Übungen zu Experimentalphysik 4 - Lösungsvorschläge Prof. S. Paul Sommersemester 2005 Dr. Jan Friedrich Nr. 7 Email [email protected] Telefon 089/289-12586 Physik Department E18, Raum 3564 06.06.2005 http://www.e18.physik.tu-muenchen.de/teaching/phys4/ Aufgabe 15 : Rydberg-Atome Wird in einem freien Atom ein Elektron in einen Zustand mit sehr kleiner Bindungsenergie gebracht, so nimmt die Wellenfunktion einen sehr großen Raum ein, und die Struktur des restlichen Atoms spielt fast keine Rolle mehr. Man spricht dann von Rydberg-Zuständen. a. Zur Anregung der Rydberg-Zustände von Wasserstoff-Atomen werden zwei Laser benutzt. Ein Laser habe die feste Frequenz zur Photonenenergie E = 11.50 eV, der andere Laser sei durchstimmbar. Welche Wellenlängen muss man an diesem einstellen, um die Zustände mit n = 20, 30, 40, 50 und 100 anzuregen? (2 Punkte) Lösung: Im Rydberg-Atom sind die Bedingungen für das Bohrsche Korrespondenzprinzip gut erfüllt, d.h. dass für grosse Quantenzahlen n und Prozesse, bei denen nur kleine Energieänderungen En auftreten, die quantenmechanische Beschreibung in die klassische übergeht. Aus der Bohrschen Beschreibung für das Wasserstoffatom ist bekannt, dass für die Anregung vom Niveau i zu f die Energie ! 1 1 − 2 (1) EAnr = EH n2f ni erforderlich ist. Für die Anregung steht die Energie EAnr = ELaser1 + ELaser2 = hc hc + λ1 λ 2 (2) zur Verfügung. Somit muss die Wellenlänge des zweiten Lasers ⇒ λ2 = EH 1 n2f 2π~c − n12 − ELaser1 (3) i betragen. Mit ~c = 197.327 MeV fm, EH = −13.60 eV, ni = 1 (Grundzustand) und ELaser1 = 11.50 eV erhält man folgende Werte: nf 20 30 40 50 100 λ2 [nm] 600.1 594.7 592.8 591.9 590.8 1 b. Wie groß sind die Radien und Bindungsenergien dieser Zustände? Welche Linienbreite dürfen die Laser maximal haben, um nur einen Zustand n anzuregen? Veranschaulichen Sie die Orbitale für die Unterzustände mit maximalem Bahndrehimpuls ` und ` n. (4 Punkte) Lösung: (i) In Aufgabe 6b wurde bereits der Radius der Elektronenbahnen nach dem Bohrschen Atommodell berechnet: 4π0 ~2 rn = n 2 · = n 2 · aB (4) me e2 Der Radius der ersten Bahn (Bohrscher Radius) berechnet sich zu aB = 0.529 · 10−10 m (ii) Die Bindungsenergie En des n-ten Niveaus berechnet sich aus ! 1 1 − 2 E = EH n2f ni (5) (6) im Grenzfall ni → ∞: EH ; (7) n2 Folgende Radien und Bindungsenergien werden für das Rydbergatom berechnet: En = nf rn [10−10 m] En [meV] 20 212 −34.0 30 476 −15.1 40 846 −8.5 50 1323 −5.4 100 5290 −1.4 (iii) Die maximale Linienbreite, die ein Laser haben darf, um nur einen Zustand (z. B. n = 100) anzuregen, ist bestimmt durch die Energiedifferenz zum nächsten Niveau (im Beispiel n = 101): 1 1 − ∆E = E101 − E100 = EH ≈ 0.027 meV (8) 1012 1002 Dies entspricht einer Frequenzunschärfe von ∆f = ∆E/h ≈ 6.5 GHz (9) Laser 1 emittiert Licht mit der Frequenz f1 = 11.50 eV/h ≈ 2.8·1015 Hz, Laser 2 mit f2 = c/590.8 nm ≈ 5.1·1014 Hz. Die Auflösung von Laser 1 muss also ∆f /f1 . 2·10−6 sein und die des zweiten Lasers ∆f /f2 . 10−5 (iv) Halbklassische Betrachtung: Sommerfeld hat das Bohrsche Atommodell erweitert. Ähnlich wie beim Planetensystem sind auch elliptische Bahnen des Elektrons möglich, was aber eine zusätzliche Quantenzahl l erfordert, die die Exzentrität der Ellipse beschreibt (große Exzentrität für kleine l). Aus den Sommerfeldschen Ergänzungen folgt direkt, dass für kleine l die klassischen Bahnen Ellipsen sind und durch das Zentralpotential eine Drehung ihrer großen Halbachse erfahren. Für l → n − 1 werden die Bahnen immer kreisförmiger. 