Spot 4 benötigt beispielsweise 101,5 Minuten, um auf einer mittleren Höhe von 830 km
die Erde zu umkreisen.
Die ausgewählten Ebenen der Umlaufbahnen
bilden einen Winkel zur Äquatorebene. Die
FERNERKUNDUNG
en Planeten gerichtet
Satelliten können sich auf einer polaren Umlaufbahn (wobei die Pole überquert werden),
auf direkten Umlaufbahnen (die Ebene ist dann
zwischen 0° und 90° im Bezug zum Äquator
geneigt und der Satellit fliegt Richtung Osten)
oder auf einer rückläufigen Bahn bewegen. Bei
letzterer liegt die Inklination zwischen 90° und
180° (und die Bewegung läuft Richtung Westen).
Die Inklination der Umlaufebene eines Satelliten
bestimmt auch den Teil der Erde, der beobachtet werden kann. Wenn er auf einer Umlaufbahn
mit einer Inklination von 50° steht, umkreist er
die Erde nur zwischen einer Länge von 50°
Nord und 50° Süd. Er wird also niemals Oslo
(NO) überfliegen, das bei 60° Nord liegt.
Der sogenannte sonnensynchrone Orbit ist besonders interessant, da er im Verhältnis zur
Position der Sonne konstant bleibt. Ein Satellit
auf dieser Umlaufbahn überfliegt jeden Punkt
der Erde zur selben Tageszeit, das ganze Jahr
über. Dadurch können Aufnahmen miteinander
verglichen werden, die unter denselben Lichtverhältnissen gemacht wurden. Dieser Orbit
wird vor allem für die Satelliten vom Typ Spot
benutzt.
Spektralauflösung – Raumauflösung
Die Sensoren der Satelliten nehmen die Strahlung (das sichtbare und unsichtbare Licht
verschiedener Wellenlängen) auf, die vom Boden und den verschiedenen Objekten reflektiert
oder ausgestrahlt werden. Unter Spektralauflösung versteht man die Fähigkeit der Sensoren,
elektromagnetische Strahlungen unterschiedlicher Frequenzen zu unterscheiden. Je
empfindlicher der Sensor für feine spektrale
Unterschiede (schmale Wellenlängenintervalle)
ist, umso höher ist die Spektralauflösung des
Sensors.
Daraus ergeben sich zwei Bildtypen. Zunächst
das panchromatische Bild, das aus einer einzigen Strahlung aus allen sichtbaren Wellenlängen
erstellt wird. Die Nuancen bei der Strahlungsintensität ergeben ein Schwarz-Weiß-Bild des
beobachteten Bereichs. Dieser Bildtyp liefert
genauere Details. Hierbei ist die Raumauflösung der beobachteten Objekte sehr gut, im
Gegensatz zur schlechteren Spektralauflösung.
In der Fernerkundung bedeutet Raumauflösung
die Größe der beobachteten Zone, die von einem einzigen Bildpunkt des Sensors abgedeckt
wird. Jeder Bildpunkt des Bildes entspricht
einem Teil der Erdoberfläche. Die genausten
Satelliten heutzutage haben eine – panchromatische – Raumauflösung von 60 cm.
Dagegen sind multispektrale Bilder farbige
Bilder. Sie werden von mehreren Sensoren erstellt. Dabei arbeitet jeder in einem bestimmten
Bereich der elektromagnetischen Strahlung (Rot,
Grün und Blau für sichtbares Licht, aber auch
Infrarot). Durch Kombination der Informationen
dieser verschiedenen Spektralkanäle wird das
Farbbild aufgebaut.
Rot, für die Vegetation?
Auf
den
meisten
wissenschaftlichen
Satellitenbildern ist die Vegetation generell in Rot
abgebildet. Das ist recht erstaunlich für Wälder,
Felder oder auch Gärten, die uns doch
eigentlich grün erscheinen… Woran liegt das?
Die meisten Satelliten, die multispektrale Bilder
liefern, sind mit Sensoren ausgestattet, die in
verschiedenen Spektralkanälen arbeiten. Im
Bereich der sichtbaren Strahlung von Blau über
Grün bis Rot besitzen die Satelliten Sensoren für
drei Spektralkanäle: Blau, Grün und Rot.
Ausgehend von diesen drei Kanälen können
alle „echten“ Farben eines Bildes rekonstruiert
werden, indem die Farbintensität verändert
wird.
In der Fernerkundung ist Blau jedoch nicht
besonders interessant. Dieser Spektralkanal
reagiert sehr empfindlich auf atmosphärische
Störungen. Deshalb werden für diesen Bereich
keine Sensoren auf dem Satelliten installiert.
Stattdessen trägt er Sensoren für den für das
bloße Auge unsichtbaren nahen Infrarotbereich
(der im elektromagnetischen Spektrum direkt
auf die Farbe Rot folgt). Der nahe
Infrarotbereich ist aus technischer Sicht sehr
interessant, da er für die Vegetation typisch ist.
So verschiebt sich auf den Fernerkundungssatelliten die Farbentsprechung der verschiedenen
Sensoren Kanal für Kanal. Den Sensoren für die
Farbe Grün ordnen die Wissenschaftler auf ihren
Bildern die Ersatzfarbe Blau zu. Für Rot-Sensoren
ist es die Ersatzfarbe Grün, und in Rot werden die
Elemente wiedergegeben, die von den InfrarotSensoren erfasst werden. Diese sind also für die
Farbe der Vegetation verantwortlich, die uns so
unpassend erscheint. Aber es gibt auch noch
andere Ungereimtheiten. Beispielsweise werden
rote Dachziegel in Gelb dargestellt und Wasserflächen in Schwarz.
Hyperspektrale Bilder
Hyperspektrale Bilder erhält man von Sensoren, die Informationen über zahlreiche schmale
Spektralkanäle – oft über 200 – im sichtbaren
Bereich sowie im nahen und im mittleren
Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums erfassen können.
Alle Objekte reflektieren, absorbieren oder
strahlen elektromagnetische Wellen aus, die
ihrer Zusammensetzung und ihrer Struktur
entsprechen. Hyperspektrale Daten bieten
somit weit detailliertere Informationen über
die spektralen Eigenschaften (Spektralsignatur) eines Ausschnitts und ermöglichen
dadurch eine weitaus genauere Identifizierung
und Unterscheidung der Objekte, als dies
konventionelle multispektrale Breitbandsensoren bieten.
Für die hyperspektrale Bildaufnahme gibt es
zahlreiche Einsatzbereiche. Zu den wichtigsten
gehören die Geologie (Identifizierung von
Mineralien u. ä.), die Präzisionslandwirtschaft,
die Forstwirtschaft (Gesundheitszustand,
Artenbestimmung usw.) oder auch das Wassermanagement (Wasserqualität, Zusammensetzung des Phytoplanktons u. a.).
Bild des BetaniaStaudamms und
seiner Umgebung
(Kolumbien),
aufgenommen im
sichtbaren und
Infrarotbereich. Die
Vegetation erscheint in
Rot, Wasser dagegen in
Schwarz.
© Landsat
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
9
FERNERKUNDUNG
Militärische Überwachung
Es ist eine Tatsache: Der Weltraum ist ein
beliebter Ort, um Informationen für militärische
Zwecke zu sammeln. Zahlreiche
Erdbeobachtungssatelliten verfolgen bereits seit
Beginn der Raumfahrt weitaus geheimere Ziele
als gewöhnliche andere. Sie unterscheiden sich
sowohl durch ihre technischen als auch
operationellen Merkmale.
W
as Informationen betrifft, war
das Militär immer schon sehr
diskret. Aber es ist auch ganz
klar, dass die Fernerkundung
aus dem Weltraum dafür ein unverzichtbares
Instrument ist. Praktisch seit Beginn des
Abenteuers Weltraum vor knapp 50 Jahren
haben die damaligen Großmächte (die USA
und die UdSSR) Spionagesatelliten entwickelt
und ins All geschickt.
Sie wurden entwickelt, um die Aktivitäten
anderer Länder mithilfe von Instrumenten mit
hoher Raum- und Spektralauflösung zu beobachten. Einige dieser Geräte wurden auch entwickelt, um eventuelle nukleare Explosionen
festzustellen oder auch um frühzeitig den Start
feindlicher ballistischer Raketen aufzudecken.
Die amerikanische Armee hat bereits 1959
erste experimentelle Erdbeobachtungsgeräte
(Discoverer und Samos) in eine Umlaufbahn
gebracht. Diese Pioniere haben ihren Platz
inzwischen Dutzenden von Spionagesatelliten
des Typs Key-Hole (KH) überlassen. Die
Sowjetunion ist diesem Beispiel mit ihrem
Prototypen Kosmos-4 (1962) und dessen
zahlreichen Nachfolgern gefolgt.
Eine Mission, ein Film
Diese ersten militärischen Fernerkundungsgeräte unterscheiden sich von anderen Beobachtungssatelliten durch die sehr niedrige
Umlaufbahn, ihre kurze Lebensdauer im Weltraum (wenige Tage bis Wochen) und durch
ihre Optik. Aus technischer Sicht waren sie
10
lediglich mit sehr ausgeklügelten Fotoapparaten ausgestattet. Sobald sie sich auf einer zu
dem zu untersuchenden Objekt passenden
Umlaufbahn befanden, spulten sie ihren Film
ab. Ihre Mission endete, sobald der Film
vollständig belichtet war. Zurück auf der Erde
wurde der Film entwickelt und die einzelnen
Aufnahmen analysiert.
Durch die technischen Entwicklungen und
Fortschritte der vergangenen 40 Jahre konnte
das Militär immer raffiniertere Geräte einsetzen: mit rechnergestützter Bildverarbeitung,
Infrarot- und Radargeräten (um rund um die
Uhr, unabhängig von der Wolkendecke, beobachten zu können) und, das war entscheidend, mit der Fähigkeit, die Daten aus dem
Weltraum zur Erde zu senden. Es war also
nicht mehr nötig zu warten, bis die Satelliten
wieder auf die Erde zurückgekehrt waren, um
die gesammelten Daten auszuwerten.
Was für eine Auflösung haben sie?
Die von Militärsatelliten verwendete Auflösung
der Sensoren ist wohlgemerkt geheim. Aber
angesichts der Fähigkeiten der leistungsfähigsten zivilen Satelliten kann man diese mehr
oder weniger abschätzen. „Hinsichtlich der
Raumauflösung liefern manche zivilen Satelliten sehr genaue Daten, im Bereich von
80 cm“, erklärt Volker Liebig, Direktor für
Erdbeobachtungsprogramme bei der ESA (Europäische Weltraumorganisation). „Es ist auch
klar, dass die Übertragung der Daten und die
Fernsteuerungsbefehle an die zivilen Satelliten
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
verschlüsselt erfolgen, genauso wie bei den Militärsatelliten. Es geht hier in gewisser Weise
darum, sich gegen Hackerangriffe zu schützen!
