Kapitel 8 Säuren und Basen 8.1 Einleitung 8-3 8.2 Säure-Base-Konzepte 8-3 8.3 Amphotere Substanzen 8-7 8.4 Die Eigendissoziation (Autoprotolyse) von Wasser 8-8 8.5 Die pH - Skala 8-9 8.6 Stärke von Säuren und Basen 8-10 8.7 Quantitative Behandlung von Säure-BaseGleichgewichten 8-17 8.8 pH-Indikatoren 8-24 8.9 Pufferlösungen 8-25 8.10 Titration von Säuren und Basen 8-26 8.11 Speziierung einprotoniger Säuren 8-29 8.12 Mehrprotonige Säuren 8-30 8.13 Grafische Methode zur Lösung von Säure-Base Problemen 8-33 Verzeichnis der Figuren Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur Figur 8-1: Konjugierte Säuren und Basen 8-2: Lewis-Säuren und Basen i 8-3: c + vs. pH H i 8-4: logc + vs. pH H 8-5: Oxosäuren 8-6: Perchlorsäure 8-7: Oxosäuren des Chlors 8-8: Oxosäuren des Kohlenstoffs 8-9: Substituierte Essigsäuren 8-10: Einprotonige Säure im Wasser 8-11: Henderson-Hasselbalch 8-12: Formeln für einprotonige Säuren 8-13: Formeln für einprotonige Basen 8-14: Ameisensäure 8-15: Titrationen 8-16: Titration von HCl mit NaOH 8-17: Titration von Essigsäure mit 0.1 M Natronlauge (Phenolphthalein) 8-18: α0 und α1 vs. pH 8-19: log α0 und logα1 vs. pH 8-20: Oxalsäure 8-21: zweiprotonige Säuren: logα0 und logα1 vs. pH 8-22: vereinfachte Grafik 8-23: Speziierungsdiagramm I 8-24: Speziierungsdiagramm II 8-25: Speziierungsdiagramm III 8-26: Korrektur in der Nähe des pKa 8-27: Gleichgewichtspunkt 8-28: Malonsäure 8-29 :Speziierungsdiagrammm Malonsäure 8-4 8-5 8-10 8-10 8-14 8-14 8-15 8-15 8-15 8-17 8-17 8-21 8-23 8-26 8-26 8-27 8-28 8-29 8-29 8-31 8-31 8-32 8-34 8-34 8-34 8-35 8-36 8-39 8-39 Verzeichnis der Beispiele Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel Beispiel 8-2 8.1: Salpetersäure 8.2: Reaktion einer ionischen Säure mit Wasser 8.3: Reaktion einer Base mit Wasser: 8.4: Kupfer-Ionen 8.5: Eisen-Ionen 8.6: Aktivität von HBr 8.7: pH-Wert von 0.04 M HCl 8.8: Wasserstoff-Verbindungen der Elemente C, N, O und F. 8.9: Salpetrige Säure 8.10: Lösung von Essigsäure (AcOH) im Wasser 8.11: Fluorwasserstoffsäure 8.12: Vitamin C 8.13: Ammoniak 8.14: Natriumcyanid 8.15: Lackmus 8.16: Puffer Ameisensäure / Formiat (Salz der Ameisensäure) 8.17: (* 0.2 molare Lösung von Oxalsäure *) 8.18: Zweiprotonige Säure mit pK’s von 3 und 7. 8.19: Oxalsäure 8.20: Ameisensäure 8.21: Ammoniak (grafisch) 8.22: Malonsäure I 8.23: Malonsäure II 8.24: Malonsäure III 8-4 8-4 8-4 8-5 8-6 8-9 8-10 8-13 8-15 8-19 8-22 8-22 8-23 8-23 8-25 8-26 8-31 8-32 8-32 8-36 8-38 8-39 8-39 8-40 8.1 8.1 Einleitung Einleitung Im 7. Jahrhundert n. Chr. bildete sich das arabische Grossreich, welches für die Entwicklung der Wissenschaften und der Kultur einen sehr fruchtbaren Nährboden bot. Insbesondere in den Zentren Bagdad und Cordoba wurde das damals angesammelte Wissen ins Arabische übersetzt, kommentiert, gelehrt und verbreitet. Dies betraf neben mathematischen und medizinischen Erkenntnissen auch die vielfältigen alchemistischen Überlieferungen. Berühmt wurde die Schule von Gabir ibn Hajjan. Zu jener Zeit verwendete man schon einige Säuren und Basen. So findet man in den Schriften von Gabir Verfahren zur Herstellung von Vitriolöl (heute als Schwefelsäure bekannt). Salpetersäure wurde aus Salpeter und Vitriolöl gewonnen; ebenso war die Herstellung von Weinessig (Essigsäure), Ammoniak und weiteren alkalischen (basischen) Substanzen bekannt (al kali; arab.: Asche der Pflanzen). Ursprünglich unterschied man zwischen Säuren und Basen lediglich auf Grund äusserer Merkmale (z.B. saurer oder basischer Geschmack wässriger Lösungen). Erst Robert Boyle (1627-1691) nutzte erstmals die Farbänderungen, welche beim Zusammenbringen saurer oder basischer Stoffe mit gewissen Pflanzenextrakten auftraten als Indikator für Säuren oder Basen. Gemäss der Theorie von Johann Joachim Becher (1635-1682) gab es eine „Ursäure“ bzw. eine „Urbase“, die Bestandteil aller Säuren und Basen waren. Antoine Laurent Lavoisier (1743-1794) hielt den Sauerstoff (Oxygenium) für das saure Prinzip eines Stoffs, da beim Auflösen vieler Nichtmetalloxide saure Lösungen entstehen. Daneben gab es auch die Theorie, dass allen Säuren der Wasserstoff gemeinsam sei und man ihn durch ein Metall ersetzen könne. Diese Ansicht wurde von Jöns Jacob Berzelius (1779-1848) und Justus von Liebig (1803-1873) vertreten. 8.2 Säure-Base-Konzepte 8.2.1 Das Konzept von Arrhenius 1887 veröffentlichte Svante Arrhenius (1859-1927) seine „Theorie der Elektrolyte“. Darin postulierte er, dass elektrisch leitende Lösungen Ionen enthalten. Nun leiten aber sowohl saure als auch basische wässrige Lösungen den elektrischen Strom. Arrhenius definierte eine Säure als einen Stoff, der in wässriger Lösung Wasserstoff-Ionen (H+-Ionen) freisetzt; eine Base setzt dagegen Hydroxid-Ionen (HO−-Ionen) frei. Die Ansicht, dass neutrale Substanzen (z. B. Salze) in wässriger Lösung einfach von selbst in Ionen zerfallen könnten, war für viele der Zeitgenossen Arrhenius’ unverständlich und man beeilte sich, ihm nachzuweisen, dass die Trennung neutraler Stoffe in Ionen eine elektrostatische Ungeheuerlichkeit sei. Seine Ideen wurden denn auch anfänglich als Phantasien abgetan und es dauerte einige Jahre, bis sie letztendlich von den Chemikern doch noch akzeptiert wurden. 8.2.2 Das Konzept von Brønsted und Lowry Im Jahre 1923 definierten Johannes Nicolaus Brønsted (1879-1947) und Thomas Martin Lowry (1874-1936) unabhängig voneinander ein Konzept für Säuren und Basen. Es bestand aus folgenden Aussagen: 8-3 Säuren und Basen • Eine Säure ist ein Protonen-Donor. • Eine Base ist ein Protonen-Akzeptor. • Eine Säure-Base-Reaktion ist die Übertragung von Protonen einer Säure auf eine Base. Säuren und Basen können aus Molekülen (elektrisch neutral) oder Ionen bestehen. Eine Säure-Base-Reaktion können wir demnach so formulieren: HA + B = A + HB Base 1 = konjugierte Base zu Säure 1 Säure 1 Säure 2 = konjugierte Säure zu Base 2 Base 2 Figur 8-1: Konjugierte Säuren und Basen Eine Säure (z.B. Säure 1) gibt ein Proton ab und wird damit zur konjugierten Base (Base 1). Ein solches Paar nennt man Säure-Base-Paar. Dieses Schema ist so allgemein, dass es auch die Reaktion einer Säure mit einem Lösungsmittel umfasst. Wenn z.B. als Base 2 Wasser (H2O) eingesetzt wird, so wird dieses von der Säure 1 protoniert und ergibt ein aqatisiertes Proton (H+,aq bzw. H+(aq))1; gleichzeitig entsteht aus der Säure 1 die Base 1. Das Konzept lässt sich neben Wasser auch auf andere Lösungsmittel anwenden. Das Lösungsmittel ist in unserem System (Erde) in den meisten Fällen das Wasser (pro memoria: die Masse der Ozeane beträgt ca. 1021 kg, das sind etwa 3% der gesamten Erdmasse. Das Oberflächenwasser macht nur ca. 0.02% aus.). Die Ausführungen in diesem Kapitel sind auf wässrige Lösungen von Säuren und Basen beschränkt. Auch wenn dies weiter unten nicht immer spezifiziert wird, so ist Wasser unser Standardlösungsmittel. Beispiel 8.1: Salpetersäure = HNO3 (aq) + H2O (l) Säure 1 Base 2 NO3 (aq) + H +(aq) Base 1 Säure 2 In diesem Fall wirkt HNO3 (Salpetersäure) als Säure (Säure 1); Wasser wirkt als Base (Base 2) und ist gleichzeitig Lösungsmittel. Die Angabe (aq; engl.: aqueous) bedeutet, dass ein Molekül vollständig von Wassermolekülen umgeben sei, also „aquatisiert“ sei. Beispiel 8.2: Reaktion einer ionischen Säure mit Wasser = NH4 (aq) + H2O (l) H+(aq) + NH3 (aq) Das Ammonium-Ion wirkt als Säure; Wasser als Base (Protonenakzeptor). Beispiel 8.3: Reaktion einer Base mit Wasser: H2O (l) + S2- (aq) = HO (aq) + HS (aq) Bei dieser Reaktion entsteht die konjugierte Base des Wassers: das Hydroxid-Ion (HO−). Wasser wirkt als Säure, das Sulfid-Ion (S2−) als Base. 1 8-4 + Oder Haq . In vielen Lehrbüchern wird das aquatisierte Proton als Hydroniumion ( H 3O+ ) aufgeführt. 8.2 Im Konzept von Arrhenius gab es ein einziges, sauer wirkendes Teilchen: das Proton (H+) und auch eine einzige Base: das Hydroxid-Ion (HO−). Dem gegenüber finden wir im Konzept von Brønsted und Lowry zwar immer noch eine einzige Säure (H+), aber eine Vielzahl von Basen (nämlich die konjugierten Basen zu allen Protonensäuren). Das Konzept von Brønsted und Lowry hat demnach den Begriff der Base sehr erweitert, liess aber den Säurebegriff nach Arrhenius unverändert. Eine Ausweitung des Säurebegriffs wurde erst 1938 von Gilbert Newton Lewis (1875-1946) eingeführt. 8.2.3 Das Konzept von Lewis Im Jahre 1938 erweiterte Gilbert Newton Lewis das Konzept von Brønsted und Lowry. Eine Base ist nach seinem Konzept ein Teilchen, das über ein nicht-bindendes Elektronenpaar verfügt. Teilchen mit nicht-bindenden Elektronenpaaren nennt man auch „Nucleophile“ (nucleophil; griech.: Kernsuchend; vgl. Rand). Eine Säure in der Definition von Lewis (oft auch als „Lewis-Säure“ bezeichnet) ist ein Teilchen mit einer elektronischen Lücke („Elektronenlücke“, vgl. Kapitel „Atombau“ → „Oktettregel“). Dank dieser elektronischen „Lücke“ kann es mit dem nichtbindenden Elektronenpaar einer Base eine kovalente Bindung eingehen. Man nennt Teilchen mit elektronischer Lücke „Elektrophile“ (elektrophil; griech.: Elektronen-suchend). Beispiele von Lewis-Säuren: Säure-Base-Konzepte Basizität und Nucleophilie Nach dem Konzept von Lewis hat eine Base ein nicht-bindendes Elektronenpaar und unterscheidet sich strukturell nicht von einem Nucleophil. Eine Base beeinflusst ein SäureBase-Gleichgewicht, indem sie eine Säure mehr oder weniger vollständig bindet. Man unterscheidet schwache und starke Basen. Bei den Nucleophilen unterscheidet man zwischen „guten“ und „weniger guten“ (schlechten) Nucleophilen. Ein „gutes“ Nucleophil reagiert schnell mit einem Elektrophil; ein „schlechtes“ Nucleophil reagiert langsam mit einem Elektrophil. Fazit: „Basizität“ ist ein thermodynamischer Begriff; massgebend ist hier ∆rG . Eine Säure-Base-Reaktion kann dann so formuliert werden: „Nucleophilie“ ist ein kinetischer ‡ Begriff. Massgebend ist ∆rG bzw. Ea. Analog: Acidität und Elektrophilie. Figur 8-2: Lewis-Säuren und Basen Bortrifluorid (BF3) wirkt als Elektronenakzeptor (= Lewis-Säure) und reagiert mit dem Elektronenpaar-Donor Ammoniak (= Lewis-Base). Dass Ammoniak ein Elektronenpaar-Donor ist, kann man am nicht-bindenden Elektronenpaar (durch zwei Punkte symbolisiert) erkennen. Die eingekreisten Ladungen sind so genannte Formalladungen (siehe Kap. 4.8.3.5). An dieser Stelle sei kurz vermerkt, dass sich viele Metallkationen als LewisSäuren verhalten. Die Koordination von Liganden an ein Metallatom kann nach dem Konzept von Lewis als Säure-Base-Reaktion aufgefasst werden. Beispiel 8.4: Kupfer-Ionen Hier verdrängen 4 Moleküle der stärkeren Base (bzw. des stärkeren Nucleophils) Ammoniak 4 Wassermoleküle (schwächere Base, bzw. schwächeres Nucleophil). 