2 Skizze aus Demtröder Experimentalphysik 2. Auflage S. 261 Quantenmechanische Betrachtung: Betrachte 3D-Darstellung der Kugelflächenfunktion; für lmax = mmax = n − 1 und immer größer werdendes n wird die Kugelflächenfunktion zu einem flachen Torus. Die Radialwellenfunktion liefert, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons mit großem n nach außen hin zunimmt (siehe Skript von Prof. Gross S. 103). c. Welche Änderung dieser Werte erwarten Sie (qualitativ) für Natrium-Atome, insbesondere für die Entartung der Drehimpuls-Unterzustände? (2 Punkte) Lösung: Das Leuchtelektron bewegt sich im elektrischen Feld der Kernladung +Z ·e, das durch die Z − 1 inneren Elektronen weitgehend abgeschirmt ist. Bei großer Entfernung r vom Kern ist die auf das Leuchtelektron wirkende Kernladung bis auf eine Ladungseinheit durch die inneren Elektronen kompensiert. Je näher das Elektron an den Kern gelangt, um so mehr unterliegt es der unabgeschirmten Wirkung der Kernladung. Für das effektive Potential V (r) gilt nicht mehr die Proportionalität zu r−1 , welche verantwortlich für die l-Entartung war. Im Sommerfeldschen Bild der so genannten Tauchbahnen erfährt ein Elektron mit unterschiedlichem Bahndrehimpuls l, d. h. unterschiedlicher Bahnform, unterschiedliche Abschirmung. Im Natrium ist die l-Entartung von vornherein aufgehoben. 3 Skizze aus Haken-Wolf S. 178. Aufgabe 16 : Energiezustände im Heliumatom a. Die gesamte Abtrennarbeit für beide Elektronen beträgt für den Grundzustand des Heliums 79 eV. Berechnen Sie die Abtrennarbeit des zweiten Elektrons (Ionisation des einfach geladenen He+ -Ions zum zweifach geladenen He++ ) aus derjenigen des Elektrons im Wasserstoff-Atom, und folgern Sie die Bindungsenergie des ersten (Leucht-)Elektrons. (2 Punkte) Lösung: Bindungsenergie des einfach geladenen He+ -Ions (Z = 2, n = 1): EHe+ = − Z 2 e4 me 1 Z2 · = E · = −13.6 eV · 4 = −54.4 eV H 820 h2 n2 n2 (10) mit der Bindungsenergie des Grundzustands des Ortho-Heliums EHe-ortho = −79 eV folgt EHe-Leucht = EHe-ortho − EHe+ = −79 eV − (−54.4) eV = −24.6 eV (11) b. Skizzieren Sie das Energiespektrum von Para- und Ortho-Helium. Erklären Sie die Nomenklatur der vorkommenden Zustände. Welche Feinstruktur beobachtet man beim ParaHelium, und welche Spinkopplung kann man folgern? (4 Punkte) Lösung: (i) Erklärung der Nomenklatur: LS-Kopplung (Russel-Sanders-Kopplung): Wenn sowohl die Kopplungsenergie zwischen den Bahndrehimpulsen der einzelnen Elektronen als auch die Kopplungsenergie zwischen den einzelnen Spins der Elektronen groß ist gegenüber der Kopplungsenergie zwischen dem Spin- und Bahnmoment, dann koppeln die einzelnen Bahndrehimpulse und Spins zu einem Gesamtdrehimpuls/Gesamtspin. Spezialfall Helium: p ~ = ~l1 + ~l2 ; |L| ~ = L(L + 1) ~ • Gesamtbahndrehimpuls L L nimmt die Werte l1 + l2 , l1 + l2 − 1, . . . , l1 − l2 an (für l1 ≥ l2 ) 4 p ~ = ~s1 + ~s2 ; |S| ~ = S(S + 1) ~ • Gesamtspin S S nimmt die Werte 1/2 ± 1/2 = 0, 1 an. ~ S; ~ |J| ~ = • der Gesamtdrehimpuls der Elektronhülle ist dann