PPT zum Nachlesen

Werbung
Suchterkrankungen 2015
Der gegenwärtige Stand (31.12.2012) in Diagnostik und Therapie am
Beispiel von Opiatabhängigen in Castrop-Rauxel
(Kreis Recklinghausen).
Dr. med.Joachim Selle
Arzt f. Innere Medizin
Suchtmedizin
www.DrJoachim-Selle.de
1
Volkskrankheit Sucht
• Globale Krankheitslast Deutschland
(Burden of disease)
• Art. Hypertoniefolgeerkrankungen 1. Stelle
• Nikotinfolgeerkrankungen an 2. Stelle
• Alkoholfolgen an 5. Stelle,
• 90% der Patienten unbehandelt
• Kosten/Jahr: 45 Mrd.€ Rauchen, 30 Mrd. €
Alkohol
Epidemiologie in Deutschland 2012
• Ca. 20 Mio. Nikotinabhängige ( 37% der erwachsenen Bevölkerung )
• Ca. 2.5 Mio. Alkoholabhängige
• Ca. 1.4 Mio. Medikamentenabhängige
• Ca. 160 000 Abhängige von illegalisierten Substanzen
• Ca. 50 000 Spielsüchtige
3
Definitionen 2008
• Sucht im Sinne der internationalen Klassifikationen der
Erkrankungen werden als eine Folge des Gebrauches
psychotroper Substanzen verstanden.
• Der Gebrauch muss zwanghaft weitergeführt
werden.
• Abbruch des Gebrauchs führt zum körperlichen Entzug
4
Definitionen 2008
• DSM IV (Diagnostisches und Statistitsches
Manual psychischer Störungen) nur noch die
Begriffe :
• „Abhängigkeit“,
• „Missbrauch“ und
• „schädlicher Gebrauch“.
• „Substanz Gebrauchs Störung“, SUD,
5
Definitionen 2008
• Im Rahmen der Drogendebatte wird auch
gegenwärtiger Konsum illegaler Substanzen
(=Drogen) häufig aufgrund ihres Status nach
dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG)
prinzipiell als „Missbrauch“ bezeichnet.
6
Definitionen 2008
• Schädlicher Gebrauch (ICD 10) wird als ein
Handeln verstanden, das tatsächliche
Gesundheitsschäden zur Folge hat. Er bezeichnet
ein Konsummuster psychotroper Substanzen, das
zu einer Gesundheitsschädigung führt.
7
DSM 5
Die fünfte Ausgabe des DSM, welches neben dem ICD-10
der Weltgesundheitsorganisation als das Standardwerk zur
Klassifizierung psychischer Störungen gilt, bringt zahlreiche
Neuerungen und Veränderungen mit sich.
8
Der neue Begriff „Sucht“
Es wird nun von „Substanz-Gebrauchsstörungen“
(substance use disorders) gesprochen, was sprachlich etwas
sperrig klingen mag, aber inhaltlich zur Entstigmatisierung des
Abhängigkeits-Labels beitragen soll.
9
Ursachen
Tiefenpsychologischer- biografischer Ansatz
• Sucht ist eine " permanente Prothese für
die veruntreute Mutter, für die verlorene
Dualunion". (L. Szondi 1930)
10
Neurobiologische Ursachenketten
• Suchtmittel verschiedener
Substanzklassen, Opiate wie Heroin, THC=
Haschisch, Nikotin, Alkohol bewirken im
Gehirn die Freisetzung bestimmter
Neurotransmitter- und Hormonsysteme.
11
Genetisch bedingter Mangel an Dopamin
und anderen Neurotransmitter Strukturen
führt zu einem vermehrten Bedarf und es
erfolgt eine Art Selbstmedikamentierung mit
ähnlich wirkenden Substanzen.
ADHS.
12
Genetische Ursachen
Zwillingforschung zeigt einen eindeutigen
genetischen Zusammenhang zwischen
Genetischer Neurotransmitter Ausstattung
und Suchterkrankung.
13
Ursachen im lerntheoretischen Ansatz
• Lernvorgänge setzen Ergebnisse in einen
zeitlich und räumlichen Zusammenhang
• Neutrale Reize können körperliche und
psychische Reaktionen auslösen
• Suchtgedächtnis
14
Ursachen im sozialen Umfeld
Der systemische Ursachenansatz sucht die
Suchtursache nicht im Symptomträger
allein, sondern in dessen sozialem System.
