Disinhibierte Amplituden des Medianus-Sep

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Aus der Neurologischen Klinik
der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil – Universitätsklinik –
der Ruhr – Universität Bochum
Direktor: Prof. Dr. med. J. - P. Malin
Disinhibierte Amplituden des Medianus - SEP - R als neurophysiologisches Korrelat einer rTMS –
induzierten Exzitabilitätssteigerung des somatosensorischen Kortex
Kumulative
Inaugural – Dissertation
zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin
einer
Hohen Medizinischen Fakultät
der Ruhr - Universität Bochum
Vorgelegt von
Dipl. - Ing. Michael Becker
aus Witten
2005
Dekan:
Prof. Dr. med. G. Muhr
Referent:
Prof. Dr. med. M. Tegenthoff
Korreferenten:
Prof. Dr. rer. nat. K. Funke
Priv. – Doz. Dr. med. M. R. H. Haupts
Tag der mündlichen Prüfung:
25.04.2006
Meinen Eltern, meiner Frau und meinen Kindern gewidmet
Inhaltsverzeichnis
1
EINLEITUNG .........................................................................................................................7
1.1
Kortikale Plastizität .............................................................................................................................. 7
1.2
Transkranielle Magnetstimulation (TMS) .............................................................................................. 9
1.2.1
Physikalische Grundlagen der TMS ............................................................................................... 9
1.2.2
Die repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS).................................................................. 12
1.3
Somatosensibel evozierte Potentiale.................................................................................................. 15
1.4
Problemstellung................................................................................................................................. 19
2
METHODIK..........................................................................................................................20
2.1
Probanden ......................................................................................................................................... 20
2.2
Ableitung des Medianus - SEP ........................................................................................................... 20
2.3
Applikation der rTMS ......................................................................................................................... 22
2.4
Versuchsablauf.................................................................................................................................. 23
2.5
Datenauswertung und statistische Verfahren..................................................................................... 24
2.5.1
Statistische Verfahren................................................................................................................. 24
3
ERGEBNISSE .....................................................................................................................25
3.1
Darstellung der individuellen Quelldaten............................................................................................ 25
3.2
Betrachtung der Mittelwerte / Gruppeneffekte .................................................................................... 28
4
DISKUSSION.......................................................................................................................30
4.1
Veränderungen kortikaler Exzitabilität................................................................................................ 30
4.2
rTMS über dem primär sensiblen Kortex ............................................................................................ 32
4.3
Interindividuelle Schwankungen der Suppression nach rTMS ............................................................ 34
5
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK...........................................................................36
6
LITERATURVERZEICHNIS.................................................................................................37
7
ANHANG .............................................................................................................................44
DANKSAGUNG ...........................................................................................................................45
LEBENSLAUF .............................................................................................................................46
EINBINDUNG DER VERÖFFENTLICHUNG................................................................................47
Abkürzungsverzeichnis
∇
Nabla, Differentialoperator
σ
Leitwert
A
Ampere
CT
Computertomographie
E
Elektrisches Feld
EEG
Elektroencephalographie
ERP
Ereigniskorrelierte evozierte Potentiale
FDI
Flexor digitorum interosseos I
fMRI
Funktionelle Magnetresonanztomographie
Hz
Hertz, 1/s
ISI
Interstimulusintervall bei der pSEP-Ableitung in ms
ICI
Intracortical inhibition
J
Stromdichte
MEG
Magnetencephalographie
MRI
Magnetresonanztomographie (Magnetic resonance imaging)
MT
Motorische Ruheschwelle ( motor threshold)
NMDA
N - methyl - D - aspartate
PET
Positronenemissionstomographie
rTMS
Repetitive Transkranielle Magnetstimulation
SEP
Somatosensibel evozierte Potentiale
SEP-R
SD
Somatosensibel evozierte Potentiale - Recovery, (synonym: paired SEP, pSEP)
Standardabweichung
SI right_IF
Lokalisation des Repräsentationsfeld des Indexfingers (rechts) im primär somatosensorischen Kortex
SI LINKS
Primär somatosensorischer Kortex linkshemisphärisch (entsprechend SI RECHTS : rechtshemisphärisch)
TES
Transkranielle elektrische Stimulation
TMS
Transkranielle Magnetstimulation
1. Einleitung
1
Einleitung
1.1
Kortikale Plastizität
Die anatomisch - morphologische Auffassung des menschlichen Gehirns um 1950 [48] war mit
unveränderlichen kortikalen Repräsentationsarealen verbunden, die als Grundlage einer stabilen
Wahrnehmung galten. Das Modell konnte jedoch nicht die enormen funktionellen Verbesserungen
und Reorganisationsprozesse der Patienten nach ZNS - Verletzungen oder cerebralen Ischämien
erklären, so dass sich nachfolgend, um die oben geschilderten dynamischen Aspekte zu erfassen,
der Begriff der kortikalen Plastizität etablierte [8, 9].
Es entwickelten sich verschiedene Modelle zur Erklärung dynamischer Reorganisationsvorgänge
des ZNS. In Anlehnung an die Entwicklung des menschlichen Gehirns im Säuglingsalter und durch
Beobachtung der strukturellen Umbauprozesse nach Deafferentierung im peripheren und zentralen
Nervensystem wurde der Begriff des „Sprouting“ [11, 49] geprägt. Dieses Modell vermochte jedoch
nicht die zeitnahen dynamischen Veränderungen, die beispielsweise schon Minuten oder Stunden
nach einer frischen Läsion des ZNS auftreten können, erklären.
Rasche plastische Umbauvorgänge wie sie beispielsweise als Folge von Immobilisation, Übung und
Gebrauch trainierter Motorik, peripherer sensorischer Stimulation oder gesteigerter Perzeption und
Kognition auftreten, zeigen sich in zahlreichen neurophysiologisch messbaren Veränderungen, z.B.
in Variationen der Ausdehnung und Lokalisation eines betrachteten kortikalen Areals [72].
Erforderlich für schnelle dynamische Reorganisationsprozesse des ZNS sind nach heutigem
Wissensstand Veränderungen von Exzitation, Fazilitierung und Inhibition kortikaler Areale oder
Funktionssysteme. Für diese Reorganisationsprozesse sind neben den determinierenden
Eingangssignalen, z.B. beim perzeptuellen Lernen die Hebb`sche Koaktivierung [23], besonders
auch die Interaktionen zwischen Neurotransmittern und neuronalen Zellrezeptoren sowie
pharmakologische Einflüsse [74, 14] verantwortlich. Dabei ist insbesondere die Aktivierung von
NMDA Rezeptoren durch Glutamat für eine gesteigerte synaptische Effizienz verantwortlich und
begünstigt somit kortikale Reorganisationstendenzen. GABAerge Mechanismen hingegen
stabilisieren eher repräsentative kortikale Felder und wirken plastischen kortikalen Veränderungen
entgegen [24, 65].
7
1. Einleitung
Die Mechanismen der kortikalen Reorganisation werden auf verschiedenen Ebenen diskutiert. Diese
reichen von der molekularen Ebene im Bereich der Synapse eines Neurons über die Betrachtung
einer einzelnen Zelle bis hin zur Gesamtbeobachtung von Zellverbänden einzelner funktioneller
Systeme innerhalb des zentralen Nervensystems. Während die Untersuchungen auf zellulärer
Ebene oft auf experimentellen Tierstudien basieren, kann die kortikale Plastizität funktioneller
Systeme auch zusätzlich mit verschiedenen neurophysiologischen Verfahren und nichtinvasiven
bildgebenden Techniken am Menschen erforscht werden [62]. In Abb. 1 werden verschiedene dieser
technischen Methoden zur Erfassung der kortikalen Plastizität hinsichtlich des räumlichen und
zeitlichen
Auflösungsvermögens
sowie
der
Fähigkeit,
mit
dynamischen
kortikalen
Abb. 1: Instrumente zur Untersuchung kortikaler Plastizität [68]
Die Abbildung illustriert verschiedene Ebenen und Untersuchungsmethoden der kortikalen Plastizität. TMS
und rTMS können zusätzlich plastische Veränderungen in kortikalen Arealen und funktionellen Systemen
hervorrufen.
Reorganisationsprozessen zu interferieren, dargestellt. Während die Neuroimaging - Verfahren fMRI
und PET eine hohe Korrelation zwischen physischen bzw. kognitiven Ereignisse zur Lokalisation
anatomischer Substrate bieten, kann insbesondere die transkranielle Magnetstimulation (TMS) bei
ähnlicher räumlicher Auflösung zusätzlich mit zerebralen Informationsprozessen interferieren [68].
Wie lange die plastischen Veränderungen durch rTMS andauern und wie man sie mit rTMS erreicht,
sind Gegenstand aktueller Studien und auch Thema der vorliegenden Arbeit.
8
1. Einleitung
1.2
Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
Bereits 1875 untersuchte Ferrier die Auswirkungen einer elektrischen Stimulation des Gehirns bei
Hunden und Affen durch direktes Anbringen von Elektroden (TES) im Bereich des Kortex.
D`Arsonval präsentierte 1896 den ersten Bericht über induzierte Phosphene durch magnetische
Stimulation der Retina des Menschen. Der Arbeitsgruppe um Barker gelang es 1985, im Bereich des
menschlichen Kortex einen Strom über ein Magnetfeld zu induzieren und somit eine - im Gegensatz
zur TES - schmerzfreie, sichere, nicht - invasive elektrische Stimulation zu erreichen. In der
Weiterentwicklung der TMS berichteten Amassian et al erstmals 1989 über die Möglichkeit, gezielte
virtuelle Läsionen des motorischen und des visuellen Kortex durch TMS hervorrufen zu können.
