4. INFORMATIONSBÖRSE SCHIZOPHRENIE Psychotherapie und Psychoedukation PD Dr. Stefan Klingberg, Universität Tübingen Zusammenfassung Psychotherapeutische Interventionen aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie bauen auf dem Vulnerabilität-Stress-Modell schizophrener Psychosen auf. Nach diesem Verständnis kommt es zu schizophrenen Erkrankungen, wenn Menschen mit einer diesbezüglichen Verletzlichkeit zu großen sozialen Belastungen ausgesetzt sind. In der Behandlung wird daher zunächst ein gemeinsames Verständnis der Probleme erarbeitet. Anschließend wird trainiert, drohende Rückfälle rechtzeitig zu erkennen und zu bewältigen. Damit Belastungen besser bewältigt werden können werden im Hauptteil der Behandlung Strategien zur Belastungsbewältigung erarbeitet und eingeübt sowie fortbestehende Symptome zum Thema gemacht. Dabei ist eine aktive Mitarbeit des Patienten erforderlich, die der Therapeut durch eine aktive, zugewandte Haltung unterstützt. Begleitend dazu sollten die Angehörigen über die Erkrankung informiert werden und bei ihrem Umgang mit den Krankheitsfolgen unterstützt werden. Wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass diese Behandlungsstrategien wirksam sind und helfen, Rückfälle zu verhüten. Welches Verständnis der Erkrankung liegt dem Behandlungsansatz zugrunde? Nach dem sogenannten Vulnerabilitäts-Stress Modell wird eine Krankheitsphase unter zwei Bedingungen ausgelöst 1. Der Betroffene ist anfällig (vulnerabel) für schizophrene Störungen. Die Ursachen dieser Anfälligkeit sind letztlich nicht geklärt. Biologische, psychologische und soziale Ursachenfaktoren spielen dabei eine Rolle. Die Anfälligkeit (Vulnerabilität) kann nicht direkt beeinflusst werden. 2. Der Betroffene steht anhaltend unter zu großer Belastung und/oder verfügt nicht über ausreichende Bewältigungsstrategien. Die Art der Belastung kann dabei sehr verschieden sein. Oft geht es dabei um grundlegende Veränderungen der Lebenssituation (z.B. Abschlussprüfungen, Wohnungswechsel) oder um langanhaltende Belastungen wie Beziehungskonflikte oder Überforderung am Arbeitsplatz. Therapieziel Die Therapie soll Strategien zur Bewältigung der Erkrankung vermitteln und damit die Stabilsierungschance erhöhen - Vertrauensvolle Zusammenarbeit aufbauen - Gemeinsames Verständnis der Erkrankung erarbeiten - Erlebnisse der akuten Krankheitsphase einordnen können - Medikamenten-Akzeptanz fördern - Mit Krisen angemessen umgehen können - Belastungen in Familie, Freizeit und Arbeit erkennen und bewältigen können - Fortbestehende Symptome zum Thema machen und dagegen angehen - Individuelle Fähigkeiten des Patienten erkennen und fördern - Lebensqualität fördern Hindernisse bei der Krankheitsbewältigung - Die Erkrankung wird nicht oder erst spät erkannt. - Die Betroffenen verstehen ihre Beschwerden nicht als Erkrankung. - Die Krankheit wird aus Scham verheimlicht. - Warnsignale für Rückfälle werden nicht erkannt oder die Betroffenen wissen nicht damit umzugehen. - Zu viel oder zu wenig Anforderungen im Alltags - Nicht ausreichende Fähigkeiten zur Alltagsbewältigung (Arbeitsplatz, Wohnsituation, Freizeitgestaltung, Beziehungen) Unterstützungsmöglichkeiten werden nicht genutzt Bausteine der Therapie Psychoedukation • Information zu Hauptsymptomen, Diagnose, Krankheitsverlauf, Vulnerabilitäts-Stress-Modell, • Information über die Medikation und weitere Behandlungsmöglichkeiten • Betrachtung der individuellen Stärken • Kooperation in der Behandlung fördern, z.B. durch gemeinsame Festlegung von Zielen Zusammenarbeit mit den Angehörigen • Informationen zur Erkrankung und Behandlung • Frühsymptomerkennung • Krisenbewältigung • Umgang mit persistierenden Symptomen Belastungs- und Symptombewältigung • Erkennung von Frühsymptomen • Bewältigung von Krisen • Erkennen von Alltagsbelastungen • Verbesserung der Alltagsbewältigung • Bewältigung fortbestehender Symptome