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Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Universität Passau
WS 2007/08
z
3. Bankenliquidität und Mengentender
zˆ  2.4
Fn
F  115
F
Pflichtlektüre:
Jarchow, H.-J.: Theorie und Politik des Geldes, 11.
überarb. und wesentl. erw. Aufl., Göttingen: UTB, 2003,
S. 109-126.
• Im Rahmen eines Zinstenders kann die Zentralbank die
Höhe der zugeteilten Kredite genau kontrollieren.
• Der Refinanzierungssatz ist dann von der Nachfrage
nach Zentralbankkrediten abhängig.
• U.U. möchte die Zentralbank aber einen bestimmen
Zinssatz fixieren.
• Im Falle einer verstärkten Kreditnachfrage der Banken
könnte die Zentralbank im Rahmen eines Zinstenders das
Zuteilungsvolumen erhöhen, um hiermit den Zinssatz
konstant zu halten.
• Eine alternative Methode besteht in der Verwendung
eines Mengentenders.
• Beim Mengentender legt die Zentralbank im voraus
einen Zinssatz fest und die teilnehmenden
Geschäftsbanken teilen die gewünschten
Zuteilungsvolumina mit.
• Dies lässt sich graphisch folgendermaßen
veranschaulichen:
z
zˆ  2.4
Fn
135
F
• Hätte die Zentralbank den Zinssatz bei z=2.4 festgelegt,
so wären Gebote i.H.v. insgesamt F=135 eingegangen.
• Die Graphik ist hierbei analog zu derjenigen mit
Zinstender.
• Wir müssen uns aber der Frage stellen, ob dies
realistisch ist, oder ob die Nachfrage der
Geschäftsbanken nach Zentralbankkrediten nun anders
ausfällt.
• Eine solche Möglichkeit der unbegrenzten
Verschuldung bewirkt nämlich Änderungen des
Bankenverhaltens.
• Aufgrund der unbeschränkten Möglichkeit,
Zentralbankkredit auf eigene Initiative aufzunehmen,
werden Banken keine oder nur sehr geringe eigene
Reserven halten, E=0.
• Die Zentralbank wird in diesem Fall keine vollständige
Kontrolle über die monetäre Basis mehr haben.
• Die Zentralbank kann die Konditionen dieser Kredite
kontrollieren, insbesondere das Zinsniveau, aber die
Höhe der Inanspruchnahme wird von den
Geschäftsbanken bestimmt.
• In der praktischen Zentralbankpolitik spielt der
Mengentender eine große Rolle.
• Die EZB begab bis Juni 2000 Kredite im Rahmen der
Hauptrefinanzierungsfazilität in Form eines
Mengentenders.
• Ferner existiert bis heute im Rahmen der
Spitzenrefinanzierungsfazilität die Möglichkeit,
unbegrenzt auf Zentralbankkredite zuzugreifen,
allerdings zu einem höheren Zinssatz von derzeit 5,0
Prozent.
• Die Zentralbanken Australiens, Kanadas und
Neuseelands bieten eine Spitzenrefinanzierungsfazilität
mit einem Zinssatz von 25 Basispunkten oberhalb
desjenigen sonstiger Zentralbankkredite.
• Im Rahmen der Bilanzrestriktion der Zentralbank
gilt aufgrund von E=0: W+F=C+MR=B.
• Erhöhen die Geschäftsbanken ihre Verschuldung
bei der Zentralbank, F, so steigt die monetäre Basis
ohne aktive Beteiligung der Zentralbank.
• Volle Kontrolle hat die Zentralbank nun über einen
Teil der monetären Basis, die Gold und
Nettoauslandsforderungen, W.
• Daneben kontrolliert sie den Refinanzierungssatz z,
der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der
Zentralbank Kredite verschaffen.
• Für die Nachfrage der Geschäftsbanken nach
Basisgeld, B, gilt nun vereinfacht:
B=C+MR.
• Damit folgt:
B=bD+rD  B=(b+r)  D ,
• und mit M=(1+b)D, folgt für die Höhe der
Geldschöpfung:
1 b
M B
.
b r
• Für Geschäftsbanken ist zu beurteilen, ob die
Zentralbank immer die gewünschte Liquidität zur
Verfügung stellen wird, wie beim Mengentender, oder
ob die Geschäftsbanken selber freiwillige Reserven
halten sollten.
