Geschmack (Vorgeschichte)

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Geschmack (Vorgeschichte)
1. in der Antike nur im Rahmen der Rhetorik
(aptum: angemessen; iudicium:Urteilskraft).
2. Aufwertung in der christlichen Mystik:
„Gott schmecken“.
3. Horaz: Ars Poetica - ma. Predigttheorie.
4. Thomas von Aquin: Verknüpfung des
Schönen mit dem Gefallen.
Geschmack (Grundbedeutungen)
1. Fähigkeit der Unterscheidung des
Bekömmlichen vom Unbekömmlichen.
2. Sinn für das Angemessene / das rechte
Maß.
3. Bildbares Vermögen der Unterscheidung,
Beurteilung und Auswahl in allen
existenziell, gesellschaftlich und kulturell
wichtigen Fragen (Gracian).
Geschmack / Gewissen (1)
1. Erkenntnisurteile: Sind das Gute und das
Schöne „objektive Eigenschaften“?
2. Werturteile: Beschreiben Geschmacks- und
Gewissensurteile den (intersubjektiv
gültigen) Wert von Gegenständen?
3. Expressionen: Sind diese Urteile Ausdruck
von individuellen Gefühlslagen und rein
privaten Einstellungen?
Geschmack / Gewissen (2)
1. Ge-: zusammenfassende Beurteilung.
2. In der mod. Kultur: Emanzipationsbegriffe.
3. Problematisches Verhältnis zu „Sitten u.
Gebräuchen“ / Gesetzen bzw. zur
vorherrschenden ästhetischen Orientierung.
4. Autoritäres / autonomes Gewissen
autoritärer / autonomer Geschmack.
Paradoxon des Geschmacks
Das Geschmackskonzept der postmodernen
Gesellschaft beschreibt Geschmacksurteile als
unverbindlich und zugleich als extrem
kulturbestimmend, weil diese Gesellschaft
1. gebrochenes Verhältnis zur Tradition hat;
2. „Gesellschaft von Individuen“ (Elias) ist;
3. durch einen Autoritätsverlust von Institutionen
charakterisiert ist.
Geschmacksurteil (ideal)
1. Hume: institutionalistische Lösung: „der
ideale Kritiker“.
2. Kant: reflexionstheoretische Lösung:
„interesseloses Wohlgefallen“.
3. Schiller: kompensationstheoretische
Lösung: „Spieltrieb“.
4. Ingarden: elitaristische Lösung:
„Wertgenießer“
Geschmack (Hume)
1. Geschmack ist instabil, die menschliche Natur
konstant. - Aber: Es gibt Klassizität auch im
Rahmen der ästhetischen Kritik.
2. Verbindlichkeit gibt es nur beim „öffentlichen“,
nicht beim „privaten“ Geschmack.
3. Geschmack ist kultivierbar. - Der ideale Kritiker
verfügt über: verfeinerten Geschmack,
Erfahrung, Bereitschaft zu wertendem Vergleich,
Vorurteilsfreiheit, natürliche Neigung zu
ästhetischer Kontemplation.
Genie-Lehre (Kant)
1. Die Beurteilung schöner Gegenstände verlangt
Geschmack, ihre Hervorbringung erfordert
GENIE („angeborene Gemütsanlage, durch
welche die Natur der Kunst die Regel gibt.“)
2. Das Genie ist ausgezeichnet durch GEIST
(„belebendes Prinzip im Gemüte“)
3. Geist ist das Vermögen der DARSTELLUNG
ästhetischer Ideen.
Ästhetische Ideen
1. Begriffe ohne Anschauungen sind leer,
Anschauungen ohne Begriffe sind blind.
2. Begriffe ohne Anschauungen: Ideen der
Vernunft: Gott, Welt, Seele.
3. Anschauungen ohne Begriffe:
(a) ästhetische Ideen der Einbildungskraft:
Ewigkeit, Schöpfung, Hölle/Himmel etc.
(b) Empirische Begriffe, die die Erfahrung
überschreiten.
4. Prinzip: Versinnlichung abstrakter Vorstellungen
Ästhetische Attribute
1. Ästhetische Attribute sind „Nebenvorstellungen
der Einbildungskraft“.
2. Sie veranlassen mehr zu denken, als in den
Begriffen erfasst ist: sie „beleben das Gemüt,
indem sie ihm die Aussicht in ein unabsehbares
Feld verwandter Vorstellungen eröffnen.“
3. Funktion: ästhetische Erweiterung der Begriffe /
Ideen. (vgl.: Assoziation)
Geschmack (Kant)
1. Geschmack: Beurteilungsvermögen eines
Gegenstands oder einer Vorstellungsart durch ein
Wohlgefallen oder Mißfallen ohne alles Interesse.
Der Gegenstand eines solchen Wohlgefallens heißt
schön.