15
Familiäre Ursachen
• ständige Spannungen und Disharmonie in
der Familie
• Alkohol und Drogengebrauch von Eltern
und Geschwistern
• Permissivität von Eltern bzgl. sozialer
Regeln und Normen
• Familienbeziehung ohne Wärme,
Verständnis und Akzeptanz
16
• ernsthafte chronische psychische Störung
eines Elternteils
• Scheidung oder Trennung von einem
Elternteil
• Erfahrung körperlichen und sexuellen
Missbrauchs
17
Soziales Umfeld
° Peer Group (Gruppe gleichaltriger Freunde)
zeigt einen erheblichen Einfluss auf den
Drogenkonsum Jugendlicher
• Überforderung im Beruf /Schule
• Nachbarschaft/ Stadtteil
• Geringe nachbarliche Bindungen
• Delinquenz im sozialen Umfeld
18
ADHS und Sucht
• Substanzgebrauchsstörung und ADHS treffen sehr
häufig zusammen; die Quote von zumindest
anamnestisch aufgetretenen ADHS-Symptomen in
einer akuten Suchtstation lag bei
Alkoholabhängigen bei 20%,
• bei Konsumenten illegaler Drogen sogar bei 50%
(Ohlmeier et al.).
• Biedermann et al. (1993) fanden bei 52%
Erwachsener mit ADHS anamnestisch groben
Abusus im Vergleich zu 27% der Kontrollpersonen.
19
ADHS und Sucht
• Man kann die Sucht als Versuch der
Selbstmedikamentierung verstehen.
• Durch BTMG Vorgaben wurde eine adäquate
Therapie im adulten Bereich jahrzehntelang
erschwert oder unmöglich gemacht. Die
Betroffenen geradezu in die Illegalität von
Suchtmitteln getrieben.
20
ADHS und Sucht
• Wenn Patienten auf gezieltes Nachfragen hin
berichten, sich bereits im Schulalter unter
dem Einfluss von Alkohol oder Cannabis
besser konzentriert haben zu können, ist
das ein deutlicher Hinweis auf ADHS.
21
Therapie
• Anlass für die Suche nach Behandlung ist bei
Erwachsenen seltener ADHS, sondern eine
der Komorbiditäten oder Probleme im
beruflichen oder privaten / sozialen Umfeld.
Verhaltenstherapeutische Ansätze sind
hilfreich (Heßlinger et al. 2000 a).
22
• Stimulanzien wirken spezifisch auf das
dopaminerge System. Damit korreliert
• die klinische Erfahrung einer positiven
Beeinflussung von Antrieb und Motivation.
• Methylphenidat ist das weitaus verbreiteste Mittel
und gemäß der Konsensus• Vereinbarung der DGPPN auch Mittel der ersten
Wahl (Ebert et al., 2003).
• Amphetamin soll zusätzlich eine serotonerge
Komponente haben.
23
Therapie
• Methylphenidat bei Sucht-erkrankungen:
• Der Einsatz von Methylphenidat gerade bei
Suchtpatienten wird insbesondere auch in
der Laienpresse kontrovers diskutiert.
• Ist gleichwohl das Mittel der Wahl.
• Therapieerschwerung durch BTMG
24
• Bei ADHS – Patienten mit Kokainabusus
wurde in einer offenen Studie nicht nur eine
Besserung der ADS beobachtet,
• sondern auch eine Reduktion der
Kokainmenge (Levin et al. 1998, Levin et al.
2002).
25
Therapie
• Bei Jugendlichen mit ADHS wurde eine
Abnahme der besonderen Gefährdung
• einer Abhängigkeitsentwicklung von bis zu
85% beschrieben, wenn frühzeitig
• eine Stimulanzienabhängigkeits- behandlung
erfolgt (Biedermann 1999).
26
• Suchtpotential von Methylphenidat ist wegen der
fehlenden euphorisierenden Wirkung nicht
anzunehmen und auch nicht beschrieben.
• Ein Missbrauch ist allenfalls bei der Inhalation oder
intravenösen Einnahme von zermörserten Tabletten
vorgekommen – dem kann etwa durch die
Verordnung von Retardpräparaten vorgebeugt
werden (Krause und Krause).
27
Fazit
• Eine häufige und typische Komplikation von
ADS ist die Entwicklung einer
Abhängigkeitserkrankung,
• deren Entstehung durch ADHS begünstigt
und deren Therapie
• durch ADHS erheblich erschwert wird, was
durch die hohe Abbruchrate dieser
Suchtgruppe unterstrichen wird.
28
Neurobiologie
• In funktionellen MRT Untersuchungen liegen
die Störungen im N. Accumbens.
ADHS Patienten „verarbeiten keine
Belohnung (Dopamin), sie bekommen keine
Belohnung“.
• Beispiel: Kaufsucht, Sexsucht,
M. Huss, Uni Mainz
29
Fazit
• ADHS führt von der frühen Kindheit an zu, je
nach Primärpersönlichkeit und sozialem
Milieu, unterschiedlich schwer
ausgeprägten Schwierigkeiten in allen
Lebensbereichen.
