Kohlenhydrate Einleitung Kohlenhydrate (Saccharide) sind Polyhydroxycarbonyl-Verbindungen, die neben Kohlenstoff noch Wasserstoff und Sauerstoff im Stoffmengenverhältnis 2:1 enthalten. Der Begriff Kohlenhydrate ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene Verbindungen, die sich von Einfachzuckern ableiten. Die allgemeine Summenformel der Kohlenhydrate Cn(H2)mOm bzw. Cn(H2O)m. Mono- und Oligosaccharide werden als Zucker bezeichnet. Kohlenhydrate Monosaccharide Einfachzucker Cn(H2O)m z.B. Glucose, Fructose Oligosaccharide 2 bis 10 verbundene Monosaccharide (Sauerstoffbrücken) z.B. Rohrzucker Polysaccharide Verknüpfung vieler Monosaccharide z.B. Stärke, Glykogen 2 Kohlenhydrate Monosaccharide Der größte Teil der organischen Materie besteht aus Kohlenhydraten. Sie entstehen unter Einwirkung von Sonnenlicht in den Blättern der grünen Pflanzen aus CO2 und H2O. Dieser Vorgang, bei dem Sauerstoff freigesetzt wird, heißt Fotosynthese. 6 CO2 + 6 H2O + Licht C6H12O6 + 6 O2 Bei der Zellatmung, einem Stoffwechselvorgang, werden Kohlenhydrate mithilfe von Sauerstoff zu CO2 und H2O umgesetzt. Es findet der umgekehrte Weg der Fotosynthese statt. Dabei wird lebensnotwendige Energie frei. C6H12O6 + 6 O2 6 CO2 + 6 H2O + Energie 3 Kohlenhydrate Monosaccharide Monosaccharide bestehen aus einem Kohlenstoffgerüst mit 3 bis 7 C-Atomen, mehreren Hydroxy-Gruppen und einer Aldehyd- oder Keto-Gruppe. Sie stellen die Grundbausteine aller Kohlenhydrate dar. H Glycerinaldehyd C3H6O3 O C │ H ─ C ─ OH │ C CH2OH Polyhydroxycarbonylverbindung Nach der Anzahl der Kohlenstoffatome unterteilt man die Monosaccharide in Triosen, Tetrosen, Pentosen etc. Dihydroxyaceton C3H6O3 CH2OH │ C═O │ CH2OH 4 Kohlenhydrate Monosaccharide Konstitutions und Stereoisomerie von Monosacchariden Das chemische Verhalten der Monosaccharide wird durch die Art der CarbonylGruppe bestimmt. Man unterteilt sie daher in Aldosen, die eine Aldehyd-Gruppe am C1-Atom tragen, und in Ketosen, bei denen sich eine Keto-Gruppe am C2-Atom befindet H 1 1 O OH H 2* 3* HO H 4* CH2OH OH H 2* Oxidation H OH 5* H 1 CH2OH OH CH2OH - H2 3* HO H 4* Oxidation H OH 5* H O 2* OH CH2OH - H2 3* HO H 4* H OH 5* H OH CH2OH 6 6 6 D-Glucose D-Sorbit D-Fructose *: chirales C-Atom 5 Kohlenhydrate Monosaccharide Konstitutions und Stereoisomerie von Monosacchariden Die Oxidation am C2-Atom von D-Sorbit führt zur Bildung von Konstitutionsisomeren. Bei gleichartigen Aldosen bzw. Hexosen existieren verschiedene Stereoisomere, die geringfügig unterschiedliche chemische Eigenschaften zeigen. Es gibt 16 verschiedene Aldohexosen mit der Summenformel C6H12O6 . Acht der Zucker gehören der D-Reihe an, acht der L-Reihe. L-Enantiomere spielen in der Natur keine Rolle. Für den Menschen physiologisch bedeutsam sind die DGlucose, D-Galactose und die D-Mannose. 