Krankenbericht über einen Patienten der Chirurgischen Veterinärklinik . Die Untersuchung findet am 18.05.1999 in der Zeit von 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr statt. Vorbericht Der Patient zeigte am 15.05.1999 ca. 1 Stunde nach Futteraufnahme ein aufgeblähtes Abdomen, Unruhe und Würgen ohne zu erbrechen. Der Haustierarzt hat den Patienten nach Untersuchung und Erstellen einer Röntgenaufnahme sofort mit Verdacht auf Torsio ventriculi überwiesen. Aufnahmebefunde wie Puls, Atmung, Temperatur wurden aufgrund der hochakuten Lage des Patienten und der eindeutigen Diagnose nicht erhoben. Die spezielle klinische Untersuchung ergab folgende Ergebnisse: Das Abdomen war mittel- bis hochgradig dilatiert und bei der Perkussion war ein tympanischer Schall zu hören. Das Tier erhielt kurz nach der Aufnahme einen Operationstermin. Signalement Bei dem zu untersuchenden Tier handelt es sich um eine 9 Jahre alte, kastrierte deutsche Schäferhündin mit dem Namen "Eike" von Concordin. Ihr Gewicht beträgt 28 kg. Allgemeinuntersuchung Der Patient steht aufrecht und belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Er nimmt rege an seiner Umgebung teil, ist sehr aufmerksam und ausgeglichen. Der Ernährungs- und Pflegezustand ist als gut zu bezeichnen. Die Körperoberflächentemperatur Körperinnentemperatur beträgt 38,4°C. ist physiologisch verteilt und die Die Herzfrequenz beträgt 84 Schläge pro Minute, sowie auch die Pulsfrequenz. Die Atemfrequenz liegt bei 32 Atemzügen pro Minute. Spezielle Untersuchung (erfolgt 3 Tage nach der Operation) Haare, Haut, Unterhaut und sichtbare Schleimhäute Das Haarkleid ist dicht und geschlossen und nicht vermehrt ausziehbar. Ektoparasiten sind nicht sichtbar. Das Tier hat an beiden Unterarmen je eine Schurstelle von ca. 3cm Breite und 6cm Länge. Eine rasierte Stelle befindet sich ventral am Abdomen, vom Xiphoid des Brustbeins bis in den Zwischenschenkelbereich mit einer Länge von ca. 25cm und einer Breite von ca. 12cm. 2 fingerbreit kaudal des Xiphoids beginnend befindet sich entlang der Linea alba eine ca. 12cm lange Wundnaht, welche unauffällig, trocken und nicht schmerzhaft oder vermehrt warm ist. Der Hautturgor ist geringgradig vermindert. Die sichtbaren Schleimhäute sind blaßrosa, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen. Die kapilläre Rückfüllungszeit liegt unter 1 Sekunde. Lymphapparat Die palpierbaren Lymphknoten haben eine physiologische Größe und Konsistenz, sind verschieblich, nicht vermehrt warm und nicht schmerzhaft. Kreislauf Der Herzspitzenstoß ist deutlich fühlbar, Die Auskultation des Herzens ergibt eine Frequenz von 84 Schlägen pro Minute. Der Herzschlag ist kräftig und regelmäßig. Die Herztöne sind gut abgesetzt, Nebengeräusche sind nicht zu hören. Die Palpation des Pulses erfolgt an der A. femoralis. Seine Frequenz liegt ebenfalls bei 84 Schlägen pro Minute. Er ist regelmäßig, gleichmäßig und kräftig. Die Arterien sind gut gefüllt und gespannt. Atmungsapparat Das Tier zeigt einen costo-abdominalen Atemtyp. Die Atemfrequenz liegt bei 36 Atemzügen pro Minute. Bei der Auskultation der Lunge sind keine pathologischen Atemgeräusche zu hören. Verdauungsapparat Das während der Untersuchung gereichte Futter, das aus Suppe besteht, wird zügig aufgenommen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung erfolgt kein Kotabsatz. Bei der Palpation des Abdomens ist die Bauchdecke locker und das Abdomen geringgradig eingefallen. Harn- und Geschlechtsapparat Im Zeitraum der Untersuchung findet kein Urinabsatz statt. Die Vulva ist adspektorisch unauffällig. Bei der Palpation der Gesäugeleiste ist am linken Inguinalkomplex eine ca. 1 x 1 x 1cm große steinharte Umfangsvermehrung zu fühlen. Bewegungsapparat Die Untersuchung erfolgt im Stand, sowie in der Bewegung. Das Tier steht aufrecht und belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Es sind keine pathologischen Veränderungen festzustellen. Nervensystem Der Patient ist sehr aufmerksam und