1.2.1
Physikalische Grundlagen der TMS
Neuronale Zellen können durch ein appliziertes elektrisches Feld E stimuliert werden. Dabei bewirkt
E definitionsgemäß eine in Feldrichtung verlaufende Verschiebung positiver elektrischer Ladungen
entlang der elektrischen Feldlinien. Verläuft das E - Feld im menschlichen Gewebe, resultiert eine
intra - und extrazelluläre Ladungsverschiebung. Ob das elektrische Feld E eine Hyperpolarisation
oder Depolarisation eines Axons bewirkt, hängt von der Ladungsverteilung entlang des Axons ab
[45]. Diese wird durch die „Aktivierungsfunktion“ [6, 7, siehe Formel 1] näher charakterisiert. Dabei
wird die Änderung des E - Feldes entlang eines Axons, dessen räumlicher Verlauf vereinfachend
(siehe auch Abb. 2) ab dem Abszissenpunkt δ durch die Funktion v = f(u) beschrieben wird,
festgelegt [1]. Das E - Feld ist hierbei als eindimensionales, in X - Richtung verlaufendes, nicht
konstantes Feld angesetzt worden. Es wird deutlich, dass die Aktivierung, die zur Hyperpolarisation
oder Depolarisation des Axons führt, einerseits, gemäß T1, von der Veränderung des E - Feldes
entlang des Axons abhängig ist und andererseits, entsprechend T2, durch den Verlauf des Axons
selbst im E-Feld bestimmt wird. Für den Sonderfall eines gerade verlaufenden Axons mit
dv
=0
du
wird T1=1 und T2=0. Zur Aktivierungsfunktion trägt dann nur die Ableitung des E - Feldes in
Verlaufsrichtung des Axons bei. Im Fall eines Axonendes wird die Ableitung der nicht stetig
verlaufenden Funktion f(u) groß, so dass T1 vernachlässigbar wird und allein T2 zur Aktivierung und
somit zur Depolarisation des Axons beiträgt.
9
1. Einleitung
Das Modell beschreibt vereinfachend die prinzipiellen Mechanismen, die durch die E – Feld –
Komponente entlang eines Axonabschnitts zur Depolarisation beitragen.
Abb. 2: Magnetische Stimulation eines gebogenen Axons [modifiziert nach 1]
dE
dl
l
⎞
⎛
⎞
⎛
⎜ ⎛ dv ⎞ ⎛ d 2 v ⎞ ⎟
⎟
⎜
⎜
⎟
⋅
⎜
⎟
2 ⎟ ⎟
⎜ du
⎜
⎟ dE x
⎜
1
⎝
⎠ ⎝ du ⎠ ⎟
Ex
− ⎜
= ⎜
⎟
2
2
2
⎜ ⎡
⎜
⎛ dv ⎞ ⎟ dx
dv ⎞ ⎤ ⎟
⎛
⎜ ⎢1 + ⎜
⎟ ⎥ ⎟
⎜ 1 + ⎜ du ⎟ ⎟
⎜ ⎢
⎝
⎠ ⎠
⎝ du ⎠ ⎥⎦ ⎟⎠
⎝1 44 2
⎝1⎣ 4 4
44
3
2 4 43
T1
Formel 1: Aktivierungsfunktion [1]
T 2
dl = Axonabschnitt dl,
du = Komponente von dl in x-Richtung
El = E in Richtung des Axonabschnitts dl
v = f(u), Verlauf des Axons
Ex= E in x-Richtung
δ
= geradliniger Verlauf des Axons
Überdies entstehen Depolarisationen durch transversale E-Feldkomponenten, die im Vergleich zu
den oben dargestellten Effekten in longitudinaler Richtung des Axons eine untergeordnete Rolle
spielen [56]. Abb. 3 fasst die Effekte, bei denen ein E - Feld zur Depolarisation eines Axons führt,
zusammen:
Abb. 3: Depolarisation eines Axons durch verschiedene, extern applizierte elektrische Felder [56]
D = Depolarisation, H = Hyperpolarisation. (a) keine Depolarisation, (b) Aktivierung durch
∂E l
≠ 0 , (c) gebogenes
∂l
Axon im konstanten E - Feld, (d) E - Feld senkrecht zur Axonmembrane, (e) Ende des Axons im homogenen E Feld
10
1. Einleitung
Bei der TMS basiert das primäre intrakranielle elektrische Feld E auf dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion (1831 Faraday [39]). Ein zeitveränderliches magnetisches Feld B ruft ein
elektrisches Feld E hervor. In Differenzialschreibweise lautet das Faraday’sche Gesetz:
∇ × E
=
−
∂ B
∂ t
Formel 2: Faraday`sche Gesetz
Das B - Feld wird durch eine stromdurchflossene Spule, die über dem Kopf des Probanden
positioniert wird, hervorgerufen. Prinzipiell kann es mit dem Biot - Savart’schen Gesetz [39]
berechnet werden. Das dreidimensionale Feld hängt von der Geometrie der Spule und dem
Stromfluss in der Spule ab. Zur Erzeugung des Magnetfeldes werden Stromquellen mit einer max.
Stromstärke bis 10 kA verwendet, die Magnetfelder bis 2.5 T erzeugen. Wegen der ohmschen
Verlustleistung (Widerstand ca 50 m Ω ) der Spule muss, besonders bei wiederholter (repetitiver)
Anwendung der TMS, die Spule gekühlt werden.
Intrakraniell resultiert nach Formel 2 primär ein dem ursprünglichen Stromfluss der Spule
entgegengesetztes E - Feld [Abb. 4]. Sekundär entsteht außerdem wegen der unterschiedlichen
Leitwerte der Oberflächenstrukturen des Kopfes ein Feld aufgrund lokaler Ladungsverschiebungen.
Wegen des nur geringen Anteils am resultierenden Gesamtfeld, der schwierig zu bestimmenden,
interindividuell verschiedenen Leitwerte an der Kopfoberfläche und des aufwendigen Algorithmus zur
Berechnung der sekundär induzierten elektrischen Felder, werden die sekundären Komponenten
Abb. 4: Das resultierende E - Feld entsteht durch Superposition des primären,
magnetisch induzierten, und sekundären, durch Ladungsverschiebungen an der
Kopfoberfläche entstehenden, E - Feldes [55].
11
1. Einleitung
des E - Feldes in der Praxis nicht mitberücksichtigt [15]. Nach Abschätzungen, basierend auf der
rechnergestützten numerischen Analyse der E - Feldverteilung ist der resultierende Betrag des
Gesamtfeldes, je nach Spulenpositionierung durch die sekundären Feldkomponenten an der
Kopfoberfläche um maximal bis zu 30 % vermindert. Der Einfluss der sekundären E - Felder wird
durch eine tangential zur Kopfoberfläche positionierte Spule minimiert [53]
Die Feldform der am häufigsten verwendeten „achtförmigen“ Spule erzeugt intrakraniell ein primäres
E - Feld, das aufgrund der geometrischen Anordnung der stromführenden Leiter ein kortikales Areal
von ca. 3-4 cm2 aktiviert. Die im Vergleich zur Rundspule gute Fokussierung wird durch den
prinzipiellen Verlauf des E - Feldes einer 8-förmigen Spule mit schmalem absoluten Maximum
unterhalb der Verbindung der beiden kreisförmigen Leiter ermöglicht.
Abb. 5: Primäres E-Feld einer achtförmigen Spule [nach 55]
1.2.2
Die repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS)
Pascual - Leone beschrieb 1994 erstmals die repetitive TMS im Sinne einer Impulsfolge mehrer TMS
- Einzelreizungen und demonstrierte durch Applikation von rTMS über dem okzipitalen Kortex eine
passagere, reversible, visuelle Auslöschung im Sinne einer virtuellen Läsion. Aktuell wird die TMS
und rTMS in der klinischen Neurophysiologie, Neurologie und Psychiatrie auch als Instrument zur
Beurteilung der durch rTMS gezielt induzierten, kortikalen plastischen Veränderungen eingesetzt
12
1. Einleitung
[68, 29]. Andererseits erprobt man rTMS bereits bei verschiedenen neurologischen und
psychiatrischen Erkrankungen als Therapieoption. Seit 1996 zeichnen sich insbesondere
Therapieoptionen der rTMS zur Behandlung der Depression ab [21, 18, 40]. Weitere Leiden auf
neurologischem Fachgebiet, wie z. B. M. Parkinson [36] und Dystonieformen [71] sind derzeit Thema
weiterführender Untersuchungen.
Mehrere Parameter beeinflussen die plastischen Veränderungen durch rTMS:
•
Das ursächliche intrakranielle magnetische Feld trägt auf oben geschilderte Art und Weise
[Kap.1.2.1] zur Depolarisation von Neuronen bei. Da die absolute Feldverteilung in der Praxis
nicht kalkulierbar ist, bezieht man sich zur Beschreibung der Stimulationsintensität oft auf die
motorische Ruheschwelle (MT), die experimentell bestimmt wird: MT ist definiert als die kleinste
Intensität ,die bei MEP - Stimulation des kortikalen Repräsentationsfeldes des Zielmuskels in 5
von 10 Versuchen eine motorische Antwortamplitude von mindestens 50 µV bewirkt [29]. Bei
rTMS - Applikationen mit einer Intensität von mehr als 100 % der MT handelt es sich um eine
Stimulation hoher Intensität („high intensity stimulation“). Bei Reizstärken unter MT spricht man
auch von einer „unterschwelligen“ Stimulation. [62]
•
Die Dauer der Stimulation, bzw. die Anzahl applizierter Einzelreize, die oft fraktioniert in
mehreren Abschnitten (Sessions) appliziert wird, ist ein weiterer, entscheidender Faktor. Es
zeigte sich in mehreren Studien, dass die Stimulationsdauer wesentlich für die anhaltende
Wirkung der rTMS - induzierten plastischen Veränderungen verantwortlich ist [68, 47].
•
Die Stimulationsfrequenz entscheidet wahrscheinlich über eine exzitatorische oder inhibitorische
plastische kortikale Veränderung [68, 29].
Der Begriff „hochfrequente“ rTMS Stimulation beschreibt Stimulationsfrequenzen, die größer oder
gleich 5 Hz sind. Von niederfrequenter rTMS spricht man, wenn Frequenzen um 1Hz benutzt
werden. Die niederfrequente rTMS bewirkt im Allgemeinen eine Suppression der kortikalen
Exzitabilität [62]. Hochfrequente rTMS, besonders in Kombination mit einer hohen Stimulationsintensität, führt zu fazilitierenden kortikalen Effekten [47, 62, 51,], die auch nach der rTMS
Anwendung noch persistieren können. Beispielsweise gelang es Peinemann et al [47] mit Hilfe des
MEP – Doppelstimulationsparadigmas [29], die Reduktion intrakortikaler Inhibition (ICI) durch
Anwendung von hochfrequenter (5Hz) rTMS nachzuweisen. Die sonst im Rahmen des
Doppelstimulationsparadigmas verminderten MEP - Amplituden bei Interstimulsintervallen von 1 bis
3 ms nahmen nach Applikation von 1250 rTMS Impulsen über dem korrespondierenden primär
13
1. Einleitung
motorischen Kortex signifikant um ca. 30% zu. Die Amplitudenzunahme ließ sich auch nach
abgeschlossener rTMS - Anwendung weiterhin für 10 min. nachweisen. Das Ergebnis belegt einen
für Minuten weiter bestehenden neuromodulatorischen Effekt hochfrequenter rTMS im Bereich des
primär motorischen Kortex im Sinne einer Fazilitierung.
