Wissenschaft und Praxis Wurmbefall bei der Legehenne: Lästige Untermieter ! Durch das Käfighaltungsverbot sind Parasitosen in der Legehennenhaltung, u.a. die Würmer, wieder auf dem Vormarsch. Ungefähr 50 % der Halter in der Schweiz stellen ihren Hennen einen «Aussenklimabereich» zur Verfügung. Fast die Hälfte dieser Tiere profitiert zusätzlich von einem Auslauf oder einer Weide. Würmer, die durch ihre Biologie auf bestimmte Biotope im Freien angewiesen sind, bekommen auf diese Weise ihre Endwirte auf dem Tablett serviert. Einige dieser im Darmtrakt des Huhnes parasitierenden Arten können bei massivem Befall für schwere Erkrankungen sowie für erhebliche wirtschaftliche Verluste verantwortlich sein. Untersuchungen der letzten zehn Jahre ergaben einen durchschnittlichen Wurmbefall von knapp 20 %. Somit ist jede fünfte Legehenne verwurmt. Ein durchdachtes Management in Sachen «Verwurmung» ist deshalb von Bedeutung. Denn: Salmonellen sind zwar wichtig, aber wir sollten den Wurm nicht unterschätzen. Vorkommen und Biologie der häufigsten Darmwürmer Spulwürmer (Askariden), Haarwürmer (Capillarien) und Pfriemenschwänze (Heterakiden) gehören zur wirtschaftlich bedeutsamsten Klasse von Würmern beim Huhn, den Rundwürmern (Nematoden). Spulwürmer, als gelb-weisse, 2 - 5 cm lange Parasiten, werden am häufigsten im Darm der Henne gefunden. Bei massivem Befall kann es zu Verstopfung des Darmlumens und im Extremfall zu einem Darmverschluss kommen. Haarwürmer kommen im gesamten Darmtrakt vor, sind durch ihre Grösse (0,5 - 4 mm) aber schwierig zu erkennen. Die ebenfalls feinen Pfriemenschwänze (1 - 8 mm) sitzen ausschliesslich in den Blinddärmen und besitzen eine Bedeutung als Träger von Histomonaden. Bandwürmer (Zestoden) sind aufgrund ihrer geringeren pathogenen Wirkung für den Hühnerhalter ein kleineres Problem. Durch ihre Grösse von bis zu 5 - 10 cm sind sie leicht erkennbar. An Würmern erkranken vor allem Jungtiere, während ausgewachsene Hennen häufig klinisch gesunde Ausscheider sind. Der Verdacht auf Wurmbefall be- steht bei zu geringem Eigewicht, blassen Eidottern, Durchfall, dem «Auseinanderwachsen» der Herde und erhöhten Abgängen. Die Diagnose «Wurmbefall» wird durch die Untersuchung von Darminhalt bei der Sektion oder der Aufschwemmung von Kotproben gestellt. Dabei werden reife Stadien oder Eier nachgewiesen. Die Infektion erfolgt über die Aufnahme dieser Eier, die sich im Darmtrakt des Tieres zu reifen Würmern entwickeln, welche erneut Eier legen (Präpatenzzeit: Zeitdauer von der Aufnahme der Eier durch das Huhn bis zur erneuten Ausscheidung von Eiern). Die Ausscheidungsrate soll vier Monate nach der Infektion am höchsten sein. Unter geeigneten Bedingungen bleiben die Eier mehrere Monate infektiös. Sie reagieren empfindlich auf Trockenheit, Hitze, direkte Sonneneinstrahlung und langandauernde Frostperioden (-5°C bis -10°C). Die höchste Infektionsrate besteht daher im Frühjahr, den Frühsommermonaten und im Herbst. Je nach Wurmspezies durchlaufen die Eier eine direkte oder indirekte Entwicklung. Die Zwischenwirte, die bei indirekten Zyklen eine Rolle spielen, ermöglichen einen ersten Entwicklungsschritt der Tab. 1 Übersicht über die häufigsten Darmwürmer des Huhnes Spulwürmer Bandwürmer Haarwürmer Pfriemenschwänze Ascaridia galli Versch. Cestodenarten Capillaria obsignata u.a. Heterakis gallinarum Dünndarm Dünndarm ganzer Darm Blinddärme direkt indirekt direkt / indirekt direkt – Nacktschnecken, Ameisen, Käfer, Fliegen, Mücken, Bienen, Wespen Regenwürmer – (Regenwürmer) Schnecken – Regenwürmer Präpatenzzeit 35 - 42 Tage (Jungtiere) bzw. 50 - 65 Tage (Alttiere) 14 - 21 Tage 20 - 26 Tage 24 - 30 Tage Krankheitserscheinungen Inappetenz, Durchfall, Blutleere, Legeleistung È, (Darmverschluss) selten Todesfälle Durchfall, Abmagerung, Legeleistung È Inappetenz, Durchfall