• Die Zentralbank muss sich fragen, ob sie eine
Reservehaltung der Geschäftsbanken wünscht und
hierzu mit einer strikten Kontrolle der monetären
Basis auffordern möchte.
• Für die Nachfrage nach Zentralbankkrediten gilt
somit:
b r
F  B  W  L  i, Y 
W .
1 b
• Die Nachfragekurve hat somit im z/F-Diagramm
einen vertikalen Verlauf, entgegen der Darstellung in
obigem Diagramm.
z
Fn
zˆ  2.4
135
F
Zwischen Zins- und Mengentender
• Der Mengentender hat in der Praxis klare Vorteile
gegenüber dem Zinstender.
• Mit der Höhe des angekündigten Zinsniveaus wird
unmittelbar das kurzfristige Zinsniveau bestimmt.
• Der Zinssatz ist die für Investoren (und die Konjunktur)
entscheidende Größe; die Übertragung monetärer
Impulse auf die reale Wirtschaft vollzieht sich
weitgehend durch Änderungen des Zinssatzes.
• Auch für die Tätigkeit der Banken bei der
Fristentransformation ist eine Beobachtung der
zukünftigen Zinsen entscheidend.
• Signalen der Zentralbank bezüglich zukünftiger Zinsen
werden daher eine hohe Bedeutung beigemessen.
• Signale der Zentralbank bezüglich der zukünftigen
Versorgung mit Zentralbankgeld sind demgegenüber
schwerer zu interpretieren.
• In der Praxis werden oftmals die beiden Tenderarten
miteinander vermischt: Zinssignale sollen gesendet
werden, aber die Liquiditätsversorgung soll trotzdem
quantitativ kontrolliert werden.
• Beim Mengentender könnte eine Beschränkung des
Zuteilungsvolumens vorgenommen werden.
• Würde die Zentralbank eine Beschränkung auf F=115
vornehmen, so würden alle Gebote, unabhängig von der
dahinter stehenden Zahlungsbereitschaft, gleichermaßen
nur anteilig bedient werden (Repartierung).
z
zˆ  2.4
Fn
115 135
F
• Die Zuteilungsquote beträgt im angegebenen Beispiel
115/135.
• Ein Nachteil einer solchen Mengenbeschränkung
ergäbe sich, wenn die Banken sich strategisch verhalten:
In Antizipation der Repartierung werden übertriebene
Mengengebote abgegeben.
• Tatsächlich war ein solches Verhalten bis zum Juni
2000 verstärkt in der Eurozone zu beobachten. Dies
veranlasste die EZB im Jahre 2000, zum Zinstender
überzugehen.
• Neben einem Mengentender mit begrenztem
Zuteilungsvolumen, F , kann auch ein Zinstender mit
Mindestbietungssatz die Vorteile der beiden Tenderarten
miteinander verbinden.
z
Fn
zˆ  2.4
Mindestbietungssatz = 2,0
F  115
F
• Dieses Zuteilungsverfahren wird von der EZB seit Juni
2000 im Rahmen der Hauprefinanzierungsfazilität
verwendet.
• Hierbei ergibt sich evtl. das Problem, dass der
Mindestbietungssatz letztlich nicht bindend ist. Inwiefern
er dann noch tatsächlich als Signal wahrgenommen wird,
bleibt weiter zu beobachten.
• Eine weitere Mischform ergibt sich, wenn sich bei
einem Zinstender die Höhe des Volumens an
Zentralbankkrediten nicht allein nach der Ausrichtung der
Geldpolitik, sondern auch nach dem Liquiditätsbedarf des
Bankensystems richtet.
• In diesem Fall versucht die EZB, Schwankungen in der
Nachfrage nach Zentralbankkrediten zu antizipieren und
Auswirkungen auf das Zinsniveau abzudämpfen.