30
Fazit
• Eine spezifische Therapie, meist aus
Kombination aus Pharmakotherapie und
• psychotherapeutischen Interventionen in
unterschiedlicher Intensität, kann, je
• nach Lebenssituation und Komorbiditäten, oft
zu einer raschen und nachhaltigen
Verbesserung der Lebensqualität führen.
31
Fazit
• Die Haltequote und Rückkehr zu körperlicher
Gesundheit, psychischer Gesundheit und
sozialem Wohlbefinden erfordert einen
multimodalen Therapie- ansatz
• weniger von Psychotherapie
• an erster Stelle: eine adäquate
Pharmakotherapie
32
Eigene Zahlen 2012
• 130 adulte ADHS Patienten
•
•
•
•
170 Opiat Substitutionspatienten
70% (n=105) dl-Methadon
19% (n=30) l-Methadon= Polamidon
11% (n=17) Buprenorphin= Subutex
33
•
•
•
•
•
•
Eigene Ergebnisse 20012
10% / Jahr (n=17) clean, regulär abgemeldet
70% (n=110) länger als 2 (-19) Jahre in
Therapie
0.5% Letatlität (n=1)
15% (n=12)Abbrecher
15% (n=11)Beigebraucher (Kokain)
85% (n=121) Verbesserung des psychischen
und körperlichen Zustandes und der
Lebenszufriedenheit (Fahrenberg
Fragebogen)
34
Allgemeinmedizinische Komorbidität 2012
• 65% (n=98)Hepatitis C (3 Patienten/Quartal
Interferon/ RBV, ab 2014 neue
Therapieformen)
• 2 Patienten HIV positiv
• 15 % (n= 23)chronische Spritzenabszessen,
Thrombosen, Marcumarbehandlungen
• 10% (n=15)kardiologischen Erkrankungen
• 10% (n=11)onkologische Erkrankungen
• 3% (n=5)Diabetes mellitus
• 45% (n=68) COPD
• 60% (n=90) chronische Opstipation,
Oberbauchbeschwerden, Gallensteine
35
Psychiatrische Komorbidität 2011
• 19%(n=20) psychiatrische Komorbidität,
Schizophrenie, Psychosen,
Borderline (ADHS) Störungen,
Depressionen
• 18% (n=27) chronische Angst
• 23% (n=38) adultes ADH Syndrom
36
Berufstätigkeit 2012
• 17% (n=28) der Substituierten arbeiten
ganztägig, sozialversichert
• 31% (n=55) arbeiten im Rahmen von
Sozialmaßnahmen
• 52% (n= 76) haben keine
Tagesbeschäftigung
37
Kosten 2012
• 540 000 € Substitutionskosten/ Jahr bei150
Patienten.
• Davon 320 000 € Medikamentenkosten/Jahr
bei 150 Patienten.
• 3600€ Substitutionskosten pro Patient/ Jahr.
• 40 150 € Gefängniskosten pro Delinquent/
Jahr.
38
Alkoholbezogene Störung
• Behandlungspfade sind nützlich, S3 Leitlinien
liegen noch nicht vor
• Psychotherapeutische Optionen
• Suchthilfeeinrichtungen nach erstmaliger
stationärer Behandlung, danach
suchtmedizinische Behandlung
Alkoholbezogene Störungen
• Medikamentöse Therapie: Acamprosat
(Campral): moderater Effekt,
• Naaloxon: Adepent, Nalmefene, wirkt auf die
Endorphinrezeptoren, moderater Effekt
• Disulfiram(Antabus,Tetradyn: bewirkt DAR,
nicht mehr verfügbar, deutlicher Effekt auf
rückfallfreie Zeit
Inhalation von nikotinhaltigen
Verbrennungsgasen
•
•
•
•
Feinstaub (Gefäßentzündungen)
Grobstaub (COPD)
Teer (Carzinome)
Nikotin (Dopaminfreisetzung) untoxisch
Inhalation von nikotinhaltigen
Verbrennungsgasen
• Nikotinersatztherapie
•
•
•
•
•
•
•
Mundsprays
E Zigarette ohne toxische Effekte
Hypnose
Akupunktur
Kurzintervention
Vareniclin(Champix), Bupropion(Elontril/Zyban)
Psychotherapie
Sucht im Alter
•
•
•
•
•
•
•
Voralterung der Suchtpatienten
Pflege bislang nicht vorbereitet
Gerontopsychiatrie: besondere Kenntnisse
Hausärztliche Kenntnisse
„Sucht“altenheime
Suchtmedizinische Ausbildung im Studium
Ethik der Sucht im Alter
Herunterladen