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10. Vorlesung PCI (WS 2002/03)
Inhalt:
-
Interpretation von Entropie als Maß für Wahrscheinlichkeit
Entropiebetrachtung mit Annahme der Unterscheidbarkeit der Teilchen
Änderung der Entropie bei Temperaturänderung
Prinzip der verbotenen Radien: Eine weitere Form der Entropie
I. Interpretation von Entropie als Maß für Wahrscheinlichkeit
Boltzmann identifizierte zum ersten Mal die Entropie als Maß der möglichen Zustände (nach
räumlicher Anordnung, energetischen Zuständen etc.), die ein System annehmen kann. Aus
seinen Überlegungen folgte das Boltzmann’sche Postulat:
S
wobei
R
n   k B  n 
NA
S
:Entropie
R
:allgemeine Gaskonstante
NA
:Avogadro’sche Konstante
kB=R/NA :Boltzmann-Konstante

:Anzahl von gleichwahrscheinlichen
Realisierungsmöglichkeiten des Systems für gegebene
Bedingungen (Mikrozustände)
Die Änderung der Boltzmann’schen Entropie eines Systems beim Übergang von Zustand 1
nach Zustand 2 beträgt folglich:
SB  S2  S1  k B  n
2
1
Vergleichen wir dies mit der klassischen Thermodynamik: Die isotherme Expansion eines
idealen Gases führt zur Änderung der thermodynamisch definierten Entropie
STD  S2  S1  n  R  n
V2
V
 n  N A  k B  n 2
V1
V1
Bei Übereinstimmung beider Definitionen müßte gelten:
n  N A  n
V2

 n 2
V1
1

n
V2

1

n 2
V1 n  N A
1
wobei n·NA = N = Anzahl der Moleküle
1
II. Betrachtung mit Annahme der Unterscheidbarkeit der Teilchen
Betrachten wir nun unseren irreversiblen Expansionsvorgang. Der Einfachheit halber sei es
ein System mit einem idealen Gas, dessen Teilchen alle unterscheidbar sind:
V
Sei
(d.h. n 2  n 2  0.6931)
V2  2  V1
V1
Zustand 1:
alle Moleküle im Volumen V1
Zustand 2:
Moleküle im Volumen V2=2V1 gleich verteilt
V2
V1

2 Moleküle, d.h. n·NA = 2
Zustand 1:
Zustand 2:

12
1
2
n·NA = 4
Zustand 1:
Zustand2:

1=1
2=2
2
1
1234
12
14
23
24
34
13
1=1
34
23
14
13
12
24
2=6
n·NA = 6
Zustand 1:
Zustand 2:
123456
123
456
423
156
523
416
623
451
143
256
153
426
163
452
124
356
125
436
126
453
(und seitenvertauscht)
1=1
2=20
2
Die Auswertung des Ausdrucks

1
n 2 ist jeweils in der Tabelle weiter unten zu
n  NA
1
finden.
Für eine größere Anzahl von Molekülen benutzen wir Kombinatorik, statt abzuzählen: die
 N
N!
Auswahl von k Elementen aus einer Gesamtheit von N Elementen ergibt   
 k  k!( N  k )!
Möglichkeiten.
 N  N 
N!
N
 
k
Für
ergibt sich    
. Dies erlaubt die Auswertung von 2
2
 k   N / 2   N ! N !
 2 2
auch für größere Werte von N=nNA. Der Grenzwert für N läßt sich mit Hilfe der
Stirling’schen Näherung bestimmen, die für große Werte von N gilt: N!exp(Nln(N)–N),
bzw. ln(N!)Nln(N)–N.
lim
N 
1 N
1
1
n
 lim n N  n1  lim n N
N  N
N 1 N N
1
n N!  2n  N2 !
N  N
1
 lim Nn N   N  2  N2 n  N2   2  N2 
N  N
 lim n N   2  12 n  N2 
 lim
N 
 lim n 2  n 2  0.6931
N 
Damit erhalten wir:
N= n  N A
1
2
2
4
6
8
10
20
40
1
1
1
1
1
1
1
2
6
20
70
252
184756
1.378461011


