Bericht Indonesien - ref-sg

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Bericht über Dienstreise und Weiterbildung in Indonesien:
“Religionen - Quellen für den Frieden”?
Vom 21.September bis 7.Oktober 2006 fand in Indonesien eine
Studienreise mit Workshop zur interreligiösen Koexistenz in
Indonesien statt, die von mission21 und deren indonesischen
Partnern organisiert war. Eingeladen zur Teilnahme waren auch
drei deutschschweizer OeME-Beauftragte, unter ihnen auch der
Autor dieses Berichtes.
Das Seminar musste wegen drohender (Vulkanausbruch Merapi im Mai) bzw.
eingetretener (Erdbeben) Naturkatastrophen vom zunächst vorgesehenen Java
aufs nahe Bali verlegt werden. Untergebracht war die Gruppe für die ersten 8
Tage im Dhyanapura Hotel, einem schönen, am Meer gelegenen
kircheneigenen Tagungszentrum. Dort fand der einwöchige protestantischislamische Workshop “Religionen - Quellen für den Frieden” statt. Im nahen
touristischen Zentrum Kuta besuchte die Gruppe im Vorfeld zur Konferenz u.a.
die Gedenkstätte für die über 200 meist jugendlichen Opfer des
Bombenanschlages im Jahre 2002, einen Gottesdienst der balinesischen
Protestanten und verschiedene Hindutempel. Der balinesische Hinduismus ist
als ungebrochen praktizierte Volksreligion auf der “Götterinsel” allerorts
präsent.
Am am Sonntagabend feierlich eröffneten und am folgenden Samstagabend
beendeten Workshop –unter anderem trat im Rahmenprogramm der auch in
Europa bekannte Künstler Nyoman Darsane mit einer christlichen
Folkloregruppe auf- nahmen etwa 40 Personen aus allen indonesischen
Partnerkirchen von mission21 teil, darunter auch Mona Saroinsong, die im
vergangenen Jahr St.Gallen im Rahmen der BfA-Fastenopfer-Aktion St.Gallen
besuchte. Dazu kamen zwei Katholiken, einige Muslimas und Muslime als
teilnehmende Gäste, die Schweizer Gruppe (mit muslimischer Vertreterin Rif’at
Lenzin, Bern), ein Vertreter der Partnerkirche in Nigeria sowie
Indonesienkenner Prof.em. Pfr.Dr.Olaf Schumann, der manchen Beitrag zum
besseren gegenseitigen Verstehen leisten konnte– insgesamt rund 60
Personen.
Die Konferenzbeiträge wurden zweisprachig in Indonesisch und Englisch
abgehalten und als umfangreiche Texte auch schriftlich vorgelegt. Die
Organisation klappte hervorragend und die Gäste wurden höflich, um nicht zu
sagen rührend umsorgt. Auch die Vorbereitung von Basel her war inhaltlich
hilfreich und klappte reibungslos.
Elemente der Konferenz
Der Tag begann jeweils mit Bibel- und Koranstudien, die zum Teil ergiebig
waren, zum Teil aber eher trocken und schematisch wirkten. Die Einlassungen
der Referentinnen und Referenten waren zumeist wertvoll und sehr
differenziert. Beiträge aus der Schweiz waren ein theologisch-grundsätzlicher
von Albrecht Hieber (zuständig für die internationale Arbeit der Mission), eine
Beschreibung der religiösen Verhältnisse hierzulande, präsentiert von den
OeME-Beauftragten Brodbeck und Breitenfeldt und ergänzt von schweizerischmuslimischer Seite sowie einem Morgen zum Thema Friedensarbeit,
vorgestellt von Esther Marthaler, Ethnologin und Programme Officer beim
Kompetenzzentrum
Friedensförderung
(KOFF)
bei
swisspeace
/
Schweizerische Friedensstiftung. Gegen Ende des Workshops wurden auf
einer Art Markt der Möglichkeiten die diversen kirchlichen Programme mit
interreligiösem Aspekt einander vorgestellt: Kurse auf Kirchgemeinde-Ebene,
Informations- und Studienmaterial über den Islam, gemeinsame christlichislamische Jugendlager, Zusammenarbeit zwischen islamischer und
protestantischer Universität in Austausch- und Dialogprogrammen,
Frauenarbeit (auch feministisch-theologische). Vieles davon wird von
Mission21 finanziell unterstützt und ideell begleitet. Näheres unter
http://www.mission-21.org/deutsch/15_projekte/laender/indonesien.php . In
einem weiteren Schritt überlegten die Teilnehmenden nach Regionen, welche
Massnahmen, angeregt von dem auf dem Treffen erfahrenen, als nächstes zu
treffen seien. In der Schweizer Gruppe ging es vor allem darum, wie die
Kampagne 2006/2007 von mission21 in der Schweiz sinn- und phantasievoll
gestaltet werden könnte. Sie wird den Titel der Konferenz tragen: “Religionen Quellen für den Frieden”.