Dennoch machen sich in bestimmten Bereichen Unterschiede zwischen den zivilen und
militärischen Satelliten bemerkbar. Dazu gehören die Abschirmung der Satelliten gegen
Strahlung oder auch ihre Fähigkeit (das gilt für
Militärsatelliten), je nach Krisensituation ganz
schnell die Umlaufbahn zu wechseln. Das setzt
also voraus, dass die Militärsatelliten über mehr
Treibstoff verfügen müssen, da sie einen höheren Verbrauch haben. Sie müssen aber auch
die Fähigkeit besitzen, ein und denselben
Punkt auf dem Globus mehrmals überqueren
zu können, um die Entwicklung einer Situation
zu verfolgen.“
Angesichts der historischen amerikanisch-russischen Vorherrschaft im Bereich der Fernerkundung haben sich auch andere Nationen
mit Erdbeobachtungsgeräten ausgestattet.
So hat Israel 1988 seinen ersten Satelliten
Offeq ins All geschickt. Vor nicht allzu langer
Zeit hat sich auch China mit Erdbeobachtungssatelliten ausgerüstet, mit rückführbaren
FSW-Kapseln und einem System mit doppeltem – zivilem und militärischem – Zweck, dem
Zi Yuan, mit dem auch Daten an die Erde gesendet werden können.
Europa holt auf
In
Europa
entwickelt
Frankreich
in
Zusammenarbeit mit Italien und Spanien seit
1995 die optischen Satelliten der Reihe Hélios.
Das französische Militärprogramm Hélios-2 (ein
Satellit, der von der zivilen Plattform Spot
abstammt), ebenfalls im optischen Bereich,
befindet sich heute im Orbit. Der Satellit
Hélios-2A wurde im Dezember 2004 gestartet.
Seine Bilder werden von der französischen
Armee genutzt, aber es bestehen auch
Partnerschaften mit Spanien und Belgien. Der
zweite Satellit dieser Baureihe, Hélios-2B, soll
2009 gestartet werden, um den Staffelstab bis
2014 zu übernehmen.
Deutschland setzt seinerseits auf eine
Konstellation mit militärischen Radarsatelliten:
FERNERKUNDUNG
© Thales-Alenia Space
Vorbereitung der
optischen Komponenten
der beiden künftigen
Satelliten Pléiades im
Reinraum von Thales Alénia
Space in Cannes (FR).
das Programm SAR-Lupe. Hierbei handelt es sich
um eine Gruppe von fünf Geräten, von denen
das erste bereits im Dezember 2006 gestartet
wurde.
Frankreich entwickelt derzeit zwei Zwillingssatelliten für optische Beobachtungen: Die sogenannten Pléiades bestehen aus zwei kleinen
Satelliten (jeweils eine Tonne schwer) mit einer
Raumauflösung von 0,7 m und einem Sichtfeld
von 20 km. Die Satellitengruppe Pléiades wird
stereoskopische Aufnahmefähigkeiten besitzen,
um selbst Bedürfnisse für feine Kartografierungen,
besonders im städtischen Raum, abzudecken und
zusätzlich zur Luftfotografie eingesetzt werden
zu können. Deutschland, Belgien, Italien, Spanien,
Schweden und Österreich haben sich diesem
„dualen“ (zivilen und militärischen) Programm
angeschlossen.
Italien entwickelt eine Gruppe von vier Radarsatelliten, ebenfalls zu militärisch-zivilen Zwecken.
Sie tragen den Namen Cosmo SkyMed und
sollen gemeinsam arbeiten. Diese Gruppe (Pléiades und Cosmo SkyMed) bildet das Kernstück des
Kooperationsprojekts Musis (Multinational Space
based Imaging System for surveillance, reconnaissance and observation), das 2005 von Frankreich initiiert wurde. Zu den Partnern gehören
Deutschland, Belgien, Italien, Spanien und Griechenland. Dieses Projekt soll bereits den Weg für
die Zeit nach Helios ebnen. Das künftige Erdbeobachtungssystem soll sowohl über optische als
auch über Radarinstrumente verfügen. Seine
operationelle Inbetriebnahme soll noch vor
dem Ausscheiden des Satelliten Hélios-2B 2014
erfolgen.
Damit zeichnet sich die Zukunft der militärischen Weltraumaufklärung bereits ab.
www.eusc.europa.eu
Das EUSC von Torrejon
U
m die von den Erdbeobachtungssatelliten gesendeten Daten auch nutzen zu können,
hat Europa sein eigenes Expertenzentrum geschaffen. In Torrejon de Ardoz, nicht weit
von Madrid (ES) entfernt, wurde 2002 das Satellitenzentrum der Europäischen Union
(EUSC) eröffnet. Es handelt sich um eine Organisation, die mit der Produktion und Auswertung
von Informationen beauftragt ist, die aus der Analyse von Satellitenaufnahmen von der Erde gewonnen werden.
Das Zentrum unterstützt damit die Entscheidungsfindung der Europäischen Union im Bereich
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (ESVP). Seine Beiträge betreffen insbesondere Krisenmanagementeinsätze durch die Union, dazu gehören Informationen aus der Analyse von Satellitenbildern und
kollateralen Daten, einschließlich Luftaufnahmen und damit verbundenen Dienstleistungen.
Die Produkte und Dienstleistungen des EUSC können auch den Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission, möglichen Drittstaaten und verschiedenen internationalen Organisationen
(Vereinte Nationen, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Nordatlantikpakt usw.) zur Verfügung gestellt werden.
Das EUSC wird durch die Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten und durch Einnahmen aus
Dienstleistungen finanziert. Sie werden im Rahmen genau definierter Initiativen geleistet. Dazu
gehören Rettungs- oder humanitäre Missionen, friedenserhaltende Operationen, die Überprüfung
der Einhaltung internationaler Abkommen, Krisenmanagement, die Kontrolle der Nichtverbreitung
strategischer Massenvernichtungswaffen oder auch gewisse gerichtliche Untersuchungen.
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
11
Europa an der Spitze
In Fragen der
zivilen
Fernerkundung
steht Europa
heute fraglos an
der Weltspitze.
Diese
Erfolgsgeschichte
geht weit in die
70er Jahre
zurück! Und sie
ist noch nicht am
Ende.
ie zivile Erdbeobachtung ist eine
Weltraumdisziplin, für die sich die
Europäer bereits sehr früh begeistert
haben. Bereits 1977 hatte die ESA
ihren ersten optischen Satelliten Meteosat-1 im
Weltraum ausgesetzt, der unsere Erde aus einer
geostationären Umlaufbahn heraus beobachten
sollte. Dieser Wettersatellit hat inzwischen viele
kleine Brüder mit immer schärferem Blick
bekommen – wir sind jetzt bei Meteosat-7 angelangt –, ausgestattet mit Instrumenten für alle
möglichen Wellenlängen: im sichtbaren und im
Infrarotbereich. Diese Satellitenfamilie fliegt auf
einer geostationären Umlaufbahn in 36 000 km
Höhe. In Bezug auf eine bestimmte Region der
Erde scheint der Satellit auf einer festen Stelle zu
stehen und diese Region kontinuierlich zu beobachten.
D
Spot, Envisat und die anderen
1978 hat eine zweite Satellitengruppe das Licht
der Welt erblickt: die Spot-Satelliten (Satellite Pour
l’Observation de la Terre, deutsch: Erdbeobachtungssatelliten), die aus einer Kooperation zwi-
12
Farbbild von der Erde,
eine Aufnahme des
Satelliten MSG-2 im
Januar 2006.
schen Frankreich, Belgien und Schweden hervorgegangen sind. Bis dato wurden fünf Exemplare davon abgesetzt. Sie fliegen auf niedrigeren
kreisförmigen und heliosynchronen Umlaufbahnen auf einer Höhe von 830 km. Das jüngste
Exemplar Spot-5 liefert Bilder mit Auflösungen
von 2,5 m in schwarz-weiß (panchromatisch)
und von 10 m in Farbe (multispektral).
Die ESA hat auch mehrere Forschungsinstrumente entwickelt und in die Umlaufbahn gebracht. Darunter befinden sich die Satellitenradare
des ERS-Programms (European Remote Sensing
satellite). Zwei Satelliten dieser Familie wurden
bereits im Rahmen dieses 1982 verabschiedeten
Programms konstruiert. ERS-2 ist im Orbit immer
noch im Einsatz. Seitdem hat er Gesellschaft durch
den riesigen Satelliten Envisat bekommen.
Aber die Ressourcen der ESA zur Erdbeobachtung
beschränken sich nicht auf diese beiden großen
Programme.
Die „Drittmissionen“
Die Europäische Weltraumorganisation stellt
auch Drittländern ihre Einrichtungen und
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
Anlagen am Boden zur Verfügung, um Daten
anderer Erdbeobachtungsgeräte zu sammeln,
zu verarbeiten und zu archivieren. Im Rahmen
dieser „Drittmissionen“ (Third party missions)
wurde ein Forschungssatellit der ESA, der kleine belgische Proba (Project for on board autonomy) in eine Umlaufbahn geschossen.
Ursprünglich hätte dieses Gerät, das 2001 in die
Umlaufbahn gebracht wurde, nicht länger als
ein Jahr überleben dürfen. Nachdem sich aber
gezeigt hat, dass dieses technologische
Demonstrationsobjekt effizient war, wurde es
in Betrieb genommen. Seitdem liefert die
kleine orbitale Plattform (sie wiegt knapp
100 kg) dank ihrer hochauflösenden Kamera
und ihres kompakten multispektralen
Bildgebers aus britischer Fertigung unaufhörlich erstaunliche Bilder unseres Planeten.
Kap der Zukunft
Heute ist das Interesse an der Erdbeobachtung
ungebrochen. In Paris, dem Sitz der Europäischen Weltraumorganisation, wie auch in
Frascati, in der Nähe von Rom, wo sich ESRIN,
© ESA
EXZELLENZ
© ESA
Envisat, ein europäischer Erfolg für den Planeten
D
© ESA/Envisat
Algenaufmarsch in der Ostsee, Aufnahme
des Meris-Spektrometers an Bord von Envisat
(13. Juli 2005).
das Europäische Raumfahrtforschungsinstitut
der ESA, befindet, stehen die Projekte Schlange.
Die europäische Schwärmerei und ihre
Zukunftsperspektiven haben natürlich auch die
Wissenschaftler anderer Länder und Kontinente,
darunter auch der USA, in den Bann gezogen:
„Ganz einfach weil Europa die Erdbeobachtung
zu einer ihrer Prioritäten gemacht hat, während
die zu diesem Zweck bereitgestellten Mittel in
den USA ununterbrochen beschnitten werden“,
erklärt Simonetta Cheli, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und institutionelle Beziehungen
bei ESA-ESRIN in Italien. „Immer mehr
amerikanische Wissenschaftler in diesem
Bereich suchen nach einer Zusammenarbeit mit
europäischen Wissenschaftlern, um von den
neuen Daten zu profitieren, die von unseren
Instrumenten im Orbit stammen.“
er ehrgeizigste Erdbeobachtungssatellit, der jemals gebaut wurde, ist ein „Kind“ der ESA.
Seit fünf Jahren ist Envisat (ENVIronment SATellite) eine Fundgrube für Informationen über
unseren Planeten.
Seitdem er im März 2002 in der Umlaufbahn ausgesetzt wurde, liefert dieser Koloss – der acht
Tonnen wiegt und zehn Forschungsinstrumente enthält – jeden Tag gute 280 Gigabyte an Daten.