8-5 Säuren und Basen Beispiel 8.5: Eisen-Ionen Fe(H2O) 63+(aq) + − 6 CN (aq) − Fe(CN)6 3 (aq) = + 6 H 2O (l) In diesem Fall wird die schwächere Base Wasser vollständig aus der Koordinations-Sphäre des Eisen-Ions durch die stärkere Base CN- verdrängt. Die wohl prominenteste Lewis-Säure ist das Proton selbst. Alle Säure-BaseReaktionen nach Brønsted und Lowry können auch nach dem Konzept von Lewis interpretiert werden. Betrachten wir dazu noch einmal die Reaktion von Salpetersäure mit Wasser. HNO 3 (aq) + H2O (l) = − NO 3 (aq) + H +(aq) Die stärkere Base Wasser verdrängt dabei die schwächere Base Nitrat (NO3–) aus der Koordinations-Sphäre des Protons. Lewis-Säuren sind – wie oben erwähnt – elektrophil. Die Reaktion elektrophiler Teilchen wird später in der Organischen Chemie eine wichtige Rolle spielen. Zusammenfassung: Das Konzept von Lewis ist etwas allgemeiner als die Konzepte von Brønsted und Lowry bzw. von Arrhenius. Da in diesem Kapitel hauptsächlich von Protonensäuren die Rede sein wird, beschränken wir uns hier auf das Konzept von Brønsted und Lowry. Im Kapitel „Organische Chemie“ werden wir aber auf Lewis-Säuren und -Basen zurückkommen. 8-6 8.3 8.3 Amphotere Substanzen Amphotere Substanzen Wenn eine Säure mehrere Protonen abgeben kann, dann nennt man sie eine mehrprotonige Säure. Nehmen wir an, eine mehrprotonige Säure habe die Formel HnA. Von den n sauren H-Atomen spalten wir x ab (x < n). Das resultierende Teilchen H(n−x)Ax− hat immer noch n-x saure H-Atome, ist aber gleichzeitig auch eine Base und könnte bis zu x Protonen aufnehmen. Ionen, welche sowohl als Säure wie auch als Base auftreten können, nennt man amphoter. Die entsprechenden Substanzen heissen Ampholyte. Tabelle 8.1: Beispiele amphoterer Spezies amphotere Spezies H 2O NH 3 − 3 HCO − 4 HSO − 3 HSO − 4 H2 PO 2− 4 HPO Ein Quäntchen Stoffkenntnis Säure – Base Paar Säure konjugierte Base H 2O HO− H+ H 2O NH 3 NH −2 NH+4 NH 3 HCO−3 CO23− H 2 CO 3 HCO−3 HSO−4 SO24− H 2 SO4 HSO−4 HSO−3 SO23− H 2 SO3 HSO−3 H2 PO−4 HPO24− H 3 PO 4 H2 PO−4 HPO24− PO34− H2 PO−4 HPO24− Kohlensäure, H2CO3, Unstabile Substanz; in wässriger Lösung ist nur ein kleiner Prozentsatz davon vorhanden. Der pKa dieser unstabilen Säure wäre 3.88. Die Kohlensäure in der Mineralwasserflasche ist hauptsächlich CO2(aq) mit wenig H2CO3.(diese Mischung wird oft als H2CO3* bezeichnet. Der pKa dieser Mischung beträgt 6.4. Die Salze der Kohlensäure, die Carbonate, machen in Form von Kalk (CaCO3) einen bedeutenden Teil unserer Erdkruste aus. Schwefelsäure, H2SO4 Eine der stärksten Säuren. Sie wird technisch in grossem Massstab durch Oxidation von Schwefel hergestellt und gehört zu den 10 meist-produzierten Substanzen. In der Natur kommt Calciumsulfat (CaSO4) in Form von Gips häufig vor. Phosphorsäure, H3PO4 Mehrprotonige Säuren Eine Säure, die mehrere Protonen abgeben kann, nennt man eine mehrprotonige Säure. Eine dreiprotonige Säure, deren Salze (die Phosphate) in vielen Mineralien vorkommen. Ein Überschuss an Phosphaten in Gewässern führt zur Überdüngung und ist Anlass für vermehrtes Algenwachstum in natürlichen Gewässern. 8-7 Säuren und Basen 8.4 Zu beachten: Hier wird vorausgesetzt, dass alle c° gleich seien (im Allgemeinen 1M). Das ist jedoch nicht zwingend der Fall. Dann müsste die Normierung lauten: cB• = cB c . Die Eigendissoziation (Autoprotolyse) von Wasser Das Lösungsmittel Wasser kann sowohl als Säure wie auch als Base wirken. In reinem Wasser müssen wir daher damit rechnen, dass ein – wenn auch sehr geringer – Teil der Wassermoleküle als Säure wirkt und seine Protonen auf andere Wassermoleküle (die jetzt als Base wirken) überträgt. Diesen Sachverhalt können wir mit folgender Gleichung darstellen: H2O (l) = H+ (aq) + HO− (aq) B In den Umweltwissenschaften sowie in der Biochemie wird −7 häufig cH+ = 10 M gesetzt. (8-1) Die Gleichung (8-1) wird in vielen Textbüchern so dargestellt: H2O (l) + H2O (l) = H 3O+ (aq) + HO− (aq) (8-2) Die Aussage der Gleichung (8-2) ist genau dieselbe wie die der Gleichung (8-1). (8-1) ist aber etwas einfacher und impliziert keine Speziierung des aquatisierten Protons1. Temperaturabhängigkeit von Kw (p= 1 bar) °C Zu (8-1) kann man auch eine Gleichgewichtskonstante formulieren: K= pKW Kw 0 0.12⋅10 −14 14.93 5 0.18⋅10−14 14.73 10 0.29⋅10−14 14.53 15 0.45⋅10−14 14.35 20 0.68⋅10 −14 14.17 25 1.01⋅10−14 14.00 30 1.47⋅10−14 13.83 50 5.48⋅10−14 13.26 a H+ ⋅ a HO− {H+ } ⋅ {HO− } = a H2O {H2O} (8-3) Die Umrechnung von Aktivitäten auf Konzentrationen ergibt dann: K= H+ ⋅ HO− γ ⋅ γ cH+ ⋅ cHO− γ H+ ⋅ γ HO ⋅ H+ HO⋅ = 2 2 a aH O H2O c c 2 ( ) = cH+ ⋅ cHO- ⋅ i i ( ) γ H+ ⋅ γ HOaH O 2 a w = (8-4) K wa aH O 2 K = a H+ ⋅ a HO− = cH+ ⋅ cHO− ⋅ γH+ ⋅ γHO− = K w ⋅ γH+ ⋅ γHO− (8-5) i K w = cHi + ⋅ cHO − (8-6) i i Man nennt die Konstante KW das Ionenprodukt des Wassers oder die Autoprotolysekonstante des Wassers. Ihr Wert beträgt bei 25 °C 1.01·10−14. KW ist temperatur- und druckabhängig. Da unser Medium aus reinem Wasser besteht, ist die Aktivität des Wassers – a H2O – gleich 1. In verdünnten Lösungen können wir auch die beiden Aktivitätskoeffizienten γH+ und γ HO− gleich 1 setzen. Daher sind die Werte von K, K wa und Kw nummerisch gleich. Da H+ und HO− in reinem Wasser immer zu gleichen Teilen vorliegen (sonst wäre Wasser elektrisch nicht neutral), folgt aus dem Wert für KW bei 25 °C: cH+ = cHO− = 10−7 mol dm-3 1 8-8 + + + + Neben H (aq) sind im Gebrauch (und nachgewiesen): H 3O , H 5O2 , H 9O 4 . 8.5 8.5 Die pH - Skala Die pH - Skala Søren Peter Laurits Sørensen (1868-1939) führte 1909 den so genannten Wasserstoffexponenten ein, den er als negativen dekadischen Logarithmus der Wasserstoffionenaktivität definierte. Er nannte ihn zunächst pH. Diese Abkürzung ging als pondus Hydrogenii oder auch als potentia Hydrogenii in die Literatur ein. Später setzte sich dann die heute noch gebräuchliche Schreibweise pH durch. Der pH-Wert ist ein Mass für die Protonenaktivität in einer gegebenen Lösung. 8.5.1 pH-Konventionen Wir definieren: pHa := − log10a H+ (8-7) pOH a := − log10 a HO− (8-8) Analog definieren wir: Die auf der Basis von Aktivitäten definierten Begriffe pH und pOH sind in allen Fällen korrekt. Mathematisch gesehen ist p ein Operator und bedeutet: „Nimm den negativen Logarithmus des Arguments“. p(X) := −log10(X) Für die meisten Anwendungen haben sich indessen die Definitionen auf der Konzentrationsbasis eingebürgert. Wenn wir eine pH-Definition auf der Konzentrationsbasis vornehmen, erhalten wir Folgendes: pH : = − log10 cH• + • pOH : = − log10 c HO - (8-9) (8-10) Die beiden Definitionen hängen wie folgt zusammen: pHa = − log10 a H+ = − log10 (cH• + ⋅ γ H+ ) = pH − log10 γH+ (8-11) • pOHa = − log10 aHO− = − log10 (cHO - ⋅γ HO- ) = pOH − log10 γHO- (8-12) und Die beiden Definitionen unterscheiden sich lediglich durch den Logarithmus + – des Aktivitätskoeffizienten von H bzw. HO . In den folgenden Ausführungen werden wir immer den auf der Konzentrationsbasis definierten pH verwenden. Das ist vertretbar bei Lösungen geringer Ionenstärke. In diesem Bereich sind die Aktivitätskoeffizienten + – sowohl von H und von HO nahezu Eins. Bei Lösungen mit hoher Ionenstärke (z.B. Meerwasser und Lösungen bei sehr tiefen und auch sehr hohen pH-Werten) müssten wir allerdings wieder auf die ursprünglichen Definitionen (8-7) und (8-8) zurückgreifen. Beispiel 8.6: Aktivität von HBr a Wir wollen die Werte von pH (Aktivität) und pH (Konzentration) einer 0.1 molaren Lösung von HBr in Wasser ausrechnen. HBr ist eine extrem starke Säure und dissoziiert im Wasser vollständig in die Ionen H+ und Br–. Daher gilt: cH+ = 0.1 M. Im Kapitel „Gleichgewichte“ findet man die Angaben für die Berechnung des Aktivitätskoeffizienten des Protons für die Ionenstärke 0.1. Er beträgt 0.83. Daraus folgt: a H+ = γ H+ ⋅ cH+ = 0.083 . a => pH = -log(0.1) = 1.00 und pH = -log(0.083) = 1.08. 8-9 Säuren und Basen a Der Fehler von pH gegenüber pH beträgt in diesem Fall ca. 7.5%. H+ vs. pH Für reines Wasser bei 25 °C ist pH = 71 (ebenso pOH). Lösungen, deren pHund pOH-Werte gleich sind, bezeichnen wir als neutral. 1.0 pH < 7 saure Lösung 0.6 pH = 7 neutrale Lösung 0.4 pH > 7 basische (oder alkalische) Lösung Kurz gesagt: 0.2 0.0 0 1 2 3 4 5 pH Figur 8-3: c i H+ vs. pH Die logarithmische Skala hat gegenüber der normalen Skala grosse Vorteile. Es ist beispielsweise nicht möglich, in der Figur 8-3 die Protonenkonzentration bei pH-Werten > ca. 2 abzulesen. Ganz anders sind die Verhältnisse in der Figur 8-4. Es ist dort mit Leichtigkeit möglich, die Logarithmen der Protonenkonzentrationen auch für pH-Werte > 2 anzugeben. Beispiel 8.7: pH-Wert von 0.04 M HCl + logH vs. pH Wie gross ist der pH-Wert einer 0.04 molaren Lösung von HCl in Wasser? 0 Lösung: -2 logcH+ c H+ 0.8 HCl ist eine extrem starke Säure. Sie dissoziiert praktisch vollständig (> + – + 99.99...%) zu H und zu Cl . Die Konzentration an H ist daher 0.04 mol·dm-3 (der Anteil der aus dem Wasser durch Eigendissoziation stammenden Protonen kann vernachlässigt werden). -4 -6 -8 -10 0 2 4 6 8 10 pH Figur 8-4: logc i H+ vs. pH pKa Der pKa einer Säure ist ein Mass für die Säurestärke. D.h. der pKa ist eine Stoffkonstante. pH Der pH ist ein Mass für die Protonenkonzentration in einer Lösung. Nullpunkt der Skala cH+ = 0.04 mol·dm–3 => pH =−log(0.04) = 1.40 Übrigens: unverdünntes Magensaftsekret enthält Salzsäure (HCl) und hat einen pH zwischen 1 und 1.5! 8.6 Stärke von Säuren und Basen 8.6.1 Säuren Im einfachsten Fall haben wir es mit einer ein-protonigen Säure zu tun. Deren Reaktion mit Wasser ist durch Gleichung (8-13)2 beschrieben: HA(aq) = H+ (aq) + A−(aq) Je stärker die Säure HA ist, zu einem umso grösseren Anteil wird sie ihre Protonen auf die Base Wasser übertragen. Daraus folgt auch sogleich, dass – die konjugierte Base A umso weniger die Tendenz hat, aus dem gebildeten H+(aq) wieder Protonen aufzunehmen, je stärker die Säure HA ist. Für dieses Gleichgewicht können wir eine entsprechende Gleichgewichtskonstante formulieren: a + ⋅ a A− K = H (8-14) a HA Führen wir analog zu (8-4) die Konzentrationen ein, so resultiert folgende Gleichung: Der pKa-Wert des aquati+ sierten Protons ( Haq ) wurde per definitionem = Null gesetzt: a H+ ⋅ a A− K= a HA = cH• + ⋅ cA• − γH+ ⋅ γA− γ + ⋅ γA− ⋅ = Ka ⋅ H • γHA γHA cHA Ka : = + aq pKa( H ) := 0 1 2 8-10 (8-13) cH• + ⋅ cA• − • cHA (8-15) (8-16) Eigentlich ½pK ; bei 25°C ist der Wert gerade 7. Error! Reference source not found. ist eine Kurzform für die Dissoziation einer Säure HA im Wasser. Etwas ausführlicher: HA(aq) + H2O(l) = H+ (aq) + A−(aq) . w 8.6 Stärke von Säuren und Basen Die in Error! Reference source not found. definierte Konstante Ka wird als Dissoziationskonstante (oder Säurekonstante, a steht für „acid“) der Säure HA bezeichnet. Sie unterscheidet sich von der thermodynamischen Konstante K durch das Produkt der Aktivitätskoeffizienten γ. Sie ist temperatur- und druckabhängig. Ist in einer Tabelle mit Ka-Werten nichts vermerkt, so ist das Lösungsmittel automatisch Wasser. Alle andern Lösungsmittel müssen expressis verbis angegeben werden. Analog dem pH definieren wir für eine Säure: pK a := − log10 K a (8-17) Aus dem oben Dargelegten folgt: je stärker die Säure HA ist, umso kleiner ist deren pKa (für extrem starke Säuren kommen auch negative pKa’s vor). 