Wenngleich das Gruppenergebnis aller untersuchten Probanden statistisch signifikant dargestellt
werden konnte, bestanden innerhalb der Versuchsgruppe erhebliche interindividuelle Unterschiede
bzgl. der plastischen Veränderungen. Die Suppression der Inhibition blieb bei 2 der 13 untersuchten
gesunden Probanden sogar vollständig aus. Individuell unterschiedliche Ausprägungen bzw. ein
Ausbleiben der plastischen Veränderungen nach rTMS zeigen sich auch in zahlreichen anderen
Studien, die neuromodulatorische Effekte nach einer rTMS - Anwendung im Bereich des primär
somatomotorischen Kortex untersucht haben. Eine Reduktion der inhibitorischen Verbindungen bzw.
die Verstärkung exzitatorischer Neuronenverbände durch hochfrequente rTMS wurde jedoch
prinzipiell über den Gruppeneffekt in allen Studien bestätigt [64, 41, 43, 13, 12, 33].
Zur weiteren Beurteilung der dynamischen kortikalen Prozesse nach rTMS wurden ergänzend
Verfahren funktioneller Bildgebung („Neuroimaging Verfahren“) verwendet [42, 63, 19]. Die
Ergebnisse
bestätigten
durch
weitere
physiologische
Korrelate
(PET
→
erhöhter
Glukosemetabolismus, fMRI → vermehrter Sauerstoffumsatz) den lokalen Effekt hochfrequenter
rTMS. In PET Studien [46], bei denen die kortikale Aktivität nach rTMS - Applikation gemessen
wurde, zeigte sich erwartungsgemäß nach hochfrequenter rTMS eine vermehrte Aktivität in dem
kortikalen Areal, das unter der Spule lag und somit direkt elektrisch erregt wurde. Zusätzlich konnte
aber auch an weiter entfernt gelegenen, durch neuronale Strukturen mit dem unmittelbar erregten
Areal anatomisch verbundenen, Kortexbereichen eine erhöhte neuronale Aktivität festgestellt
werden. Der Vergleich von aktivierten cerebralen Strukturen nach rTMS - Stimulation mit kortikalen
Arealen, die durch entsprechende willkürliche Bewegung Aktivität präsentierten, zeigte [63], dass in
beiden Fällen dieselben anatomischen kortikalen Strukturen aktiviert wurden. Die rTMS ist somit in
Verbindung mit der funktionellen Bildgebung ein Instrument zur Erforschung miteinander
verbundener Hirnareale im Sinne von funktionellen neuronalen Einheiten („functional connectivity“).
Zelluläre Mechanismen, auf denen die anhaltenden kortikalen rTMS - induzierten plastischen Effekte
basieren, sind noch nicht vollständig erklärt. Der in Kap. 1 geschilderte Einfluss des exzitatorischen,
die synaptische Effizienz fördernden Neurotransmitters Glutamat und die antagonistisch wirkenden
GABAergen Mechanismen werden in der Literatur als Ursache der rTMS - induzierten kortikalen
14
1. Einleitung
Veränderungen mehrfach erwähnt [62, 47, 51]. Die Begriffe „Long - term - potentiation“ und „Long –
term - depression“, welche die länger anhaltenden plastischen kortikalen Veränderung, wie sie durch
rTMS induziert werden, beschreiben, werden außerdem auch im Rahmen von möglicher Gen Induktion [22, 26] und einer veränderten Freisetzung von Neuromodulatoren wie z.B. Monoaminen
und Vasopressin [50], diskutiert. Aktuell arbeitet man daran, neurobiologische Prinzipien der durch
rTMS vermittelten kortikalen Plastizität weiter zu erforschen [10].
1.3
Somatosensibel evozierte Potentiale
In dieser Arbeit werden die für Minuten persistierenden, durch rTMS induzierten, plastischen
kortikalen Veränderungen des somatosensorischen Systems der Hand mit Hilfe eines sensiblen
Doppelstimulationsprotokolls (SEP - R) untersucht. Dabei wird der Nervenstamm des N. medianus
elektrisch stimuliert. Das Signal nimmt den folgenden Verlauf [75]:
•
Im Spinalganglion erfolgt die Weiterschaltung des von den Rezeptororganen aufgenommenen
Impulses zum Hinterstrang des Rückenmarks.
•
Die erste Synapse bilden die Hinterstrangkerne der Medulla oblongata (Nucleus cuneatus für die
cervicalen Segmente). Über den Lemniscus medialis kreuzt der Verlauf der sensiblen
Leitungsbahn zur kontralateralen Seite.
•
Der Nucleus ventralis posterolateralis des Thalamus ist die zweite Synapse.
•
Von dort projizieren sich über den Tractus thalamocorticalis die Afferenzen [44, Abb. 6] auf den
primären und sekundären somatosensorischen Kortex S I (Gyrus postcentralis) bzw. S II
(kranialer Anteil des Sulcus lateralis), der dritten Synapse.
Damit wird die gesamte Körperoberfläche einer Körperhemisphäre somatotop gegliedert auf das
kontralaterale Kortexareal S I abgebildet [44]. Die Somatotopie in S II ist weniger stark ausgeprägt
und zum Teil bilateral angelegt.
Mit Hilfe der somatosensibel evozierten Potentiale (SEP) ist es möglich, nicht - invasiv
hirnelektrische Aktivität, induziert durch periphere Nervenstimulation, zu messen. Beim Medianus SEP wird durch elektrische Reizung des Nervenstammes am Handgelenk ein überschwelliger
sensibler Reiz appliziert. Nach Filterung und Integration in den zwischengeschalteten Synapsen (s.
o.) gelangt der afferente Impuls zum primär somatosensorischen Kortex. Im Tierexperiment konnte
nachgewiesen werden, dass die an der Kopfhaut ableitbaren Potentiale durch postsynaptische
15
1. Einleitung
kortikale Potentiale entstehen und die Aktionspotentiale nur eine sekundäre Bedeutung haben [17].
Wegen der komplexen räumlichen Anordnung der elektrisch erregten kortikalen Strukturen stellt das
an zwei Punkten abgeleitet Potential eine skalare Größe des eigentlich räumlich intrakraniell
verlaufenden elektrischen Potentialverlaufes dar. Die gemessenen SEP - Amplituden entsprechen
daher der Projektion des resultierenden Gesamtvektors auf die Ebene, die durch die Elektroden
aufgespannt wird, und sie sind damit abhängig von der Größe des elektrisch aktiven kortikalen
Areals. Durch wiederholte Ableitung der Antwortamplituden und nachfolgender Bildung der
Mittelwerte („Averagen“) werden Störgrößen und zufällige Potentialveränderungen minimiert [61].
Es konnte bereits 1983 gezeigt werden, dass einzelnen Potentialkomponenten eines Medianus SEP [Abb. 7] verschiedene anatomische Strukturen zugeordnet werden können. Das als N20
Abb. 6: Tractus Thalamocorticalis und sensomotorischer Kortex [nach 44]
(synonym N1) bezeichnete Maximum resultiert aus der Projektion eines tangential orientierten
elektrischen Dipols, dessen Ursprung Area 3b ist. P25 entsteht aus der vektoriellen Summe eines
aus der Area 3b resultierenden und eines zweiten, radial orientierten Dipols mit Ursprung in Area1
[32, 3], [Abb. 6].
Die Potentialkomponente N 20 P25 [Abb. 7] repräsentiert daher zusammenfassend die in Area 3b
und Area1 gemessene elektrische Entladung infolge der peripheren Reizung [73, 3] und wird auch
16
1. Einleitung
„kortikaler Primärkomplex“ genannt [2]. Die in Bezug auf den Reiz späten Potentiale P40, N65
unterliegen einer breiten inter - und intraindividuellen Variabilität, weil sie von der
Aufmerksamkeitsschwelle des Probanden abhängen [61, 31]. Daher werden sie in dieser Arbeit nicht
berücksichtigt.
Abb. 7:Medianus - SEP einer gesunden Person [nach 31]
Die SEP - Doppelstimulationstechnik (SEP - R, pSEP) wurde erstmals 1963 zur Erforschung der
Dynamik kortikaler Signalverarbeitung im somatosensiblen Kortex angewandt [58]. Dabei werden im
Gegensatz zum oben beschriebenen SEP zwei periphere Reize in einem definierten Abstand (ISI)
appliziert und nachfolgend die kortikalen Antwortpotentiale des primären SEP (R1) und des SEP-R
(R2) verglichen. Die Ableittechnik entspricht der oben geschilderten Vorgehensweise beim Medianus
- SEP. Die Ergebnisse wurden zunächst von Shagass und Schwartz für gesunde Normalpersonen
beschrieben. Es zeigte sich in Abhängigkeit des Interstimulusintervalls ein deutlicher Unterschied der
Amplitudenverhältnisse zwischen R1 und R2, der sowohl interindividuell als auch intraindividuell
variierte. Für das in dieser Arbeit wichtige Potential N 20 P25 ergaben sich die folgenden
Beobachtungen [61]: Für ISI von 0 bis 20 ms war bei stark alternierenden Schwankungen des
Amplitudenverhältnisses R2/R1 kein erkennbarer funktionaler Zusammenhang feststellbar [Abb. 8A].
Im Intervall zwischen 20 und 40 ms zeigte sich jedoch regelmäßig, wenn auch interindividuell
unterschiedlich ausgeprägt, eine Amplitudenminderung des N 20 P25 in R2, die durch eine kortikale
Inhibition (siehe Kap1.1 u. 1.2.2) erklärt wurde. Für Werte größer als 40 ms auf der Abszisse zeigt
sowohl die Recovery - Funktion für eine einzelne Normalperson [Abb. 8A] als auch die Graphik [Abb.