Zweiter Teil: Java
Im zweiten Teil des Aufenthaltes flog die Gruppe nach Yogyakarta. Dort
besuchte sie, jeweils verbunden mit einem grundsätzlichen und praktischen
Gedankenaustausch mit Studierenden und Lehrenden, die protestantische
Universität und die islamische Universität, zwei sogenannte Pesantren, also
islamische Tageschulen mit Internat in Surakarta. Eines davon war „Ngruki“.
Der Rektor der Einrichtung, Abu Bakar Bashir, gilt als Anführer der
Extremistengruppe Jemaah Islamiyah und wurde im Juni d.J. nach 26 Monaten
Haft vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Er war verurteilt worden, weil er
dem Attentats-Drahtzieher sein Plazet für die Bombenanschläge auf Bali
gegeben haben soll. Nur die Männer wurden nun beim Treffen mit Handschlag
begrüsst und die Frauen sassen hinten - aus Gründen des Achtungsabstandes
vor dem anderen Geschlecht. Abu Bakar Bashir erklärte der Schweizer Gruppe
– er sei für die Einführung der Scharia in Indonesien. Er glaube, dass alle
Nichtmuslime in die Hölle kämen und lud die Besucher am Ende seiner
Ausführungen ein, sich der wahren Religion des Islam anzuschliessen. Der
Leitspruch„Be a good muslim or die” (sei ein guter Muslim oder stirb”), an dem
die Schüler mehrmals täglich auf dem Weg vom Schulzimmer zur
Schulmoschee vorbei ziehen, schien zu passen. Dieser Besuch war einmal
nicht die Begegnung mit den freundlichen, liberalen und friedensbewegten
Muslimen, mit denen wir uns als freundliche, liberale und friedensbewegte
Christenmenschen so gern treffen und daraufhin versucht sein mögen, den
gesamten Islam, von einigen schwarzen Schafen abgesehen, zum einer
freundlichen, liberalen und friedensbewegten Zwillingsbruder des Christentums
zu erklären. Dem interreligiösen Dialog ist geholfen, indem moderate Kräfte
miteinander Verständnis einüben und Strategien der Deeskalation auf den Weg
bringen, wobei die Wahrheitsfrage weder ausgespart noch letztgültig
beantwortet werden kann. Nicht geholfen ist ihm mit idealisierenden und
gleichmacherischen Wahrnehmungen der eigenen wie der anderen Seite, die
eher aus Wunschdenken denn aus Realitätssinn geboren werden. Insofern war
der Besuch im Pesantren Ngruki ein hilfreiches, weil Illusionen erschütterndes
Korrektiv.