8.6.2 Basen Löst man eine Base B im Wasser, so stellt sich folgendes Gleichgewicht ein1: B (aq) + H2O (l) = HB+ (aq) + HO− (aq) Die zugehörige Gleichgewichtskonstante lautet: a + ⋅ a HO− K = HB a B ⋅ a H2O (8-18) (8-19) Einführen der Konzentrationen: K = a HB+ ⋅ a HO− a B ⋅ a H2 O = • • cHB γ + ⋅ γ HO− γ + ⋅ γ HO− + ⋅ c HO− ⋅ HB = K b ⋅ HB • γ B ⋅ a H2 O γ B ⋅ a H2 O cB (8-20) Die auf der Konzentrationsbasis definierte Basenkonstante Kb ist also wie folgt definiert: K b := • • cHB + ⋅c HO− • cB (8-21) Analog zu den Säuren definieren wir für Basen: pK b := − log10 K b (8-22) Oft findet man jedoch in den Tabellen nicht die Werte für Kb bzw. pKb, + + sondern nur die Werte für die konjugierten Säuren HB , d.h. Ka(HB ) bzw. + pKa(HB ). Grundlage für diese Werte ist folgendes Gleichgewicht: HB+ (aq) = B (aq) + H+ (aq) (8-23) Die Dissoziationskonstante lautet: K a (HB+ ) = cB• ⋅ cH• + • cHB + (8-24) Wie sind Kb der Base B und Ka(HB+) miteinander verknüpft? K b ⋅ K a (HB+ ) = • • cHB cB• ⋅ cH• + + ⋅ c HO− • ⋅ = cH• + ⋅ cHO − = K w • cB• cHB + (8-25) In logarithmischer Form: pKb + pKa (HB+ ) = pKw = 14.0 (bei 25 °C) (8-26) + Kennen wir also pKa(HB ), so können wir Kb (bzw. pKb) auf sehr einfache Weise berechnen. Die Gleichung (8-25) kann man übrigens auf ganz einfache Weise erhalten: Addiert man die Gleichungen (8-18) und (8-23), so resultiert die Gleichung 1 Wenn die Base B eine negative Ladung trägt, ist natürlich HB ungeladen. 8-11 Säuren und Basen (8-1). Die entsprechenden Konstanten sind dann miteinander zu multiplizieren (vgl. Kapitel „Gleichgewichte“). 8.6.3 Nivellierung des pH durch Wasser Stellt man wässrige Lösungen gleicher Konzentration von Iodwasserstoffsäure (HI), Chlorwasserstoffsäure (HCl) und Perchlorsäure (HClO4) her, so zeigen die drei Lösungen alle den gleichen pH-Wert, obwohl die pKa-Werte der drei Säuren sehr unterschiedlich sind (vgl. Tabelle pKa-Werte im Anhang). Der Grund dafür ist, dass diese drei Säuren im Wasser vollständig zu H+(aq) reagieren, welches letztlich den pH-Wert bestimmt. Das aquatisierte Proton (H+(aq), die konjugierte Säure des Wassers, ist die stärkste im Wasser existente Säure. Säuren mit pKa-Werten wesentlich unter null dissoziieren sofort unter Bildung der schwächeren Säure H+. Diesen Effekt nennt man „Nivellierungseffekt“. Dieser gilt auch für Basen, die viel stärker sind als die Base HO–. Sie deprotonieren das Wasser vollständig unter Bildung von Hydroxid-Ionen. Das Hydroxid-Ion ist daher die stärkste im Wasser existente Base. Es gibt natürlich viele Substanzen, die wesentlich schwächer sauer sind als Wasser. Ammoniak hat als Säure beispielsweise einen pKa-Wert von 33 (nicht zu verwechseln mit dem pKa-Wert von NH+4 , welcher 9.25 beträgt!). Methan (CH4) hat als Säure gar einen pKa-Wert von ca. 50! + NH3 (aq) + H2O(l) = Haq + NH−2,aq Ka ≈ 10−33 CH4 (aq) + H2O(l) = H+aq + CH−3,aq Ka ≈ 10−50 Diese Stoffe sind in Wasser nicht dissoziiert1; d.h. wir dürften sie nach unseren Konzepten überhaupt nicht als Säuren bezeichnen! Sie weisen bezeichnenderweise auch pKa-Werte auf, die völlig ausserhalb unserer Skala (0-14) liegen. Beispiele: Säure pKa konjugierte Base CH4 (Methan): ≈ 50 CH3– C2H2 (Ethin, Acetylen): ≈ 25 H−C≡C– CHF3 (Fluoroform): ≈ 28 F 3C − CH3CH2OH (Ethanol) ≈ 17 CH3CH2O− Sollten solche Verbindungen dennoch einmal in deprotonierter Form vorliegen, so sind die konjugierten Basen aber extrem stark und reagieren mit dem Wasser vollständig unter Bildung von Hydroxidionen! 8.6.4 Säurestärke und Molekülstruktur Die Säurestärke einer Säure wird von zwei Faktoren wesentlich beeinflusst: • von der Grösse des Atoms, an welches das Proton gebunden ist (das ist der wichtigere Faktor) und • von der Elektronegativität dieses Atoms (man nennt es das „Zentralatom“). Beispiele von Säuren (die Protonen tragenden Atome sind fett gezeichnet): 1 8-12 Das bedeutet, dass die Konzentration an Protonen verursacht durch die Autoprotolyse des Wassers viel (!) grösser ist als die Protonenkonzentration verursacht durch die Dissoziation von Ammoniak oder Methan! 8.6 Stärke von Säuren und Basen Grösse des Zentralatoms Bei Element-Wasserstoffverbindungen (das sind Verbindungen, die nur aus einem Element und Wasserstoff bestehen, z. B. HF, H2S, NH3 …) nimmt die Säurestärke mit der Atomgrösse des Zentralatoms zu. Das ist vor allem bei Vergleichen zwischen Säuren einer Gruppe (das sind Elemente, die im PSE senkrecht untereinander stehen) von Elementen relevant. Dies soll am Beispiel der Halogenwasserstoffsäuren veranschaulicht werden. Als Halogene bezeichnet man die Elemente Fluor, Chlor, Brom und Iod1. Die entsprechenden Säuren heissen Fluorwasserstoff (HF), Chlorwasserstoff (HCl), Bromwasserstoff (HBr) und Iodwasserstoff (HI). Tabelle 8.2: Einfluss des Atomradius innerhalb einer Gruppe Säure HF HCl HBr HI Atomradius des 50 Zentralatoms /pm 100 115 140 Elektronegativität des Zentralatoms 4.0 3.2 3.0 2.7 pKa von HX 3.45 -7 -9 -11 Elektronegativität Die Elektronegativität dient vor allem dann als Bewertungskriterium, wenn Säuren von Element-Wasserstoffverbindungen mit Zentralatomen der gleichen Periode des PSE verglichen werden. Innerhalb einer Periode sind die Unterschiede in den Atomgrössen nicht so gross; deshalb ist der Faktor „Atomgrösse“ nicht dominant. Atome mit grosser Elektronegativität ziehen die Bindungselektronen stark an sich. Einem Bindungspartner mit kleinerer bleiben dann entsprechend weniger „Elektronenanteile“ übrig. Dies führt zu polaren Bindungen (das sind Bindungen, in welchen die Bindungselektronen nicht symmetrisch zwischen den Bindungspartnern aufgeteilt sind). Polare Bindungen bezeichnen wir so: δ- δ+ A B Damit wird angegeben, dass der Bindungspartner A die grössere Elektronegativität hat als B. Durch das Anziehen der Bindungselektronen von B erhält A einen leichten „Elektronenüberschuss“ (das wird mit dem Zeichen δ angegeben); dem entsprechend hat das Atom B in der Bindung mit A + einen leichten „Elektronenunterschuss“ (symbolisiert durch das Zeichen δ ). Was bedeutet das für die Säurestärke (Azidität) einer Säure HA? δ- δ+ A H Je grösser die Elektronegativität von A, umso mehr ist die Bindung AH polarisiert (d.h. umso mehr sind die Bindungselektronen um A lokalisiert), um so ähnlicher wird das H-Atom einem Proton (d.h. umso leichter kann es auch als Proton abgespalten werden) und umso grösser wird auch die Acidität von HA. Wertvolle Angaben über Elemente und ihre Eigenschaften findet man unter: http://www.webelements.com Beispiel 8.8: Wasserstoff-Verbindungen der Elemente C, N, O und F. Verbindung: CH 4 NH 3 H 2O HF Elektronegativität 2.5 3.0 3.4 4.0 ca. 50 33 14.0 3.45 des Zentralatoms pKa : 1 Eigentlich gehört Astatin auch zu den Halogenen; über sein chemisches Verhalten ist allerdings nur wenig bekannt (Halbwertszeit verschiedener Isotope zwischen 5 und 10 Stunden). 8-13 Säuren und Basen 8.6.5 Oxosäuren Oxosäuren haben die gemeinsame Grundstruktur: Z ist dabei ein Atom, an welches auch noch weitere Atome gebunden sein können. Das Wasserstoffatom ist an ein Sauerstoffatom gebunden. Dieses hat in praktisch allen Oxosäuren den gleichen Atomradius. Daher entfällt der Einfluss des Atomradius auf die Säurestärke vollständig. Die Säurestärke von HOZ hängt hauptsächlich von der Elektronegativität des Sauerstoffatoms ab. Diese ihrerseits wird im Wesentlichen durch die Elektronegativität von Z beeinflusst. Auf Grund der Elektronegativitäten von Wasserstoff (2.2) und Sauerstoff (3.4) können wir annehmen, dass die HO-Bindung polarisiert ist: Je elektronegativer das Atom Z, umso saurer ist die Verbindung HOZ. Je grösser die Anzahl der an Z gebundenen Sauerstoffatome, umso saurer ist die Verbindung. Wie wirkt sich nun eine Variation von Z auf die Säurestärke von HOZ aus? Nehmen wir an, Z sei stark elektronegativ (Elektronen anziehend). Dann wird die Bindung OZ polarisiert. Je mehr Z die Bindungselektronen der OZ-Bindung für sich beansprucht, umso mehr verschwindet der „Elektronenüberschuss“ δ- am Sauerstoffatom (entstanden durch die Polarisierung der HO-Bindung). Das Sauerstoffatom seinerseits wird nun die HO-Bindung noch mehr polarisieren, um den „Elektronenverlust“ (durch Z verursacht) wieder zu kompensieren. Je mehr die HO-Bindung aber polarisiert ist, desto leichter lässt sich das Wasserstoffatom als Proton abspalten und umso saurer ist die Verbindung. Der gleiche Effekt lässt sich auch erzielen, wenn an das Atom Z weitere Sauerstoffatome gebunden sind. Sauerstoff ist das zweitelektronegativste Element; demzufolge sind die meisten Bindungen ZO polarisiert: Wir betrachten nun folgende Reihe von Säuren: Figur 8-5: Oxosäuren Jedes zusätzlich an Z gebundene Sauerstoffatom verringert die Elektronendichte an Z (wegen Polarisierung der Bindung ZO). Dadurch wird das Atom Z selber ein besserer Elektronenakzeptor. Je grösser aber die Elektronen anziehende Wirkung von Z, umso stärker wird die HO-Bindung polarisiert, und umso saurer wird die Verbindung. In der Reihe I → IV nimmt die Säurestärke zu. Zum Polarisierungseffekt kommt noch ein Delokalisierungseffekt dazu. Dieser sei am Beispiel Perchlorsäure erläutert. Figur 8-6: Perchlorsäure Im Perchlorat-Anion kann die negative Ladung auf jedes der vier Sauerstoffatome verschoben werden; die negative Ladung ist also nicht an einem Sauerstoffatom lokalisiert, sondern auf alle vier Sauerstoffatome verteilt. Diesen Effekt nennt man Delokalisierung. Je mehr eine Ladung delokalisiert ist, umso stabiler wird das entsprechende Teilchen. Je stabiler 8-14 8.6 Stärke von Säuren und Basen aber das Anion einer Säure ist, umso leichter wird es gebildet und desto stärker ist die konjugierte Säure. Im Fall der Perchlorsäure ziehen Polarisierung und Delokalisierung in die gleiche Richtung. Wäre dies nicht der Fall, müsste eine Abschätzung der beiden Effekte gegeneinander gemacht werden. Die Delokalisierung ist bei Phenolen und Anilinen dominant (vergl. Kapitel 16). Beispiel 8.9: Salpetrige Säure HONO (salpetrige Säure, pKa = 3.34) ist schwächer sauer als HONO2 (Salpetersäure, pKa = 1.44). Gleiche Überlegungen gelten auch für Oxosäuren der allgemeinen Formel (HO)mZOn. Figur 8-7: Oxosäuren des Chlors Diese Überlegungen lassen sich leicht auf organische Verbindungen übertragen. Figur 8-8: Oxosäuren des Kohlenstoffs Ethanol ist eine extrem schwache Säure, welche in wässriger Lösung nur sehr wenig dissoziiert ist. Fügen wir nun am C-Atom, das die HO-Gruppe trägt, ein Sauerstoffatom ein (gleichzeitig werden zwei H-Atome entfernt), so erhalten wir Essigsäure. Die Wirkung dieses Sauerstoffatoms auf den pKaWert ist sehr gross. Beim Übergang von Essigsäure zu Kohlensäure wurde eine Methylgruppe (CH3) durch die elektronegativere HO-Gruppe ersetzt. Ersetzen wir die Wasserstoffatome an der Methylgruppe der Essigsäure durch elektronegative Atome wie Halogene (d.h. F, Cl, Br oder I), so können wir die Säurestärke (Acidität) der Essigsäure nochmals beeinflussen. Figur 8-9: Substituierte Essigsäuren Die Chloratome verringern die Elektronendichte am C-2 (Nummerierung der C-Atome: das C-1 ist die COOH-Gruppe) der Essigsäure. Dieses wiederum verringert die Elektronendichte am C-1. Das führt zu einer kleinen zusätzlichen Polarisierung der OH-Gruppe. Der Effekt ist nicht so drastisch, weil die Chloratome nicht direkt an das HO-tragende C-Atom gebunden sind. 8-15 Säuren und Basen 8.6.6 Einteilung der Säuren nach der Säurestärke Auf Grund des oben Gesagten können wir eine (ziemlich willkürliche!) Einteilung von Säuren und Basen gemäss ihrer Stärke vornehmen. Wir unterscheiden zwischen extrem starken, starken und schwachen Säuren. Extrem starke Säuren dissoziieren in