8B], in der Daten von 10 gesunden Probanden zusammengefasst wurden, einen weitgehend stetigen
17
1. Einleitung
Abb. 8 Recovery-Function R2/R1 des Potentials N 20 P25 .
Diagramm (A): Amplitudenverhältnis einer einzigen Normalperson [nach 61]. Das schraffierte Areal in (B) stellt den
Mittelwert ± 1 SD bei 10 gesunden Probanden dar [nach 27]. Man erkennt in beiden Diagrammen die
Amplitudenreduktion im Bereich 20-40 ms als Korrelat der kortikalen Inhibition. Die Kurven in B stellen Daten von
Chorea Huntington Patienten (fett gedruckte Symbole) und Krankheiten, z.B. cerebraler Insult, die mit niedrigen SEPAmplituden assoziiert sind (fein gedruckte Kurven), dar. Die vertikale, unterbrochene Linie markiert ein ISI von 30ms.
Anstieg und bei einem ISI von ca. 100ms ist keine nennenswerte Amplitudenminderung mehr im
Sinne einer kortikalen Inhibition messbar [67, 27, 37].
Die Latenz N20 ist unabhängig vom ISI. P25 und N33 sind bei kleinen ISI deutlich um bis zu 5ms
vergrößert, um sich mit ansteigenden ISI zu normalisieren. Für Werte größer als 20 ms treten auch
hier keine Unterschiede mehr zwischen den Einzellatenzen in R1 und R2 auf [61].
Die klinischen Untersuchungen mit dem sensiblen Doppelstimulationsparadigma zeigten
disinhibierte SEP - R als Ausdruck einer supprimierten kortikalen Inhibition bei verschiedenen
Patientengruppen: Bei Leiden mit primär alterierten kortiko - kortikalen inhibitorischen Verbindungen,
wie z.B. der kortikalen (Reflex-) Myoklonie [59], aber auch bei Erkrankungen mit Substanzdefekten
der subkortikalen weißen Substanz, z.B. M. Binswanger, treten disinhibierte N 20 P25 Potentiale im
SEP - R auf. Die Veränderungen bei M. Binswanger werden durch eine Dysregulation des Kortex
wegen einer verminderten Inhibition des Kortex über supprimierte thalamokortikale Feed – Back Mechanismen erklärt [67, 38, 2].
Analog zu den Mechanismen bei M. Binswanger werden bei Patienten mit Chorea Huntington [Abb.
8B] subkortikale Alterationen des Striatums, die thalamokortikale Regelkreise beeinflussen, als
18
1. Einleitung
Ursache verminderter N 20 P25 Amplituden im SEP beschrieben. Die relative Amplitudenzunahme im
SEP - R wird daher als Modulation des Striatums durch den ersten konditionierenden Stimulus
gesehen [27].
Auch bei der Myotonen Muskeldystrophie wurde, bedingt durch eine veränderte Na+/K+ - ATPase –
Aktivität, die eine Übererregbarkeit des Kortex auf zellulärer Ebene bewirkt, eine Verminderung der
kortikalen Inhibition im SEP - R festgestellt [37].
Eine Abnahme der N 20 P25 - Amplitude, die durch zerebrale Substanzdefekte (z.B. Cerebraler
Insult, Hirntumoren) bedingt [Abb. 8B] ist, zeigt im SEP - R dann keine Amplitudenzunahme oder
Normalisierung (wie bei Patienten mit Chorea Huntington), wenn kortikale Areale oder
thalamokortikale Feed – Back - Mechanismen so schwer betroffen sind, dass kein
neuromodulatorischer Effekt mehr durch den konditionierenden ersten Stimulus erzielt wird [27].
1.4
Problemstellung
In mehreren Studien, [47, 16] konnte gezeigt werden, dass repetitive Transkranielle
Magnetstimulation in Abhängigkeit von den gewählten Stimulationsparametern die kortikale
Signalverarbeitung
beeinflussen
kann.
Bei
Studien
mit
dem
motorischen
Doppelstimulationsparadigma [30] hielten die Effekte der rTMS auch nach abgeschlossener rTMS Anwendung für 10 min. weiter an. Erste Therapierfolge der rTMS bei Patienten mit Depression [21,
18, 40] bestätigen eine persistierende Wirkung der rTMS auf kortikale Prozesse. Es haben sich nur
wenige Arbeiten [51, 52, 16, 28] mit dem Einfluss der rTMS auf den primär somatosensorischen
Kortex befasst, weil unter anderem plastische Veränderungen hier schwieriger messbar sind, und
Studien oft von subjektiven Angaben des Patienten mit beeinflusst werden[10].
Es konnte bisher mittels psychophysikalischer Testung (Zweipunkt - Diskrimination der Fingerbeere)
gezeigt werden, dass die Anwendung hochfrequenter 5Hz - rTMS über dem primär sensorischen
Kortex zu einer Verbesserung der Zweipunkte - Diskrimination, auch 15 min. nach abgeschlossener
rTMS - Applikation, führt [51].
In dieser Arbeit soll mit Hilfe des SEP – R - Protokolls (siehe Kap. 1.3), das Aussagen über die
Suppression kortikaler Inhibition des primär somatosensiblen Kortex zulässt, kortikale Exzitabilität,
welche die Grundlage plastischer Veränderungen darstellt, direkt gemessen werden.
19
2. Methodik
2
Methodik
2.1
Probanden
Es wurden 13 rechtshändige, neurologisch und psychiatrisch unauffällige Personen im Alter von
19 - 44 Jahren getestet (8 weiblich, mittleres Alter 29 Jahre). Die Studie wurde von der
Ethikkommission der Ruhr-Universität Bochum genehmigt und in Übereinstimmung mit der
Deklaration von Helsinki (1964) durchgeführt. Wir vergewisserten uns insbesondere, um rTMS induzierte unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden, dass die rTMS unter Berücksichtigung
der Leitlinien zur Anwendung von rTMS [70] appliziert wurde. Es wurden daher explizit die
folgenden Ausschlusskriterien überprüft:
•
Schwangerschaft, Metall - Implantate im Bereich des Schädels, Herzschrittmacher bzw.
kardiale Defibrillatoren, Patienten mit Migräne unter insuffizienter Therapie.
•
Morphologische Alterationen des Gehirns (z.B. Zustand nach Schädel – Hirn - Trauma,
cerebraler Ischämien, intracranieller Blutung oder Zustand nach neurochirurgischer
Intervention im Bereich des Neurocraniums).
Da rTMS tendenziell die cerebrale Krampfbereitschaft erhöht, mussten die Probanden zusätzlich
folgende Bedingungen erfüllen:
•
Keine zerebralen Krampfanfälle in der Vergangenheit, negative Familienanamnese
(Angehörige ersten und zweiten Grades ) bezüglich konvulsiver Ereignisse, keine Einnahme
von Medikamenten, welche die zerebrale Krampfschwelle vermindern.
Die Probanden wurden zusätzlich darauf aufmerksam gemacht, dass aktuell keine anhaltenden
unerwünschten Nebenwirkungen nach rTMS bekannt sind und aufgrund der aktuellen Ergebnisse
auch als unwahrscheinlich erachtet werden. Dennoch erklärten wir, dass prinzipiell noch
unbekannte Nebenwirkungen nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden können.
2.2
Ableitung des Medianus - SEP
Als Maß für die kortikalen Veränderungen im Bereich des primär sensiblen Kortex wurden die
Amplitudenverhältnisse des N 20 P25 - Potentials bei der Ableitung der sensibel evozierten
Potentiale nach peripherer Doppelstimulation des N. medianus herangezogen (siehe Kap1.3).
Der N. medianus wurde genau deshalb ausgewählt, weil das sensible Versorgungsgebiet des
20
2. Methodik
peripheren Nerven den Bereich des Zeigefingers mit einschließt und somit eine Beurteilung des
relativ großen primär sensorischen kortikalen Repräsentationsfeldes des Indexfingers, über dem
die rTMS einseitig angewendet wurde, möglich ist. Um eine Suppression der Inhibition der
N 20 P25 durch hochfrequente rTMS optimal messen zu können, entschieden wir uns für ein ISI
von 30 ms, da hier die Amplitudenreduktion der Potentialkomponente die größte Ausprägung
erwarten lässt [61, 27, Kap1.3]. Die Dauer des einzelnen peripheren Reizes betrug 0,2 ms [Abb.
9]. Die Stimulationsintensität wurde für alle Messungen auf das 2.5 fache der individuellen
sensiblen Reizschwelle festgelegt. Wir applizierten den peripheren Reiz mit Hilfe eines
Elektroden-Reizblocks über dem Verlauf des N. medianus am Handgelenk mit einer
Wiederholungsfrequenz
von
2Hz.
Die
Kathode
war
proximal
lokalisiert
und
der
Elektrodenabstand betrug 2cm. Der Reizblock hatte die korrekte Position, wenn der Proband bei
minimaler Reizintensität Kribbelempfindungen in Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger angab.
Damit in Ausgangs- und Kontrollmessung die gleichen Randbedingungen vorherrschten, wurden
die Elektrodenpositionen zusätzlich auf der Haut markiert.
Abb. 9: Signalverlauf bei sensibler Doppelstimulation (SEP-R) des N. medianus
(ISI=30 ms, Reizdauer=0,2 ms, Wiederholungsfrequenz = 2Hz (T=500ms)
Die Probanden lagen bei der SEP-Ableitung mit geschlossenen Augen, entspannt, in bequemer
Position in einem Untersuchungsstuhl. Zur bipolaren kortikalen Signalableitung wurden die
Oberflächenelektroden (Silber, Ø= 5.mm), gemäß dem internationalen 10-20 System [25], so
angeordnet, dass die Referenzelektrode über Fz und die differente Elektrode über der jeweils
kontralateralen Hemisphäre, entsprechend C3’ bzw. C4’ zu liegen kam. Insgesamt wurden pro
Messung 400 Reize appliziert und die Antwortpotentiale der einzelnen Messungen (siehe
Kap.1.3) arithmetisch numerisch gemittelt. Die Stimulation und Ableitung der evozierten
Potentiale erfolgte mit einem konventionellen Neuropack – 8 - Gerät (Nihon Koden
®,
Bandpassfilter 2-2000 Hz, Empfindlichkeit: 2µV/DIV, Zeitfenster: 100ms bei 10ms/DIV). Zur
weiteren Offline - Analyse wurden die Daten gespeichert und an einem handelsüblichen PC
21
2. Methodik
weiterverarbeitet. Es wurden insbesondere die SEP - und SEP – R - N 20 P25 -Amplituden und
deren Relation zueinander jeweils vor und nach rTMS - Anwendung weiter ausgewertet.