J~ = L+ – für S = 0 ist J = L (Singulett) – für S = 1 ist J = L + 1, L, L − 1 (Triplett) p J(J + 1) ~ Vollständige Nomenklatur für Terme oder Energiezustände von Atomen: n2S+1 LJ n: Hauptquantenzahl des am höchsten angeregten Elektrons (Leuchtelektrons) 2S + 1: Multiplizität Buchstabensymbol S, P, D, F, . . . für Gesamtbahndrehimpuls L = 0, 1, 2, 3, . . . tiefgestellter Index J für Gesamtdrehimpuls Skizze aus Mayer-Kuckuck Atomphysik 2. Auflage S. 159 (ii) Energiespektrum von Para- und Ortho-Helium Para-Helium: Spins antiparallel S = 0 Ortho-Helium: Spins parallel S = 1 5 Termschema aus Haken Wolf Atom- und Quantenphysik 7. Auflage S. 306 Es gibt keine Übergänge von Ortho- zu Para-Helium, denn Übergänge mit ∆S 6= 0 sind verboten (kein Spinflip). (iii) Im Para-Helium beobachtet man im Gegensatz zum Ortho-Helium keine Feinstruktur (alle Linien sind einfach), da die beiden Spins der Elektronen antiparallel sind und sich deshalb vektoriell zu S = 0 zusammensetzen. c. Welche Hauptquantenzahl hat der niedrigste Energiezustand der beiden Konfigurationen? In welchen Wellenlängen-Bereichen erwartet man entsprechend die Übergänge in den Grundzustand? (3 Punkte) Lösung: (i) Hauptquantenzahlen der niedrigsten Energiezustände i. Para-Helium: n = 1, S10 6 ii. Ortho-Helium: n = 2, S31 Der Zustand bei (1s)2 fehlt bei Ortho-Helium wegen des Pauliverbots: Die Spinwellenfunktion ist symmetrisch unter Austausch der beiden Elektronen, also muss die Ortswellenfunktion antisymmetrisch sein. (ii) Die Übergänge des Leuchtelektrons vom angeregten Zustand in den Grundzustand im Para-Helium überspannen einen Energiebereich von 20–25 eV, liegen also im ultravioletten Spektralbereich. Bei Übergängen im Ortho-Helium beträgt die Energiedifferenz maximal 5 eV, das emittierte Licht liegt entsprechend im infraroten und sichtbaren Spektralbereich. Aufgabe 17 : Positronium Das Positron, das Antiteilchen des Elektrons hat dieselbe Masse und denselben Spin wie das Elektron, aber positive Ladung. An ihm kann ein Elektron (vor der Annihilation) gebunden werden, analog zur Bildung des Wasserstoff-Atoms. a. Berechnen Sie die Radien der Bohrschen Bahnen für den Elektron-Positron-Bindungszustand (Positronium). (3 Punkte) Lösung: Ansatz wie Aufgabe 6b: Zentripetalkraft (Coulombkraft) = Zentrifugalkraft Aber da im Positronium beide Teilchen dieselbe Masse aufweisen, halbiert der Schwerpunkt die Verbindungsstrecke. Beide Teilchen bewegen sich um den zwischen ihnen liegenden Schwerpunkt. Die reduzierte Masse me me− me+ (12) = µ= me− + me+ 2 führt dazu, dass der Bohrsche Radius des Positroniums zweimal so groß ist wie beim Wasserstoff: e2 µv 2 = 4π0 r2 r 2 e µ2 r2 v 2 n~=µrv n2 ~2 r = = 4π0 µ µ 2 4π0 ~ rn = n2 me 2 = 2 · n2 aB e 2 b. Skizzieren Sie das Termschema von Positronium für die Zustände mit n = 1 und n = 2. Berücksichtigen Sie dabei die Größenordnung der Hyperfein-Wechselwirkung. (2 Punkte) Lösung: Elektron und Positron haben ein dem Betrag nach gleiches magnetisches Moment, die magnetische Wechselwirkung ist jedoch viel größer (etwa 2000) als im HAtom, wo das kleine magnetische Moment µk des Protons nur eine kleine HyperfeinWechselwirkung bewirkt. Die Hyperfein-Wechselwirkung ist deshalb von der gleichen Größenordnung wie die Feinstruktur. 7 8