Was nicht bedeutet, dass nun nur diese Begegnung zum Massstab genommen
würde: im Gespräch mit anderen islamischen Vertreterinnen und Vertretern
wurde festgestellt, dass Jemaah Islamiyah und andere fundamentalistische
Gruppen eindeutig eine Minderheit, wenn auch eine sehr laute, darstellten. In
Diskussionen mit islamischen Studierenden und Dozenten wurden –was für
eine interreligiöse Erstbegegnung in Asien am Rande des irgend zu Wagenden
gewesen sein dürfte- christliche Reizbegriffe wie Mission thematisiert, aber
auch muslimische wie Scharia und Jihad. Dabei erklärten die Vertreter der
Universität, Scharia sei für sie nicht ein martialischer Rechtskodex, der zum
Staatsgesetz gemacht werden sollte. Das wörtlich mit „Weg“ zu übersetzende
Wort sei vielmehr der Oberbegriff für die Bemühung, die Aussagen des Koran
und der Tradition in die Lebensgestaltung der Gegenwart zu übersetzen. Jihad
verstünden sie als Eifer, aber nicht im kämpferischen Sinne, sondern als
Aufforderung mit ganzem Herzen das Gute zu tun.
Eine Audienz beim Abt eines buddhistischen Klosters rundete die interreligiöse
Reise ab. Es liegt nahe der anschliessend besichtigten bedeutenden
buddhistischen Tempelpyramide Borobudur, gebaut vor rund 1200 Jahren. Sie
ist in Teilen beschädigt nach einem islamistischen Anschlag. Selbst ein so
altehrwürdiger Ort voll Würde und mystischer Ausstrahlung kann also nicht
vergessen machen, dass Religion doch nicht einfach und per se zur Quelle des
Friedens, sondern eben auch zum Treibstoff der Gewalt werden kann. Ein Blick
in die Geschichte –auch der Christentumsgeschichte- lässt zweifeln, ob der
erstgenannte Aspekt in der Wirkung tatsächlich überwiegt.
Konflikte zwischen christlichen und islamischen Bevölkerungsgruppen
gehen weiter
Weihnachten 1998 griff in Poso (Zentralsulawesi) ein junger Protestant einen
muslimischen Bewohner des Nachbardorfes an und verletzte ihn mit einem
Messer –so miundestens der überlieferte Auslöser eines Konfliktes, der bis
heute Tote in vierstelliger Zahl gefordert und über 100.000 Menschen zu
Vertriebenen gemacht hat.
Am Tag der Ankunft der Schweizer Gruppe wurden gerade drei Katholiken
hingerichtet, keine zwei Monate nachdem der Oberste Gerichtshof ihre 2001
ausgesprochene Todesstrafe eigentlich in eine lebenslange Freiheitsstrafe
umgewandelt hatte. Den drei Landarbeitern im Alter von 60, 39 und 48 Jahren
wurde vorgeworden, im Jahr 2000 in Poso ein Massaker an Muslimen
angestiftet zu haben. Bei Unruhen waren damals rund 1000 Menschen getötet
worden. Die drei Katholiken beteuerten ihre Unschuld und sagten aus,
staatliche Sicherheitskräfte hätten den Konflikt angeheizt. Vielleicht war es
gerade diese ihre Aussage die ihr schnelles Ende „nötig“ und sie im wahrsten
Sinne der Wortes zu Bauernopfern machte. Diese Sicht der Dinge wurde
jedenfalls nach meinem Eindruck im informellen Gespräch und im Plenum von
den darüber betroffen Protestanten auf der Konferenz weithin geteilt. Während
wir auf Bali tagten, kam es in Poso selbst nach den Exekutionen zu neuen
gewaltsamen Konflikten.
Der Generalsekretär der mit mission21 verbundenen Protestantischen Kirche
von Zentralsulawesi, Pfarrer Irianto Kongkoli, hatte sich ebenfalls für die drei
Katholiken eingesetzt. Er kritisierte häufig die Vorgehensweise des
indonesischen Sicherheitsapparates im Gebiet von Poso. Zudem setzte er sich
ein
für
die
Friedensbemühungen
zwischen
den
verschiedenen
Religionsgemeinschaften. Kongkoli wurde am 16. Oktober 2006 beim
Verlassen eines Geschäftes mit einem Kopfschuss getötet.
Weitere Konflikte, dem nicht nur Moscheen und Kirchen, sondern auch
Menschenleben zum Opfer gefallen sind, schwelen in Ambon (Molukken) und
auf Kalimantan.