„Auf dem wissenschaftlichen Symposium in Montreux (Schweiz), das im April 2007 anlässlich des
fünften Geburtstags von Envisat stattfand, haben mehr als tausend Forscher aus 50 verschiedenen
Ländern ihre wissenschaftlichen Ergebnisse vorgestellt, die sie dank der von Envisat gesendeten
Daten erarbeiten konnten“, erklärt Henri Laur, Direktor der Envisat-Mission bei der ESA. „Rund 1 200
wissenschaftliche Projekte wurden hier vorgestellt. Und das ist noch nicht alles!“ Envisat dürfte noch
bis 2010 in Betrieb sein. Aber auch noch nach Ende der Beobachtungen aus dem Orbit werden die
Daten, die er im Laufe seines aktiven Lebens produziert hat, eine Informationsquelle von bester
Qualität darstellen. Sie werden neue Algorithmen speisen und neue Informationen über unsere
Biosphäre liefern. „Die große Stärke dieses Satelliten geht auf die vielfältigen Daten zurück, die im
Orbit gleichzeitig von den verschiedenen Sensoren zu ein und derselben Weltregion gewonnen
werden“, fährt Henri Laur fort. „Die Daten betreffen sowohl das Festland als auch Ozeane, die
Kryosphäre oder auch unsere Atmosphäre und natürlich ebenso die vielfältigen Interaktionen zwischen den verschiedenen Bereichen. Das erklärt auch, weshalb immer mehr wissenschaftliche
Erkenntnisse, die dank dieses Satelliten erlangt werden, das Klima und seine Entwicklung betreffen.“
Zu den beeindruckendsten Instrumenten des Satelliten gehören das bildgebende Radar Asar, das
„Thermometer“ AATSR und Meris, ein Spektrometer, das sowohl die Farbigkeit der Ozeane als auch
die Vegetation auf der Erdoberfläche mit einer Auflösung von 300 Metern untersucht.
Die Karte zur Luftverschmutzung durch Stickstoffdioxid (NO2) wurde
anhand der von Envisat gesendeten Daten erstellt. Eine längerfristige
Belastung kann zu Schäden an der Lunge und dem Atmungsapparat führen.
NO2 spielt auch eine wichtige Rolle in der Atmosphäre, da es zur Ozonbildung
in der Troposphäre führt.
Die Dichte der NO2-Säule wird in 1015 mol./cm2 angegeben.
envisat.esa.int
www.miravi.eo.esa.int
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
13
INTERNATIONALE CHARTA
© CDB
Planetarischer Notstand
Stephen Briggs,
Koordinator des
Programms „Charta“
bei der ESA.
D
Erdbeben, Erdrutsche, Vulkanausbrüche, aber auch
Überschwemmungen, Ölteppiche und Waldbrände – im Falle
einer Naturkatastrophe auf der Erde muss man schnell
handeln können. Leben sind in Gefahr. Zur Erleichterung
der Arbeiten der Rettungsmannschaften setzen die großen
Weltraumorganisationen ihre Erdbeobachtungssatelliten ein.
Dieser Service hat auch einen Namen: die Internationale
Charta für „Weltraum und Naturkatastrophen“.
ie Internationale Charta bietet bei
Naturkatastrophen und durch den
Menschen verursachten Katastrophen ein vereinheitlichtes System
zur Erfassung und Bereitstellung von Satellitendaten für befugte Benutzer an. Jedes Mitglied hat
sich dazu verpflichtet, der Charta seine eigenen
Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Damit
trägt jeder Partner dazu bei, die Folgen derartiger Katastrophen auf Mensch und Eigentum
zu mildern.
Die Internationale Charta ist offiziell am 1. November 2000 in Kraft getreten. Jeder registrierte
Benutzer kann sich an die Partner des Programms
wenden und sie um die Mobilisierung der
Weltraumressourcen und der dazugehörigen
terrestrischen Ressourcen (Radarsat, ERS, Envisat,
Spot, IRS, SAC-C, NOAA-Satelliten, Landsat,
ALOS, DMC-Satelliten und andere) der Chartamitglieder bitten.
„Zu den befugten Benutzern zählen Katastrophenschutzorganisationen, Rettungs-, Verteidigungs- oder auch Sicherheitsorganisationen
des Landes des jeweiligen Chartamitglieds,
aber auch die Weltraumorganisationen sowie
die Betreiber der Weltraumsysteme“, erklärt
Stephen Briggs, der bei ESRIN (ESA Italien) das
Programm der Charta koordiniert. „Ausnahmsweise kann die Chartaleitung die Lieferung
von Weltraumdaten auch an bestimmte
Drittorganisationen zulassen.“
In der Praxis ist täglich wechselnd jeweils ein
Betreiber in Bereitschaft. Er nimmt die
Anfragen der befugten Benutzer der Charta
über eine weltweit einheitliche Telefonnummer
an. Nachdem die Notsituation und die formu-
14
lierten Anfragen analysiert wurden, wird ein
Plan zur Erfassung von Satellitenbildern und
Archivaufnahmen aufgestellt. Die angefragten
Daten werden so schnell wie möglich bereitgestellt, im Allgemeinen innerhalb von weniger
als 24 Stunden, um die Eingriffsteams vor Ort
sofort zu informieren. Durch Vergleiche der
neuen Aufnahmen mit den Archivbildern ist
eine bessere Schadensbeurteilung möglich.
SOS auf allen Kontinenten
Seit ihrer Einrichtung war die Charta bereits
über 130 Mal aktiv. Allein im Jahr 2006 wurden
ihre Dienste 25 Mal angefragt, so bei Naturkatastrophen im Sudan, in Pakistan, in Frankreich, auf den Philippinen, in Deutschland und
in der Tschechischen Republik, um nur einige
Beispiele zu nennen.
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
Im ersten Drittel dieses Jahres wurde die
Charta bereits in verschiedenen Katastrophenfällen um Hilfe gebeten. Ab dem 19. Januar
2007 wurde die Charta wegen Überschwemmungen in Bolivien, Paraguay und Argentinien
aktiv. Drei Tage später war sie dann wegen
eines Mineralölunfalls im Vereinigten Königreich
im Einsatz. Am 9. Februar wurden die Satelliten
der Charta mobilisiert, um erneute Überschwemmungen in Mosambik zu beobachten.
Ende Februar waren es Vulkanaktivitäten in
Kolumbien, dann Überschwemmungen in Bolivien, mit denen sich die Charta beschäftigte. Im
März 2007 wurden die Erdbeobachtungssatelliten
drei Mal in Anspruch genommen: wegen eines
Erdbebens in Indonesien, eines Wirbelsturms in
Madagaskar und Überschwemmungen mit nachfolgenden Erdrutschen in Argentinien.
Kurzer Einblick in die Geschichte
I
m Anschluss an die Konferenz Unispace III der Vereinten Nationen im Jahr 1999 haben die europäische (ESA) und die französische Weltraumbehörde (CNES) die Internationale Charta für
Weltraum und Naturkatastrophen gegründet. Schon sehr bald schloss sich die Kanadische
Weltraumbehörde (ASC) dieser Einrichtung an. Im September 2001 folgten die US-amerikanische
Meeresbehörde „National Oceanic and Atmospheric Administration“ (NOAA) und die Indische
Weltraumforschungsorganisation (ISRO).
Heute gehören zu den Unterzeichnern der Charta auch die Argentinische Weltraumbehörde
(CONAE), die Japanische Weltraumforschungsagentur (JAXA), die USGS (United States Geological
Survey) sowie die britischen und multinationalen Partner BNSC/DMC (British National Space Centre
und Disaster Management Centre), zu denen drei Drittländer gehören, die über Satellitenmittel verfügen: Algerien, Nigeria und die Türkei. Letztere sind seit November 2005 Chartamitglieder, und
erst kürzlich, im Mai 2007, ist auch China mit seiner Weltraumagentur CNSA (China National Space
Administration) der Charta beigetreten.
© CDB
PORTRÄT
Alexander Carleer,
Forscher am Institut für
Umweltmanagement
und Raumplanung
(IGEAT) der Freien
Universität Brüssel.
Ü
Beruf: Fernerkundungsspezialist
In der Fernerkundung gibt es verschiedene Berufsbilder,
vom Ingenieur über den Techniker bis zum Satellitenbetreiber
oder -händler, der die Daten aus dem Weltraum verbreitet.
Ein Gespräch mit dem belgischen Forscher Alexandre Carleer.
Er testet eine Methode zur automatischen Identifizierung von
Objekten anhand von sehr hochauflösenden Satellitenbildern.
berall an den Wänden seines Büros
an der Freien Universität Brüssel
hängen Satellitenbilder. Der Blick
schweift von Städten hin zu Gebirgen, von ländlichen Gebieten bis zu Wüsten.
„Schöne Bilder“, meint er. „Aber man muss sie
auch entschlüsseln, sie lesen und interpretieren
können.“
Wenn die beobachteten Bereiche sehr groß sind
und die Bilder eine niedrige Raumauflösung haben, wie es im Jargon heißt, kann man leicht größere Strukturen erkennen: eine Bergkette, einen
See, Felder, Wälder. Wenn es aber um Details
gehen soll, dann wird diese Aufgabe praktisch
unmöglich.
„Dies ist seit 1999 anders“, erklärt der Agraringenieur, der sich später zu einer Promotion in
Naturwissenschaften entschloss und sich auf
Fernerkundung spezialisierte. „Seit jenem Jahr
liegen uns sehr hochauflösende zivile Satellitenbilder vor. Davor haben wir uns mit Daten
zufriedengeben müssen, die von LandsatSatelliten stammten, deren erste Generation
Gegenstände auf dem Boden mit einer Auflösung
von 80 m erfassen konnte. Später stieg die Raumauflösung auf 30 m. Bei der Satellitenreihe Spot
begann man mit Bildpunkten, die eine Auflösung
von 20 m über dem Boden darstellten. Schließlich ist man mit Spot 5 bei 2,5 m angelangt.“
Die Revolution von 1999 trägt einen zweifachen
Namen: Ikonos und QuickBird, zwei amerikani-
sche hochauflösende Satelliten. „Mit diesen
beiden Satelliten nähert sich die Bildgenauigkeit
der von Luftaufnahmen an“, führt der Forscher
aus, „von wenigen Zentimetern bis zu einem
Meter. Das hat zu einer massiven neuen Datenflut geführt.“
Da ist eine riesige Menge, die es noch zu identifizieren, zu klassifizieren und zu interpretieren
gilt. Für die Luftaufnahmen erfolgte die Interpretation manuell. Aber bei großen Gebieten, die
von den Satelliten regelmäßig überflogen
werden, ist dies sehr langwierig und kostspielig.
Daher musste man automatisierte Methoden finden. Diese Verfahren waren natürlich bereits für
Satelliten mit einer weniger hohen Auflösung
entwickelt worden. Sie erfolgten durch die Klassifizierung pro Bildpunkt.