6 Kohlenhydrate Monosaccharide D-Glucose, Traubenzucker Glucose ist eine Aldohexose und kann in einer offenkettigen sowie zwei ringförmigen Strukturen auftreten. Die α- und β-Glucose unterscheiden sich nur durch die Stellung der Hydroxy-Gruppe am anomeren Kohlenstoffatom. Den Vorgang der Umwandlung von α-Glucosen über die offenkettige Form in βGlukose nennt man Mutarotation. 7 Kohlenhydrate Monosaccharide D-Glucose, Traubenzucker α-D-Glucose β-D-Glucose Smp.: = 146°C, [α]D = + 112,2° (H2O) Smp.: = 150°C, [α]D = + 18,7° (H2O) H 1 H HO 2* H HO 3* HO H H 4* axial OH H OH H OH H CH2OH H O O CH2OH H O HO H OH H HO OH OH 5* H equatorial H H OH 6 CH2OH HOCH2 HOCH2 O OH OH HO OH O H Haworth - Schreibweise OH OH H HO OH 8 Kohlenhydrate Monosaccharide Reduzierende Wirkung von Zucker •Fähigkeit zur Bildung der offenkettigen Form •Vorhandensein einer Aldehyd-Gruppe H O OH O 1 1 OH H 3* HO H 4* + 4 Na+ + 4 OH- H OH 5* H OH CH2OH 6 OH H + 2 Cu2+ + 2 SO42- 2* + 4 Na+ + 2 SO42- 2* 3* HO H 4* H OH + 2 Cu+ + 2 OH+ H ― OH 5* H OH CH2OH 6 Folgereaktion: 2 Cu+ + 2 OH- 2 CuOH Cu2O↓ + H2O 9 Kohlenhydrate Monosaccharide D-Fructose, Fruchtzucker Fructose ist eine Ketohexose, die neben der offenkettigen Form zwei ringförmige Isomere mit unterschiedlicher Ringgröße bilden kann. D-Fructose ist die physiologisch wichtigste Kette. 1 CH H H H CH2OH H 3* HO H 4* OH 5 HO HO OH HO O 2 6 CH2OH 5 CH2OH 5* H H H OH H H 2* 2 O HO O OH 6 2OH H OH 6 CH2OH H H 5 6 H H O H CH2OH O HOCH2 2 OH HO OH 6 OH Haworth - Schreibweise 5 OH 2 OH H HO OH 10 Kohlenhydrate Monosaccharide D-Fructose, Fruchtzucker Fructose kommt wie Glucose in süßen Früchten und Honig vor, schmeckt süßer und wird schneller abgebaut und beeinflusst den Blutzuckerspiegel kaum. Wenn man versucht, Fructose mit der Fehling‘schen Lösung zu testen, verläuft die Reaktion positiv, obwohl Fructose keine Aldehydgruppe hat. Das liegt daran, dass sich Fructose in wässriger alkalischer Lösung in Glucose umwandeln kann. In der stark alkalischen Fehling‘schen Lösung liegt deshalb ein Großteil der Fructose als Glukose vor. 11 Kohlenhydrate Monosaccharide Bedeutung wichtiger Monosaccharide Ribose Glycerinaldehyd Ribose, Desoxyribose D-Glucose •wichtiges Stoffwechselprodukt •Zuckerkomponenten der Nucleinsäuren RNA und DNA sowie der Zellkern-Nucleoside •Baustein vieler Oligosaccharide, spezieller Lipide und Proteine •Energielieferant im Kohlenhydratstoffwechsel D-Fructose •Traubenzucker, Dextrose als Nahrungsmittel für Sportler und Kleinkinder •Baustein höherer Kohlenhydrate H H H OH OH H OH O HOCH2 H OH O HOCH2 H H OH H H 2Desoxyribose •Fruchtzucker als Nahrungsmittel, Süßstoff oder als Zuckeraustauschstoff für Diabetiker 12 Kohlenhydrate Monosaccharide Anomere: durch Ringschluss wird das C-Atom der Carbonylgruppe asymmetrisch anomeres C-Atom; unterschiedliche Anordnung der Substituenten Anomere (unterscheidung durch vorangestellte Buchstaben α und β Halbacetal: O–H O R – C – OR‘ + H – O – R‘ R–C H Aldehyd H Alkohol Halbacetal Haworth-Projektion: In einem Ring ist das Sauerstoffatom nach oben angeordnet; das anomere C-Atom ist immer rechts HOCH2 