Ursachen und Umstände
Es wäre vermessen, als kurzfristig anwesender Europäer die Zusammenhänge
so begriffen haben zu wollen, dass einem Ursachen und notwendige
Massnahmen zur Überwindung von Gewalt klar vor Augen stünden. Die gut
245 Mio. Einwohner Indonesiens umfassen, unter dem nach der
Unabhängigkeit eingeführten Dach eines vereinfachten Malaiisch namens
Bahasa Indonesia, mehr als 250 Sprachgruppen. Sie leben auf mehr als 6000
sehr verschiedenen und unterschiedlich dicht bewohnten Inseln in einem
Gebiet etwa so ausgestreckt wie die Distanz zwischen Madrid und dem Ural.
Der Staat Indonesien fusst nicht auf kultureller Kompatibilität seiner Menschen,
sondern auf dem diesbezüglich eher zufällig zusammengewürfelten Erbe der
holländischer Kolonialpolitik. Etwa 88 Prozent der Einwohner sind Muslime überwiegend gemässigte Sunniten-, acht Prozent sind Katholiken oder offiziell
„Kristen“ genannte Protestanten. Zwei Prozent sind Hindus, die vor allem auf
Bali leben, und jeweils ein Prozent sind Buddhisten bzw. Taoisten.
Seit der Unabhängigkeit Indonesiens 1950 leben nun diese Völker- und
Religionsgemeinschaften unter einem staatlichen Dach zusammen. Zunächst
verfügte Indonesien über demokratische Strukturen nach europäischem
Vorbild. Politische Instabilität führte jedoch zum Scheitern des Systems. Die
folgenden vier Jahrzehnte waren von der „guided democracy“ unter Präsident
Sukarno und der„New Order“ genannten korrupten Diktatur Präsident Suhartos
gekennzeichnet, die mit dessen Sturz 1998 endete. Religiös und ideologisch
wurde das Land mit der Staatsoktrin „Pancasila“ zusammen gehalten, den fünf
grundlegenden Prinzipien des Staates. Deren erste ist Monotheismus im
Rahmen der anerkannten Religionen Islam, Protestantismus („=Kristen“),
Katholizismus, ja auch Buddhismus und Hinduismus, wo der höchste Gott
theologisch neu definiert werden musste um in den Reigen der anerkannten
Religionen zu passen. Nichtreligiöse Menschen, also etwa auch
kommunistische Atheisten, waren und sind in Indonesien nicht vorgesehen.
Chinesen und Christen waren in diesen Jahren wirtschaftlich und politisch
überproportional erfolgreich. Schon in den letzten Suharto-Jahren wurde dann
versucht, den Einheimischen („Pribumi“) vor allem muslimischen Glaubens
wieder mehr Selbstbewusstsein und Bedeutung zu geben. Das gab dem
politischen uns konservativen Islam bereits Auftrieb. Nach langer Zeit der
Korruption, enttäuscht von den Schwächen der Re-Demokratisierung und
erschreckt von den Folgen von Globalisierung und Verwestlichung liebäuget
eine wachsende Zahl von Indonesiern in der Einführung des Islams als
Staatsreligion und der Scharia als Rechtsnorm eine stabilisierende Alternative.
In der vor allem durch die Zerstörungen des Tsunami bekannt gewordenen,
von einem eher strengen Islam mit separatistischer Tendenz geprägten Provinz
Aceh ist diese bereits eingeführt worden. Die Kräfte des „mittleren Weges“ d.h.
die
moderaten
indonesisch-muslimischen
Mainstream-Organisationen
Nahdlatul Ulama oder Muhammadiyah lehnen die Einführung der Scharia ab
und verweisen auf die Pancasila.
Ein weiterer Faktor von Konflikten war und ist die Umsiedlungspolitik. Vor allem
aus dem überbevölkerten überwiegend muslimischen Java sind massenhaft
Zuwanderer in andere Provinzen, auf andere Inseln zugewandert. Dies und der
Umstand, dass muslimische Familien in der Regel kinderreicher sind als
andere, haben die demografischen und machtpolitischen Verhältnisse vieler
Regionen verändert und ein innerindonesisches Integrationsproblem
geschaffen.