Schadwirkung +++ +/- +/++ +/- Häufige Vertreter Lokalisation Entwicklungszyklus Zwischenwirte Stapelwirte 10 SGZ 5/04 Wissenschaft und Praxis im Ei lebenden Larve, bevor sie durch das Huhn aufgenommen werden. Durch die Kontamination der Einstreu mit infektiösen Eiern kommt es immer wieder zu Reinfektionen, welche durch oftmals ungenügende oder falsche Entwurmung nur abgeschwächt, aber kaum vollständig verhindert werden können. Zusätzlich macht der permanente Wurmbefall die Tiere anfälliger für andere Erreger, da durch entstandene Läsionen im Darm Eintrittspforten für Krankheitskeime entstehen. Die Darmparasiten, welche einen Zwischenwirt benötigen, haben seit der Einführung der Auslauf- und Freilandhaltung stark zugenommen und erhöhen den Infektionsdruck auf die Tiere. Hinzu kommt, dass einige dieser Zwischenwirte auch als Stapelwirte auftreten, in denen keine Weiterentwicklung des Parasiten stattfindet, die Überdauerung ungünstiger klimatischer Zeiträume aber durchaus möglich ist. Fristlos kündigen! Die Durchführung einer effizienten Wurmbekämpfung setzt die Kenntnis der prädisponierenden Faktoren voraus. In der Stallhaltung besteht der ständige Kontakt mit Einstreu und Kot, was wiederkehrende Infektionen ermöglicht. Selbst die Einstallung einer neuen gesunden Herde in gereinigte und desinfizierte Ställe verhindert in den meisten Fällen eine Infektion nicht. Eier werden innerhalb kürzester Zeit über den Menschen (Kleider, Stiefel), Gerätschaften, Futtersäcke und Haustiere wie Katzen oder Hunde eingeschleppt. Im Auslauf sind die Hühner durch Zwischenwirte und infizierte Wildvögel einem hohen Infektionsdruck ausgesetzt. Zudem können Ausläufe schlecht gereinigt und desinfiziert werden. Allgemeine Hygienemassnahmen wie Händewaschen sowie Kleider- und Stiefelwechsel zwischen einzelnen Ställen sind strikt einzuhalten. Besuche, auch hofeigener Hunde und Katzen, die meist unbemerkt vom Halter ihre persönlichen Besuchszeiten im Stall wahrnehmen und damit im Fell haftende Wurmeier zurück in den Stall tragen, sind zu verhindern. Das Herumstehen von offenen Futtersäcken zieht zusätzlich Käfer und andere Insekten an. Stallen Sie nur wurmfreie Junghennen ein – lassen Sie sich entsprechende Untersuchungsresultate vorlegen! Eine sofortige Behandlung ist angezeigt, wenn ein Abfall der Leistungsparameter wie blasse Eidotter oder reduzierte Legeleistung besteht oder bei Untersuchungen adulte Würmer oder Eier gefunden werden. Ziel eines Entwurmungsprogrammes ist, den Infektionsdruck auf die Tiere innerhalb einer realistischen Zeitspanne deutlich zu reduzieren. Behandlungsintervalle müssen so gewählt werden, dass infektiöse Eier nicht zu adulten Würmern heranreifen können und der Zyklus damit unterbrochen wird – das bedeutet, wenige Tage kürzer als die Präpatenzzeit der involvierten Wurmspezies. Während der Behandlung und einige Tage danach dürfen die Tiere nicht auf die Weide gelassen werden, da während dieser Zeitspanne grosse Mengen an Eiern und Würmern ausgeschieden werden. Danach sollten die Hennen ins Grüne verbracht werden, um im Stall und im Wintergarten die Einstreu zu wechseln und eine gründliche Reinigung und Desinfektion durchzuführen. Parallel zur Behandlung sollte im Auslauf und auf der Weide die Bekämpfung Bild (NRGK): Darm einer Legehenne mit massivem Spulwurmbefall SGZ 5/04 11 Wissenschaft und Praxis von Zwischenwirten beginnen. Häufig gelingt die Vernichtung von Parasiteneiern und Zwischenwirten nur mit gasförmigen Desinfektionsmitteln. Die regelmässige Kotentfernung, das Abtragen und Ersetzen von Erdreich und vor allem die Stärkung von übermässig genutzten Bereichen sind geeignete Massnahmen. Bei Stellen ohne Grasnarbe empfiehlt sich die Behandlung mit Heissdampf. In längeren Zeitabständen kann der Auslauf auch mit Kalkmilch oder Chlorkalk umgegraben werden. Im Idealfall können Wech- Schema: Beispiel einer Wurmbekämpfungsstrategie ¾ normale Legeleistung 1. 