Bildsegmentierung
„Für sehr hochauflösende Bilder war dieses
Verfahren jedoch nicht mehr ausreichend“,
fährt Alexandre Carleer fort. „Man musste zu
einer anderen Methode übergehen: der Klassifizierung nach Bereich. Hierbei wird das Bild
anhand der Farbe jedes Bildpunkts segmentiert. Sie kann aber auch an andere Kriterien,
wie die Objektform oder sogar die Oberflächenstruktur, gekoppelt sein. Die von uns
getesteten Programme tendieren schließlich
dahin, die auf dem Boden erfassten Objekte
auf einheitliche und kohärente Weise zu
rekonstruieren. So kann man zahlreiche
Elemente automatisch beobachten und bestimmen: Häuser, Industriegebäude, Bäume,
Fahrzeuge und Straßen. Kurz: alles, was man
vorher auf den Bildern mit einer gröberen
Raumauflösung nicht sah. Mit diesem Verfahren ist es auch möglich, gleichfarbige Objekte
(mit derselben Spektralsignatur) anhand ihrer
Formen zu differenzieren. Ein Beispiel: Dort,
wo man wegen der jeweils gleichen Spektralsignatur von Bitumen nicht unterscheiden
konnte, ob es sich um einen Straßenabschnitt
oder ein Dach handelt, lässt die heutige
Methode eine Unterscheidung zu.“
Die rechnergestützte Verarbeitung der Daten
findet natürlich auch zahlreiche praktische Anwendungen. „Bei der Überprüfung der
Meldungen zu den angebauten Flächen beispielsweise, die die europäischen Landwirte
einreichen müssen, wenn sie Subventionen
erhalten, ermöglicht diese Methode, die
tatsächlich angebauten Flächen zu kontrollieren
und zu berechnen. Dabei werden auch eventuelle anbauflächenfremde Objekte (ein Weiher, ein Wald) auf den Parzellen identifiziert
und die Anbauformen überprüft. Ein weiteres
Beispiel, wo sich diese Methode ebenfalls als
sehr effizient erwiesen hat, ist die regelmäßige
Aktualisierung der Bodennutzung in einer
Provinz, einer Region oder auch einem
Landkreis“, erläutert der Forscher.
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
15
AUSLESE
Die Jagd auf die Riesenwellen
Zahlreiche
ungeahnte
Anwendungen
Jeder erinnert sich noch an den tödlichen Tsunami,
der am 26. Dezember 2004 über den Indischen
Ozean hereinbrach. Er wurde durch ein Seebeben
verursacht.
Dabei vergisst man jedoch viel zu häufig, dass in
den Ozeanen unseres Planeten jedes Jahr, ja sogar
fast jede Woche, riesige Wellen aufgrund besonderer atmosphärischer Bedingungen – vor allem
durch Stürme – entstehen und wieder abklingen.
Meistens gehen diese Riesenwellen, die manchmal
auch „Monsterwellen“ (1) genannt werden und
große Verluste in der Handelsschifffahrt verursachen können, unbemerkt vorbei. Im vergangenen
Mai jedoch hat eine solche „Monsterwelle“ mit
einer Höhe von knapp elf Metern die französische
Insel La Réunion im Indischen Ozean heimgesucht.
Trotz prophylaktischer weltraumgestützter
Erdbeobachtung hat die Welle, die den Hafen von
Saint-Pierre im Süden der Insel überflutete, dazu
geführt, dass zwei Fischer vermisst werden und
mehrere Kaimauern einstürzten sowie Häuser und
Geschäfte überschwemmt wurden. Man hatte ihre
Stärke unterschätzt.
Diese Riesenwelle war südlich des Kaps in Südafrika entstanden und innerhalb von drei Tagen
4 000 km weit in Richtung Nordosten gewandert,
bevor sie die Insel erreichte. Der ESA-Satellit
Envisat hatte sie mit seinem Asar (Advanced Synthetic Aperture Radar) aufgespürt und verfolgt.
Dieses Radar kann entlang der Umlaufbahn des
Satelliten alle 100 km kleine Aufnahmen von der
Meeresoberfläche machen (10 x 5 km).
Diese „Bildausschnitte“ liefern Informationen über
die Höhe einzelner Wellen. Anschließend werden
sie mathematisch umgesetzt und in durchschnittliche Energie- und Richtungswerte aufgespalten,
das sogenannte Wellenspektrum. Diese Werte stellt
die ESA den Wissenschaftlern und meteorologischen Einrichtungen zur Verfügung. Ohne diese
Routineüberwachung wären diesem Ereignis wahrscheinlich sehr viel mehr Menschen auf La Réunion
zum Opfer gefallen.
Die Beobachtung der
Erde vom Weltraum
aus bietet zahlreiche
praktische
Einsatzmöglichkeiten.
Manche Anwendungen
sind sehr bekannt,
beispielsweise die
Wettervorhersage.
Andere wiederum
kennt man kaum.
Eine kleine Rundreise.
www.esa.int/esaEO/index.html
16
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
Das Zusammenleben von Mensch
und Elefant überwachen
© ESA
Wirbelsturm Gamede
über den Inseln
Mauritius und
La Réunion am
23. Februar 2007.
Bild Envisat,
Meris-Spektrometer.
In Botsuana (südliches Afrika) tragen die Maßnahmen zum Schutz und zur Bewahrung der
Natur erste Früchte. Seit dem Abschussverbot für
die dort lebenden Elefanten (Loxodonta Africana)
aus dem Jahr 1991 ist die Zahl der Dickhäuter
AUSLESE
konstant gestiegen (um 5 % pro Jahr). Die
Steigerung ist sogar so groß, dass in dieser Region
Afrikas heutzutage die größte Population dieser
Art lebt (ungefähr 120 000 Tiere). Diese Fülle bildet zusammen mit der Zerstückelung ihres
natürlichen Lebensraums durch die Landesbewohner, die dort ihre Ackerflächen angelegt
haben, eine neue Quelle für Konflikte zwischen
Mensch und Tier. Die Verantwortlichen des
lokalen Naturschutzzentrums (Center for Conservation of African resources: animals communities
and land use oder CARACAL, in Kasane) haben
in Zusammenarbeit mit dem King’s College London eine groß angelegte Studie zu diesem Problem in die Wege geleitet. Sie stützt sich vor allem
auf Satellitenaufnahmen. Mit den ermittelten
Daten sollen großflächig das zahlenmäßige
Vorkommen sowie die Verbreitung der Dickhäuter bestimmt werden. Schon nach einem einzigen Überflug des Satelliten über das Land haben
die Spezialisten einen generellen Überblick über
die Elefantenpopulationen bekommen. Dieser
reicht aus, um eventuelle Schutzmaßnahmen im
Interesse der einen oder der anderen Population
vorzunehmen.
www.dmcii.com
Vorhersage neuer Epidemien
Vogelgrippe, Cholera, Malaria, Meningitis… Die
satellitengestützte Vorhersage der Entwicklung
von Epidemien, auch Tele-Epidemiologie genannt,
ist heute ein Bereich, der sich konstant weiterentwickelt. In Kombination mit vor Ort gesammelten Daten ermöglicht die weltraumgestützte
Beobachtung tatsächlich die Vorhersage von
Epidemien, die beispielsweise durch Mücken oder
Vögel verbreitet werden. Diese Wirte sind für
Umweltveränderungen sehr empfänglich. Durch
die Analyse bestimmter Satellitendaten (Bodenoberfläche, Vegetation, Winde, Wolken, Meerestemperaturen, Wetterereignisse usw.) und indem
man diese Daten mit verschiedenen Felduntersuchungen (Menschen und Tiere betreffend) verbindet, können die Spezialisten die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung einer Epidemie
voraussagen und damit auch die richtigen
Maßnahmen zur Gefahreneindämmung einleiten.
In Argentinien, im Senegal, im Niger, in China und
im Mittelmeerraum sind bereits verschiedene
Netze für die Tele-Epidemiologie im Einsatz.
Für Antonio Güell von der französischen Weltraumbehörde (CNES) eröffnen sich durch diese
Technologie riesige Möglichkeiten. Jedoch wird
sie, obwohl sie die Hygieneverhältnisse in vielen
Weltregionen radikal verbessern könnte, leider
immer noch nicht umfassend eingesetzt.
www.cnes.fr
www.cermes.net
Vorwarnung für Asthmatiker
Ein Luftverschmutzungswarnsystem wurde fast
zwei Jahre lang in mehreren Londoner Stadtteilen,
wie z.B. in Croydon, getestet. Dieses EchtzeitWarnsystem wurde für Menschen mit Atembeschwerden entwickelt. Ende März 2007 wurde
das von der ESA und einer Umweltforschungsberatungsfirma in Cambridge (Cambridge Environmental Research Consultants) entwickelte System in der britischen Hauptstadt allgemein
eingeführt. Nicky Gordon, stellvertretender Bürgermeister von London, hat diesen neuen Bürgerservice mit dem Namen „Airtext“ eingeweiht.
Airtext ist ein Warndienst, der über SMS, Sprachmitteilung oder E-Mail bereitgestellt wird. Das
System empfängt die Atmosphärenbeobachtungsdaten des ESA-Satelliten Envisat aus dem
Weltraum, kombiniert diese mit Bodenmessungen
und den Verkehrsprognosen und sendet dann
täglich am selben Morgen bzw. bereits am Vorabend den Abonnenten dieses Dienstes die
Informationen zu den erwarteten höchsten
Luftverschmutzungsraten zu.
Die Abonnenten – Menschen, die unter Asthma,
Bronchitis, Emphysemen, Herzschwächen oder
Angina Pectoris leiden – können daraufhin ihren
Tag entsprechend planen. Damit werden Leben
gerettet. Nicky Gordon zufolge erleiden in London
jedes Jahr tausende Menschen einen frühzeitigen
Tod aufgrund von gesundheitlichen Problemen,
die durch erhöhte Luftverschmutzung verschlimmert werden.
www.airtext.info
Grönlands „Begrünung“ vorgreifen
Wenn der gesamte grönländische Eisschild
abtauen würde, würde der mittlere Wasserstand
aller Weltmeere um ungefähr sieben Meter steigen. Das heißt, die Überwachung dieser empfindlichen Fläche, die weitaus sensibler auf die
globale Erwärmung unseres Planeten reagiert als
die Antarktis, ist eine wichtige Angelegenheit.
Das DMC-Konsortium (Disaster Monitoring Constellation), in dem vier Erdbeobachtungssatelliten
zusammengeschlossen sind, die jeweils aus Algerien (Alsat-1), Nigeria (Nigeriasat), der Türkei
(Bilsat-1) und dem Vereinigten Königreich (UKDMC) stammen, untersucht gemeinsam das Abschmelzen dieses Eisschildes. Die Kapazitäten
dieser Satelliten erlauben den Forschern der
Universität Swansea das Abschmelzen der
Eisfläche, den Abfluss am Rand und allgemein die
Dynamik aller dadurch verursachten Strömungen
zu messen.
www.dmcii.com
Qualitätszuchtlachs
Der größte Erzeuger von Zuchtlachs befindet sich
auf der südlichen Erdhalbkugel! Chile und seine
zahlreichen Aquakulturbetriebe produzieren
derzeit den größten Anteil des weltweit konsumierten Zuchtlachses. Dieser Zweig ist aber auch
sehr anfällig, da er plötzlichen Verschlechterungen
der Meerwasserqualität ausgeliefert ist. Dies
kommt regelmäßig vor und ist ein natürliches
Phänomen, das zum Beispiel bei einem massiven
Erscheinen von Phytoplankton auftritt. Die
Spezialisten bezeichnen dieses Phänomen als
Algenblüte. Wenn diese grüne Flut auftritt, absorbiert sie einen großen Teil des Sauerstoffs aus dem
Wasser, woraufhin die Lachse sterben können.
Ganz zu schweigen davon, dass sie chemische
Stoffe abgibt und dadurch andere marine und
wirtschaftlich wichtige Lebewesen, beispielsweise
Muscheln, vergiftet.