2. Schön: was ohne Begriff allgemein gefällt.
3. Schönheit: die Form eines Gegenstandes, sofern
sie ohne Vorstellung eines Zwecks an ihm
wahrgenommen wird.
Geschmacksurteil (Kant)
1. Qualität: Interesselosigkeit
2. Quantität: Begriffslosigkeit, Allgemeinheit
3. Relation (der Zwecke): Zweckmäßigkeit
ohne Zweck
4. Modalität des Wohlgefallens: „Schön ist,
was ohne Begriff als Gegenstand eines
notwendigen Wohlgefallens erkannt wird.“
Romantische Philosophie (1)
1. Kant: Autonomie der Kunst – Kunst ist keine
Erkenntnisform.
2. Romantik: Kunst als höchste Form der
Erkenntnis: a) Schlegel: Progressive
Universalpoesie b) Schelling: Kunst als Organon
der Philosophie c) Schiller: zentrale Rolle der
ästhetischen Erziehung.
3. Hegel: Die Kunst ist nach ihrer höchsten
Bestimmung ein Vergangenes.
Romantische Philosophie (2)
1. Zentrale Rolle der Reflexion (das ich selbst
bedenkende Denken): Fichte, F. Schlegel,
Novalis.
2. Die Idee der Kunst: Kunstphilosophie /
Kunstkritik als ausgezeichnetes Medium der
Reflexion.
3. Die Idee der Kunst ist das Reflexionsmedium
der Formen.
4. Die Einheit der Kunst besteht in der Kontinuität
ihrer Formen.
F. Schlegel: Progressive
Universalpoesie
1. „Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie.“
2. „Die romantische Dichtkunst ist noch im
Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen,
daß sie ewig nur werden, niemals
vollendet sein kann.“
3. „(...) in einem gewissen Sinne ist oder soll
alle Poesie romantisch sein.“
Schelling: Organon der
Philosophie
1. Kunst ist „vollkommene Ineinsbildung des
Realen und Idealen.“
2. „Philosophie der Kunst (ist) Darstellung der
absoluten Welt in der Form der Kunst.“ (Nähe
zur Religion)
3. „Schönheit ist da gesetzt, wo das Besondere
(Reale) seinem Begriff so angemessen ist, daß
dieser selbst, als Unendliches, eintritt in das
Endliche und in concreto angeschaut wird.“
Ästhetische Skepsis (1)
1. Romantik: Genie (Originalität) statt
Geschmack (Konvention).
2. Schiller: hervorbringender (ingenium) und
beurteilender Geschmack (iudicium): Maß,
Ordnung, Harmonie (v. Form und Inhalt).
3. Herder: „Geschmack ohne Genie ist ein
Unding“. (Ebenso: Goethe, Schelling,
Solger, Vischer u.a.)
Ästhetisierung
1. Alles läßt sich (zumindest auch) ästhetisch
bewerten: Naturobjekte, Kulturprodukte,
moralische Eigenschaften, Temperamente ...
2. Ästhetische Erfahrung reicht von Begehren (des
Schönen) über verschiedene Zwischenstufen bis
zur Bewunderung (des Erhabenen).
3. Ästhetisches Erleben ist ein spezifisch
menschlicher Weltbezug.
Ästhetizismus
1. Genie und Geschmack als wesentlichste
Eigenschaften des Menschen - Schönheit als
absoluter Wert.
2. Vorrang des Geschmacks vor dem
Gewissen. - Vorrang der Kunst vor der
Natur und der Wissenschaft.
3. Vorrang des Genies (Künstler) vor dem
Geschmack (Kritiker).
Ästhetische Heteronomie
1. Dominanzanspruch des Ästhetischen gegenüber
den anderen Kulturbereichen.
2. Ästhetisierung des Lebens (Pater) statt
Biologisierung (Darwin): Inszenierung (Dandy)
statt Kampf ums Überleben.
3. Ästhetisierung der Wissenschaft: Kreative
Kunstkritik: Nachvollzug statt Analyse .
4. Ästhetisierung der Moral: „Der Niedergang der
Lüge“ (Wilde): Lob der Phantasie und
Lebensferne.
Geschmack (Ingarden 1)
1. Ziel: Intersubjektive Geltung von
Geschmacksurteilen („Wertantwort“).
2. Ästhetische Werturteile beziehen sich nicht
auf die Kunstwerke selbst sondern auf deren
„Konkretisationen“.
3. Sowohl die Konstitution ästhetischer
Gegenstände als auch deren Beurteilung ist
vom Geschmack geleitet.
Geschmack (Ingarden 2)
1. Von einem Kunstwerk sind mehrere adäquate
Realisationen und korrespondierende Werturteile
möglich.
2. Nur der kultivierte Geschmack konkretisiert und
bewertet angemessen.
3. Vielheit angemessener Konkretisationen bedeutet
nicht deren Beliebigkeit.