Schliesslich
–und
dies
kam
in
den
Voten
der
Konferenzteilnehmenden wie ein roter Faden immer wieder vor- werden
ethnische und damit auch religiöse Unterschiede von lokalen Kräften sowie von
Militär und Polizei geschickt ausgenutzt zur Verfolgung eigener Interessen.
Wenngleich es in Indonesien bislang nicht zum Bürgerkrieg gekommen ist: die
Ausgangslage hat m.E. Parallelen zum Jugoslawien nach Tito oder dem Irak
nach Saddam, in dem Sinne, das ein Machtvakuum Jahrzehnte lang
unterdrückte Konflikte aufflammen lässt. In keinem mir bekannten gewordenen
Fall hätten die Probleme ursächlich mit religiös-dogmatischen Inhalten oder mit
Missionsbemühungen zu tun. Insofern handelt es sich nicht wirklich um
Auseinandersetzungen religiöser Natur zwischen Kirche und Moschee,
sondern um handfeste, oft auch durch angefochtene Identitäten emotional
verstärkte
Interessenskonflikte
an
den
Bruchlinien
von
Religionsgemeinschaften und Ethnien. Dabei ist ferner zu bedenken, dass
Polizei und Militär Indonesiens dem Vernehmen nach nur 1/3 der notwendigen
Mittel aus Steuergeldern beziehen, 2/3 aber aus eigener Geschäftstätigkeit und
als Beitrag von lokalen Machthabern, was nicht eben förderlich für eine
friedenserhaltende Funktion sein dürfte.
„Religionen – Quellen für den Frieden”?
Die Religionen selbst waren und sind nach der übereinstimmenden Analyse
der islamischen und christlichen Referentinnen und Referenten des Seminars
auf Bali nicht Ursache, Auslöser oder gar Thema der Konflikte. Insofern dass
Religion Identität und Gruppenzusammenhalt schafft kann sie aber durchaus
konfliktfördernd wirken. Mag es auch Inanspruchnahme der Religion durch
religionsfremde Interessen sein, so ist doch nicht von der Hand zu weisen dass
auch die Grunddokumente von Islam und Christentum selbst reichlich Stoff
bieten für eine autoritäre, und Hegemonie anstrebende Interpretation mit
Absolutheitsanspruch. Dass dabei auf islamischer Seite anders als bei uns die
Phase der philosophischen Aufklärung mindestens in der breiten Masse der
Gläubigen so nicht stattgefunden hat ist so bedauerlich wie der Umstand, dass
gerade solche christlichen Gruppen wachsen für die Analoges gilt.
Wie aber können die „Religionen – Quellen für den Frieden” werden?
Unbestritten können und müssen Verse aus dem je eigenen Glaubensbuch Bibel oder Koran- heraus gestellt werden, die vom Frieden reden.
Christlicherseits steht hier gewiss die Bergpredigt Jesu als Zentrum seiner
Botschaft vor Augen (wenn sie auch in der Geschichte und Gegenwart der
Kirche nicht die Beachtung gefunden hat die sie verdient hätte). Die
feministischen Theologin Pfrn. Dr. Margaretha Hendriks Ririmasse (Molukken)
deutete den notwendigen weiteren Schritt hin auf eine befreiende Theologie
der Religionen an, und sie weiss, wovon sie spricht: Die Vizemoderatorin des
Weltkirchenrates war vor einiger Zeit selbst bei gewaltsamen Angriffen auf die
Universität, welche sie leitet, nur knapp mit dem Leben davon gekommen. Frau
Dr.Hendriks Ririmasse stellte fest dass es nicht reiche, sich mit der anderen
Religion zu befassen und dabei ganz in der Binnenperspektive zu bleiben.