Wasser vollständig unter Bildung von aquatisierten Protonen. Starke Säuren dissoziieren in wässriger Lösung zu wesentlichen Anteilen, im Extremfall zu 100%. In einer 0.1 M Lösung einer starken Säure sollten mindestens 10% der Säure dissoziiert sein. Schwache Säure dissoziieren in wässriger Lösung nur geringfügig (in einer 0.1 M Lösung einer schwachen Säure sind weniger als 10% der Säure dissoziiert). Diese recht willkürliche Einteilung setzt einen pKa-Wert von ca. 3 als Grenzwert fest. Säuren mit pKa ≤ 0 sind extrem stark; Säuren mit 0 ≤ pKa ≤ 3 sind stark; Säuren mit pKa > 3 sind schwach. Extrem starke Säuren: O H O Cl O H H I H Br Cl O 10 pK a 9.3 8.9 6.1 HClO4 HI HBr HCl Perchlorsäure Iodwasserstoffsäure Bromwasserstoffsäure Chlorwasserstoffsäure Starke Säuren Cl Cl Cl O C C Cl O Cl H C O O C H O H O P H O H O H pKa 0.70 1.48 2.12 Trichloressigsäure Dichloressigsäure Phosphorsäure (1) Schwache Säuren H O H H 3C C C OH pKa H O H O H C H O S C O H H H H H N H H C 3.86 4.75 7.04 9.25 Milchsäure Essigsäure Schwefelwasserstoff AmmoniumIon 9.30 Blausäure (Cyanwasserstoff) Die folgende Grafik zeigt eine grobe Einteilung der pKa-Skala: 8-16 N H 9.89 Phenol 8.7 8.7 Quantitative Behandlung von Säure-Base-Gleichgewichten Quantitative Behandlung von Säure-BaseGleichgewichten HA Wichtiger Hinweis: Da wir die Aktivitäten (bzw. die Aktivitätskoeffizienten) vieler Spezies nicht kennen, setzen wir in den folgenden Rechnungen für gelöste Spezies (also für alle Spezies mit der Bezeichnung „aq“) anstelle der Aktivitäten die dimensionslosen Konzentrationen c• ein; gleichzeitig setzen wir die Aktivitätskoeffizienten gleich Eins (dies beinhaltet allerdings einen gewissen Fehler!). In Lösungen geringer Ionenstärke ist dieses Vorgehen vertretbar. In Lösungen hoher Ionenstärke müssen wir auf die ursprünglichen Definitionen via Aktivitäten zurückkommen! H 2O Zugabe von HA ins Wasser Einstellen des Gleichgewichts 8.7.1 Einprotonige Säuren und Basen 8.7.1.1 Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung (Puffer-Gleichung) Löst man eine Säure HA im Wasser, so stellen sich folgende Gleichgewichte ein: HA (aq) = H+ (aq) + A− (aq) (8-13) H2O (l) = H+ (aq) + HO− (aq) (8-1) H+ HA HOAH2O Das Lösungsmittel ist Wasser; alle anderen Spezies werden als im Wasser gelöst (aq) angesehen. Wir haben also folgende Spezies (Moleküle, Atome oder Ionen) in wässriger Lösung: H2O (l) Im Gleichgewicht Figur 8-10: Einprotonige Säure im Wasser Lösungsmittel HA (aq) intaktes Teilchen, das nicht als Säure reagiert hat A− (aq) Teilchen nach der Reaktion mit Wasser als Base H+(aq) aquatisiertes Proton; entstanden durch die Reaktion von HA mit Wasser, aber auch durch Autoprotolyse (Eigendissoziation) des Wassers. H+ ist die im Wasser eigentlich wirksame Säure, die man physiologisch spürt und technisch messen kann (pH-Elektrode, Indikatoren). HO–-(aq) Hydroxidion; entstanden durch Autoprotolyse des Wassers Das Gleichgewicht beschrieben werden: (8-13) kann Ka = mit der Dissoziationskonstante cH• + ⋅ cA• - Ka (8-16) • cHA Henderson - Hasselbalch - Gleichung Logarithmieren von equation reference goes here ergibt: 1000 HA HA 10 Nach Umformung von (8-27) und Einführen des Operators p (vgl. (8-9)) ergibt sich die Henderson-Hasselbalch-Gleichung: [A− ] c• - pH = pK a + log10 •A ≡ pK a + log10 cHA [ HA ] 100 (8-27) cA-/cHA c • + ⋅ c • - c• log10 K a = log10 H • A = log10 (cH• + ) + log10 •A c c 1 0.1 0.01 (8-28) Der pH-Wert einer Lösung ist ein Mass für die Protonenaktivität in dieser Lösung. Er ist mit (auf Konzentration geeichten) pH-Elektroden oder pHIndikatoren direkt messbar, wobei letztere weniger genau sind. 0.001 2 3 pK-2 4 pK 5 6 pK+2 7 pH Figur 8-11: HendersonHasselbalch Der pKa-Wert ist ein Mass für die Stärke einer Säure. Er ist für sehr viele Säuren tabelliert, lässt sich aber auch aus ∆rG° errechnen (siehe Kapitel „Thermodynamik”). 8-17 8 Säuren und Basen Erläuterung: Aus der Gleichung (8-28) ist ersichtlich, dass der pH-Wert der Lösung einer bestimmten Säure mit gegebenem pKa das Verhältnis cA− / cHA entscheidend beeinflusst. 4.00 Für eine bestimmte Säure ist der pKa-Wert eine Konstante. Bei einer Änderung des pH um eine Einheit muss sich daher der Logarithmus des • Verhältnisses cA− / cHA bzw. cA• − / cHA ebenfalls um eine Einheit ändern. Das • eine Veränderung bedeutet aber für das Verhältnis cA− / cHA bzw. cA• − / cHA um den Faktor 10. Im oberen Diagramm ist dies veranschaulicht. cA- / cHA 2.00 1.00 0.50 0.25 4.4 pK-0.3 4.7 pK 5.0 pK+0.3 5.3 5.6 pH Bei einer Veränderung des Verhältnisses cA− / cHA um den Faktor 2 (bzw. ½) ändert sich der pH um log10(2) = +0.30 (bzw. log10(½) = −0.30) Einheiten (nebenstehendes Diagramm). 8.7.1.2 Berechnung von Gleichgewichtskonzentrationen Nach dem Lösen einer Säure HA im Wasser haben wir neben Wasser folgende Teilchen in der Lösung (Figur 8-10): HA(aq), A-(aq), H+(aq), HO-(aq) Wir kennen die Konzentration ca der zugegebenen Säure HA: n HAzg ca = V (8-29) Anmerkung: ca wird oft auch als [HA]zg (zg = „zugegeben”) oder als [HA]tot bezeichnet (siehe unten). Gesucht sind die Gleichgewichts-Konzentrationen cHA , cA− , cH+ und cHO− . Das sind vier Unbekannte; wir brauchen daher vier unabhängige Gleichungen, welche die Konzentrationen dieser Spezies miteinander verknüpfen. Konzentrationen sind ein Mass für die Anzahl Teilchen pro Volumen. Im Gegensatz zu Stoffmengen sind sie als intensive Grössen nicht addierbar. Im obigen Fall steht [A]tot für: n + n A− n HA n A− + = HA V V V Weil V für alle Teilchen identisch ist, darf man auch Konzentrationen im selben Volumen addieren. Grundsätzlich gibt es zwei Arten mathematischer Beziehungen, welche die Konzentrationen verschiedener Teilchen miteinander verknüpfen: • Gleichgewichtsbeziehungen und • Erhaltungssätze. Gleichgewichtsbeziehungen: Ihre mathematischen Formulierungen sind die Gleichgewichtskonstanten. In unserem Fall haben wir zwei solche Beziehungen: Ka und KW. Die Anzahl von Gleichgewichtsbedingungen entspricht der Zahl von chemischen Reaktionsgleichungen. Erhaltungssätze in geschlossenen Systemen In der Chemie gibt es zwei Arten von Erhaltungssätzen: Erhaltung der Atome: verloren. In einer chemischen Reaktion gehen keine Atome Erhaltung der elektrischen Ladung: Die Summe der elektrischen Ladungen ist konstant; die Ladungen können aber anders verteilt werden. Totalkonzentrationen An dieser Stelle definieren wir die Totalkonzentration eines Teilchens (oder einer Atomgruppierung) B: [B]tot = cBtot : Summe der Konzentrationen aller Spezies, die B in irgendeiner Form enthalten. 8-18 8.7 Quantitative Behandlung von Säure-Base-Gleichgewichten Im Fall der einprotonigen Säure HA ist c Atot = c HA + c A− (das sind alle Spezies, welche die Atomsorte A enthalten). Andererseits wissen wir, dass alle Atome A durch die Säure HA in die Lösung eingebracht wurden; dies geht aus der Zubereitung der Lösung hervor. Jedes Molekül HA, das in die Lösung eingebracht wurde, liefert genau ein Atom (bzw. eine Atomgruppe) der Sorte A in Lösung. Daher ist die Totalkonzentration cAtot gleich der Konzentration der zugegebenen Säure HA (ca). Gleiches gilt natürlich auch für die normierten Konzentrationen. cAi = cai tot (8-30) Der Erhaltungssatz für A kann nun wie folgt formuliert werden: i cAi = cai = cAi − + cHA tot (8-31) i und Damit haben wir die (unbekannten) Gleichgewichtskonzentrationen c HA i i c A− mit einer Messgrösse ( ca ) verknüpft. Wir werden im Folgenden hauptsächlich die normierten Konzentrationen verwenden. Das Prinzip der Elektroneutralität besagt, dass die Totalladung in einem System gleich null sein muss. Für den Fall der Lösung einer einprotonigen Säure heisst das: i cHi + = cAi − + cHO − (8-32) In der Organischen Chemie steht Ac als Abkürzung für die Acetyl-Gruppe: Beispiel 8.10: Lösung von Essigsäure (AcOH) im Wasser O Abkürzngen: AcOH: Essigsäure; AcO−: Acetat-Ion Wir nehmen dazu die Stoffmenge n AcOH und stellen eine wässrige Lösung mit dem Volumen V her. Dies würde zurzeit t = 0 (d.h. gerade zum Zeitpunkt des Mischens, wenn noch keine Moleküle reagiert haben) zu einer Anfangskonzentration von n AcOH /V = ca führen. Im Gleichgewicht, das sich danach einstellt, finden wir dann folgende Teilchen: AcOHaq : nicht dissoziierte, aquatisierte Essigsäure Ac: H3 C C Das Anbringen einer OHGruppe führt zu Essigsäure: O AcOH: H3 C C O H AcO−aq : aquatisiertes Acetat-Ion H+aq : aquatisiertes Proton − aq HO : aquatisiertes Hydroxidion Wir können nun einen Erhaltungssatz für die AcO-Gruppe formulieren. Darin werden alle Spezies aufgelistet, welche diese Gruppe (AcO) in irgendeiner Form enthalten. Hier sind es AcOH und AcO−. i i i i cAcO = cAcOH + cAcO − = c a (8-33) Da alle AcO-Spezies aus der zugegebenen Essigsäure stammen, ist deren Summe gerade gleich cai . Einen zweiten Erhaltungssatz erhalten wir durch die Ladungsneutralität der Lösung: i i cHi + = cAcO − +c HO− (8-34) Zusammen mit den beiden Gleichgewichtskonstanten Ka(AcOH) und KW definieren die Gleichungen (8-33) und (8-34) das System Essigsäure im Wasser vollständig. Im allgemeinen Fall einer einprotonigen Säure HA, von welcher die Konzentration ca• zugegeben wurde, sind folgende Spezies in Lösung: HA(aq), A-(aq), H+(aq) und HO-(aq). 8-19 Säuren und Basen Dieses System wird durch vier Gleichungen definiert: Ka = cHi + ⋅ cAi - (8-16) i cHA i K W = cHi + ⋅ cHO − (8-6) i cAi = cai = cAi − + cHA (8-31) i cHi + = cAi − + cHO − (8-32) tot Eliminiert man alle Unbekannten bis auf cH• + aus diesem System, so resultiert eine Gleichung 3. Grades in cH• + (siehe Anhang). 3 (c ) i H+ 2 ( ) − (K + K a ⋅ cHi + a ) ⋅ cai + K w ⋅ cHi + − K a ⋅ K w = 0 8.7.2 Berechnung von pH-Werten wässriger Lösungen einprotoniger Säuren und Basen 8.7.2.1 Nummerische Lösungen (8-35) Selbstverständlich ist es möglich, die im Anhang aufgelistete Gleichung 3. Grades mit einem programmierbaren Taschenrechner zu lösen. Diese Gleichung gilt natürlich nur für einprotonige Säuren. Auf diese Methode wird hier nicht näher eingegangen. Eine etwas allgemeinere Variante besteht in der Programmierung von MatLab® oder Mathematica®. Als Beispiel für die Programmierung in Mathematica dient eine 0.3 molare Lösung von Ameisensäure (pKa = 3.75). kw = 1.01 * 10^(-14); k1 = 10^(-3.75); cAtot = 0.3; Solve[ { cH * cOH = kw cH * cA / cAH = k1 cA + cAH = cAtot cH = cA + cOH {cH, cOH, cA, cAH} ] (* (* (* (* (* Autoprotolyse des Wassers*), Dissozioationskonstante der Säure HA *), Erhaltungssatz füt A *), Protonenherkunftsgleichung *) }, Lösungsvektor *) Der Computer versucht nun, die Lösungen dieses Gleichungssystems nummerisch zu evaluieren. Lösungen: {cOH→ -0.3, cAH→ -5.67965⋅10-11, cA→ 0.3, cH→ -3.36667⋅10-14} {cOH→ -1.36605⋅10-12, cAH→ 0.307393, cA→ -0.00721562, cH→ -0.00739345} {cOH→ 1.39976⋅10-12, cAH→ 0.292784, cA→ -0.00721562, cH→ -0.00721562 Die ersten zwei Lösungen enthalten negative Konzentrationen und sind daher physikalisch nicht realisierbar (diese Lösungen könnte man mit Zusatzbedingungen eliminieren). Die dritte Lösung ist die physikalisch brauchbare. -Log[10, 0.00721562] (* Berechnung des pH *) 2.14173 Selbstverständlich ist eine Angabe des pH auf fünf Stellen nach der Dezimalteilung unsinnig (es gibt keine Messgeräte mit dieser Genauigkeit; die heutige Genauigkeit beträgt pH = pH ± 0.02). NumberForm[%, 3] (* Berechnung des pH auf 3 signifikante Stellen *) Resultat: pH = 2.14. 