Um solche Ereignisse vorauszusehen und diese
fast in Echtzeit verfolgen zu können, wurde das
von der ESA unterstützte Projekt CAP (Chilean
Aquaculture Project) eingerichtet. Die Überwachung der Wasserqualität und des Auftretens von
Phytoplankton erfolgt vom Weltraum aus. Diese
Aufgabe haben der Satellit Envisat (mit dem
Radiometer Meris) und der amerikanische Satellit
Aqua, der mit dem Instrument Modis ausgestattet
ist, übernommen. Sie untersuchen grundsätzlich
die farblichen Veränderungen des Wassers (aufgrund des im Plankton enthaltenen Chlorophylls),
den Trübungsgrad, die Schwebstoffe und die
Oberflächentemperatur. Diese Daten werden mit
hydrodynamischen Modellen (Meeresströmungen) kombiniert und bilden ein neues Hilfsmittel
für die Bewirtschaftung der Aquakulturbetriebe in
Chile.
www.eomd.esa.int
(1) Siehe FTE info Nr. 42.
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
17
EARTH EXPLORERS
Sechs Kundschafter im
Dienste des Planeten
© ESA
Das Earth Explorers-Programm ist die neue Initiative
der ESA im Bereich der wissenschaftlichen Erdbeobachtung.
Dazu gehören sechs Satelliten, die jeweils einen bestimmten
Aspekt unserer Biosphäre erkunden.
18
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
EARTH EXPLORERS
In diesem Programm bilden zwei Satellitenkategorien eine Gemeinschaft: einerseits
Satelliten, die sogenannte „Core-Missionen“ zu
ganz bestimmten Forschungsbereichen durchführen – sie sind von großem wissenschaftlichen
Interesse und verfolgen langfristige Ziele der
Organisation –, andererseits die Satelliten, die
sich auf die sogenannten „OpportunityMissionen“ konzentrieren, die eine geringere
Reichweite haben und nicht unbedingt von der
ESA geleitet werden. Mit ihnen kann beispielsweise auf aktuelle sensible umweltbezogene
Fragestellungen reagiert werden, zu denen die
Wissenschaftsgemeinschaft dringend neue
Daten benötigt.
Der Satellit SMOS (Soil Moisture and Ocean
Salinity) taucht in die Tiefen des Wasserkreislaufs
der Erde ein. SMOS ist für 2008 geplant und
wird umfassend und eingehend die Bodenfeuchtigkeit messen (dies ermöglicht beispielsweise eine rechtzeitige Ausweitung der
Bewässerung, um einem Verlust von landwirtschaftlichen Erträgen aufgrund von Trockenheit
vorzubeugen u. ä.). Außerdem wird er sich mit
der Entwicklung des Salzgehaltes der Meere
und Ozeane befassen. Cryosat-2 wird dagegen
das Instrument für die Kryosphäre darstellen.
Vorrangige Beobachtungsobjekte dieses Satelliten werden das Meereseis, aber auch die riesigen Eisschilde der Antarktis und Grönlands
sein. Der Start des Satelliten ist für 2009 geplant.
ADM-Aeolus (Atmospheric Dynamics Mission)
wird die Windprofile in allen Schichten der
Atmosphäre messen. Geplanter Start: 2009.
Swarm wird das Magnetfeld der Erde und
dessen zeitliche Entwicklung untersuchen. Für
diese Mission werden drei Satelliten eingesetzt,
sie soll 2010 beginnen. Die Mission Earthcare
(Earth Clouds Aerosols and Radiation Explorer)
schließlich, die in Partnerschaft mit Japan
durchgeführt wird, befasst sich mit der Vertiefung
unserer Kenntnisse über das Strahlungsgleichgewicht der Erde (Treibhauseffekt, Bedeutung
von Aerosolen, Staub in der Atmosphäre usw.).
Damit sollen die numerischen Wettervorhersagemodelle verbessert werden (Start 2013).
Die Startaufstellung
Von den sechs Satelliten, die derzeit vorbereitet
werden, sollen drei (GOCE, ADM-Aeolus und
Earthcare) eine Core-Mission und die drei
anderen (SMOS, CryoSat-2 und Swarm) eine
Opportunity-Mission durchführen.
Die Mission GOCE (Gravity field and steadystate Ocean Circulation Explorer) ist für 2008
geplant und befasst sich mit dem Gravitationsfeld der Erde. Mit den Daten aus dieser Mission
sollen Modelle in diesem Bereich abgestimmt
und unser Wissen über das „Innere“ unseres
Planeten erweitert werden. Außerdem geht es
darum, das Geoid der Erde zu bestimmen.
Nächste Missionen
© ESA
D
ie Europäische Weltraumorganisation (ESA) hat ihre Erdbeobachtungsstrategie geändert. Anstatt
ihre gesamten Mittel in den Bau
eines einzigen imposanten Satelliten zu
stecken, wie dies bei Envisat der Fall war, setzt
sie nun auf einzelne kleinere Missionen.
„Die Missionen sind zwar bescheidener, aber
dafür umso spezialisierter, und sie lassen sich
schneller umsetzen“, kommentiert Jérôme
Benveniste von der Abteilung für Erdbeobachtungsanwendungen bei ESRIN (ESA Italien).
„Die Earth Explorers erkunden sowohl die
Atmosphäre als auch die Biosphäre unseres
Planeten. Sie konzentrieren sich aber auch auf
den Wasserstoff, die Kryosphäre (Eisflächen)
und natürlich auf seine „verborgene Seite“, das
Erdinnere. Ziel ist es, mehr über die Wechselwirkungen zwischen diesen verschiedenen
‚Sphären‘ und über die Folgen der menschlichen Aktivitäten zu erfahren.“
Das Programm Earth Explorers geht allerdings
über die hier beschriebenen Missionen hinaus.
Die ESA hat bereits einen Aufruf für neue
Projekte der Wissenschaftsgemeinschaft
veröffentlicht. Daraufhin sind 24 Vorschläge
eingegangen. Von diesen wurden sechs
Projekte ausgewählt, die derzeit auf ihre Machbarkeit überprüft werden. Es geht um Biomass
(forstwirtschaftliche Biomasse), Traq (Langstreckenflüge und Verschmutzungstransport),
Premier (Zusammenhänge zwischen Spurengasen in der Atmosphäre, Strahlung und
Atmosphärenchemie), Flex (Untersuchung der
Fotosynthese durch Fluoreszenzmessungen),
A-Scope (globaler Kohlenstoffkreislauf ) und
schließlich CoReH2O (Wasserkreisläufe in
Schnee- und Eisphasen). Die ersten Satelliten
dieser zweiten Auswahl könnten bereits 2010
an den Start gehen.
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
19
INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT
Vielfalt
im Orbit
Mehr denn je ist das Studium unseres Planeten
ein globales Anliegen. Jedes Land, das über
Fernerkundungsinstrumente im Weltraum
verfügt, stellt seine Daten auch ausländischen
Forschern zur Verfügung. Das steht der Bildung
einer vorrangigen Zusammenarbeit aber nicht
im Wege. Neben den alten Stars QuickBird und
Ikonos (1999), die über eine sehr hohe Auflösung
verfügen und zu zivilen Zwecken eingesetzt
werden, wird hier eine kleine Auswahl weiterer
Kooperationen gegeben.
Von allem ein bisschen
Alos – Dieser japanische Erdbeobachtungssatellit ist seit Januar 2006 im Orbit. Er tastet den
Planeten unabhängig von den atmosphärischen
Bedingungen Tag und Nacht ab. Dies ist möglich,
weil er ein L-Band-Radar (Palsar) und einen
panchromatischen Sensor für Stereoaufnahmen
(Prism) an Bord hat.
Quikscat – Der Satellit wurde 1999 von der
NASA gestartet. Sein Hauptinstrument, ein
Scatterometer, liefert Informationen über die
Winde auf der Planetenoberfläche, über Land
und über den Ozeanen. Damit lassen sich
verschiedene Wechselwirkungen zwischen der
Atmosphäre und der Erde erkunden.
IRSP6 – Dieses Instrument zur Fernerkundung,
das auch unter der Bezeichnung Resourcesat-1
bekannt ist, wurde von der indischen
Weltraumforschungsorganisation ISRO (Indian
Space Research Organization) gestartet. Den
Satelliten IRS-P3 hat die indische Weltraumorganisation bereits 1996 in Betrieb genommen.
Dieser Erdbeobachtungssatellit ist mit einem
modularen optoelektronischen Scanner, MOS,
ausgestattet.
© ESA
Der Berg Fuji, erstes Bild des japanischen
Satelliten ALOS, gesendet 2006. Am unteren
Bildrand sind die Straßen und Flüsse des KofuBeckens und der Motusu-See zu sehen.
20
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT
TerraSAR X – Dieser Radarsatellit der deutschen Firma Infoterra soll 2007 betriebsbereit
sein.
Kompsat-1 – Der erste südkoreanische Satellit einer Baureihe mit hochauflösender Optik
wurde 1999 gestartet. Kompsat-2 (KOrean
MultiPurpose SATellite), ein hochauflösender
Sensor des Koreanischen Weltraumforschungsinstituts KARI (Korean Aerospace
Research Institute) wurde am 28. Juli 2006
erfolgreich gestartet. Er liefert Bilder mit einer
Auflösung von 1 m.
Formosat-2 – Der taiwanesische Satellit von
der National Space Organization (NSPO)
wurde in Europa konzipiert und von EADS
Astrium hergestellt. Der Satellit ermöglicht
hochauflösende Beobachtungen (2 m) sowie
einen täglichen Überflug!
Scisat – Dieser Sensor unterstützt eine kanadisch-internationale Forschergruppe bei ihren
Forschungsarbeiten zum Schwund der Ozonschicht und soll zu einem besseren Verständnis dieses Problems führen. Die Forscher
befassen sich dabei vor allem mit den Verän-
derungen über Kanada und der Arktis. Der
Satellit ist seit 2003 im Orbit.
Terra – Dieser amerikanische Satellit (gestartet
1999) ist mit fünf wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet, darunter auch ein Spektroradiometer, das in Zusammenarbeit mit Kanada entwickelt wurde. Er ist das Pendant des
„Morgenorbits“ des amerikanischen Satelliten
Aqua, der zum A-Train (siehe unten) gehört.
Ein „Weltraumzug“
Aus der Zusammenarbeit dreier Länder (USA,
Frankreich und Kanada) sind sechs wissenschaftliche Erdbeobachtungssatelliten hervorgegangen, die direkt hintereinander auf
derselben sonnensynchronen Umlaufbahn fliegen. Dieser Weltraumzug wurde A-Train
(afternoon train, deutsch: Nachmittagszug)
genannt, weil die sechs Satelliten den Äquator
in einem Abstand von wenigen Minuten gegen
13.30 Uhr lokaler Zeit überqueren. Er stellt ein
außergewöhnliches Weltraumobservatorium
dar, in dem alle aktiven und passiven
Messmethoden miteinander vereint werden,
um das Zusammenwirken der verschiedenen
Rädchen des Klimasystems besser zu verstehen. Der „Zug“ besteht aus den Satelliten:
Aqua (Nasa, 2002), Aura (Nasa, 2004), Parasol
(CNES, 2004), Calipso (Nasa/CNES) und Cloudsat (NASA/ASC) (jeweils 2006) sowie OCO
(Nasa), dessen Start für 2008 geplant ist.