2.3
Applikation der rTMS
Zur Erzeugung der hochfrequenten rTMS wurde ein MAGSTIM Rapid Stimulator (MAGSTIM®,
Whiteland; Dyfed, UK) in Verbindung mit einer achtförmigen Spule verwendet. Der prinzipielle
räumliche Verlauf des intrakraniell induzierten E - Feldes und dessen Wirkung auf neuronale
Zellen wurde in Kap 1.2.1 dargestellt. Die Versuchspersonen nahmen in einem komfortablem
Stuhl Platz und wurden gebeten, sich zu entspannen und die Augen zu schließen. Zur korrekten
und reproduzierbaren Positionierung der Spule trugen die Patienten eine mit einem
Koordinatensystem (Rasterabstand 1cm, Ursprung Cz) versehene, am Kopf fixierte,
Kopfbedeckung. Zunächst wurde das kortikale Repräsentationsareal des rechten M. interosseos
I (FDI) bestimmt, indem wir von der theoretischen Lage (kontralateral, 5cm distal entfernt von Cz
entlang des Sulcus centralis [51, 52]) in einem Areal von ca. 2x2cm nach dem Stimulationsort
suchten, der bei kleinster magnetischer Reizstärke die höchsten motorischen Antwortpotentiale
zeigte. Entsprechend Kap. 1.2.2 legten wir dann die motorische Ruheschwelle (MT) des FDI fest.
Um die Spule so gut wie möglich über dem Repräsentationsfeld des Zeigefingers im linken primär
sensorischen Kortex zu positionieren, orientierten wir uns an den von Maldjian et al [34]
präsentierten Koordinaten. Wir führten die Spule ca. 2 cm in parasagittaler Richtung vom
motorischen Repräsentationsareal des FDI nach dorsal zurück, bis die Patienten bei TMS Einzelreizungen über kribbelnde Empfindungen im Bereich des linken Zeigefingers berichteten.
Diese Position nannten wir SIright IF, und markierten sie anhand des Koordinatensystems der
Kopfbedeckung als adäquaten Stimulationsort des primär sensorischen Kortex des rechten
Zeigefingers. Nachfolgend konnte so dieselbe Spulenposition bei den rTMS - Applikationen gut
reproduziert werden.
Wir wählten eine Stimulationsintensität von 90% der motorischen Ruheschwelle, um eine
artifizielle Exzitation des primär sensorischen Kortex über eine mögliche Rückkopplung zwischen
primär - sensorischem und motorischem System über eine Muskelkontraktion und konsekutive
propriozeptive Afferenzen [31, 16] zu vermeiden. Durch eine simultane Ableitung eines
Oberflächen - EMGs des FDI rechts konnten Muskelzuckungen während der rTMS - Stimulation
22
2. Methodik
weitgehend ausgeschlossen werden. Bei der rTMS - Applikation wurde die Spule tangential mit
dem Griff nach dorsal über SIright IF fixiert.
Insgesamt wurde die rTMS - Gesamtdosis von 2500 Einzelimpulsen im Rahmen eines zeitlich
kaskadierten Schemas appliziert. Es wurde so eine sichere Anwendung der rTMS [70] für den
Probanden und eine Reduktion der thermischen Belastung der Stimulationsspule gewährleistet.
Die insgesamt 2500 Einzelreize mit einer Frequenz von 5HZ wurden gleichmäßig auf zwei
Sessions im Abstand von 45 min. aufgeteilt. [Abb. 10]
Wir stimulierten SIright IF innerhalb der einzelnen Intervalle der rTMS - Anwendung mit denselben
Stimulationsparametern.
2.4
Versuchsablauf
Zunächst
führten
wir
als
Ausgangsmessung
vor
der
rTMS - Stimulation auf jeder
Seite die Messung der sensibel
evozierten
Potentiale
nach
peripherer
Doppelstimulation
des N. medianus (Kap.2.2)
durch. Nachfolgend applizierten
wir (Kap. 2.3) fraktioniert die
Abb. 10: Zeitliche Kaskadierung einer einzigen rTMS - Session.
hochfrequente
rTMS
über Die 1250 Einzelreize (Reizstärke R=90% von MT) pro Session wurden
SIright_IF.
Stunde
nach
Eine
mit einer Frequenz von 5Hz (T=200ms) zeitlich gestaffelt in Gruppen,
Blöcken und Sessions appliziert. Zwischen den Gruppen pausiert die
Abschluss der letzten rTMS - rTMS für fünf Sekunden, zwischen den Blöcken für eine Minute und
Anwendung wurden zur Analyse zwischen den zwei Sessions für 45 Minuten.
der veränderten intrakortikalen
Exzitabilität im Bereich SIright_IF erneut die evozierten Potentiale nach peripherer
Doppelstimulation beidseits abgeleitet. Dabei wurden die bei der Ausgangsmessung
verwendeten Stimulationsparameter der sensiblen peripheren Nervenreizung unverändert
übernommen. Die Elektrodenpositionen der Reiz- und Ableitelektroden waren ebenfalls identisch,
da die Positionen bei der Ausgangsmessung markiert worden waren.
23
2. Methodik
2.5
Datenauswertung und statistische Verfahren
Zur Beurteilung von Veränderungen
kortikaler Exzitabilität nach der rTMS
- Applikation über SIright_IF wurden
zunächst die absoluten Amplituden
der
N 20 P25
-
Potentiale,
im
Folgenden abgekürzt mit A1 bzw. A2 ,
(Abb. 11) und die relative Amplitudenänderung Q =
A2
betrachtet. Die
A1
normierte Amplitudenabnahme stellt
Abb. 11: A1 ist das N 20 P25 - Potential nach dem ersten
ein relatives Maß für die kortikale
peripheren Reiz S1. A2, das Antwortpotential auf den Reiz S2, ist um
Inhibition dar, die mit Hilfe einer
das Interstimulusintervall (ISI=30 ms) verzögert und wegen der
einzigen sensiblen Doppelstimulation
kortikalen Inhibition im Vergleich zu A1 vermindert.
ermittelt wird:
I=
A1 − A2
⋅ 100 = (1 − Q) ⋅ 100
A1
Formel 3: Relative Inhibition der SEP - R Amplitude A2
Durch einen Vergleich zwischen der Inhibition vor und nach der rTMS - Anwendung ergibt sich
ein Maß für die Veränderungen im Sinne einer Suppression der Inhibition, die eine Stunde nach
rTMS noch nachweisbar sind.
Sup% = I PRE − I POST
2.5.1
Formel 4: Suppression der Inhibition nach der rTMS - Applikation
Statistische Verfahren
Der T - Test gewährleistet den statistischen Vergleich einer Messgröße der Probanden einer
Gruppe mit sich selbst in Bezug auf den Seitenvergleich bzw. den Vorher – Nachher – Vergleich
für verbundene Stichproben. Es wird die Nullhypothese H0 „kein Unterschied der Mittelwerte der
Stichproben in dem untersuchten Merkmal“ auf einem 5% - Niveau geprüft. Beim Unterschreiten
der 5% - Irrtumswahrscheinlichkeit gilt die Nullhypothese nicht; das Merkmal in den verglichenen
Gruppen zeigt signifikante Unterschiede.
24
3.1
Vergleich zu A1 vermindert. rTMS supprimiert die Inhibition auf der ipsilateralen Seite.
3
Abb. 12 zeigt die Amplituden A1 und A2 (ISI = 30ms) eines repräsentativen Probanden (Kürzel: PH). Wegen der kortikalen Inhibition ist A2 im
3. Ergebnisse
Ergebnisse
Die fraktionierte Applikation von insgesamt 1250 Impulsen der 5HzrTMS wurde von allen
Probanden gut toleriert und es wurden keine Nebenwirkungen beobachtet.
Darstellung der individuellen Quelldaten
25
3. Ergebnisse
In den weiteren Ausführungen beziehen sich die Angaben ipsilateral und kontralateral auf die
linke Hemisphäre, über der die rTMS appliziert wurde. Zunächst werden exemplarisch anhand
eines repräsentativen Probanden (PH) die zu Grunde liegenden Medianus – SEP - R, die für
jeden Probanden jeweils vor und nach der rTMS Applikation beidseits [Kap. 2.4] erhoben wurden,
betrachtet [Abb. 12]. Es zeigt sich in allen vier Messungen ein gut ausgeprägtes, normal
konfiguriertes Medianus SEP - R mit jeweils deutlichen Amplitudenreduktionen von A1 nach A2.
Die kortikale Inhibition beträgt auf der ipsilateralen Seite vor der rTMS - Anwendung Ipre = 63%.
Nach der rTMS nimmt das Amplitudenverhältnis Q=A2/A1 von initial 0,37 auf 0,66 zu,
entsprechend einer verminderten kortikalen Inhibition Ipost = 34,0%. Die Suppression beträgt
damit 29%. Auf der kontralateralen Seite ist der Wert der kortikalen Inhibition vor und nach der
rTMS - Anwendung gleich: Ipre = Ipost = 63%. Es ergibt sich somit keine messbare Suppression
der Inhibition auf der Kontrollseite. Die N20 - Latenzen vor und nach der rTMS - Anwendung sind
ipsilateral und kontralateral, wie bereits mehrfach in anderen Studien gezeigt wurde [61, 27],
unverändert.
A1 ist vor und nach der rTMS Stimulation, jeweils ipsilateral und kontralateral getrennt betrachtet,
bei allen Probanden nahezu unverändert, da die Stimulationsparameter und die Lokalisation des
Reizblocks beibehalten wurden (Schwankungen von A1: links: Mittelwert=3,8 %, Max=10,2 %,
Min= 0.13% / rechts: Mittelwert=3,3%, Max=7,1%, Min=-0.12%).