8-20 8.7 8.7.2.2 Quantitative Behandlung von Säure-Base-Gleichgewichten Lösung mittels vereinfachter Formeln Im unten stehenden Diagramm kann man sich einen raschen Überblick verschaffen, welches die optimale Gleichung für die Berechnung des pH’s der Lösung einer einprotonigen Säure ist1. Für die Verwendung dieses Diagramms muss Folgendes bekannt sein: • der pKa der Säure und • die Menge der eingetragenen Säure (ca). logc•a vs. pKa 0 -1 (8-38) -2 (8-36) -3 (8-37) -4 -5 -6 (8-40) -7 -8 (8-39) -9 -10 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 pKa Figur 8-12: Formeln für einprotonige Säuren −K + a pH = − log + 4 ⋅ K a ⋅ cai 2 2 (K ) a pH = − log cai (8-37) ( pH= 21 pK a − log cai i c + a pH = − log10 ) + 4 ⋅ K w 2 (8-38) 2 (c ) i a (8-36)2 (8-39) Im Bereich (8-40) muss die Gleichung 3. Grades (8-35) gelöst werden. 1 2 Die Grenzlinien beinhalten einen Fehler von ±0.02 pH. Die Nummern beziehen sich auf die im Anhang hergeleiteten Gleichungen. 8-21 Säuren und Basen Beispiel 8.11: Fluorwasserstoffsäure Man berechne den pH-Wert einer 0.01 molaren Lösung von Fluorwasserstoffsäure. Lösung: der pKa-Wert von HF beträgt 3.45. Im Diagramm suchen wir den Schnittpunkt der zwei Geraden pKa = 3.45 und logca = -2. Er liegt im Gebiet der Gleichung (8-36). Wir müssen daher die quadratische Gleichung verwenden. −3.45 −K a + K a2 + 4 ⋅ K a ⋅ cai + 10−6.90 + 4 ⋅ 10−3.45 ⋅ 10−2 10 = − log − pH = − log10 10 2 2 −3.55 ⋅ 10−4 + 1.43 ⋅ 10−5 = − log10 = − log10 1.71 ⋅ 10−3 = 2.77 2 ( ) Beispiel 8.12: Vitamin C Beispiel: Gesucht sind die pH-Werte einer 0.1 molaren und einer 10-6 molaren Lösung von Vitamin C (pKa = 4.2). Lösung: Für die 0.1 molare Lösung ist die Gleichung (8-38) optimal. pH = ⋅ (pKa − logca• ) = 12 ⋅ (4.2 − log(0.1)) = 2.6 1 2 Für die 10-6 molare Lösung ist dagegen Gleichung (8-37) optimal. pH = − log ca• = − log (10−6 ) = 6.0 Hätte man aus Versehen die Gleichung (8-39) gewählt, so wäre Folgendes herausgekommen: c • + c i 2 + 4 ⋅ K −6 −12 −14 a a W = − log 10 + 10 + 4 ⋅ 10 pH = − log10 10 2 2 10−6 + 1.02 ⋅ 10−6 = − log10 1.01 ⋅ 10−6 = 5.99 = − log10 2 ( ) ( ) Die Differenz zwischen den Ergebnissen ist im Grenzgebiet zweier Gleichungen nur marginal. 8.7.2.3 Benützung des Diagramms für einprotonige Basen1 Selbstverständlich gibt es ein ähnliches Diagramm für Basen. Dann müssen folgende Grössen bekannt sein: pKb der Base B (nicht pKa(HB+)!). die eingesetzte Konzentration cb• (bzw. log( cb• )). Nun resultiert folgendes Diagramm: 1 8-22 Wir verstehen unter den Begriffen „einprotonige“ bzw. „mehrprotonige“ Basen Spezies, welche ein oder mehrere Protonen aufnehmen können. Dies in Analogie zu den ein- und mehrprotonigen Säuren, welche ein oder mehrere Protonen abgeben können. 8.7 Quantitative Behandlung von Säure-Base-Gleichgewichten logc•b vs. pKb 0 -1 (8-43) -2 (8-41) -3 -4 (8-42) -5 -6 (8-45) -7 (8-44) -8 -9 -10 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 pKb Figur 8-13: Formeln für einprotonige Basen −K + b pH = 14 + log + 4 ⋅ K b ⋅ cbi 2 2 (K ) b pH = 14 + log cbi (8-42) ( ) (8-43) + 4 ⋅ K w 2 (8-44) pH = 14 − 12 pK b − log cbi i c + b pH = 14 + log10 2 (c ) i b (8-41) Im Bereich (8-45) muss die Gleichung 3. Grades (8-35) gelöst werden. Beispiel 8.13: Ammoniak Man berechne den pH einer 0.001 molaren Lösung von Ammoniak in Wasser bei 25 °C. Lösung: Der pKa von NH+4 beträgt 9.25. Der pKb-Wert ist 14 – 9.25 = 4.75. Gemäss Diagramm ist Gleichung (8-41) optimal. −K b + K b2 + 4 ⋅ K b ⋅ cbi pH = 14 + log10 2 −10−4.75 + 10−9.5 + 4 ⋅ 10−4.75 ⋅ 10−3 = 14 + log10 2 = 14 − 3.9 = 10.1 Beispiel 8.14: Natriumcyanid Man berechne den pH einer 0.1 molaren Lösung von Natriumcyanid (NaCN) in Wasser bei 25 °C. Lösung: Der pKa von HCN beträgt 9.31. Der pKb-Wert ist 14 – 9.31 = 4.69. Gemäss Diagramm ist Gleichung (8-43) optimal. ( ) pH = 14 − 12 pK b − log cbi = 14 − 12 (4.69 − (−1)) = 11.16 8-23 Säuren und Basen 8.8 pH-Indikatoren Gibt man beim Kochen von Blaukohl etwas zuviel Essig zu, so wechselt die Farbe von blau nach rotviolett. Die Farbänderung zeigt an, dass der pH der Suspension „Blaukohl“ gesunken ist. Vermutlich hat Robert Boyle (1627-1691) als Erster die Farbänderung von Pflanzensäften für chemische Untersuchungen benützt. Als erster synthetischer pH-Indikator wurde Phenolphthalein 1877 durch E. Luck eingeführt. In medizinischen Anwendungen wird mit pH-Papieren geprüft, ob eine Lösung sauer, neutral oder basisch reagiert. Dies geschieht in den meisten Fällen mittels Mischungen verschiedener Indikatoren, die in gewissen pHBereichen ganz bestimmte Farben aufweisen. pH-Indikatoren sind organische Verbindungen, deren Farbe in wässriger Lösung vom pH abhängt. Wässrige Lösungen von Phenolphthalein sind farblos unterhalb pH 8.3. Oberhalb pH 10 ist wässriges Phenolphthalein rot. Zwischen pH 8.3 und 10 beginnt sich die rote Farbe auszubilden. Mit Hilfe von Indikatoren kann man den pH einer Lösung bestimmen. In der Tabelle sind die Umschlaggebiete einiger Indikatoren angegeben. Da sich die Umschlaggebiete mehrerer Indikatoren überlappen, ist die Bestimmung des pHs einer Lösung auf ca. 0.1 pH-Einheiten möglich (dazu ist allerdings eine recht grosse Sammlung von Indikatoren notwendig). Universalindikatoren sind nichts anderes als eine geschickt gewählte Mischung verschiedener Indikatoren. Je nach pH-Wert wird ein ganz bestimmter Farbton angezeigt; der Vergleich wird mit einer Farb-pH-Skala gemacht. Tabelle 8.3: Indikatoren Indikator Farbe bei tieferem pH-UmschlagpH-Wert bereich Farbe höherem Wert Thymolblau rot 1.2 - 2.8 Gelb Methylorange rot 3.1 – 4.5 Gelb Bromkresolgrün gelb 3.8 – 5.5 Blau Methylrot rot 4.2 – 6.3 Gelb Lackmus rot 5.0 – 8.0 Blau Bromthymolblau gelb 6.0 – 7.6 Blau Thymolblau gelb 8.0 – 9.6 Blau Phenolphthalein farblos 8.3 – 10.0 Rot Alizaringelb gelb 10.0 – 12.1 Blauviolett bei pH- Indikatoren sind farbige, schwache Säuren (HIn). Meist sind wässrige Lösungen dieser Säuren sehr intensiv gefärbt. Das Anion (In−) hat eine andere, aber meist ebenso intensive Farbe. Daher genügt eine kleine Menge, um in einer Lösung eine intensive Farbe hervorzurufen. Da die Menge des Indikators sehr klein ist im Vergleich zur Menge der übrigen Spezies, wird der pH der Lösung durch die Anwesenheit des Indikators praktisch nicht verändert. HInaq + H2O(l) = H+aq + In−aq (8-46) Was als Erläuterung zur Henderson-Hasselbalch-Gleichung (8-28) gesagt wurde, gilt auch für Indikatoren. 8-24 8.9 Pufferlösungen Der pKa des Indikators ist ein fixer Wert (eine Stoffkonstante). Der pH der Lösung wird nicht durch die Menge des Indikators bestimmt. Wenn aber pH der Lösung und pK-Wert des Indikators feststehen, so ist nach der Henderson-Hasselbalch-Gleichung auch das Verhältnis der sauren Form des Indikators zu seinem Anion fixiert. Daher entspricht jedem pH der Lösung ein ganz bestimmter Farbton des Indikators. cIni − c i HIn (pH−pK a(HIn) ) = 10 (8-47) Beispiel 8.15: Lackmus Lackmus hat einen pKa in der Nähe von 7. Lösungen des Indikatormoleküls in der protonierten Form sind rot; Lösungen der deprotonierten Form blau. Nach der Gleichung (8-28) gilt für pH ≤ 5: c Ini − i c HIn ≤ 10−2 . Diese Lösung ist rot. Anderseits sind Lösungen mit pH ≥ 8 blau gefärbt. Beim Umschlagpunkt (das ist der Punkt auf der pH-Skala, bei i welchem c Ini − = cHIn (im Fall Lackmus bei pH = 7) zeigt die Lösung eine Mischfarbe (im vorliegenden Fall Purpur). 8.9 Pufferlösungen Zellen sind darauf angewiesen, dass der pH in ihrem Inneren konstant ist. Das ist notwendig, da die Geschwindigkeit der meisten enzymatischen Reaktionen bei unterschiedlichem pH sehr variiert. Es wäre fatal, wenn die Aufnahme einer geringen Menge einer Säure oder Base (z.B. Essen einer Orange) bei Säugetieren beispielsweise den pH des Blutes und damit den gesamten Metabolismus (Stoffwechsel) nachhaltig beeinflussen könnte. Der pH im menschlichen Blut wird konstant auf ca. 7.4 gehalten. Dieser Effekt kommt durch Pufferung des Bluts mit Hydrogencarbonat-Ionen ( HCO−3 ) zustande. Lösungen, die den pH-Wert weitgehend konstant halten selbst bei (begrenzter) Zugabe von Säuren und Basen nennt man Pufferlösungen (engl. buffer solutions). Pufferlösungen enthalten eine relativ hohe Konzentration einer schwachen Säure und ihrer konjugierten Base. Diese Konzentrationen sind so hoch gewählt, dass wir die Autoprotolyse des Wassers vernachlässigen können. In unserem Puffersystem haben wir also die zugegebene Menge HA ( cHA, zg ) und die zugegebene Menge A− ( ca, A− ). Da die Säure HA und auch ihre konjugierte Base A- schwach sind, dissoziieren beide Spezies nur zu einem sehr geringen Teil. Daher gilt: cHA ≈ ca, HA und cA− ≈ ca, A− . Der pH einer solchen Lösung beträgt dann nach (8-28): c − pH = pK a + log a, A (8-48) ca, HA Merke: Der pH-Wert eines Puffers ist nur durch das Verhältnis ca,i A− ca,i HA bestimmt. Die Pufferkapazität (das ist die Menge an Säure oder Base, die den pH-Wert um einen bestimmten Betrag ändern) ist von der Konzentration des Puffers abhängig. Falls ca, A− = ca, HA , so ist der eingestellte pH-Wert gleich dem pKa der eingesetzten Säure. Wenn man das Verhältnis ca, A− / ca, HA entsprechend variiert, kann man verschiedene pH-Werte einstellen. Dieses Verhältnis sollte nicht kleiner als 1:10 sein, aber auch nicht grösser als 10:1, da sonst der Puffer keine grosse Kapazität mehr aufweist. Man kann auf diese Weise Puffer herstellen, deren 8-25 Säuren und Basen pH um maximal eine Einheit vom pKa der eingesetzten Säure abweicht. Die grösste Pufferwirkung erhält man allerdings mit ca, A− = ca, HA . Wir wollen im Folgenden ein kleines Gedankenexperiment durchführen. Wir geben einen Puffer vor, bestehend aus A− und HA. Der Einfachheit halber nehmen wir an, die beiden Konzentrationen seien gleich. Der pH wird gemäss der Gleichung (8-28) eingestellt (pH = pKa). Nehmen wir nun an, wir gäben eine starke Säure zu, so viel, dass 10% der zugegebenen Base A− protoniert werden und zu HA reagieren. Im neuen Gleichgewicht haben wir dann· cA− = 0.9 ⋅ cA− ,zg cHA = 1.1 ⋅ cHA, zg . Der neue pH-Wert beträgt nun: O H C pH = pK a + log10 O H Ameisensäure O H C und 0.9 ⋅ cA− ,zg 1.1 ⋅ cHA, zg c − 0.9 = pK a + log10 A ,zg + log10 c 1.1 HA, zg c − = pK a + log10 A ,zg − 0.09 cHA, zg (8-49) Der ursprünglich eingestellte pH-Wert hat also nur um etwa 0.1 pHEinheiten abgenommen. O Formiat Hätten wir die gleiche Menge einer starken Base an Stelle der Säure zugegeben, so hätte der pH-Wert um 0.1 Einheiten zugenommen. Der pHWert von Puffersystemen ist in einem begrenzten Bereich bemerkenswert invariant auf Säure- oder Basenzugabe. Figur 8-14: Ameisensäure Beispiel 8.16: Puffer Ameisensäure / Formiat (Salz der Ameisensäure) In welchem Verhältnis muss man Ameisensäure und Natriumformiat mischen, um einen Puffer bei pH = 4.00 zu erhalten? Lösung: Henderson-Hasselbalch-Gleichung. • c• − cHCOO − 4.00 = 3.75 + log10 •HCOO = 100.25 = 1.78 • cHCOOH cHCOOH 8.10 Titration von Säuren und Basen Bürette mit NaOH Konzentration: cHO-,B pH 3.84 pH-Elektrode Die Titration von Säuren und Basen ist auch heute noch eine der genauesten Methoden zur quantitativen Bestimmung von Säuren und von Basen. Bekannt: Stoffmenge der zugegebenen Säure HA Volumen der Lösung V0 Konzentration der Lauge, cHO− ,B Zugefügte Lauge ∆V Problem: Berechnung des pH-Wertes der Lösung als Funktion der Menge der zugegebenen Base. [HA]zg in H2O, Volumen V0 Figur 8-15: Titrationen 8-26 Wir beschränken uns hier auf einige Ausführungen zur Titration starker und schwacher Säuren mit einer starken Base wie Natronlauge (NaOH). 