Kurs auf neue Generationen
Die Fernerkundung der Zukunft wird drei Forderungen erfüllen müssen: höhere Auflösung
(räumlich und spektral); höhere Wendigkeit
der Satelliten, damit sie schneller auf ein Ziel
ausgerichtet werden können; eine höhere
Überflugrate, damit eine Situation auf dem Boden im täglichen Ablauf verfolgt werden kann.
Bis Ende 2008 soll Digitalglobe mit einem
neuen Sensor ausgestattet werden, der alle
diese Eigenschaften erfüllt. Worldview-1 wird
eine bislang nie erreichte Wendigkeit im Orbit
besitzen. Er wird ein und dieselbe Stelle am
Boden alle 1,7 Tage überfliegen können und
Bilder mit einer Auflösung von 50 cm liefern.
Eine Premiere für einen zivilen Satelliten…
© ESA
Calipso, einer von sechs
hochauflösenden
Beobachtungssatelliten des
Afternoon train. Er verfügt über
eine sehr spezielle HightechAusrüstung, die das Verständnis
klimatischer Mechanismen
erweitern soll.
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
21
BUSINESS
Der blühende, dezentralisierte Markt
Die ständige Verbesserung der Satellitenbilder,
ihre immer größere Verfügbarkeit, aber auch
ihre zahlreichen Anwendungsgebiete machen
aus diesem Sektor eine Goldgrube für kleine und
mittlere Unternehmen.
Datenvermarktung
Satellitenbilder kann man zu einem bestimmten
Preis kaufen. Der Satellit musste zunächst entworfen und gebaut werden, er musste in den
Orbit gebracht und anschließend Jahre lang genutzt werden. Am Ende bezahlt der Kunde in der
Regel die Rechnung. Wer auch immer Daten
erwerben möchte, die von Erdbeobachtungs-
satelliten stammen, wird im Allgemeinen zur
Kasse gebeten!
Kommerzielle Betreiber sind auf dem Markt gut
vertreten. Spot Image vermarktet zum Beispiel
die Daten aus der eigenen Satellitentätigkeit,
aber auch Bilder der Erde von Satelliten Dritter,
deren kommerzielle Verwertung dem Unternehmen übertragen wurde (wie Envisat, ERS,
Radarsat usw.).
Unter den anderen großen Betreibern auf der
Welt sind auch die Unternehmen DigitalGlobe
und Geo Eye. Sie bieten die genauesten und
schärfsten Bilder auf dem Markt an. Diese
stammen von ihren eigenen Satelliten Quickbird
(Auflösung 60 cm) und Ikonos (Auflösung 1 m).
Die riesigen Datenmengen, die jede Woche von
den zehn Instrumenten des Forschungssatelliten
Envisat der ESA produziert werden, werden
nach festen Regeln, die noch vor dem Start des
Satelliten festgelegt worden sind, vermarktet.
„Diese Regelung wurde von den Mitgliedstaaten
beschlossen, die diese Mission finanziert
haben“, erklärt Simonetta Cheli, Referentin für
Öffentlichkeitsarbeit und Institutionelle Beziehungen bei ESA-ESRIN in Italien. „Es gibt drei
Benutzerkategorien. Die erste umfasst die Wissenschaftler. Sie erhalten kostenlosen Zugriff auf die
Daten von Envisat, sobald ihr Forschungsprojekt
von ihren Peers im Rahmen der verschiedenen
Ausschüsse unterstützt wurde. In der zweiten Kategorie wird der Zugriff auf Informationen mit
eingeschränktem Nutzungsrecht gewährt. Zu den
Benutzern dieser Kategorie gehören vor allem
öffentliche Einrichtungen. Alle anderen Benutzer
fallen in die dritte Kategorie. Sie erhalten nur
über die kommerziellen Betreiber Zugriff auf
unsere Daten und müssen dafür den Marktpreis
zahlen.“
Die Preise variieren je nach „Frische“ des Bildes.
Ein Beispiel: 400 Euro kostet eine Archivaufnahme der Radare ERS oder Asar (Envisat), die
Die Rechnung im Einzelnen
Bei DMC International Imaging hängt der zu
zahlende Betrag von dem Bildausschnitt ab, für
den man sich interessiert. Der Mindestpreis für
ein Bild von 160 km2 mit einer Auflösung von
32 m, für das drei Satellitenüberquerungen nötig
sind, beträgt 2 240 Euro. Ein Festbetrag in Höhe
von 614 Euro dient der Kostendeckung für die
Parametrisierung des Satelliten. Spot Image bietet seinerseits Farbfotos nach der Norm Spot-5
mit mindestens 60 km2 und einer Auflösung
von 2,5 m zum Preis von 8 900 Euro an. Hinzu
kommen 3 100 Euro für notwendige Programmierkosten.
Das Gewicht der europäischen Raumfahrt
Die europäische Weltraumindustrie hat 2005 Umsätze in Höhe von 4,4 Milliarden Euro erzielt. Sie
beschäftigt rund 28 000 Menschen. Einer Schätzung der Europäischen Kommission zufolge generiert dieser Sektor eine nachgelagerte Wirtschaftsaktivität, die noch fünfmal größer ist. Trotz relativ
geringer öffentlicher Investitionen in diesem Sektor ist die europäische Weltraumindustrie äußerst
wettbewerbsfähig. Sie hält hinsichtlich Konstruktion, Abschuss und Bewirtschaftung von Satelliten
40 % des globalen Marktes in ihrer Hand.
22
„Maßanfertigung“ von der ESA
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
© ESA
D
ie Erdbeobachtung ist natürlicherweise ein riesiges Abenteuer für
Wissenschaft und Technologie. Sie
ist im Laufe der Jahre auch zu
einem wichtigen Wirtschaftssektor geworden.
Das betrifft zunächst einmal den Betrieb und die
Bewirtschaftung der Satelliten, ihre Kontrolle im
Orbit, ihre Verwaltung sowie die Erfassung und
Weiterleitung der Daten. Dies sind viele
Bereiche, in denen Arbeitsplätze für hoch
qualifizierte Mitarbeiter geschaffen werden.
Insgesamt gesehen trägt die Vermarktung der
Informationen durch Großbetreiber und ihre
Handelsvertreter, aber auch durch eine große
Zahl von Dienstleistungsunternehmen zu einer
wichtigen zusätzlichen Wertschöpfung dieses
Wissens bei. Dabei sind die direkten Auswirkungen einiger Anwendungen, wie beispielsweise von Wettervorhersagen, auf andere
menschliche Aktivitäten an Land, auf See oder in
der Luft noch nicht einmal mit eingerechnet.
Hochauflösende Bilder, beispielsweise vom
Satelliten Quickbird, werden vom europäischen
Händler Eurimage zum Preis von 25 US-Dollar
pro Quadratkilometer verkauft. Für eine
komplette Satellitenaufnahme, d.h. für eine
Fläche von 272 km2, beträgt der Mindestpreis ungefähr 5 300 Euro pro Bild (und praktisch das
Doppelte für „dringende“ Aufträge).
der Erdbeobachtung
eine Fläche von 100 km2 mit einer Auflösung
von 25 m umfasst. Dasselbe Bild kostet auf
Bestellung 600 Euro, da der Satellit dafür eigens
programmiert werden muss. Aber der Preis kann
auch auf 150 Euro sinken, wenn man nur eine
Auflösung von 150 m wünscht.
„Für unsere künftigen Missionen, wie die der
Sentinel-Satelliten des GMES-Programms, ist die
Vermarktungspolitik zur Kommerzialisierung
noch festzulegen“, schließt Simonetta Cheli.
Mitteilung der Europäischen Kommission,
GD Unternehmen, IP/07/575
www.eurimage.com
www.spotimage.com
www.dmcii.com
ec.europa.eu/enterprise/
„Schlüsselfertige“ Satelliten?
Warum sollen sich die großen Nutzer von Satellitenbildern nicht zum Kauf ihres eigenen Mikro-Satelliten entschließen, mit einem Empfangssystem im Haus? In Europa hat
sich die Mikrosatellitenserie Proba, die ursprünglich als ein technologisches
Demonstrationsobjekt der ESA konstruiert wurde, zu einem echten kommerziellen
Produkt entwickelt. Das Industriekonsortium bietet es jedoch als Komplettsystem an:
Satellit, Abschuss und dazugehöriges Bodensystem. Eine von der europäischen
Industrie geschaffene Erfolgsgeschichte, für die sich Drittländer interessieren, die
selbst nicht über Mittel zur Erdbeobachtung verfügen.
www.verhaertspace.com
An der Spitze der Weltraumindustrie, halten die Europäer rund 40 % des globalen
Marktes für den Bau, den Abschuss und die Bewirtschaftung von Satelliten in der Hand.
Hier sind der Abschuss der Rakete Ariane V und Vorbereitungsarbeiten zu sehen.
© ESA
BUSINESS
Ein „lokaler“ KMUzentrierter Sektor
Die Vermarktung der „rohen“ Satellitendaten ist allerdings kaum von Interesse. Daher gibt es zahlreiche
Unternehmen, die ihre Wertschöpfungsleistungen zu
diesen Bildern komplett anbieten.
Im Jahr 2004 haben die ESA und zwei ConsultingFirmen, Vega Group und Booz Allen Hamilton, eine
Bestandsaufnahme des in diesem Bereich spezialisierten
Industriesektors durchgeführt. Aus dieser Studie geht
hervor, dass es rund 160 Unternehmen gibt, die sich
auf dieses Gebiet spezialisiert haben. Darunter auch
sehr viele KMU: 33 % der Unternehmen dieses Sektors
hatten weniger als zehn Angestellte, 27 % hatten elf bis
30 Mitarbeiter und 15 % zwischen 31 und 60 Mitarbeitern. Nur 9 % der Unternehmen verfügten über mehr als
500 Mitarbeiter.
Eine weitere Erkenntnis aus diesem Überblick: Der
globale Umsatz dieses Sektors wurde 2002 auf 285 Millionen Euro geschätzt – eine Summe, die den Verkauf
von Rohdaten (unbearbeitete Bilder) noch nicht mit
einschließt.
Der Bericht zeigt auch, dass es sich hierbei um einen im
Wesentlichen „einheimischen“ Markt handelt. Dabei
schaffen die Unternehmen dieses Sektors ihren Umsatz
hauptsächlich durch Kunden aus der eigenen Region
bzw. dem eigenen Land. „Bei Unternehmen, die ihren
Sitz in der EU haben, stammt nur ein sehr kleiner Teil der
Einnahmen aus Drittländern (15 %)“, verzeichnet der
Bericht. Der größte Anteil der Einnahmen aus dieser
Tätigkeit stammt aus Dienstleistungen zur Bestimmung
der natürlichen Ressourcen unseres Planeten und der
Kartografie sowie aus Sicherheitsanwendungen.
Quelle: The state and health of the European and Canadian EO service industry,
ESA/Vega group & Booz Allen Hamilton.
Das Monument Valley, Gebiet der
Navaho-Indianer an der Grenze
zwischen Arizona und Utah, aus der
Sicht des kleinen belgischen
Satelliten Proba.