Damit aus der noch verbliebenen geringen Schwankungsbreite der Amplituden A1 vor und nach
der rTMS - Anwendung kein Fehler bei der Beurteilung der Amplitudenabnahme von A1 zu A2
resultiert, wurde in allen Messungen der Amplitudenquotienten Q [Kap. 2.5] zur Beurteilung der
relativen Amplitudenabnahme herangezogen. In Abb. 13 sind die so normierten Werte für die
einzelnen Probanden dargestellt. Q hat in allen SEP - R Ableitungen, bis auf eine Ausnahme
(SIlinks, post rTMS; Proband: BA) Werte kleiner als eins, entsprechend einer Amplituden Inhibition von A2 in Bezug auf A1. Erwartungsgemäß schwankt Q interindividuell stark [61, 27,
Abb. 8], so dass sich z.B. in der Ausgangsmessung SIlinks die schwächste Inhibition QPRE{LC} =
0,063 von der stärksten QPRE{CB}=0,80 um den Faktor zwölf unterscheidet.
Die folgenden Vergleiche der relativen Amplitudenveränderungen beziehen sich auf ein
Toleranzband von 5 %, da intraindividuelle Amplitudenschwankungen als physiologisch
beschrieben sind. [67]. Nach der rTMS - Applikation ist Q ipsilateral zur Seite der rTMS Anwendung in elf von dreizehn Fällen (84,6%) größer als in der Ausgangsmessung, so dass hier
26
3. Ergebnisse
Abb. 13: In der linken Spalte werden die normierten Amplituden (Q=A2/A1) der einzelnen Probanden vor (pre) und
nach (post) rTMS gegenüber gestellt. In der rechten Spalte entspricht die Steigung der Verbindungsgeraden
zwischen Q_PRE und Q_POST dem Betrag der Suppression. Im Gegensatz zu allen anderen Probanden trat bei CB
und LS nach rTMS über SILinks keine Suppression der Amplituden - Inhibition ein.
nach rTMS eine Suppression der Amplituden - Inhibition auftrat. Im Fall LS veränderte sich Q
nicht und bei CB vermindert sich Q sogar im Sinne einer Verstärkung der Amplituden - Inhibition.
Kontralateral ist Q nach der rTMS in sechs Fällen (46%) ebenfalls angestiegen. Bei drei
Probanden zeigten sich keine Veränderungen und in vier Fällen war Q im Vergleich zur
Ausgangsmessung nach der rTMS weiterhin vermindert.
Bei dem Probanden CB [Abb. 13] trat zwar auf der linken Seite nach rTMS keine Suppression der
Amplituden - Inhibition auf, der Betrag der Suppression war jedoch als Ausdruck einer im
Seitenvergleich links abgeschwächten Amplituden - Inhibition nach rTMS links gegenüber rechts
vermindert.
27
3. Ergebnisse
3.2
Betrachtung der Mittelwerte / Gruppeneffekte
Amplituden A 1, A2 pre/post rTMS
ipsilateral rTMS
kontralateral rTMS
9
pre
8
post
pre
post
7
6
5
4
3
2
1
0
A1
A2
A1
A2
A1
A2
A1
A2
Mittelwert+Stdabw.
Mittelwert-Stdabw.
Mittelwert+Stdf.
Mittelwert-Stdf.
Mittelwert
Abb. 14: Die Amplituden A1 und A2 nach sensibler Doppelstimulation des N. medianus vor (pre) und nach (post)
rTMS über SIright IF. rTMS bewirkt eine signifikante Zunahme von A2 über dem linksseitigen primär sensiblen Kortex.
Vor der rTMS (pre) ist in den Ausgangsmessungen die mittlere Amplitude A1 bei der sensiblen
Doppelstimulation mit einem ISI von 30 ms auf der ipsilateralen (bzgl. der nachfolgenden rTMS Stimulation) Seite signifikant größer als A2. (SILinks: A1 = 4,85 ± 0,83 µV (s.e.m.), A2 = (1.75 ±
0,32 µV (s.e.m.); t - test: p< 0,0001, Abb. 14). Das mittlere Amplitudenverhältnis Q beträgt nach
Supression der kortikalen Inhibition 1h nach
5Hz rTMS
60
50
40
30
20
10
0
-10
-20
SUP%_L
SUP%_R
Mittelwert+Stdabw.
Mittelwert-Stdabw.
Mittelwert+Stdf.
Mittelwert-Stdf.
Mittelwert
Abb. 15: Im Seitenvergleich zeigt sich als Gruppeneffekt eine deutliche Suppression der kortikalen Inhibition auf
der ipsilateralen Seite
28
3. Ergebnisse
der Stimulation des rechten N. medianus 0,39 ± 0,05 entsprechend einer mittleren Inhibition
[Formel 3] von Ipre = 61,04 ± 5,27 %. Auf der kontralateralen Seite sind die mittleren Amplituden A1
ebenfalls signifikant größer als A2. (SIRechts: A1 = 4,38 ± 0,69 µV (s.e.m.), A2 =(1,9 ± 0,32 µV
(s.e.m.); t-test (A1, A2): p<0,001, Abb. 14). Q beträgt hier nach der Stimulation des linken N.
medianus 0,48 ± 0,05 entsprechend einer Inhibition von Ipre = 51,16 ± 5,97 %.
Eine Stunde nach der 5Hz-rTMS-Applikation zeigte sich bei erneuter Ableitung der SEP - R eine
deutliche Suppression der mittleren Amplituden - Inhibition auf der ipsilateralen Seite im Vergleich
zur nicht stimulierten kontralateralen Seite. Q stieg im Mittel ipsilateral von 0,39±0,05 auf 0,65 ±
0,06, entsprechend einer Suppression der Inhibition [Formel 4] von durchschnittlich 25,56%.
Kontralateral wuchs Q von 0,48 ± 0,06 in der Ausgangsmessung auf 0,52 ± 0,06, (t - test (Qpre,
Qpost)=0,19). Hieraus resultiert für die kontralaterale Seite nur eine Suppression der kortikalen
Inhibition von 2,89 ± 4,70 %, die keine signifikante Veränderung zur Ausgangsmessung darstellt
(t - test (Ipre, Ipost): p = 0,47).
29
4. Diskussion
4
Diskussion
4.1
Veränderungen kortikaler Exzitabilität
Die in dieser Arbeit mit Hilfe des Medianus SEP - R aufgezeigte Suppression der kortikalen
Amplituden - Inhibition durch hochfrequente rTMS zeigt Analogien zu den Untersuchungen von
Peinemann et al [47]. Er konnte nach Applikation von 1250 Impulsen hochfrequenter,
unterschwelliger (90% MT) 5-Hz-rTMS über dem primär motorischen Kortex im Rahmen eines
MEP - Doppelstimulationsparadigmas [29] die Reduktion intrakortikaler Inhibition (ICI) über dem
ipsilateralen motorischen Kortex nachweisen [Kap.1.2.2]. Diese Reduktion der ICI wurde als
exzitatorischer Effekt gewertet und dauerte auch 10 min. nach der rTMS - Anwendung noch an.
Da man in der vorliegenden Arbeit mit dem gleichen Stimulationsprotokoll, jedoch doppelter
Anzahl von rTMS Einzelimpulsen, eine anhaltende Suppression der Amplituden - Inhibition im
Bereich des primär sensorischen Kortex erreichen konnte, lassen sich die Ergebnisse ebenfalls
im Rahmen einer Zunahme der kortikalen Exzitabilität interpretieren:
Bereits 1992 erbrachten Seyal et al [60] den prinzipiellen Nachweis, dass die
Potentialkomponente N 20 P25 des Medianus - SEP durch einzelne Impulse transkranieller
Magnetstimulation (100% MT über dem primär motorischen Kortex des kontralateralen FDI
appliziert) verstärkt werden kann. Diese Verstärkung wurde durch folgende Überlegung erklärt:
TMS depolarisiert unmittelbar die unter der Spule liegende Neuronenpopulationen des
sensomotorischen Kortex. Durch die Depolarisation entstehen inhibitorische postsynaptische
Potentiale (IPSP), die ca. 20 ms anhalten [54] und eine konsekutive rekurrente Hyperpolarisation
derselben Neuronenpopulation und angrenzender Neurone bewirken („Inhibitory phasing“,[4]).
Die nun größere, auf ein Membranpotential synchronisierte Anzahl von Neuronen wird dann leicht
vom später eintreffenden Impuls des Medianus - SEP erregt. Da die Amplitude des evozierten
Potentials proportional zu der Anzahl postsynaptisch entstehender Potentiale [2] ist, nimmt die
Amplitude N 20 P25 zu.
Große Potentiale („Giant – SEP - R“) sind auch in SEP - R - Messungen bei Patienten mit
kortikaler (Reflex-) Myoklonie ableitbar, die gehäuft bei kortikaler Lipofuszinose, der Lafora Erkrankung, dem Ramsay – Hunt - Syndrom und hypoxischen Encephalopathien [59] beobachtet
werden. Die Diskussion bzgl. der Entstehung der disinhibierten Amplitude A2 bei der Ableitung
des SEP - R entspricht den oben geschilderten Abläufen der rekurrenten Inhibition durch IPSP:
30
4. Diskussion
Durch den ersten SEP - Reiz S1 erfolgt eine Depolarisation einer Neuronenpopulation im primär
sensiblen Kortex. Diese Zellen sind nachfolgend bis zu 20 ms weniger erregbar. Bei der
kortikalen (Reflex-) Myoklonie werden durch den ersten Reiz benachbarte Neurone durch IPSP
ungewöhnlich stark synchronisiert und hyperpolarisiert, weil eine krankheitsbedingte Läsion
inhibitorischer kortikokortikaler, und in geringerem Masse auch subkortikaler Verbindungen [59],
vermutet wird. Aufgrund der größeren Anzahl synchronisierter, hyperpolarsierter Neurone wird in
einem Zeitfenster von 20 bis 200 ms durch den nachfolgenden 2. Reiz des SEP - R eine
Amplitudenzunahme der Amplitude A2 im Sinne eines „Giant – SEP - R“ ermöglicht.
Ob rTMS eine Synchronisation bzw. Hyperpolarisation einer größeren Neuronenpopulation wie in
den obigen Beispielen bewirkt, welche für die Amplitudenzunahme A2 bzw. die Steigerung
kortikaler Exzitabilität verantwortlich ist, kann mit den Methoden der vorliegenden Studie nicht
beantwortet werden. Denkbar wäre jedoch eine Suppression inhibitorischer kortikaler
Verbindungen durch rTMS, so dass auf eng begrenztem kortikalen Terrain eine Synchronisation
bzw. Hyperpolarisation benachbarter Neuronen möglich erscheint.