HOCH2 α-D-Glucose O OH O H OH HO H ⇋ OH H OH HO ⇋ OH OH O HOCH2 ⇋ α-D-Fruktose CH2OH ⇋ OH OH O HOCH2 O OH HO CH2OH 13 β-D-Fruktose Ketoform OH β-D-Glucose OH H OH HO OH H HO OH CH2OH O HOCH2 O O HO OH HOCH2 Aldehydform OH Kohlenhydrate Monosaccharide Wichtige Fachbegriffe im Überblick. Pyranosen, Furanosen: Grundgerüst heterocyclischer Ringe Sechserring-System: Pyran Pyranosen O Fünferring-System: Furan Furanosen O HOCH2 HO O OH H OH HO OH HOCH2 OH CH2OH OH + HOCH2 O O ⇋ OH H HO CH2OH O HO + H2O OH OH HOCH2 O 14 Kohlenhydrate Disaccharide Die Verbindung von zwei Monosacchariden führt unter Abspaltung von Wasser (Kondensation) zu Disacchariden. Natürliche Disaccharide haben die Summenformel C12H22O11 und können je nach Art der Monosaccharidbausteine und deren Verknüpfung eine Vielzahl von Isomeren mit unterschiedlichen Eigenschaften bilden. glykosidische Bindung: Verknüpfung einer OH-Gruppe mit dem einem halbacetalischen Kohlenstoffatom. 15 Kohlenhydrate Disaccharide Saccharose Das bekannteste Kohlenhydrat (Rohrzucker, Rübenzucker). Sie entsteht aus einem Molekül Glucose und einem Molekül Fructose unter Abspaltung von Wasser. C6H12O6 + C6H12O6 C12H22O11 + H2O Glucose + Fructose Saccharose + Wasser Die beiden Molekülen sind über eine glykosidische Bindung verknüpft. Saccharose reagiert nicht mit der Fehling‘schen Lösung, weil durch die Verknüpfung die funktionellen Gruppen blockiert sind. 16 Kohlenhydrate Disaccharide Überblick über die häufigsten Disaccharide HOCH2 HOCH2 O 1 OH 4 H Maltose (Malzzucker), reduzierend 1 OH α HO O H H OH O OH OH HOCH2 HOCH2 O β 1 OH O O 4 H HO H H 1 OH Lactose (Milchzucker), reduzierend OH OH OH HOCH2 O HOCH2 H 1 OH α HO OH H O 5 2 OH O CH2OH Saccarose (Rohrzucker), nicht reduzierend OH 17 Kohlenhydrate Polysaccharide Polysaccharide sind makromolekulare Naturstoffe, die durch die Kondensation vieler Moleküle eines Monosaccharides entstehen. Die wichtigsten Polysaccharide sind: Cellulose: Gerüststoff von Pflanzen, β-glykosidisch Verknüpfte β-D-Glucose Einheiten. Durch Wasserstoffbrücken zu benachbarten Ketten entsteht ein unlöslich faseriges Material. OH OH O O O O O OH OH OH OH O O O O HOCH2 HOCH2 HOCH2 HOCH2 OH OH Wirtschaftliche Bedeutung von Cellulose: Ausgangsstoff bei der Papierherstellung; Grundbaustein bei Textilfasern wie Baumwolle und Leinen. Glykogen: α-glykosidisch Verknüpfte α-D-Glucose Einheiten. Struktur ähnlich dem Amylopektin, jedoch deutlich höherer Verzweigungsgrad. 18 Kohlenhydrate Polysaccharide Struktur von Cellulose 19 Kohlenhydrate Polysaccharide Stärke: α-glykosidisch Verknüpfte α-D-Glucose Einheiten, Stoffgemisch aus 25 % Amylose und 75 % Amylopektin 20 Kohlenhydrate Polysaccharide Stärke: α-glykosidisch Verknüpfte α-D-Glucose Einheiten, Stoffgemisch aus 25 % Amylose und 75 % Amylopektin HOCH2 HOCH2 O O O O O O OH OH OH OH O O O HOCH2 OH HOCH2 OH O OH OH O O OH O OH HOCH2 O CH2 O OH HOCH2 O OH O OH HOCH2 O HOCH2 HOCH2 OH O OH O OH O O O 21 OH OH OH OH