8.10 Titration von Säuren und Basen 8.10.1 Titration starker Säuren mit starker Base Im Becherglas haben wir die Stoffmenge na, HA = ca ⋅V0 vorgelegt. Aus der Bürette tropfen wir die Lösung von NaOH der Konzentration cHO− ,B ins Becherglas. Die Stoffmenge an zugegebener Base beträgt n a, HO− = cHO− , B ⋅ ∆V (∆V ist das Volumen an zugetropfter Natronlauge). Da eine extrem starke Säure vollständig dissoziiert ist, beträgt die Stoffmenge (bzw. die Konzentration) an freien Protonen: (8-50) nH+ = nHA,zg − nHO− ,zg = ca ⋅V0 − cHO− ,B ⋅ ∆V oder c H+ = i Die zu titrierende Lösung heisst Titrand; die zum Titrieren verwendete Säure oder Base heisst Titrans (oder Titrator). i cai ⋅V0 − ∆V ⋅ cHO − ,B (8-51) V0 + ∆V • −7 Diese Gleichung gilt bis in die Nähe von pH = 7. Bei pH = 7 ist cH+ = 10 . Die Gleichung (8-51) gilt dort nicht, weil wir die Autoprotolyse des Wassers in (8-50) nicht berücksichtigt haben. Oberhalb pH = 7 ist alle Säure HA neutralisiert und wir finden einen Anstieg des pH-Wertes wie wenn wir Natronlauge in reines Wasser einfliessen lassen würden. Unter Vernachlässigung der Autoprotolyse des Wassers gilt dann: cHi + = K W ⋅ V0 + ∆V i ∆V ⋅ cHO − cai ⋅V0 − ,B (8-52) Eine nach diesem Rezept berechnete Titrationskurve sieht dann so aus: Titration von HCl (ca = 1 M) mit NaOH (cB = 1 M) 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 2 Zugabe von NaOH / dm3 Figur 8-16: Titration von HCl mit NaOH Die Kurve steigt bei tiefen pH-Werten zunächst langsam an, dann immer schneller. Sie hat einen Wendepunkt, an welchem die Steigung der Kurve maximal ist. Dieser Punkt heisst Äquivalenzpunkt. Am Äquivalenzpunkt wurde gerade so viel Lauge zugegeben, wie zur vollständigen Umsetzung der Säure mit der starken Base notwendig ist. Bei starken Säuren ist am Äquivalenzpunkt der pH der Lösung gerade 7. Der Punkt auf der Titrationskurve, bei welchem der pH gerade 7 beträgt, heisst Neutralpunkt. Bei der Titration starker Säuren mit starken Basen fallen Äquivalenzpunkt und Neutralpunkt zusammen. 8.10.2 Titration schwacher Säuren mit starker Base Starke Säuren haben niedrige pK-Werte und sind in wässriger Lösung zu einem grossen Teil dissoziiert. Das Puffergebiet starker Säuren liegt im sauren Bereich. Das ist bei schwachen Säuren nicht so. Im Gegensatz dazu 8-27 Säuren und Basen sind schwache Säuren in wässriger Lösung kaum dissoziiert und weisen höhere pK-Werte auf. Bei der Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base liegt am Anfang fast die gesamte Menge der Säure HA in nicht-dissoziierter Form vor. Bei Zugabe von Base wird nun HA deprotoniert; dabei entsteht die konjugierte Base A−. Mit fortschreitender Titration nähert sich das Verhältnis cA− / cHA immer mehr dem Wert 1. Dieser Wert wird erreicht, wenn genau die Hälfte der ursprünglich eingesetzten Menge von HA umgesetzt ist. Das entspricht der halben Menge des Titrationsmittels, welche zum Erreichen des Äquivalenzpunktes nötig ist. An diesem Punkt sind wir beim optimalen Puffer von A−und HA angelangt. An diesem Punkt entspricht der pH der Lösung dem pKa der titrierten Säure. Da in der Nähe des pK’s der Säure HA optimal gepuffert wird, ändert sich der pH-Wert bei Zugabe von Base nur langsam. Daher ist im Puffergebiet der Säure HA mit einem schleppenden Anstieg des pH zu rechnen. Figur 8-17: Titration von Essigsäure mit 0.1 M Natronlauge (Phenolphthalein) Am Äquivalenzpunkt ist dann die Säure HA vollständig deprotoniert1. Nun ist aber das Anion A− eine schwache Base und reagiert mit dem Wasser zu einem kleinen Teil unter Bildung von HO−-Ionen. Das heisst, dass am Äquivalenzpunkt ein kleiner Überschuss an HO−-Ionen vorliegt. Der pH der Lösung ist also am Äquivalenzpunkt grösser als 7. Das hat Konsequenzen bei der Wahl eines Indikators. Bei der Titration von starken Säuren ist die Wahl des Indikators nicht kritisch. Bei schwachen Säuren macht es jedoch wenig Sinn, einen Indikator zu verwenden, der im sauren Bereich umschlägt (das wäre ja gerade im Puffergebiet von HA); hier muss ein Indikator gewählt werden, der im basischen Bereich umschlägt. 1 An diesem Punkt ist c i + = c i − (M+ = Na+, K+…). Diesen Punkt könnten wir auch M A erreichen durch Auflösen des Salzes M+A− (s) in Wasser. { 8-28 } 8.11 Speziierung einprotoniger Säuren 8.11 Speziierung einprotoniger Säuren Wenn wir eine bestimmte Menge einer Säure HA in reinem Wasser lösen, so stellt sich ein definierter pH-Wert in der Lösung ein. Ebenso sind die Konzentrationen aller Teilchen fixiert. Die Speziierung einer Säure (oder Base) gibt an, zu welchem relativen Anteil jedes Teilchen bei bestimmtem pH vorliegt. In Gedanken führen wir nun ein Experiment durch. Wir starten mit einer 1 M Lösung einer extrem starken Säure (pH = 0). In diese Lösung geben wir eine kleine Menge einer Säure HA (ca). ( ca = c HA + c A− ). Die kleine Menge HA verändert den pH der Lösung nicht. Nach der Gleichung von Henderson und Hasselbalch stellt sich je nach pH-Wert der Lösung ein bestimmtes Verhältnis zwischen HA und A− ein: cAi − c i HA (pH−pK a (HA)) = 10 (8-47) Nehmen wir nun an, wir erhöhen den pH der Lösung durch Zugabe einer i starken Base. Dabei verändert sich das Verhältnis c Ai − / cHA kontinuierlich gemäss (8-47). Der pH ist zur unabhängigen Variablen geworden; die Konzentrationen aller anderen Spezies müssen sich danach richten (abhängige Variablen). Wir möchten nun wissen, wie gross die relativen Anteile an HA und an A− als Funktion des pHs der Lösung sind. Diese Funktionen nennt man Konzentrationsanteile oder Dissoziationsfunktionen (engl.: ionization fractions). Wir definieren für unsere Lösung von HA in Wasser: α0 := α1 := i cHA cai cAi − c i a cHi + = = K a + cHi + Ka K a + cHi + (8-53) (8-54) 1 α0 α1 0.9 Die beiden Konzentrationsanteile α0 und α1 lassen sich aus den Gleichungen (8-16) und (8-31) herleiten. Daraus lassen sich dann auch die Konzentrationen der einzelnen Spezies als Funktion des pHs angeben. c i HA =c ⋅ i a cHi + K a + cHi + 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 = c ⋅ α0 i a pK 0.2 (8-55) 0.1 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 pH cAi − = cai ⋅ Ka K a + cHi + = cai ⋅ α1 (8-56) Figur 8-18: α0 und α1 vs. pH Wenn wir die Dissoziationsfunktionen α0 und α1 als Funktion des pH für eine Säure HA mit dem pKa = 5 auftragen, so resultiert Figur 8-18. Die Dissoziationsfunktionen sind bei pH = pKa gleich. Aus der Figur 8-18 geht optisch auch hervor, dass bei Werten von pKa ± 2 eine der beiden i Spezies vorherrscht (Verhältnis c Ai − / cHA = 100:1 (bzw. 1:100). Dies steht im Einklang mit der Henderson-Hasselbalchschen Gleichung (8-28). 0 0 1 2 3 4 5 logα0 6 7 8 9 logα1 -1 -2 pK -3 -4 Im Bereich von pH = pKa ändern sich die beiden α relativ stark. Im Bereich pH = pKa ± 1 ist die Ablesbarkeit der α’s in Figur 8-18 sehr gut. Oft ist es aber zweckmässiger, ein doppelt logarithmisches Diagramm zu verwenden. Wenn wir an Stelle der α’s (linear, Figur 8-18) den Logarithmus der α’s gegen den pH auftragen, so resultiert Figur 8-19. Die beiden Diagramme sagen dasselbe aus. Allerdings ist die Ablesbarkeit in Figur 8-19 -5 pH Figur 8-19: log α0 und logα α1 vs. pH 8-29 10 Säuren und Basen viel besser in Gebieten pH − pKa > 1 . Wir werden diesen doppelt logarithmischen Diagrammen in der „grafischen Methode“ auf Schritt und Tritt begegnen. 8.12 Mehrprotonige Säuren Mehrprotonige Säuren zeichnen sich dadurch aus, dass sie mehrere Protonen abgeben können. Als Beispiele seien hier die zweiprotonige Schwefelsäure (H2SO4) und die dreiprotonige Phosphorsäure (H3PO4) bzw. Zitronensäure (C6H8O7) angeführt. Der Molekularformel C6H8O7 sieht man allerdings nicht an, dass Zitronensäure eine dreiprotonige Säure ist. Im Kapitel „Organische Chemie“ wird erläutert, dass eine Gruppierung -COOH (eine Carboxylgruppe) Träger dieser sauren Eigenschaften ist. In der Zitronensäure gibt es drei solcher Gruppen. Mehrprotonige Säuren geben ihre Protonen schrittweise ab: die Konstante des ersten Dissoziationsschrittes ist meist einiges grösser als diejenige des zweiten Schrittes; diese ist wiederum grösser als die des dritten Schrittes usw. 8.12.1 Zweiprotonige Säuren Wir wollen als Beispiel den allgemeinen Fall einer zweiprotonigen Säure H2A betrachten. Dazu lösen wir eine bestimmte Menge der Säure H2A im Wasser (Anfangskonzentration ca). Die Reaktionsgleichungen lauten wie folgt: H2 A(aq) = H+ (aq) + HA− (aq) + − (8-57) 2− HA (aq) = H (aq) + A (aq) + (8-58) − H2O(l) = H (aq) + HO (aq) (8-1) In diesen drei Reaktionsgleichungen sind 5 unbekannte Konzentrationen enthalten: cH2A , cHA− , cA2− , cH+ , cHO− Um das System mathematisch zu erfassen, brauchen wir 5 unabhängige Gleichungen. 3 davon erhalten wir aus den Gleichgewichtsbedingungen; die restlichen 2 müssen wir über Erhaltungssätze formulieren. Ka,1 = i cHi + ⋅ cHA − cHi A (8-59) 2 Ka ,2 = cHi + ⋅ cAi 2− i cHA − i K w = cHi + ⋅ cHO - Erhaltungssatz für A: 8-30 i i cai = cHi A + cHA − + c 2− A 2 (8-60) (8-6) (8-61) 8.12 i i i cHi + = cHA − + 2 ⋅ c 2− + c A HO− Elektroneutralität: 4 3 (8-62) führt zu einer Gleichung 4. Elimination aller Unbekannten ausser cHi + Grades in cH• + : 2 (c ) + (c ) ⋅ K + (c ) ⋅ (K ⋅ K − K −c ⋅ K ⋅ (2 ⋅ c ⋅ K + K ) − K ⋅ K ⋅ K i i H+ i H+ i H+ a,1 H+ a,1 i a a,1 a,2 W a,2 a,1 Mehrprotonige Säuren a,1 a,2 W ⋅ cai − K W =0 ) (8-63) 8.12.1.1 Nummerische Lösungen Auch bei zweiprotonigen Säuren ist die Programmierung von Mathematica wenig zeitaufwändig und liefert sofort den Gleichgewichtspunkt des Systems. Dies sei am Beispiel einer 0.2 molaren Lösung von Oxalsäure demonstriert. (pK1 = 1.23 ; pK2 = 4.19). O Beispiel 8.17: (* 0.2 molare Lösung von Oxalsäure *) k1 = 10^(-1.23) ; k2 = 10^(-4.19); kw = 1.01 * 10^(-14); cAtot = 0.2; Solve[ {cH * cHA / cH2A = k1 (* Erste Dissoziationskonstante *), cH * cA / cHA = k2 (* Zweite Dissoziationskonstante *), cH * cOH = kw (* Kw *), cH2A + cHA + cA = cAtot (* Erhaltungssatz für A *), cH = cHA + 2 * cA + cOH (* Protonenherkunftsgleichung *)}, {cH, cOH, cH2A, cHA, cA}] Lösungen: cOH = 1.40973⋅10-13, cH2A = 0.116998, cA = 0.0000644652, cHA = 0.0829376, cH = 0.0830666 Die anderen Lösungen sind physikalisch nicht realisierbar. Dies ergibt: pH = 1.08. O H H O O Oxalsäure Figur 8-20: Oxalsäure 8.12.1.2 Konzentrationsanteile α0 , α1 und α2 Aufschlussreicher als die Lösung der Gleichung 4. Grades sind auch hier wieder die Konzentrationsanteile der Spezies H2A, HA– und A2- als Funktion des pH. Dazu definieren wir für das System H2A / HA– / A2- die Dissoziationskoeffizienten α0, α1 und α2: Konzentrationsanteile einer zweiprotonigen Säure pK1 = 3, pK2 = 7 pK1 pK2 0 2 cai 1 = 1+ K a,1 cHi + + K a,1 ⋅ K a,2 (8-64) 2 (c ) i -2 -4 log(αi) α0 := cHi A H+ -6 -8 -10 α1 := i cHA − cai = 1 cHi + K a,1 α2 := cAi 2− cai -12 +1+ K a,2 (8-65) -14 0 2 4 6 8 