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
23
METEOROLOGIE
Regen und schönes Wetter – dies bildet den Stoff
für unendliche Gespräche, aber auch für
Vorbehalte. Wetterbedingungen haben vor allem
direkte Folgen auf die Wirtschaftsaktivitäten der
Erdbewohner. Daher ist es auch nicht
verwunderlich, dass ein Großteil der Satelliten,
die unsere Erde erforschen, sich mit der
Erdatmosphäre, ihrer Zusammensetzung und
Entwicklung, aber auch mit den Ozeanen
befasst, die das Wetter von heute und von
morgen beeinflussen.
K
aum fallen die ersten Tropfen,
schon stockt der Verkehr. Eine
Trockenperiode, schon leidet die
Landwirtschaft und in den Wäldern
herrscht erhöhte Brandgefahr. Starke Winde,
und schon sind die Aktivitäten der Handelsschifffahrt und der Fischerei betroffen. Die Meteorologie ist zu einer operationellen Wissenschaft geworden, auf die man nicht mehr
verzichten kann. Die Europäer haben das sehr
wohl verstanden. Nach der ESA (1975) wurde
1986 EUMETSAT, eine zweite, vor allem operationelle europäische Weltraumorganisation
gegründet.
Ihre Missionen bestehen darin, die nationalen
Wetterdienste der Mitgliedstaaten (siehe Kasten) sowie zahlreiche öffentliche (UNESCO,
Welternährungsorganisation, UNEP, WOM,
NOAA, EZMW) und private Nutzer auf der
ganzen Welt mit Daten, Bildern und anderen
Produkten ihrer Satelliten rund um die Uhr an
365 Tagen im Jahr zu beliefern.
24
Dazu wertet die Organisation von ihrem operationellen Standort in Deutschland aus die
Daten ihrer eigenen Satelliten (Meteosat und
MetOP), aber auch die Daten anderer spezialisierter Satellitenauswertungszentren, den SAF
(Satellite application facility), aus. Diese Satellitenauswertungszentren sind auf bestimmte
Bereiche spezialisiert. Es gibt SAF für die
numerische Wettervorhersage (koordiniert vom
britischen Met Office), für operationelle
Hydrologie (betrieben vom Italienischen
Wetterdienst), für Ozeane und Meereseis
(Météo-France) oder auch für Ozon (Finnischer Wetterdienst), für die Klimaüberwachung
(Deutscher Wetterdienst) oder für das
sogenannte nowcasting, das sind kurzfristige
Wettervorhersagen (koordiniert vom Spanischen Meteorologischen Institut).
Vielfältige Instrumente im Orbit
Über die traditionellen Wettersatelliten hinaus, die
die Erde auf einer geostationären Umlaufbahn
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
Zwanzig plus zehn
© Eumetsat
EUMETSAT, die
„andere“ europäische
Weltraumorganisation
Eumetsat vereint 20 Nationen: Belgien,
Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich,
Griechenland, Irland, Italien, Kroatien,
Luxemburg, die Niederlande, Norwegen,
Österreich, Portugal, Schweden, die Schweiz,
die Slowakei, Spanien, die Türkei und das
Vereinigte Königreich.
Zusätzlich bestehen Kooperationsverträge
mit zehn weiteren Staaten: Bulgarien, Estland,
Island, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien,
Slowenien, der Tschechischen Republik und
Ungarn. Im Hinblick auf den Zugang und die
Nutzung von Daten und Dienstleistungen der
Organisation haben sie dieselben Rechte und
Pflichten wie die anderen Mitglieder auch.
Allerdings zahlen sie jeweils nur die Hälfte des
Beitrags der Staaten aus der ersten Gruppe.
Deshalb besitzen sie auch nicht das Recht, an
Entscheidungsprozessen teilzunehmen oder
sich an Ausschreibungen zu beteiligen, und
ihre Staatsangehörigen können sich nicht auf
eine Position bei EUMETSAT bewerben. Die
Organisation hat ihren Sitz in Darmstadt (DE).
36 000 km über dem Erdboden umkreisen und
bereits die Hälfte der Erdkugel beobachten
(Meteosat der ersten und zweiten Generation),
besitzt EUMETSAT seit letztem Jahr einen ersten
eigenen Satelliten auf einer polaren Umlaufbahn,
MetOP-A. Dieser umkreist die Erde in geringerer
Höhe (850 km) und liefert dank seiner acht
wissenschaftlichen Instrumente sehr viel genauere Daten über Wolken, Feuchtigkeit und
Atmosphärentemperaturen, über die vertikale
Auflösung der Temperatur in der Troposphäre,
die Windgeschwindigkeiten auf der Höhe des
Meeresspiegels oder auch über die Entwicklung
des Ozons und anderer Bestandteile der
Troposphäre und der Stratosphäre.
In Kürze, nämlich 2008, wird auch Jason-2, ein
Satellit für die Altimetrie der Ozeane, in der Umlaufbahn stehen. Er ist das Ergebnis einer
Zusammenarbeit zwischen Frankreich und
der NASA (USA). Er wird die Computer von
EUMETSAT mit zentimetergenauen Daten über
Fluktuationen der Meeresspiegel speisen.
METEOROLOGIE
Wettersatelliten auf der ganzen Welt (1)
Europa
Meteosat-5
Meteosat-6
Meteosat-7
Meteosat-8
Meteosat-9
MSG-3 und MSG-4
MetOP-A
Jason-2
Russland
seit dem 16. April 2007 auf einem „Friedhofsorbit“ (2) .
seit dem 26. April 2007 geostationärer Reservesatellit auf
67,5° Ost, um DCP-Daten zu sammeln, wenn Meteosat-7
nicht sendet.
deckt den Indischen Ozean IODC ab bei 57,5° Ost
(bis mindestens Ende 2008).
Reservesatellit von Meteosat-9 bei 3,4°
West (geostationäre Umlaufbahn).
geostationärer Hauptsatellit bei 0°.
Start voraussichtlich 2011 bzw. 2013.
erster nicht geostationärer Satellit von EUMETSAT, Start
19. Oktober 2006, offiziell betriebsbereit seit dem 15. Mai
2007. MetOP-A ist seit dem 21. Mai 2007 der erste Satellit,
der auf einem polaren Vormittagsorbit des Initial Joint
Polar-Orbiting Operational Satellite Systems (IJPS) fliegt.
MetOP-B und MetOP-C werden in Abständen von fünf
Jahren 2011 und 2015 ins Weltall starten.
wird Jason-1 folgen. Zusammen sollen sie die Mission
zur Topografie der Meeresoberflächen erfüllen.
Voraussichtlicher Start ist Mitte 2008 auf einer geneigten,
nicht sonnensynchronen Umlaufbahn (Inklination 66°).
Vereinigte Staaten von Amerika
derzeit stationiert auf 160° Ost.
auf 60° West stationiert, um Südamerika komplett
abzudecken.
GOES-11
operationeller geostationärer Satellit auf 135° West.
GOES-12
operationeller geostationärer Satellit auf 75° West.
GOES-13
gestartet im Mai 2006; Reservesatellit auf Position 105° West.
GOES-O, -P, -R, -S
Starts sind geplant für jeweils 2008, 2009, 2014 und 2016,
um den Dienst bei 135° oder 75° West sicherzustellen.
NOAA-12
Satellit im polaren Vormittagsorbit, der ausschließlich
Datenübertragung in Echtzeit gewährleistet.
NOAA-14
Satellit im polarem Vormittagsorbit, der ausschließlich
Datenübertragung in Echtzeit gewährleistet.
NOAA-15
Reservesatellit von NOAA-17 (früher Morgenorbit).
NOAA-16
Reservesatellit von NOAA-18 (Nachmittagsorbit).
NOAA-17
Satellit auf polarem Morgenorbit.
NOAA-18
erster Satellit des IJPS-Systems, hat NOAA-16 als
Hauptsatellit im Nachmittagsorbit ersetzt.
NOAA-N’
geplanter Start ist 2009, um den Dienst im
Nachmittagsorbit aufzunehmen.
NPP-NPOESS
geplanter Start ist 2009, um den Dienst im
Nachmittagsorbit aufzunehmen.
NPOESS-C1 und –C3 geplante Starts 2013 und 2020 (Nachmittagsorbit).
NPOESS-C2 und –C4 geplante Starts 2016 und 2022 (früher Morgenorbit).
GOES-9
GOES-10
Meteor-3M N1
GOMS-N1
Meteor-M N1
Electro-L N1
Electro-L N2
wird auf einer sonnensynchronen Umlaufbahn
am Morgen betrieben.
Start im November 1994,
im Bereitschaftsmodus bei 76° Ost.
geplante Starts 2008 und 2009 (Morgenorbit).
Start geplant im Laufe von 2007 auf 76° Ost.
Start geplant für 2009, bei 76° Ost oder 14,5° Ost.
China
meteorologischer Hauptsatellit, gestartet im Mai 2002,
befindet sich im sonnensynchronen (polaren) Morgenorbit.
FY-2C
geostationärer Hauptsatellit bei 105° Ost.
FY-2D
Start im Dezember 2006,
dient als Reserve für FY-2C bei 86,5° Ost.
FY-2E, -2F und -2G geplante Starts jeweils 2008, 2010 und 2012.
FY-3A
erstes Modell der zweiten Generation chinesischer nicht
geostationärer Satelliten. Er wird im Laufe von 2007 gestartet, die beiden folgenden (FY-3B und FY-3C) 2009 und 2011.
Fengyun-1D
Indien
KALPANA-1
INSAT-3A
INSAT-3D
(früher Metsat), steht auf 74° Ost; erster indischer Satellit zu
rein meteorologischen Zwecken.
wird auf 93,5° Ost betrieben.
geplanter Start Ende 2007 oder Anfang 2008.
Südkorea
COMS-1 und -2
die Starts dieser multifunktionalen Satelliten, die
Anwendungen zur Meteorologie, Meeresbeobachtung und
Telekommunikation unter einem Dach vereinen, sind für
2008 und 2014 geplant. Sie werden auf 116,2° oder 128,2°
Ost betrieben.
Japan
MTSAT-1R
MTSAT-2
seit dem 28. Juni 2005 auf 140° Ost in Betrieb.
Start am 18. Februar 2006, steht auf 145° Ost in
Stand-by-Position. Die nächsten Satelliten werden
2013 und 2015 gestartet.
(1) Mai 2007, Quelle: EUMETSAT
(2) Friedhofsorbit: Wenn ein Satellit auf einem nützlichen Orbit ausgedient hat, wie zum Beispiel auf der
geostationären Umlaufbahn, wird er in eine sogenannte Friedhofsbahn manövriert, die sich mehrere hundert
Kilometer „oberhalb“ seiner Umlaufbahn befindet. So verbrauchen die Satellitenbetreiber auch den
Resttreibstoff auf dieser letzten Reise. Damit wird Platz für einen neuen Satelliten freigemacht und vermieden,
dass Treibstoffreste des ausgedienten Satelliten plötzlich eine unerwünschte Explosion im Orbit verursachen,
die wiederum Quelle für neue „Trümmer“ ist.