• In einer Pressemitteilung vom Juni 2000 schreibt die
EZB:
„Ferner ist hervorzuheben, dass die EZB bei ihren
Zuteilungsentscheidungen eine Reihe von Faktoren
berücksichtigt, zu denen auch – wenngleich nicht
ausschließlich – der erwartete Liquiditätsbedarf des
Bankensystems zählt.“
• Die Banken können bei Liquiditätsengpässen auf
zusätzliche Zentralbankkredite hoffen.
• Der Vorteil eines solchen Verfahrens besteht darin, dass
nicht ausschließlich Banken die (Zins-)Risiken von
Liquiditätsschwankungen zu tragen hätten.
• Stärkere Zinsschwankungen werden vermieden, so dass
das resultierende Marktgleichgewicht demjenigen eines
Mengentenders nahe kommt.
• Allerdings wird dadurch intransparent, inwieweit die
Banken für Liquiditätsengpässe selbst durch Haltung von
Reserven Vorsorge leisten sollten.
• Ein Mengentender wäre die im Vergleich transparentere
Zuteilungsmethode.
• Für Geschäftsbanken ist zu beurteilen, ob die
Zentralbank immer die gewünschte Liquidität zur
Verfügung stellen wird, wie beim Mengentender, oder
ob die Geschäftsbanken selber freiwillige Reserven
halten sollten.
• Die Zentralbank muss sich fragen, ob sie eine
Reservehaltung der Geschäftsbanken wünscht und
hierzu mit einer strikten Kontrolle der monetären
Basis auffordern möchte.
• Dies lässt sich spieltheoretisch als matching game
darstellen.
• Die Zentralbank erzielt Zinseinnahmen aus freiwillig
gehaltenen Reserven. Diese wurden positiv in der
Matrix eingetragen.
• Möchte die Zentralbank die Geschäftsbanken hierzu
anhalten, so wird sie die Geschäftsbanken temporär in
eine kostspielige Illiquidität treiben müssen.
Zentralbank
Geschäftsbank
Hält Reserven
Hält keine
Reserven
Fixiert
monetäre
Basis
2
0
3
2
Verteilt Liquidität
nach Bedarf
2
3
3
2
• Empirisch lässt sich zur Nachfrage nach
Zentralbankgeld wiederholt feststellen, dass diese
kurzfristig eher unelastisch ist und sich erst langfristig der
erwartete, negative Einfluss zeigt.
• So zeigt eine Auswertung von Monatsdaten der EZB für
März 2000-Dezember 2006 die folgenden Korrelationen:
Zinssatz (EONIA), 14 Monate verzögert
5.5
Zinssatz (EONIA), aktuell
5.0
4.5
4.0
3.5
3.0
2.5
2.0
1.5
100000
200000
300000
400000
500000
Zentralbankkredite an Geschäftsbanken (HRF+LRZ)
5.5
5.0
4.5
4.0
3.5
3.0
2.5
2.0
1.5
100000
200000
300000
400000
500000
Zentralbankkredite an Geschäftsbanken (HRF+LRZ)
• Im Rahmen einer Regressionsanalyse zeigt sich ein
signifikanter Einfluss des verzögerten Zinssatzes auf
Zentralbankkredite (hier: Summe aus
Hauptrefinanzierungs- und längerfristiger Fazilität), auch
wenn um andere Variablen kontrolliert wird. Bei 14
Monaten ergibt sich der höchste Einfluss.
• Ein solch einfacher
Ansatz kann allerdings
nur als erster Hinweis
dienen, insbesondere
da der geringe DurbinWatson auf serielle
Korrelation hinweist.
• Auf eine Änderung des Zentralbankzinses werden die
Banken daher erst mit einer gewissen zeitlichen
Verzögerung mit einer Anpassung ihrer Nachfrage nach
Zentralbankkrediten reagieren.
• Dies wird sich simultan auf den Wertpapierbestand
der Banken, evtl. noch später erst auf die Vergabe von
Direktkrediten auswirken.
• Diese Anpassungszeit ließe sich dadurch verringern,
dass Änderungen des Zentralbankzinses im voraus
bekannt gegeben und von den Marktteilnehmern
antizipiert werden.
• Wäre die Politik der EZB nicht antizipierbar gewesen,
so wäre die zeitliche Verzögerung in der Regression
vermutlich noch größer ausgefallen.
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