Die Ursachen gesteigerter kortikaler Exzitabilität [Kap.1.3] werden im Rahmen anderer Studien,
in denen das SEP - R als Messmethode eingesetzt wurde, kontrovers diskutiert. So vermutet
Ugawa [67], dass die Amplitudenzunahme A2 im SEP - R als Ausdruck gesteigerte kortikale
Exzitabilität bei M. Binswanger (SAE) allein durch thalamokortikale Läsionen bedingt ist. Diese
verursachen eine Dysregulation der Exzitabilität des Kortex über veränderte thalamokortikale
Feed – Back - Mechanismen [2]. Ob zusätzlich neben lokalen kortikalen Mechanismen auch
unterlagerte Regelkreise, in denen die Basalganglien beteiligt sind, zu der gesteigerten
Exzitabilität in der vorliegenden Arbeit beitragen, bleibt zunächst spekulativ, wenngleich im
Rahmen von PET Studien [46] gezeigt werden konnte, dass durch rTMS nicht nur oberflächliche
Kortexareale stimuliert werden können, sondern indirekt auch ganze funktionelle Systeme, und
somit zwar nicht eine direkte Wirkung der rTMS physikalisch möglich ist, aber eine sekundäre
Beeinflussung der Basalganglien nicht unmöglich erscheint.
Untersuchungen an Patienten mit Myotoner Dystrophie [37] weisen auf eine mögliche Ursache
gesteigerter kortikaler Exzitabilität auf zellulärer Ebene hin. Die gesteigerte kortikale Exzitabilität
im SEP - R wird hier mit einer pathognomonisch erhöhten intrazellulären Na+ - Konzentration und
einer ungewöhnlich verminderten Na+/K+ - Aktivität in allen Zellen begründet, die eine erhöhte
Exzitabilität der einzelnen Zellen und somit des gesamten Kortex bewirken.
31
4. Diskussion
Insgesamt scheint es plausibel, dass Veränderungen auf der Ebene kortikokortikaler
Verbindungen für die gesteigerte kortikale Erregbarkeit in dieser Arbeit verantwortlich sind, da
das magnetische Feld durch die rTMS - Applikation, wie in Kap 1.2.1 gezeigt, aus physikalischen
Gründen primär wegen der begrenzten Eindringtiefe nur kortikale Areale erreichen kann und
allenfalls sekundär andere Hirnstrukturen mitstimuliert werden können.
4.2
rTMS über dem primär sensiblen Kortex
Nur wenige Studien haben sich bislang mit der Beeinflussung der rTMS auf den primär sensiblen
Kortex beschäftigt. Dabei wurden neurophysiologische Messungen wie die Ableitung von SEP
und psychophysische Testungen als Kriterium zerebraler Veränderungen herangezogen.
Enomoto [16] zeigte, dass der kortikale Primärkomplex N 20 P25 des Medianus - SEP prinzipiell
durch rTMS modulierbar ist. Er verwendete eine niederfrequente, unterschwellige, 1Hz – rTMS Stimulation und untersuchte zusätzlich den Einfluss verschiedener Stimulationsorte über dem
sensomotorischen Kortex. Das Ergebnis zeigte, dass 10 min. nach Applikation niederfrequenter
1 – Hz - rTMS über dem primär motorischen Kortex eine Abnahme der N 20 P25 - Latenz um ca.
30 % messbar war, nicht jedoch bei Anwendung der rTMS über dem lateralen premotorischen
Kortex oder über dem primär sensorischen Areal SI. Dabei wurden die N 20 P25 - Amplituden
durch Ableitung eines kortikalen Medianus SEP nach einfacher peripherer Reizung des
kontralateralen N. medianus gemessen und nicht, wie in der vorliegenden Arbeit, im Rahmen
einer peripheren Doppelstimulation (SEP - R). Die Amplitudenerhöhung nahm über 100 min.
nach der rTMS - Applikation annähernd linear ab und war danach nicht mehr nachweisbar.
Die der vorliegenden Arbeit beschriebenen Ergebnisse stützen die Daten Enomotos insofern, als
auch hier die Antwortpotentiale A1, entsprechend einer konventionellen SEP-Ableitung, vor und
nach der rTMS - Anwendung über SI durch rTMS keine signifikanten Veränderung aufwiesen
[Abb. 14]. Im Gegensatz dazu nahm aber A2, als Ausdruck kortikaler Exzitabilität, bei Anwendung
hochfrequenter rTMS, wie oben geschildert, über SI ipsilateral signifikant zu [Kap. 3.2].
Enomoto konnte, wie zu erwarten war [68, 29, Kap. 1.2.2], eine signifikante Amplitudenminderung
der N 20 P25 - Amplitude des SEP, entsprechend A1 im SEP - R, nach der Anwendung
niederfrequenter rTMS über dem primär motorischen Kortex erzielen. In der vorliegenden Studie
32
4. Diskussion
bestätigt sich im Umkehrschluss ein exzitatorische Effekt hochfrequenter rTMS auf den primär
sensorischen Kortex. Enomoto erklärt die Wirkung der über dem primär motorischen Kortex
applizierten rTMS auf die N 20 P25 , deren Ursprung der primär sensorische Kortex ist, über
kortikokortikale Verbindungen, wenngleich auch er einen Beitrag über kortikosubkortikale Feed –
Back - Mechanismen nicht ausschließt.
In beiden Studien führt ein jeweils verschiedener Stimulationsort zu plastischen Veränderungen
in SI. Es werden aber auch verschiedene Messmethoden - SEP vs. SEP - R - verwendet, die
unterschiedliche Qualitäten kortikaler Veränderungen detektieren. Während das SEP eher
Aussagen zur „statischen“ kortikalen Signalverarbeitung zulässt, detektiert das SEP - R mehr die
dynamische, sequentielle Impulsverarbeitung.
Als Gemeinsamkeit beider Studien fällt auf, dass sowohl bei Enomoto als auch in dieser Studie
der neuromodulatorische Effekt im Bereich des primär sensorischen Kortex für mindestens 60
min. persistierte. Enomoto konnte zusätzlich mit einer follow – up - Messung den Zeitverlauf
kortikaler Veränderungen als nahezu lineare Funktion darstellen. In beiden Arbeiten werden
Amplitudenveränderungen des kortikalen Primärkomplexes N 20 P25 des Medianus SEP als
Hinweis auf Veränderungen der kortikalen Exzitabilität gewertet, obwohl jeweils rTMS über
unterschiedlichen kortikalen Arealen (Enomoto: primär motorischer Kortex vs. Primär sensibler
Kortex in der vorliegenden Arbeit) appliziert wurde. Die Tatsache, dass beide rTMS Stimulationsorte zu Veränderungen kortikaler Exzitabilität des Areals SI führen, bekräftigt die
Hypothese engmaschiger Verbindungen zwischen primär sensorischen und motorischen Arealen
im Sinne eines sensomotorischen Netzwerkes [44, Abb. 6].
Ragert et al prüften mittels psychophysischer Testung Veränderungen des sensorischen Kortex
nach hochfrequenter rTMS. Es zeigte sich, dass die Kombination hochfrequenter rTMS über dem
kortikalen Repräsentationsfeld des zur Zweipunkte - Diskrimination benutzten Zeigefingers
zusammen mit der taktilen Koaktivierung desselben Fingers zu einer signifikanten Senkung der
Diskriminationsschwelle beiträgt [51]. In einer ergänzenden Arbeit zeigte diese Arbeitsgruppe
auch, dass allein die hochfrequente rTMS ohne zusätzliche Koaktivierung zu einer Steigerung der
taktilen Diskriminationsfähigkeit führt [52]. Die Zunahme der psychophysischen Leistung durch
die 5 – Hz - rTMS wurde als Ausdruck einer rTMS - induzierten Steigerung kortikaler Exzitabilität
gewertet. Dieses Ergebnis wird durch die vorliegende Arbeit gestützt, da hier mittels SEP - R
33
4. Diskussion
direkt eine Suppression kortikaler Inhibition als neurophysiologisches Korrelat einer gesteigerten
kortikalen Exzitabilität gefunden wurde.
Studien, die auf Tierexperimenten basieren [69], berichten über rTMS - induzierte
Langzeitpotenzierung bzw. Langzeitunterdrückung kortikaler Exzitabilität [35]. Die Langzeitpotenzierung wurde beispielsweise mit Hilfe der In - Vitro - Autoradiographie untersucht durch
eine Aktivierung von NMDA Rezeptoren (über glutaminerge Mechanismen) kortikaler Zellen
erklärt. Diese Ergebnisse werden durch eine Studie von Dinse et al [11] gestützt, bei der im
Umkehrschluss durch Verabreichung eines selektiven NMDA – Rezeptor - Antagonisten an
Probanden eine kortikale Reorganisation im Sinne einer LTP verhindert werden konnten. Eine
Zunahme der kortikalen Exzitabilität wird außerdem auch als Ausdruck einer verminderten
Hemmung durch GABAerge Mechanismen diskutiert, so dass eine Modulation kortikaler
Exzitabilität durch eine Beteiligung beider Neurotransmittersysteme möglich erscheint [45, 51].
Eine weitere Differenzierung der Ursachen der durch rTMS gesteigerten kortikalen Exzitabilität in
dieser Arbeit kann anhand der verwendeten SEP – R - Messungen nicht erfolgen.