Arbeitsbuch für Patienten und Angehörige Wirksamkeit psychologischer Interventionen Es liegen inzwischen eine Reihe wissenschaftlicher Studien zur Wirksamkeit psychologischer Interventionen vor. Dabei wird die Kombination von Pharmako- und Psychotherapie untersucht. Meta-Analysen über randomisierte klinische Studien zur Wirksamkeit psychologischer Interventionen belegen, dass hierdurch eine Verbesserung des Krankheitsverlaufs erreichbar ist (Pilling, et al. 2002a,b; Pitschel-Walz et al. 2001, Cormac et al., 2003, Pharoa et al., 2003; Literaturangaben beim Verfasser). Realistisch kann erwartet werden, dass die Anwendung dieser Strategien bei jedem 4-5 Patienten zur Verbesserung des Krankheitsverlaufs führt. gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung - Zunächst informiert sich der Psychotherapeut über die konkreten Beschwerden und Problembereiche. - Erwartungen, Ziele und Ängste des Patienten werden aufgegriffen und besprochen. - Es wird ein Behandlungsplan erstellt, d.h. es werden realistische Ziele festgelegt. - Jeder Behandlungsschritt wird erläutert, mit dem Patienten abgestimmt und eingeübt. - Sowohl Patient als auch Therapeut bringen eigene Erfahrungen und Sichtweisen ein. Für eine erfolgreiche Therapie ist die aktive Mitarbeit des Patienten nötig! - Bereitschaft zur regelmäßigen Therapieteilnahme - Einbringen von eigenen Erfahrungen und Sichtweisen - Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Therapiegespräche (Arbeitsblätter nachlesen und bearbeiten: z.B. Belastungen protokollieren, Erfolge notieren, ...) - Bereitschaft, alternative Handlungsweisen im Alltag auszuprobieren (z.B. aktiver werden, Konzentration üben, mehr Pausen machen, klärende Gespräche führen,...) Einbeziehung der Angehörigen Missverständnisse Die folgenden Aussagen sind nicht zutreffend - Biologische Mitverursachung bedeutet, dass nur Medikamente zur Behandlung geeignet sind. - Medikamente und Psychotherapie schließen sich aus. - Der Patient hat keinen Einfluss auf seine Krankheit. - Die Eltern sind schuld an der Erkrankung. - Erfahrungen in der frühen Kindheit sind die wesentliche Ursache der Erkrankung. - Die Beschwerden werden von allein wieder besser. - Alternative Heilverfahren sind effektiver. - Psychotherapie wird nicht von der Krankenkasse bezahlt. Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Patient und Psychotherapeut aus? Material für Therapeuten Die Angehörigen sind von der Erkrankung mitbetroffen. Durch die Betreuung des erkrankten Familienmitglieds und durch die drohende gesellschaftliche Ausgrenzung sind Angehörige hochgradig belastet. Im Rahmen der Behandlung des Patienten sollten die Angehörigen Gelegenheit haben - Informationen über die Erkrankung und Behandlung zu erhalten - Die Auswirkungen der Erkrankung auf ihre Lebenssituation gemeinsam mit Gleichbetroffenen zu reflektieren - Handlungskompetenz für Krisen und Rückfälle gewinnen - Den Umgang mit Alltagsproblemen im Zusammenleben mit dem erkrankten Familienmitglied zu besprechen Rahmenbedingungen der Therapie - Ambulant ist Einzeltherapie gut geeignet. - Sinnvoll ist ein Umfang von ca. 30 Therapiestunden, über ein Jahr verteilt. - Jede Stunde dauert ca. 50 Minuten (wird jedoch an die Belastbarkeit des Patienten angepasst) - Am Anfang sind wöchentliche Sitzungen sinnvoll, später u.U. 14tägige Termine ausreichend. - In Kliniken haben sich Gruppentherapien bewährt. Welche Qualifikationen sollte ein Psychotherapeut aufweisen - Approbation als Arzt oder psychologischer Psychotherapeut - Ausbildung in „Kognitiver Verhaltenstherapie“ - Praktische Erfahrung mit Patienten mit psychischen Erkrankungen 4. Informationsbörse Schizophrenie am 10. 11.2006 WiSo-Fakultät Langegasse 20 90403 Nürnberg Ansprechpartner: PD Dr. S. Klingberg; Osianderstr. 24; 72076 Tübingen; Tel: 07071/29 82330; email: [email protected] Verein zur Förderung der Ziele im Kompetenznetz Schizophrenie