4. Der Geschmacksspielraum bei der Wertantwort ist
gering.
Geschmack (Gadamer):
Humanistischer Leitbegriff
• 1. Bildung, Gemeinsinn, Urteilskraft,
Geschmack: “humanistische Leitbegriffe”
• 2. kultivierter Geschmack ist nicht dasselbe
wie ein Sinn für (Wissen um) das jeweils
Modische.
• 3. Geschmackurteile wenden sich nicht an
reale Milieus, sondern an eine ideale
Gemeinschaft.
Geschmack und Mode
1. Geschmack gehört zum (bürgerlichen Ideal
des) gebildeten Menschen.
2. Geschmack schließt einen Blick auf ein
Ganzes ein.
3. Geschmack ist im strengen Sinne Ausdruck
von Individualität.
4. Geschmack wendet sich an eine ideale
Gemeinschaft der Gebildeten.
Geschmacksurteil (real)
Wittgenstein
• 1. Geschmacksurteile finden selten verbalen
Ausdruck.
• 2. Beschreibende und wertende Prädikate
sind schwer zu unterscheiden.
• 3. Es gibt eine ästhetische “Kennerschaft”;
sie ist aber nicht zu beschreiben.
• 4. Wie philosophische Urteile sind auch
ästhetische Urteile rhetorisch überformt.
Die Sprache der Kunstkritik.
(Wittgenstein II)
1. Die Unausdrücklichkeit ästhetischen
Wertens.
2. Ästhetische Ausdrücke = Sprachspiele =
Lebensformen = bestimmte Kulturen.
3. Das Problem der Kennerschaft.
4. Philosophie und philosophische Ästhetik
leiden an ihrem ungeklärten Verhältnis zur
Rhetorik.
Ästhetische Theorie (Adorno) 1
1. Die Aufgabe der Kunstphilosophie ist das
Verstehen von Kunstwerken: als
schöpferischer Nachvollzug.
2. Der Wesenskern des Kunstwerks ist sein
Rätselcharakter.
3. Der Wahrheitsgehalt der Kunst ist allein
durch philosophische Reflexion zu
gewinnen. (Rechtfertigung der Ästhetik).
Ästhetische Theorie (Adorno) 2
1. Künstlerische Erfahrung ist ihrem Wesen
nach Vergeistigung der Wirklichkeit.
2. In der Kunst wird ein Gegenentwurf
(Utopie) zur gesellschaftlichen
Wirklichkeit zugänglich.
3. Das in diesem Gegenentwurf liegende
Glücksversprechen wird von der Kunst
notwendig gebrochen.
Heidegger: Kunstphilosophie 1
1. Das Wesen der Kunst ist „das Sich-ins
Werk-Setzen der Wahrheit des Seienden.“
2. Unterscheidung: Ding, Zeug, Werk.
3. Wahrheit, auch die der Kunst, ist
Unverborgenheit (Aletheia).
4. Der Ort, an dem die Wahrheit sich zeigt ist
„Lichtung“.
Heideggers Kunstphilosophie 2
1. „Der Ursprung des Kunstwerkes und des
Künstlers ist die Kunst.“
2. (Künstlerisches) Schaffen ist „Hervorgehenlassen in ein Hervorgebrachtes“;
Feststellen der Wahrheit in die Gestalt.
3. Das Werk geht im Gegensatz zum Ding
nicht in seiner Dienlichkeit auf.
Heideggers Kunstphilosophie 3
1. Im Erleben von Kunstwerken vollzieht
sich eine Entrückung aus dem
Gewöhnlichen hinaus und in die Offenheit
des Seienden hinein.
2. Die angemessene Rezeption von
Kunstwerken ist das „Bewahren“.
3. Das Wesen der Kunst ist Dichtung, d.i.
Stiftung der Wahrheit.
Modernisierungsschäden
1. Hermeneutische Philosophie, Kunst und
hist. Wissenschaften als Kompensationen
von Modernisierungschäden.
2. Modernisierung: Verlust von Identität,
Gegenwart und Orientierung.
3. Moderne: Ersetzung des eschatologischen
durch den geschichtsphilosophischen
Weltverlust.
Ästhetische Schemata
1. Hochkultur: Klassische / anspruchsvolle
moderne Musik; formale Kriterien;
Kontemplation statt Körperlichkeit.
2. Trivial: Volksmusik; Schlichtes und
Gewohntes; Entspannung statt Anstrengung.
3. Spannung: Pop und Rock; Action und
Expressivität; Unruhe statt Kontemplation.
Soziale Milieus
(Alter, Bildung, ästh. Schemata)
1. Niveau: Hochkultur, Kontemplation,
Perfektion.
2. Integration (1+3)
3. Harmonie: Trivialkultur, Gemütlichkeit,
Harmonie.
4. Selbstverwirklichung (3+5)
5. Unterhaltung: Spannung, Action,
Narzissmus.
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