1
 n 2
n  NA
1
0.3466
0.4479
0.4993
0.5311
0.5529
0.6063
0.64123

0.6931= n 2
Im Grenzfall einer sehr großen Anzahl von Molekülen ergeben somit beide Definitionen der
Entropie denselben Wert.
3
III. Änderung der Entropie bei Temperaturänderung
Wir betrachten eine andere Zustandsänderung. Wiederum verwenden wir das ideale Gas als
Arbeitsmedium:
Zustand 1:
Zustand 2:
V, P1,T1
V, P2=2P1,T2=2T1
Die Änderung der thermodynamisch definierten Entropie berechnet sich zu
2
2
T 
dQ
dT
 CV 
  P  dV  C V  n 2 
T
T 1
 T1 
1
1
2
S  
Um später mit dem Wert der Boltzmann’schen Entropie vergleichen zu können, verwenden
wir ein Ergebnis der kinetischen Gastheorie: Für ein atomares ideales Gas bestimmt sich die
Wärmekapazität bei konstantem Volumen zu CV=nR3/2. Damit erhalten wir
T 
3
S  n   R  n 2 
2
 T1 
Die Entropie nimmt also auch bei dieser Zustandsänderung zu, obwohl das Volumen konstant
bleibt. Die Frage ergibt sich nun, in welcher Weise hier die für die Boltzmann’sche Definition
erforderliche Anzahl der Realisierungsmöglichkeiten  zu beschreiben ist. Wir nähern uns
der Antwort, indem wir die formale Boltzmann’sche Definition
 
SB  k B  n 2 
 1 
mit der thermodynamischen Definition gleich setzen
  ! 3
T 
SB  k B  n 2   n   R  n 2   STD
2
 1 
 T1 
 
T 
3
k B  n 2   n   N A  k B  n 2 
2
 1 
 T1 
3
 2  T2  2
 
1  T1 

N  nN A
 2  T2 2

1
1  T1 2
1




N
3N
Beim idealen Gas ist die innere Energie U proportional zur Temperatur T. Da das ideale Gas
keine Wechselwirkung zwischen den Atomen kennt, ist die innere Energie identisch mit der
kinetischen Energie, summiert über alle Atome. Die Temperatur als intensive Größe ist somit
proportional zur mittleren kinetischen Energie der Atome. Wegen Ekin=mv2/2 muß die
Wurzel aus der Temperatur T0.5 proportional zur mittleren Geschwindigkeit der Atome sein.
Das Verhältnis der Realisierungsmöglichkeiten ergibt sich somit als Verhältnis der mittleren
4
Geschwindigkeiten v , potenziert mit der Zahl der Atome und potenziert mit der Zahl der drei
Raumrichtungen
2  v2 
 
1  v1 
3N
Die Situation für den Fall der isothermen Expansion läßt sich so umformen, daß die Analogie
zur isochoren Temperaturerhöhung sichtbar wird
n  N A  n

N  nN A

V  L3
V2

 n 2
V1
1
 2  V2 
 
1  V1 
2  L2 
 
1  L1 
N
3N
In beiden Fällen ist die Anzahl der Realisierungsmöglichkeiten proportional zur
Größenänderung des relevanten Skalars (Länge L, bzw. mittlere Geschwindigkeit v ),
potenziert mit der Zahl der Freiheitsgrade 3N.
IV. Prinzip der verbotenen Radien: Eine weitere Form der Entropiewirkung
Eine weitere Form der Wirkung von Entropie kann man auch in einem System von kleinen
und großen Kugeln finden: Große Kugeln tendieren dazu, sich in einem solchen System
aneinander oder an die Wände zu lagern. Was ist der Grund? Jede der Kugeln besitzt eine Art
verbotenen Radius, in den die anderen Teilchen (mit ihrem Mittelpunkt) nicht eindringen
können: Diese verbotenen Zonen blockieren Anordnungsplätze im Raum, mindern also die
Entropie:
„Verbotene Radien“:
Zonen, in die die
Mittelpunkte
der
kleinen Kuglen nicht
eindringen können
Mittelpunkt
e
der
Kugeln
Nehmen wir an, es gäbe deutlich mehr kleine als große Kugeln, d.h. wir können die
verbotenen Zonen ignorieren, die nicht von den Mittelpunkten der großen Kugeln erreicht
werden können (und auch um einiges größer als die für die kleinen Kugeln sind), womit nur
die verbotenen Radien im Bezug auf die kleinen Kugeln wichtig sind: Lagern sich zwei große
Kugeln aneinander an, so verkleinert sich der Bereich verbotener Zonen beider Objekte mehr,
als wenn sich kleine Kugeln an eine große Kugel annähern:
5
Verkleinerte
verbotene Zonen
Auf diese Weise erhöht sich die Anzahl der von den kleinen Kugeln besetzbaren Positionen.
Zwar nimmt der Anteil der Entropie des Systems durch die „begrenztere“
Anordnungsmöglichkeit der großen Kugeln ab, dies wird aber durch die höhere Anzahl der
kleinen Kugeln wieder kompensiert (mehr dazu im beiliegenden Artikel aus den
Physikalischen Blättern 55 (1999) 53-56.
6
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