10 12 14 pH log(α0) cHi + logc(α1) logc(α2) = 1 (8-66) 2 ( ) cHi + K a,1 ⋅ K a,2 + cHi + K a,2 +1 Tragen wir wie bei den einprotonigen Säuren den Logarithmus der Dissoziationskoeffizienten gegen den pH auf, so resultiert das rechts abgebildete Diagramm. In diesem Diagramm ist die Zusammensetzung der Figur 8-21: zweiprotonige Säuren: logα α0 und logα α1 vs. pH 8-31 Säuren und Basen Lösung (Speziierung genannt) bei einem bestimmten pH-Wert besonders gut ersichtlich. Beispiel 8.18: Zweiprotonige Säure mit pK’s von 3 und 7. Betrachten wir die Speziierung einer zweiprotonigen Säure (pK1 = 3, pK2 = 7) bei pH = 10. Die Zusammensetzung ergibt sich aus den Schnittpunkten der α-Kurven mit der fett ausgezogenen Linie pH =10 in Figur 8-21. An dieser Stelle ist logα0 ≈ –10 (α0 ≈ 10-10), log α1 ≈ -3 (α1 ≈ 10-3) und logα2 ≈ 0 (α2 ≈ 1). Daraus geht hervor, dass bei pH = 10 praktisch nur die Spezies A2vorliegt. Die Spezies HA- tritt zu ca. 1‰ auf; H2A ist zu einem extrem geringen Anteil vorhanden. In der Summe der drei Spezies können HA− und H2A getrost vernachlässigt werden (in einem Produkt darf man das nicht tun!). Speziierung einer 2-protonigen Säure (vereinfachte Version) pK1 = 3 c a = 10-3 M pK2 = 7 pK1 pK2 -1 logca• -3 -5 • – logcHA -7 -9 logc•2– A -11 logc•H A 2 -13 -15 -17 -19 0 2 4 6 8 10 12 14 pH Figur 8-22: vereinfachte Grafik Vereinfachte Darstellung der Grafik: Die exakte Darstellung ist in der Figur 8-21 zu sehen. Die Kurven können aber in sehr guter Näherung durch Geraden beschrieben werden (Figur 8-22). Diese Näherung ist gültig in allen pH-Bereichen, ausser in den Bereichen pK a, i − 1 ≤ pH ≤ pK a, i + 1 . In diesen Bereichen muss eine geringe Korrektur angebracht werden. Dies wird im Abschnitt „Grafische Methode“ ausführlich dargestellt. Für den Moment nehmen wir zur Kenntnis, dass der Verlauf der Kurven mit ganz einfachen Mitteln aufgezeichnet werden kann (Figur 8-22). Auf einem Millimeterpapier kann man diese Grafik ohne Mühe zeichnen. Die Kurve logα wird durch drei Strecken dargestellt. Bis zum Wert pH = 0 pK1 ist logα = 0 (Steigung =0). Für pK1 ≤ pH ≤ pK2 ist die Funktion logα0 0 eine Strecke mit der Steigung –1. Für pH ≥ pK2 ist log α0 eine Strecke mit der Steigung –2. logα1 verläuft mit der Steigung +1 bis zum Wert 1 bei pH = pK1, dann mit der Steigung 0 bis pK2, anschliessend mit der Steigung –1 bis zu pH = pKW (= 14 bei 25°C). Um die Konzentrationen von H2A, HA− und A2− auszurechnen, müssen die α-Werte nur noch mit ca multipliziert werden. In der logarithmischen Darstellung verschieben sich die Kurven lediglich um den Betrag log10 ca• . Beispiel 8.19: Oxalsäure Man erstelle ein Speziierungsdiagramm einer 0.1 molaren Lösung von Oxalsäure in Wasser. Lösung: pK1 = 1.23 pK2 = 4.19 Das gesuchte Diagramm sieht so aus („Zeichnungsrezept“ weiter unten): Vereinfachtes Speziierungsdiagramm Oxalsäure ca = 10-1 M; pK1 = 1.23; pK2 = 4.19 0.00 0.0 1.00 2.00 3.00 4.00 5.00 6.00 7.00 8.00 9.00 10.00 11.00 12.00 13.00 14.00 -1.0 Für die Lösung von Problemstellungen mit mehrprotonigen Säuren und Basen empfehlen wir die Verwendung der im Folgenden beschriebenen „grafischen Methode“. -2.0 -3.0 -4.0 -5.0 -6.0 logc•2A logc•HA- -7.0 -8.0 -9.0 -10.0 -11.0 logc•H+ logc•H A 2 logc•HO - -12.0 -13.0 -14.0 0.00 1.00 2.00 3.00 4.00 5.00 6.00 7.00 pH 8-32 8.00 9.00 10.00 11.00 12.00 13.00 14.00 8.13 Grafische Methode zur Lösung von Säure-Base Problemen 8.13.1 Einleitung Die grafische Repräsentation der Konzentrationen von Säure-Base-Spezies (ein- oder mehrprotonige) als Funktion des pH ist eine hilfreiche und ausserordentlich transparente Darstellung. Wir haben im letzten Kapitel bereits Dissoziationsfunktionen und Speziierungen ein- und mehrprotoniger Säuren gesehen. Mit dieser Methode kann man mit kleinem Aufwand einen guten Überblick über die Konzentrationsverhältnisse in aquatischen Systemen erhalten, selbst wenn diese relativ komplex zusammengesetzt sind, was bei natürlichen Systemen immer der Fall ist. 8.13.2 Der pH als „Mastervariable“ Neben der Temperatur ist der pH die wichtigste Variable wässriger Lösungen. Dies rührt daher, dass alle Säure-Base-Speziierungen vom pH abhängen. Zudem sind viele Redoxreaktionen vom pH abhängig (auch wenn dort oft kein Gleichgewicht herrscht). Der pH ist ein logarithmisches Mass für die + Konzentration aquatisierter Protonen H (aq). Die hier verwendete pH-Skala (0-14) umfasst 14 Grössenordnungen der Protonenkonzentration. Eine logarithmische Darstellung der Konzentration einzelner Spezies (genauer: i logcSpezies ) gegen die Variable „pH“ ist die am Besten geeignete Darstellung der Konzentrationsverhältnisse. 8.13.3 Einprotonige Säuren Rekapitulieren wir kurz: Beim Lösen der einprotonigen Säure HA im Wasser sind folgende Gleichgewichte zu berücksichtigen: HA (aq) = H+ (aq) + A− (aq) (8-13) H2O (l) = H+ (aq) + HO− (aq) (8-1) In der wässrigen Lösung haben wir vier Teilchen, deren Konzentrationen1 wir im Folgenden als Funktion des pH darstellen:) HA(aq), A-(aq), H+(aq), HO-(aq) Dies führt zu den logarithmischen Konzentrationsdiagrammen. 8.13.4 Speziierungsdiagramme i i Wir wollen im Folgenden logcHA , logc Ai − , logcHi O+ und logcHO als Funk− 3 tion des pH darstellen. Dabei bedienen wir uns der Gleichungen (8-55) und (8-56) in logarithmischer Form: log cHi + = −pH (8-9) i log cHO − = log K W + pH = pH − p K W − pK a i log cHA = log cai − pH − log(10 + 10−pH ) −p K a log cAi − = log cai + log K a − log(10 − pK a = log cai − pK a − log(10 + 10−pH ) + 10−pH ) (8-67) (8-68) (8-69) Das Resultat sieht so aus (Annahmen: ca = 1M; pKa = 5): 1 unter der Annahme, dass a H2O = 1 (verdünnte Lösung) 8-33 Säuren und Basen Speziierung einprotoniger Säuren 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Speziierung einprotoniger Säuren 12 13 14 0 -1 -1 -2 -2 -3 1 2 3 4 5 -4 logc•H+ logc•A- -5 -8 -9 Schritt 1 6 7 8 9 10 11 12 13 14 -1 logc•a -2 -3 -4 -5 -6 13 14 logc•HO- -12 -13 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 -14 0 1 2 3 4 pH 5 12 logc•HA -7 -11 -13 4 11 -9 -12 3 10 -10 logc•HO- -11 2 9 -8 -10 1 8 -6 logc•HA -7 0 7 logc•H+ logc•A- -5 -6 0 6 -3 -4 -14 0 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 pH Auch die Kurven der Speziierungsdiagramme sind in vereinfachter Form durch Geraden darstellbar. Ausserhalb des markierten Bereiches ist die Darstellung durch Geraden sehr genau; innerhalb des markierten pHBereiches (pH = pKa ± 1) müssen die Kurven gezeichnet werden. Hier ist die Approximation durch Geraden nicht mehr genügend genau (siehe unten). -7 -8 -9 8.13.4.1.1 Zeichnen eines Speziierungsdiagrammes -10 -11 -12 Wir wollen hier das Zeichnen eines Speziierungsdiagramms am Beispiel einer einprotonigen Säure mit pKa = 4 und einer Konzentration ca = 0.01 M erläutern. -13 -14 Figur 8-23: Speziierungsdiagramm I 0 1 2 3 4 5 6 0 1 2 3 4 5 7 pH 8 9 10 11 12 13 14 9 10 11 12 13 14 Schritt 2 0 6 7 8 pKa -1 logc•a -2 -3 -4 Hinweis: es ist von Vorteil, wenn die Speziierungsdiagramme auf Millimeterpapier gezeichnet werden (selbstverständlich kann ein solches Diagramm auch mit einem Tabellenkalkulationsprogramm berechnet werden; wir werden hier aber die Zeichnungsvariante erläutern). Schritt 1: Man zeichne ein Koordinatensystem; die Abszisse ist die pH-Skala; • -Werte. Nun wird die Gerade die Ordinate bezeichnet die log cSpezies logca• eingezeichnet. Die pH-Skala geht von Null bis pKW (=14 bei 25°C) (Figur 8-23). -5 -6 -7 -8 -9 -10 -11 -12 -13 -14 0 1 2 3 4 5 6 7 pH 8 9 10 11 12 13 14 Schritt 2: Eintragen des pKa der Säure HA (Figur 8-24). Figur 8-24: Speziierungsdiagramm II Schritt 3 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 pKa -1 logc•a -2 -3 Schritt 3: Ausgehend vom Punkt pH = pKa auf der Geraden logca• zeichne man zwei Geraden ein mit der Steigung +1 und –1 und ergänze das Diagramm durch die Linien mit der Steigung 0 auf der Geraden logcai (Figur 8-25). -4 -5 logc•A- -6 Aus diesem Diagramm können wir nun sehr einfach die Konzentrationen der Spezies HA und A- bei einem bestimmten pH-Wert ablesen (=Speziierung). i i ≈ −6 und damit cHA = 10−6 . c A• − liest Bei pH 8 ist beispielsweise log cHA man als 0.01 ab. -7 -8 logc•HA -9 -10 -11 -12 -13 -14 0 1 2 3 4 5 6 7 pH 8 9 10 11 12 13 Figur 8-25: Speziierungsdiagramm III 8-34 14 8.13.4.1.2 Korrektur des Diagramms in der Nähe von pH = pKa In unmittelbarer Nähe von pH = pKa sollte die Darstellung durch Geraden korrigiert werden. Die Korrektur sieht so aus: Kurvenverlauf in der Nähe von pH = pKA pKa-1 pKa • pKa+1 logc•a logc•a-0.3 • logc• A-und logc• HA 0.0 -0.2 -0.4 -0.6 -0.8 -1.0 -1.2 -1.4 pH Figur 8-26: Korrektur in der Nähe des pKa Die Kurven können von Hand gezeichnet werden. Als Zeichnungshilfe dient der Schnittpunkt bei pH = pKa. Er liegt bei logca – 0.3 (=logca – log(2)). 8.13.5 Grafische Lösung für eine Säure HA Nehmen wir an, wir lösen eine Säure HA mit der Anfangskonzentration ca im Wasser auf. Die Säure besitze einen bestimmten pKa-Wert. Wir wollen den pH der Lösung ermitteln. Im Gleichgewicht sind die Konzentrationen aller Spezies (HA(aq), A–(aq), H+(aq) und HO–(aq)) bestimmt. Wir könnten nun mit unserem Diagramm (pKa vs. logca) die optimale + Gleichung zur Berechnung der Konzentration von H ermitteln und anschliessend den pH-Wert berechnen. Wir können aber den pH-Wert auch grafisch ermitteln. Die grafische Methode hat folgende Vorteile: • sie ist einfach anzuwenden • sie versagt auch bei komplexen Systemen nicht, bei welchen man sonst mit einem gewaltigen mathematischen Aufwand rechnen müsste. Speziierungsdiagramme sind ein sehr taugliches Mittel, um Speziierungen als Funktion des pH darzustellen. Die Variablen in diesem System sind: cH+ , cHO− , cHA , cA− und pH1. Die Variablen cH+ , cHO− , cHA , cA− können als Funktion des pH dargestellt werden. Mit einer zusätzlichen, unabhängigen Bedingung können wir dieses System auf einen einzigen Punkt fixieren: den Gleichgewichtspunkt. An diesem Punkt haben alle Konzentrationen einen festen Wert: den Gleichgewichtswert. Zwei Varianten für diese zusätzliche Bedingung stehen zur Verfügung: • Elektroneutralitäts-Bedingung • Protonen-Herkunftsgleichung Die beiden Bedingungen sind nicht unabhängig voneinander; man kann daher entweder die eine oder die andere Bedingung verwenden, je nachdem, welche der beiden einfacher aufzustellen ist. Elektroneutralitäts-Bedingung: In jeder wässrigen Lösung ist die Gesamtladung gleich Null. Die Anzahl aller positiven Ladungen muss also gleich der Anzahl aller negativen Ladungen sein. Im vorliegenden Fall lautet die Elektroneutralitäts-Bedingung: cH+ = c A− + c HO− 1 (8-32) Die Verwendung von nur vier Gleichungen in einem System mit fünf Variablen bedeutet, dass das System unterbestimmt ist. Daher können vier Variable als Funktion der fünften dargestellt werden. 8-35 Säuren und Basen Protonen-Herkunftsgleichung: Das ist eine Gleichung, welche die Herkunft der aquatisierten Protonen (H+) beschreibt. Im Fall der Lösung einer Säure HA im Wasser gibt es nur zwei Möglichkeiten, H+ in Lösung zu produzieren. 1. Möglichkeit: H+ kann durch Dissoziation der Säure HA entstehen1. 