nimmt rege an seiner Umgebung teil. Er zeigt keinerlei Verhaltensstörungen. Oberflächen- und Tiefensensibilität sind erhalten, sowie die Reflexe (Corneal-, Lidschluß-, Pupillar-, Anal-, und Patellarreflex). Weiterführende Untersuchung Labor Wie auch schon bei den Aufnahmebefunden wurden auch hier keine Laborbefunde erhoben. Physikalische Untersuchung Auf eine eigene Röntgenaufnahme wurde ebenfalls verzichtet. Die vom Haustierarzt gemachte Aufnahme zeigt einen mittel- bis hochgradig dilatierten Magen mit nach dorsal verlagertem Pylorus, einem dilatierten Oesophagus und die für die Rechtsdrehung typische, torsionsbedingte Magenwandfaltung. Diagnose Torsio ventriculi Epikrise Unter einer Torsio ventriculi versteht man eine Magendrehung die nach einer vorhergehenden akuten Auftreibung des Magens vorkommt und einen hochakuten Verlauf nimmt. Die Magendrehung tritt überwiegend bei großen Hunderassen auf, wurde aber auch bei Dackel und Pekinese sowie in Einzelfällen auch bei der Katze beobachtet. Hunde mittleren Alters der Rassen Deutsche Dogge, Deutscher Schäferhund aber auch Bernhardiner und Irish Setter sind besonders gefährdet. Rüden sind doppelt so häufig betroffen wie Hündinnen. Der Patient gehört als Deutscher Schäferhund im Alter von 9 Jahren somit mit zu dieser Gruppe. Die Ursachen für die Magendrehung sind teilweise noch unbekannt; es können Körperbewegungen wie Wälzen, Herumtollen, Treppenlaufen mit gefülltem oder geblähtem Magen sein. Aber auch Gründe wie starke Peristaltik, Schwäche des Aufhängeapparates bei gleichzeitiger Magenatonie, mit verzögerter Magenentleerung einhergehende Dysfunktion oder pathologischer Prozesse in der Bauchhöhle werden beschrieben. Ob der dilatierte Oesophagus im vorliegenden Fall primär vorhanden war und somit die Ursache ist muß abgeklärt werden. Bei der Magendrehung unterscheidet man zwischen der seltenen Linksdrehung entgegen dem Uhrzeigersinn sowie der weitaus häufigeren Drehung im Uhrzeigersinn, also nach rechts. Bei der Linksdrehung wandert der Pylorus an der rechten Bauchwand entlang nach dorsal und liegt dann rechts neben der Kardia, der Magen dreht sich hierbei nicht weiter als 90°. Während der Rechtsdrehung gelangt der Magenfundus in den ventralen Teil der Bauchhöhle. Der Pylorus bewegt sich von der rechten Bauchhöhlennormallage auf dem Weg über die Linea alba nach links und weiter an der linken Bauchwand entlang nach dorsal, wo er in Ösophagusnähe zu liegen kommt. Die Drehung kann hierbei mehr als 270° betragen. Die Milz ist bei leichter Drehung kaum, bei stärkerer auf sie rechte Körperseite verlagert. Sie ist dann U-förmig abgeknickt und hochgradig gestaut, was oft eine Milzschädigung zur Folge hat und eine Splenektomie erforderlich macht. Häufig hält das dorsale Blatt des großen Netzes der Spannung des geblähten Fundus und der Torsion nicht stand, so daß die zur großen Kurvatur führenden Gefäße stranguliert werden oder abreißen und es, im Fundusbereich beginnend, zur Nekrose der Magenwand kommt. Das ventrale Blatt dagegen folgt der Verlagerung der großen Kurvatur nach links und bedeckt den Magen von ventral. Nach der beschriebenen Röntgenaufnahme, dem OP-Situs mit U-förmig abgeknickter Milz und vom ventralen Blatt des großen Netzes bedeckten Magens liegt bei dem Patienten eine Rechtsdrehung vor. Der weitere Verlauf der Krankheit wird vom Schockgeschehen bestimmt. Durch die Drehung des Magens sind Pylorus und Duodenum stark eingeengt und durch fortlaufende Gasentwicklung nehmen Tympanie des Magens und Stauungshyperämie der Magenwand drastisch zu. Der Druck des geblähten Magens auf die hintere Hohlvene blockiert den venösen Rückstrom zum Herzen. Der kompensatorischen Rückstrom über Kollateralgefäße reicht nicht aus, um Blutdruck und Schlagvolumen aufrecht zu erhalten. Mithin ist die Harnproduktion vermindert oder stagniert völlig. Die Kompression der Pfortader führt zu portalem Hochdruck und mit der Stauung in Milzund Magen-Darm-Bereich zur Transsudation von