4.3
Interindividuelle Schwankungen der Suppression nach rTMS
Sowohl auf der ipsilateralen Seite als auch auf der kontralateralen Seite stellten sich die
individuellen Auswirkungen der rTMS Applikation sehr variabel dar. Die in Abb. 12 graphisch
ausgearbeiteten kortikalen Inhibitionen jeweils vor und nach rTMS weisen unter den Probanden
erhebliche interindividuelle Unterschiede auf, so dass sich für die Suppression, je nach Proband,
ipsilateral Werte von -10,63% bis +74,64% ergeben und kontralateral Schwankungen der
Suppression zwischen -28,78% und +36,40%. Wie bereits in Kap. 3.1 erläutert wurde, veränderte
rTMS die Exzitabilität bei einer Probandin nicht und in einem Fall ergab sich sogar bds. eine
Zunahme der kortikalen Inhibition nach rTMS, jedoch ipsilateral weniger als kontralateral, so dass
rTMS trotz negativer Werte für die Suppression eine, im Seitenvergleich betrachtet, relative
Suppression der kortikalen Inhibition erzielte. Die Variabilität der rTMS Wirkung überrascht nicht,
da in mehreren Studien die interindividuelle Effizienz von rTMS beschrieben wurde [33, 51]. Die
Ursachen der interindividuell verschiedenen rTMS - Effizienz werden unterschiedlich begründet:
Ragert [51] diskutiert, dass Zellen des Kortex mit NMDA - Rezeptoren eine ausreichende
Depolarisation benötigen, um Veränderungen kortikaler Plastizität zu verursachen. Die in der
vorliegenden Studie verwendete rTMS - Intensität orientiert sich aber an der motorischen
34
4. Diskussion
Ruheschwelle. Es ist denkbar, dass die sensible Ruheschwelle interindividuell von der
motorischen verschieden ist und daher rTMS die glutaminergen Neurone des primär sensiblen
Kortex bei verschiedenen Probanden unterschiedlich stark depolarisiert, so dass als Folge auch
unterschiedliche Suppressionen der Inhibition resultieren. Das Problem der Festlegung einer
sensiblen Ruheschwelle ist schwierig zu lösen, da im Unterschied zum primär motorischen
Kortex, bei der die Reizstärke der TMS durch ein EMG des Zielmuskels kontrolliert werden kann,
nur die Aussage des Probanden bzgl. einer Sensation im entsprechenden Handareal gewertet
werden und diese nicht objektiv quantifiziert werden kann.
Maeda et al [33] führen noch weitere mögliche Gründe für die interindividuelle Variabilität rTMS
induzierter Plastizität an: In Tierexperimenten konnte gezeigt werden, dass unter weitgehend
konstanten Randbedingungen die Applikation von rTMS bei Mäusen zu einer verschiedenen
Expression des Glia - Proteins GFAP (glial fibrially acidic protein) führt. Die histologischen
Ergebnisse führten zu der Annahme, dass biologische bzw. morphologische Unterschiede des
Gehirns zu der interindividuellen Expression des Proteins als Reaktion auf rTMS beitragen [20].
Maeda diskutiert auch technische Schwachstellen der rTMS - Applikation. Hier wird eine nur
begrenzte Genauigkeit der Spulenposition bzgl. der absoluten Lage über dem kortikalen
Zielgebiet angeführt. Unter Berücksichtigung von Kap 1.2.1 ist auch die Fehlermöglichkeit einer
Rotation zu bedenken, die zu einer Abweichung des magnetischen Feldes in Richtung des
Schädelmittelpunktes führt und somit die Entstehung sekundärer elektrischer Feldkomponenten
begünstigt, welche zu einer Veränderung des resultierenden stimulierenden E - Feldes um bis zu
30% führen können [53].
In den 45 min. Pause zwischen den beiden rTMS - Sessions waren die Probanden unbeobachtet
und in der Regel verbrachten sie die Zeit mit unterschiedlichen Tätigkeiten. Prinzipiell ist,
besonders wenn manuelle Verrichtungen in der Pause verrichtet wurden, eine zusätzliche
kortikale Veränderung durch periphere Stimuli der Hand (Computertastatur, Schreibvorgänge,
etc.) denkbar. Insbesondere bei der Probandin CB sind neben der rTMS - Applikation zusätzliche
Alterationen der kortikalen Exzitabilität durch Mechanismen (z.B. Ermüdungserscheinungen) zu
diskutieren, die beide Gehirnhemisphären betreffen, da zwar, wie oben geschildert, im
Seitenvergleich eine relative Suppression der kortikalen Inhibition erzielt wurde, die Exzitabilität
insgesamt beidseits jedoch deutlich abgenommen hatte.
35
5. Zusammenfassung und Ausblick
5
Zusammenfassung und Ausblick
Seit der Einführung der TMS 1985 konnte in zahlreichen Studien ein neuromodulatorischer Effekt
nachgewiesen werden, der primär aus physikalischen Gründen kortikale Areale betrifft. Die
Mehrzahl der Studien hat sich, unter anderem wegen der durch MEP - Ableitungen gut
objektivierbaren Auswirkungen der kortikalen Veränderungen, mit dem primär motorischen Kortex
befasst.
Die
plastischen
Veränderungen
konnten
in
Abhängigkeit
der
gewählten
Stimulationsparameter Frequenz, Intensität, Anzahl der TMS - Impulse und Fraktionierung der
Gesamtdosis auch unterschiedlich lang nach der rTMS - Applikation gemessen werden.
In der vorliegenden Studie wurden die Veränderungen kortikaler Exzitabilität des primär
sensorischen Kortex nach 5Hz - rTMS über SI mit Hilfe der somatosensibel evozierten Potentiale
nach peripherer Doppelstimulation des N. medianus untersucht (SEP - R). Als Gruppeneffekt
zeigte sich nach hochfrequenter rTMS eine signifikante Suppression der initial bestehenden
Inhibition der N 20 P25 - Amplitude im Rahmen des SEP - R. Dies kann als Ausdruck einer
Steigerung der kortikalen Exzitabilität gewertet werden. Es konnte mit demselben rTMS Stimulationsmodus in vorherigen Studien eine Leistungssteigerung der taktilen Zweipunktediskrimination gezeigt werden, so dass die Vermutung nahe liegt, gesteigerte kortikale
Exzitabilität, wie sie mit Hilfe des SEP - R in der vorliegenden Arbeit gemessen wurde, ist ein
Faktor für die Entwicklung kortikaler Plastizität und daher mitverantwortlich für ein gesteigertes
Wahrnehmungsvermögen (Perzeption).
In weiteren Studien sollte die Steigerung der kortikalen Exzitabilität des primär sensorischen
Kortex
in
Abhängigkeit
von
der
Zeit
und
unter
Berücksichtigung
verschiedener
Stimulationsparameter (Frequenz, Dosis, Intensität, Fraktionierung) erfolgen. Da im Rahmen der
klinischen Studien an ausgewählten Patientengruppen (z.B. M. Binswanger) mit dem SEP – R
immer wieder eine mögliche Mitbeteiligung thalamokortikaler Verbindungen diskutiert wurde,
wäre es in folgenden Studien ggf. zusätzlich interessant, z.B. durch bildgebende Verfahren wie
der funktionellen Kernspintomographie, zu klären, ob thalamokortikale Feed – Back Mechanismen bei der rTMS einen eigenen Beitrag zur kortikalen Exzitabilität leisten. Des
Weiteren sind hinsichtlich zukünftiger Therapiekonzepte Studien, in denen die Reversibilität rTMS
induzierter plastischer Veränderungen, deren Dynamik, und ggf. die pharmakologische
Beeinflussung studiert werden, interessant.
36
6. Literaturverzeichnis
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43
7. Anhang
7
Anhang
Tab. 1: Messdaten der 13 Probanden
44
Danksagung
Danken möchte ich all denen, die mich bei der Fertigstellung der vorliegenden Dissertation
unterstützt haben, insbesondere
Herrn Prof. Dr. med. J. - P. Malin, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Bergmannsheil,
für die Möglichkeit, dass ich während der Weiterbildungszeit zum Assistenzarzt die
neurophysiologischen Messungen in den Laboratorien der Klinik durchführen konnte,
Herrn Prof. Dr. med. M. Tegenthoff, Leitender Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik
Bergmannsheil, für die Überlassung des Themas, die Vermittlung der klinischen und
neurophysiologischen Grundkenntnisse sowie die kontinuierliche, ausführliche, freundliche
Betreuung,
Herrn Dr. Dipl. – Biol. P. Ragert für die freundschaftliche Kooperation bei der Planung und
Durchführung der Studie sowie beim Verfassen des Artikels „Sustained increase of
somatosensory cortex (SI) excitability by 5Hz repetitive transcranial magnetic stimulation (rTMS)
studied by paired median nerve stimulation“, der die Grundlage der vorliegenden kumulativen
Dissertation ist,
Herrn Priv. – Doz. Dr. H. R. Dinse und Herrn Dr. med. B. Pleger für die wertvollen Hinweise zur
neurophysiologischen Methodik und zur Bearbeitung der Messergebnisse.
Schließlich bedanke ich mich besonders bei meinen Eltern für die materielle und ideelle
Unterstützung während der langen Studien - und Ausbildungszeit sowie für das sorgfältige
Korrekturlesen dieser Dissertation.
Last, not least möchte ich meiner Frau und meinen Kindern für die unsägliche Geduld und den
Zuspruch auf meinem Weg zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin danken.
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Lebenslauf
PERSÖNLICHE ANGABEN
Familienstand:
Verheiratet, zwei Kinder
Geburtsdatum:
16.12.1966
Geburtsort:
Witten
AUSBILDUNG
1973
Erlengrundschule Witten
1977
Albert - Martmöller - Gymnasium, Witten
1986
Studium der Elektrotechnik an der Universität Dortmund
1988
Vordiplom
1992
Studienarbeit: „Entwurf und Implementierung eines Moduls zur blockorientierten
Simulation anwenderspezifischer Systeme“
1993
Diplomarbeit: „Rechnergestützte Analyse herkömmlicher Strategien zur Regelung
und Einsatzoptimierung von Kraftwerksblöcken“
1993
Abschluss: Dipl. - Ing. (Nachrichtentechnik)
1993
Anerkennung der Diplomprüfung als - Erste Staatsprüfung für das Lehramt für die
Sekundarstufe II -
1994
Studium der Humanmedizin an der Justus – Liebig - Universität Gießen
1997
Physikum, Studienplatzwechsel zur Ruhr - Universität Bochum
1999
Erstes Staatsexamen Humanmedizin
2000
Zweites Staatsexamen Humanmedizin
2000
Praktisches Jahr: - Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Bochum
2001
- Schweizer Paraplegiker – Zentrum, Nottwil
Drittes Staatsexamen; Arzt im Praktikum (Neurologische Klinik und Poliklinik,
Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik, Direktor: Prof.
Dr. J. - P. Malin)
2003
Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie an der
Neurologischen Klinik und Poliklinik, Bergmannsheil
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Einbindung der Veröffentlichung
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