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
25
WELTRAUMMÜLL
Die Spuren des Menschen
im Weltraum
Eine kaum bekannte Problematik: Wenn sich das
Verhalten bei der Nutzung des Weltraums nicht ändert,
birgt Weltraummüll die Gefahr, die nützlichen
Umlaufbahnen zu verstopfen. Heiner Klinkrad, Leiter
des Büros für Raumfahrtrückstände des ESOC(1), macht
eine Bestandsaufnahme, nachdem am 11. Januar eine
chinesische ballistische Rakete den außer Betrieb
gesetzten Wettersatelliten Feng-Yun 1C zerstörte und
dadurch mindestens 1 600 neue Trümmerteile schuf.
„D
ies ist in Bezug auf die Anzahl
verursachter Rückstände das
größte bekannte Ereignis“,
kommentiert Heiner Klinkrad.
„Die bis heute gefundenen Teile erweitern den in
den vergangenen 15 Jahren erstellten Katalog um
15 %.“ Er unterstreicht, dass „Missionen heute zwar
noch sicher durchgeführt werden können. Aber
aus amerikanischen Untersuchungen geht hervor,
dass sich, selbst wenn wir unsere Aktivitäten im
Weltraum einstellen würden, die Müllmenge in
bestimmten Höhen noch vergrößern wird und
damit auch das Kollisionsrisiko steigt.“
Kollisionen und Explosionen
Der Weltraummüll stammt aus verschiedenen
Quellen. Kollisionen können zufällig sein. Der
bekannteste Fall ist mit Abstand jener des französischen Satelliten Cerise. „Zehn Jahre nach der
Explosion der oberen Stufe der Ariane-Rakete ist
1996 ein Trümmerstück auf den französischen
Satelliten aufgeprallt“, erklärt Heiner Klinkrad. Nach
diesem Ereignis konnten bereits zwei weitere
Zusammenstöße beobachtet werden.
Kollisionen können aber auch absichtlich herbeigeführt werden, wie im Fall der chinesischen
Rakete.
In jedem Fall sind jedoch Explosionen die häufigste
Ursache für die Verursachung von Trümmern.
„Seitdem der Weltraum erobert wird, wurden rund
200 Explosionen gezählt. Aber in den vergangenen
Jahren hat sich dieses Phänomen beschleunigt.
Der Jahresdurchschnitt von vier bis fünf Explosionen hat sich nunmehr verdoppelt. Diese Unfälle
gehen auf abgestoßene Stufen nach Absetzung
der Satelliten im Orbit zurück oder auf ältere Weltraumfähren, deren Resttreibstoff sich entzündet
hat.“
Projektilen ausweichen
Die Zahl der von der Erde aus zu beobachtenden
über 10 cm großen Bruchstücke wird auf rund
18 000 geschätzt. Davon sind 11 500 erfasst. Das
Raumflugkontrollzentrum ESOC, das seinen Sitz in
Deutschland hat, kümmert sich täglich um Ausweichmanöver hinsichtlich der Trümmer dieser
Größe. Aber für die 550 000 Teilchen, die nur zwischen 1 cm und 10 cm groß sind und die nicht
aufgezeichnet werden können, sind Ausweichmanöver unmöglich. Mit ihren Geschwindigkeiten, die
bis zu 70 000 km/h betragen, können sie jedoch
einen beträchtlichen Schaden anrichten.
Die Forschungen der ESA machen auch im Hinblick auf die Modellbildung der Flugbahn dieser
Trümmer und bei der Konzeption fortschrittlicher
Schutzsysteme Fortschritte, vor allem durch die
Untersuchung der Auswirkungen von Objekten,
die auf die Erde zurückgefallen sind.
© CNES/David Ducros
Praktiken ändern
Aber selbst wenn diese Schutz- und Ausweichmaßnahmen die durch den Menschen geschaffenen Risiken reduzieren, müssen die herrschenden
Praktiken weiterentwickelt werden, um die wie in
einer Kettenreaktion stattfindende Ausbreitung
der Trümmer zu bremsen. „Wir müssen zunächst
einmal vermeiden, Objekte abzustoßen, sofern
dies nicht für den Ablauf der Mission unbedingt
erforderlich ist. Dies ist beispielsweise der Fall bei
den optischen Linsen, die nach Gebrauch abgestoßen werden. Des Weiteren müssen Explosionen
durch Reste von Satellitentreibstoff nach Ende der
Mission vermieden werden. Und schließlich ist die
Entfernung der Teile aus nützlichen Umlaufbahnen
das wirksamste Mittel, wie beispielsweise aus der
geostationären Umlaufbahn, in der es nur eine
begrenzte Zahl von Plätzen gibt, die alle bereits
besetzt sind. In einer Höhe von 36 000 km können
die Satelliten auf dieser Umlaufbahn nicht mehr in
die Atmosphäre gebracht werden, um sie durch
Erhitzung zu zerstören. Am Ende ihrer Lebenszeit
werden sie deshalb in eine 300 km höher liegende „Friedhofsbahn“ manövriert. Im Gegensatz
dazu ist die atmosphärische Auflösung für diejenigen Satelliten möglich, die sich in niedrigeren
Umlaufbahnen befinden“, erklärt Heiner Klinkrad.
Derzeit haben die internationalen Bemühungen
dazu geführt, dass sich 67 Länder auf Prinzipien geeinigt haben, die im Rahmen des COPUOSAusschusses (Committee on the Peaceful Uses of
Outer Space) der Vereinten Nationen erlassen wurden. Aber es gibt immer noch keine zwingende
Einigung, mit der die Unterzeichnerstaaten wirksam gebunden werden könnten. Und laut Heiner
Klinkrad wird es, „wenn wir nicht sehr bald unsere
Handlungsweise ändern, in 50 Jahren weit mehr
zufällige Kollisionen als Explosionen geben. Eine
internationale Gesetzgebung würde uns in diesem
Bereich dabei helfen, ein solches Szenario zu
vermeiden.“
(1) Europäisches Raumflugkontrollzentrum der Europäischen
Weltraumorganisation (ESA)
26
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
GMES
Umwelt unter strenger
Beobachtung
Die Annäherung zwischen der Europäischen Union
und der Europäischen Weltraumorganisation, ESA,
erfolgt vor allem über das GMES-Programm (1). Hierbei
geht es um die globale Überwachung der Umwelt im
Allgemeinen für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohlstand der Bürger Europas und für ihre
Sicherheit. Ein Gespräch mit Volker Liebig, ESA-Direktor
für Erdbeobachtungsprogramme bei ESRIN (ESA).
ie Europäische Union hat sich
2001 entschlossen, eine Initiative für die Globale Umweltund Sicherheitsüberwachung
(GMES) in die Wege zu leiten. Dieses
Weltraumpuzzle besteht aus mehreren Satelliten: den Sentinel-Missionen der ESA,
die aus jeweils mehreren operationellen
und mit ganz bestimmten Formen der Beobachtung betrauten Satelliten bestehen.
D
Im Rahmen des GMES-Programms
kommen ganz neue
Erdbeobachtungssatelliten ins Spiel: die
Sentinel-Satelliten der ESA. In ihrem
Zusammenhang spricht man meist von
einem dualen (militärischen und zivilen)
Einsatzzweck. Und außerdem steht der
Buchstabe „S“ in GMES für „Sicherheit“.
Was genau ist damit gemeint?
Mit der dualen Technologie ist sowohl ein ziviler als auch ein militärischer Einsatz der neuen
Generationen von Erdbeobachtungssatelliten
möglich. Man weiß zum Beispiel, dass die italienischen Radarsatelliten des Typs Cosmo Sky
Med, die auch für militärische Zwecke genutzt
werden, im Rahmen von GMES ebenfalls zu
40 % eingesetzt werden könnten. Aber in diesem Fall geht es selbstverständlich um die öffentliche Sicherheit – die Überwachung der
Grenzen der Europäischen Union oder auch
die Kontrolle der illegalen Einwanderung über
das Meer.
In dieser Hinsicht haben wir hier bei der ESA einen ersten Prototypen entwickelt: das Projekt
MARISS (MARItime Security Services). Es soll
durch weltraumgestützte Überwachung und
Identifikation von Schiffen, insbesondere im
Mittelmeer, vor allem die illegale Einwanderung
nach Europa eindämmen. Man kann damit aber
auch die Übergabe illegaler Warenlieferungen
auf dem Meer, Waffenhandel usw. aufdecken.
Werden die Dienste, die das GMESProgramm eines Tages leisten wird,
nicht bereits von der „Internationalen
Charta“ abgedeckt?
Sicherheit hat, wohlverstanden, auch mit der
Überwachung von Naturkatastrophen und der
schnellen Organisation von Rettungseinsätzen
zu tun. Bei einem Tsunami beispielsweise
ermöglichen es die Satellitenbilder, die im Rahmen der internationalen Charta verbreitet
werden, das Ausmaß der Schäden sofort nach
der Katastrophe zu bestimmen, da die neuen
Bilder mit Archivbildern verglichen werden
können. Bei GMES wird diese Art der Dienstleistung zeitlich nicht begrenzt sein, d. h. sich
nicht auf wenige Tage nach einer Katastrophe
beschränken. Es handelt sich hierbei um einen
kontinuierlichen Überwachungsdienst, der, falls
möglich, auch präventiv sein kann und einen
Mehrwert bietet. Bleiben wir beim Tsunami.
GMES würde zusätzlich wertvolle Informationen über den Straßenzustand liefern können,
über die Existenz einer Brücke, nachdem die
Welle abgeklungen ist, zur Analyse der
Örtlichkeiten, um den optimalen Ort für den
Aufbau eines Flüchtlingslagers zu bestimmen,
oder auch für die Lokalisierung von Trinkwasserquellen.
Dieser Beitrag der Satellitendaten wird damit
von zahlreichen nachgelagerten Diensten
unterstützt, während die Charta nur punktuell
Daten liefert, ohne zusätzliche Dienste.
Könnte man sagen, dass das GMESProgramm auch einen politischen Zweck
verfolgt?
Absolut. GMES verfolgt in Wirklichkeit ein
doppeltes Ziel: ein operationelles und ein politisches. Europa will sich mit diesen neuen
Instrumenten ausstatten – einerseits, indem ein
föderatives operationelles System eingesetzt
wird, das allen Europäern zugutekommt,
wodurch sich Europa aus der Abhängigkeit
von Drittstaaten hinsichtlich der Sammlung
von Weltraumdaten befreit, andererseits aber
auch, indem die europäischen Nationen sich
für ihren eigenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen zusammenschließen.
Was kostet die Durchführung von
GMES?
Wenn man nur die drei ersten „Sentinel-Satelliten“ und die Vorplanungsphasen für Sentinel-4
und -5 berücksichtigt, so benötigen wir ein Budget in Höhe von 1,17 Milliarden Euro. Dieses
Budget wird über Investitionen der ESA und
der Europäischen Kommission gedeckt.
(1) Global monitoring for environment and security.
research*eu SPEZIAL SATELLITEN I SEPTEMBER 2007
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© ESA Universität Jena – Chinesische Akademie für Forstwirtschaft
KI-AH-07-S02-DE-C
BILD DER WISSENSCHAFT
Mosaik vom
Nordosten Chinas
Dieses aus vielen kleinen Teilen zusammengesetzte Bild
wurde aus einer Kombination der Daten der Satelliten
ERS-1 und ERS-2 erstellt. Wälder erscheinen in Grün, die
landwirtschaftlichen Gebiete in Orange sowie Gelb, und
die blauen Flecken stellen die zugefrorenen Seen Hulun
Nur und Buir dar.
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