2. Möglichkeit: H+ kann durch Autoprotolyse von Wasser gebildet werden. Die Protonen, welche aus der Autoprotolyse von Wasser herkommen, hinterlassen die gleiche Menge an HO−; diejenigen, die aus der Dissoziation der Moleküle HA kommen, hinterlassen die gleiche Menge an A−. Die Summe ergibt die Gesamtmenge (bzw. die Konzentration) von H+. Die Gleichung ist im Allgemeinen sehr einfach aufzustellen Im vorliegenden Fall ist sie identisch mit der Elektroneutralitäts-Bedingung (8-32). Beispiel 8.20: Ameisensäure Die Protonenherkunftsgleichung soll am Beispiel einer Lösung von Ameisensäure in Wasser erläutert werden. Woher stammen die Protonen in dieser wässrigen Lösung? Mögliche Protonenquellen sind die Ameisensäure und das Wasser. • Ameisensäure (Figur 8-14) wirkt als intaktes, aquatisiertes Molekül nicht sauer! Die einzige, im Wasser Messbare Säure ist das aquatisierte Proton H+aq. • Wenn Ameisensäure dissoziiert, so entstehen zu gleichen Teilen H+ und Formiat-Ionen (die Anionen der Ameisensäure). D.h.: • cHi + (aus Ameisensäure) = cHCOO . − Die andere Protonenquelle ist das Wasser selber infolge Eigendissoziation. Für jedes Proton aus dem Wasser entsteht ein i Hydroxidion. D.h.: cHi + (aus Wasser) = cHO − . Damit haben wir alle Protonenquellen dieser Lösung erfasst. Die totale Konzentration der Protonen in der Lösung ist nun die Summe der ProtonenKonzentrationen aus den verschiedenen Quellen. Im vorliegenden Fall: • i i cHi + = cHi + (aus Ameisensäure) + cHi + (aus Wasser) = cHCOO . − +c HO− Die Gleichung ist neutralitätsgleichung. in diesem Fall identisch mit der Elektro- 8.13.5.1 Auffinden des Gleichgewichtspunktes des Systems Auffinden des Gleichgewichtspunktes (vereinfachtes Schema) 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 -1 Links ist das entsprechende Speziierungs-Diagramm gezeichnet (Figur 8-27). Die Zusatzbedingung (=Protonen-Herkunftsgleichung) zum Speziierungsdiagramm lautet: -2 pKa -3 -4 logc•A- -5 logc•a Wie finden wir nun mit dem Speziierungs-Diagramm und der ProtonenHerkunftsgleichung den Gleichgewichtspunkt des Systems? Dazu benützen wir das obige Beispiel der Ameisensäure mit cai = 0.1 und pK a = 3.75 . -6 -7 i i cHi + = cHCOO − +c HO− logc•HA -8 (8-70) -9 -10 Für die Darstellung der Kurven nehmen wir die vereinfachte Form. logc•HO - -11 -12 logc•H+ -13 -14 0 1 2 3 4 5 6 7 pH 8 9 10 11 12 13 Figur 8-27: Gleichgewichtspunkt 14 i Nun ist durch Inspektion der Kurven logc Ai − und logcHO ersichtlich, dass − • i c A− von pH=0 bis pH=13 viel grösser ist als c HO− . Wir dürfen daher guten • • − ≈c − setzen. Natürlich gilt dann auch: Gewissens cH• + = cA• − + cHO A log cHi + ≈ log cAi − . Diese Gleichung beschreibt den Schnittpunkt der Funktion logc A• − mit der Funktion logcHi + . Es ist der Lösungspunkt des Gleichgewichtssystems. Im Diagramm ist er eingekreist. Den entsprechenden pHWert der Lösung kann man ablesen, wenn man vom Schnittpunkt eine 1 8-36 Das intakte Molekül HA wirkt im Wasser nicht sauer (die einzige feststellbare Säure ist das aquatisierte Proton H+!). Erst wenn HA dissoziiert, entstehen H+, die gemessen werden können. i Senkrechte auf die pH-Skala zeichnet (Pfeil). An diesem Punkt ist c HO − etwa i 9 10 mal kleiner als c A− , was unsere Approximation völlig rechtfertigt. Der pH-Wert im Gleichgewicht ist demnach etwa 2.5 (eine Zeichnung auf Millimeterpapier bringt etwas mehr Genauigkeit). Zusammenfassung: Die grafische Lösung des Systems HA/A- kann man mit folgenden Schritten erhalten: • i Zeichnen des Speziierungsdiagramms logcHA und logc Ai − vs. pH (nur Geraden, keine Kurven) nach dem oben gegebenen Rezept. • i Zeichnen der Geraden logcHi + und logcHO vs. pH. − • Aufstellen der Protonenherkunfts-Gleichung. Vereinfachen dieser Gleichung, indem nur die Spezies mit dominanten Konzentrationen berücksichtigt werden. • Suchen des Schnittpunkts der Geraden für die Spezies höchster Konzentration (in der verbleibenden Gleichung) mit der Geraden logcHi + . • Ablesen des pH-Wertes auf der pH-Skala. 8.13.6 Grafische Lösung für eine Base B− Die meisten Basen werden als lösliche Metallsalze (MB, M steht für irgendein Metall) in wässrige Lösung gebracht (Ausnahme: NH3(g)). Das Salz geht dabei als Metallkation M+ und basisches Anion B− in Lösung. Danach reagiert das Anion B− mit Wasser unter Bildung von HO−: B− (aq) + H2O (l) = HB (aq) + HO− (aq) (8-71) Das Speziierungsdiagramm ist identisch mit demjenigen für eine Säure HA, wenn wir B− = A− und HB = HA setzen. Ferner ist cb = cB− + cHB zu setzen (cb entspricht dem ca bei einer Säure). Als Säurekonstante Ka dient die Säure-Konstante von HB (Ka(HB), nicht Kb!). Statt der Protonen-Herkunftsgleichung verwenden wir die HydroxidionenHerkunftsgleichung (in diesem Fall etwas einfacher als die Elektroneutralitäts-Bedingung). Hydroxid-Ionen stammen entweder aus der Reaktion (8-71) oder aus der Autoprotolyse des Wassers. Die Hydroxidionen-Herkunftsgleichung lautet also: i i i cHO − = c HB + c + H (8-72) Diese Gleichung lässt sich im Allgemeinen vereinfachen. In den meisten i i logcHB Fällen ist der Schnittpunkt der Geraden logcHO die − mit der Geraden Lösung des Gleichungssystems. Rezept: • i Zeichnen des Speziierungsdiagramms logcHB und logc Bi − vs. pH (nur Geraden, keine Kurven) nach dem weiter oben gegebenen Rezept. • i Zeichnen der Geraden logcHi + und logcHO − vs. pH. • Aufstellen der Hydroxidionen-Herkunftsgleichung (8-72). Vereinfachen dieser Gleichung, indem nur die Spezies mit dominanten Konzentrationen berücksichtigt werden. • Suchen des Schnittpunkts der Geraden für die Spezies höchster i Konzentration (in der verbleibenden Gleichung) mit der Geraden logcHO − . • Ablesen des pH-Werts auf der pH-Skala. 8-37 Säuren und Basen Beispiel 8.21: Ammoniak (grafisch) Wir wollen den pH einer 0.01 molaren Lösung von Ammoniak in Wasser grafisch ermitteln ( pKa,NH+4 = 9.25 ). + Speziierungsdiagramm für das System NH4 / NH3 cb = 10-2 M + Speziierungsdiagramm für das System NH 4 / NH3 cb = 10-2 M 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 0 14 pK a -1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 pKa logc•a -2 logc•a -2 -3 -3 -4 -4 -5 -5 -6 -6 logc•NH + -7 logc•NH + -7 4 -8 4 -8 logc•NH3 logc• NH3 -9 -9 logc•H+ -10 logc•H+ -10 -11 -11 -12 -12 logc•HO - -13 -14 0 -1 0 1 2 3 4 logc•HO - -13 5 6 7 pH 8 9 10 11 12 13 -14 14 0 1 2 3 4 5 6 7 pH 8 9 10 11 12 13 14 Wenn sich Ammoniak im Wasser löst, findet folgende Reaktion statt: NH 3 (aq) + H2O (l) = NH+4 (aq) + HO− (aq) (8-73) Hydroxidionen stammen demnach aus der Reaktion Error! Reference source not found. oder aus der Autoprotolyse des Wassers. Die Hydroxidionen-Herkunftsgleichung lautet: i i cHO + cHi + − = c NH+ (8-74) 4 Diese Gleichung lässt sich vereinfachen. Da wir Ammoniak im Wasser gelöst haben, ist zu erwarten, dass die Reaktion (8-73) stattfindet (möglicherweise nur zu einem kleinen Anteil). Der pH-Wert dieser Lösung ist daher >7. Im Bereich pH > 7 dominiert aber cNH+4 über cH+ . Wir setzen demzufolge • • cHO − ≈c . Diese Zusatzbedingung zum Speziierungsdiagramm liefert uns NH+ 4 den Gleichgewichtspunkt des Systems. Der damit ermittelte pH-Wert ist etwas grösser als 10.5 (auf Millimeterpapier würde man pH = 10.6 ablesen). Übrigens: Mit der Gleichung (8-43) hätten wir rechnerisch pH = 10.62 erhalten. 8.13.7 Grafische Methode für zweiprotonige Säuren Löst man eine zweiprotonige Säure im Wasser, so laufen folgende Reaktionen ab: H2 A(aq) = H+ (aq) + HA− (aq) (8-57) HA− (aq) = H+ (aq) + A− (aq) (8-58) H2O(l) = H+ (aq) + HO− (aq) (8-1) In diesen drei Reaktionsgleichungen sind 5 unbekannte Konzentrationen enthalten: cH2 A , c HA− , c A2− c H3O+ , c HO− Ziel ist es, die Konzentrationen der Spezies H2A, HA− und A2- als Funktion unserer "Mastervariablen" pH darzustellen. Wir verwenden dazu die Dissoziationsfunktionen α0, α1 und α2 ((8-64), (8-65) und (8-66). Die Konzentrationen der einzelnen Spezies rechnen sich dann wie folgt: 8-38 cH• 2 A = ca• ⋅ α0 (8-75) • • cHA − = c ⋅α a 1 (8-76) cA• 2− = ca• ⋅ α2 (8-77) Mit den Gleichungen (8-75) – (8-77) lässt sich ein Speziierungsdiagramm konstruieren. Als Zusatzbedingung verwenden wir die Protonenherkunftsgleichung. Mit dieser Zusatzgleichung können wir dann den Gleichgewichtspunkt des Systems ermitteln. Dies soll am Beispiel der Malonsäure erläutert werden. O Beispiel 8.22: Malonsäure I HO Fall 1: Zugabe von Malonsäure; ca = 0.01 M Speziierung von Malonsäure ca = 0.01 M Malonsäure kann ein H+ abgeben; zu gleichen Teilen entsteht dann • Hydrogenmalonat (HA−). cH• + (aus Malonsäure) = cHA − (Hydrogenmalonat) entstehen (8-78) Mit Hilfe des Speziierungsdiagramms und der Protonen-Herkunftsgleichung können wir nun den pH-Wert der Lösung bestimmen. In unserem Fall kann (8-78) vereinfacht werden. Am Schnittpunkt der • Kurven log cH• + und logcHA ist log cA• 2− um einige Einheiten kleiner als − • logcHA− . Die vereinfachte Bedingung lautet daher: • cH• + ≈ cHA − pK2 • -2 logc a -4 + • • • cH• + = cHA − + 2 ⋅ c 2− + c HO− A pK1 0 (8-79) -6 • Malonsäure kann beide Protonen abgeben. Dann Malonationen. cH• + (aus Malonsäure) = 2 ⋅ cA• 2− (Malonat) . H kann aber auch durch Eigendissoziation von Wasser freigesetzt werden. Dann entsteht eine äquivalente Menge an HO−-Ionen. • cH• + (aus Wasser) = cHO − Damit haben wir alle H+-Quellen in dieser Lösung berücksichtigt. Die Protonenherkunftsgleichug beschreibt einfach die Summe aller Protonenquellen in der Lösung. Sie lautet für diesen Fall: • Figur 8-28: Malonsäure logc Spezies • OH Malonsäure pK1 = 2.83 pK2 = 5.69 Mit den pKa-Werten und der Anfangskonzentration können wir das Speziierungsdiagramm zeichnen. Welche Protonenquellen gibt es in dieser Lösung? • Malonsäure selber (H2A) wirkt als aquqtisiertes Molekül nicht sauer! (Vgl. S. 42.) • O logc•HA- • logc A2- -8 -10 • -12 -14 0 2 logc H+ logc•H A logc•HO- 2 4 6 8 10 12 pH Figur 8-29 :Speziierungsdiagrammm Malonsäure O O HO O Hydrogenmalonat Der so ermittelte pH-Wert beträgt etwas mehr als 2.5. O Beispiel 8.23: Malonsäure II Fall 2: Zugabe von Natrium-hydrogenmalonat (NaHA) Die Protonen-Herkunftsgleichung lautet: • cH• + = −cH• 2A + cA• 2− + cHO − O O O Malonat (8-80) Eine kleine Umformung ergibt: • cH• + + cH• 2A = cA• 2− + cHO − (8-81) Durch Inspektion des Speziierungs-Diagramms kann man folgende Vereinfachung erkennen: cH• 2 A ≈ cA• 2− (8-82) Am Punkt cH• 2A = cA• 2− ist cH• + etwa 6 mal kleiner als cH• 2 A und kann daher in erster Näherung vernachlässigt werden; andererseits ist am gleichen Punkt • c HO etwa fünf logarithmische Einheiten kleiner als cA• 2− . Wir − • vernachlässigen deshalb c HO gegenüber cA• 2− . Dadurch lässt sich (8-82) − rechtfertigen. Dies führt in unserem Fall zu einem pH-Wert von 4.5. 8-39 14 Säuren und Basen Beispiel 8.24: Malonsäure III Fall 3: Zugabe des Di-natrium-malonat (Na2A). Dieses Salz kann keine Protonen mehr abgeben; es wirkt nur als Base. Die Protonen-Herkunftsgleichung lautet: • • cH• + = −2 ⋅ cH• 2 A − cHA − +c HO− (8-83) Eine Umformung ergibt: • • • • cHO − = 2 ⋅c H2 A + cHA− + cH3O+ (8-84) (8-84) ist identisch mit der Hydroxidionen-Herkunftsgleichung. Inspektion • • des Speziierungsdiagramms zeigt an, dass im Punkt cHO die − = c HA− • • 5 6.5 Konzentrationen cH2 A und cH3O+ 10 bzw. 10 mal kleiner sind und daher vernachlässigt werden können. • • cHO − ≈ c HA− Der abgelesene pH-Wert beträgt 8.8. 8-40 (8-85)