2. ¾ keine Behandlung ¾ regelmässige Untersuchung von Kotproben im Frühling und im Herbst ¾ Pflege des Auslaufes ¾ Einstreuwechsel & gründliche Reinigung und Desinfektion nach der Ausstallung ¾ Wurmfreie Junghennen einstallen!! ¾ Hygiene! (Stiefelwechsel usw.) ¾ klinisch gesunde Tiere ¾ negativer Kotbefund (kein Wurmbefall) ¾ Positiver Kotbefund (nur Bandwürmer oder Pfriemenschwänze) ¾ normale Legeleistung ¾ klinisch gesunde Tiere ¾ negativer Kotbefund (kein Wurmbefall) 3. ¾ Sektion erkrankter oder verendeter Tiere ¾ abfallende Legeleistung, magere Tiere ¾ erhöhte Abgänge Behandlung ¾ abfallende Legeleistung ¾ blasse Eidotter, geringe Eigewichte 4. ¾ Durchfall, erhöhte Abgänge & ¾ Positiver Kotbefund (reife Würmer und Wurmeier gefunden) 1. Wählen eines geeigneten Präparates; Entwurmung nach Vorschrift o Benzimidazole, Piperazin-Präparate 2. Herde während der ganzen Behandlungsdauer im Stall behalten 3. Während dieser Zeit Weide pflegen (Ausbesserung übernutzter Stellen, Kot entfernen usw.) 4. Nach Abschluss der Behandlung Herde auf Weide verbringen 5. Einstreuwechsel, Reinigung und Desinfektion von Stall und Wintergarten 6. Erneute Kotuntersuchung vier Wochen nach Abschluss der Behandlung: falls positiv erneute Entwurmung (Punkte 1-5) selausläufe angeboten werden, so dass Wurmeier ohne Entwicklungschance absterben. Genutzte Ausläufe sollten entweder nicht direkt nebeneinander liegen oder über eine «kriechsichere» Abtrennung verfügen, da Zwischenwirte in benachbarte Ausläufe auswandern. Kritisch sind vor allem stallnahe Bereiche, wo dem Boden keine Ruhephase gegönnt wird. In Betrieben, wo mehrere Herden die gleichen Ausläufe nutzen, gilt die Regel: Jungtiere vor Alttieren. Die gleichzeitige Haltung zusammen mit Igeln oder Laufenten reduziert die Zahl von potentiellen Zwischenwirten wie Schnecken und Würmern. Wohnangebote für Fledermäuse auf dem Betrieb dienen dem Fledermausschutz wie auch der Insektenreduktion ausserhalb des Stalles. Dr. med. vet. Corinne Rutz, Institut für Veterinärbakteriologie, UNI Zürich Schnabelkürzen bei Legeküken in der Schweiz: Wie häufig sind Missbildungen? In der Legehennenhaltung sind Federpicken und Kannibalismus häufige und schwerwiegende Probleme. Ein oft angewandtes Mittel dagegen ist das meist prophylaktisch angewandte Kürzen des Schnabels. Dadurch soll erreicht werden, dass der Schnabel stumpfer wird, und die Tiere sich beim gegenseitigen Bepicken weniger verletzen können. Der Eingriff vermindert zwar die Folgen des Bepickens (Gefiederschäden, Verletzungen), er vermag jedoch nicht die Ursachen zu bekämpfen. In der Schweiz ist das Kürzen der Schnäbel laut Tierschutzverordnung erlaubt (Art. 65), sofern die Tiere nach dem Eingriff noch normal fressen können (Art. 26). Die BTS-Verordnung verbietet nur das «Coupieren» ausdrücklich und somit bleibt ein leichtes Schnabelkürzen oder eben 12 «Touchieren» weiterhin möglich. Die durchgeführte Untersuchung soll zeigen, wie sich das heute in der Schweiz praktizierte Schnabelkürzen auf die Schnabelform auswirkt. Die Resultate werden die Grundlage bilden für eine praxisgerechte Definition des Begriffes «Touchieren». Methode Untersucht wurden 56 schnabelgekürzte Herden und 37 Herden ohne Eingriff am Schnabel. Die nicht schnabelgekürzten Herden dienten als Kontrolle, um die Häufigkeit der Missbildungen abzuschätzen, die nicht auf das Schnabelkürzen zurückzuführen sind. Die Schnabelbeurteilungen fanden in der 15. Alterswoche, kurz vor dem Umstallen in den Legestall statt. Um mögliche Veränderungen der aufgenommenen Schnabelmerkmale über die Zeit zu dokumentieren, erhoben wir an 42 Herden (je 21 schnabelgekürzte und nicht schnabelgekürzte Herden) zusätzlich Daten in der 6., 33. und 42. Alterswoche. SGZ 5/04