Auch in Indonesien gäbe es viele Christen, die vom interreligiösen Dialog
nichts wissen wollen weil dieser den biblischen Aussagen über die
Einzigartigkeit Jesu und dem Missionsbefehl zu widersprechen schienen. "Für
eine sehr lange Zeit, ja bis heute, übernehmen die meisten von uns religiöse
Lehrinhalte, die sehr selbstgerecht sind und diskriminierend gegenüber denen,
die wir für Aussenstehende erklärt haben und der Messlatte unserer religiösen
und sozialen Normen nicht entsprechen. Solche Lehre bedient sich
dualistischer hierarchischer Perspektiven, welche zu Trennung und
Konfrontation führen.“
Hierzu gehörten, so Frau Dr.Hendriks Risimasse, vor allem auch die
traditionellen
patriarchalen
und
teilweise
frauenfeindlichen
Auslegungsmonopole der beiden Weltreligionen durch männliche Theologen.
Diese Einsicht teilen durchaus auch islamische Frauen, und es findet offenbar
ein akademischer Austausch zwischen Protestantinnen und Muslimas über
diese Fragen statt.
Eindrücke und persönliches Fazit
Ich bin dankbar, dass ich diese Reise mitmachen durfte: Dankbar für die
Einladung durch mission21 (deren auf diese Weise kennen gelernte Projekte
ich mit Überzeugung bewerben kann) und die Erlaubnis meines Arbeitgebers.
Was zunächst im balinesischen Ambiente ins Auge fiel war die Schönheit von
Natur und Klima, und davon geprägt die bunte Selbstverständlichkeit, mit der
Religion auf Bali im Alltag und an vielen Festtagen eine Rolle spielt. Einmal
mehr schmerzte mich die Armut des schweizerisch-reformierten
Protestantismus an Formen, welche auch im Alltag selbstverständlich wären
und trotz oder gerade wegen ihrer Wiederholung Kraft geben.
Zweitens war da die Inspiration durch Begegnungen, welche allerdings durch
die Sprachbarriere etwas eingeschränkt und zudem weiter dadurch behindert
wurde, dass die islamischen Partner wegen des Ramadan bei den Mahlzeiten
fehlten.
Drittens war da die Entdeckung, dass der Islam wohl etwa ebenso divers ist
wie die evangelisch-protestantische Welt (mit all ihren Verzeigungen von
evangelikal über liberal zu befreiungstheologisch). Ich bin neugieriger
geworden, zumal sich manche Gesprächspartner als zugängliche menschliche
Wesen gezeigt haben, die teilweise auch meinem latent verinnerlichten Bild
des humorlosen und leicht zu fanatisierenden Gottergebenen nicht
entsprachen.
Viertens vertiefte sich mir die Einsicht: Wo Religion und Macht gepaart oder
aufgeladen mit ethnischem Identitätsbedürfnis auftritt kann es sehr schnell sehr
gewalttätig werden. Die Überlegung ob eine Welt mit oder ohne die Religionen
friedlicher wäre oder nicht ist obsolet: sie bestehen einfach. So gilt es, das
beste aus ihnen zu machen in einer Interpretation, die danach fragt wie alle in
Fülle leben können.
Fünftens: Wo Menschen legal und auf Dauer eine neue Heimat haben sollen
sie, immer in den Grenzen der nationalen und regionalen Verfassungen und
Gesetze, die Freiheit haben, ihre Religion öffentlich wahrnehmbar zu leben, zu
wechseln oder auch keiner aktiv anzugehören. Die Konflikte in Indonesien sind
mindestens im Moment noch lokal begrenzt; allgemein besteht in dem Land mit
den weltweit meisten Muslimen Religionsfreiheit. Kirchen dürfen Gebäude mit
Glockentürmen bauen oder Universitäten oder Sozialwerke betreiben. Sollte
das in Mitteleuropa nicht möglich sein?
Schliesslich: Ein ehrlicher Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher
Religion ist heute notwendiger denn je. Er muss auf akademischer,
institutioneller und persönlich-menschlicher Ebene stattfinden wenn wir, auf der
Seite der angestammten Bevölkerung und bei den Neuankömmlingen,
Ghettobildung verhindern und hierzulande anders als in Indonesien auch auf
die Länge ohne nennenswerte Konflikte leben wollen.
Martin Breitenfeldt
AkiD/OeME SG
31.10.2006
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