Flüssigkeit in Bauchhöhle, Magen- und Darmlumen. Kommt es nicht bald zur Druckentlastung sind irreversible Milzschäden und vom Fundusbereich ausgehende Magenwandnekrosen die Folge. Der Druck des aufgeblähten Magens auf das Zwerchfell und damit auf Herz und Lungen beeinträchtigt Ventilation und Zirkulation zusätzlich. Generalisierte Hypoxie vervollständigen das Schockgeschehen. Zum klinischen Bild dieser Erkrankung gehören das deutlich aufgeblähte Abdomen, rasch zunehmende Dyspnoe und hochgradig gestörtes Allgemeinbefinden. Die Symptome treten häufig nach Futteraufnahme und anschließender aktiver Körperbewegung auf. Typisch sind weiter Unruhe, Salivation, Würgen ohne zu erbrechen, flache, erschwerte und hochfrequente Atmung, schmerzhaftes Abdomen. Am stehenden Tier ist der Perkussionsschall im kraniodorsalen Bereich über dem vorgewölbten Rippenbogen tympanisch, ventral kann er infolge Flüssigkeitsansammlung deutlich gedämpft sein. Ein schwacher tachykarder, auch unregelmäßiger Puls, blaßzyanotische Schleimhäute und eine verzögerte kapilläre Rückfüllung weisen auf Schockgeschehen hin. Bei dem vorgestellten Tier trat kurz nach der Futteraufnahme ein aufgeblähte Abdomen auf, es würgte ohne zu erbrechen und die Perkussion ergab einen tympanischen Schall. Ein hochgradig gestörtes Allgemeinbefinden ergänzten das klinische Bild. Die Diagnose hat zum Ziel, den Patienten unverzüglich lebensrettenden Therapiemaßnahmen zuzuführen. Angesichts der Notfallsituation sollte man sich auf das Notwendigste beschränken und im Allgemeinen auf präoperative Röntgen- und Laborbefunde verzichten. Charakteristischer Vorbericht und Eindeutigkeit des klinischen Bildes ermöglichen eine rasche Diagnosestellung. Zumeist informiert erst der Operationssitus über die Position des Magens. Das Röntgenbild zeigt im aktuellen Fall den Magen als riesige, flüssigkeits- und gasgefüllte Blase, die das Darmkonvolut weit nach kaudal verdrängt. Bei der Magendrehung nach rechts findet man auf der Laterolateralaufnahme im dorsalen Drittel des Magens die typische, torsionsbedingte Magenwandfaltung, die der Linksdrehung fehlt. Auch die oben angeführten Punkte treffen im beschriebenen Fall zu. Therapie Die Magentorsion kann innerhalb weniger Stunden durch Schock zum Tod führen, sofern nicht schnellstens eine Druckentlastung erreicht wird. Zum einen gibt es sie Möglichkeit bei leichter Drehung mit schonender Sedation und Intubation eine Magensonde einzuführen und den Inhalt abzusaugen, was häufig schon zur Reposition des Magens führt. Diese kann auch durch zusätzliche Drehung des Patienten über den Rücken erreicht werden. Als Alternative zu diesen Möglichkeiten und bei größeren Drehungen bleibt die Operation, wobei diese mit einer gleichzeitig zur durchgeführten Gastropexie als Rezidivprophylaxe sinnvoller erscheint. Bei "Eike" wurde eine Laparotomie und eine Linea-alba-Gastropexie durchgeführt. Bereits bei der Aufnahme wurde bei dem Hund ein Verweilkatheder gelegt und eine Elektrolytlösung gegeben. Die Anästhesie wurde mit 9ml Polamivet und 20mg Diazepam sowie 0,6ml Ketamin und 0,3ml Rompun i.v. durchgeführt. Lokal wurde mit 3ml 1%igem Lidocain eine Schnittinfiltration durchgeführt. Desweiteren wurde das Tier intubiert. Vor der Laparotomie in der Linea alba wurde in Narkose eine Sonde in den Magen geschoben. nach Eröffnung der Bauchhöhle war der Magen noch mittel- bis hochgradig dilatiert. Er wurde nun über die Sonde gespült und reponiert. Die Milz war V-förmig abgeknickt und geringgradig vergrößert. Da die Pulsation des Organs vorhanden war und Schäden nicht zu sehen, wurde es reponiert. In der Bauchnaht wurde der Magen an der pars pylorica auf ca. 5cm mit 0-er Polysorb fortlaufend eingenäht, der Rest der Bauchnaht wurde mit Einzelheften verschlossen. Die Bauchdeckenentspannungsnaht wurde fortlaufend ebenfalls mit 0-er Polysorb durchgeführt. Subcutis und Fett wurden jeweils fortlaufend mit 2,0 Monocryl und die Hautnaht in Einzelheften mit 2,0 Monosot ausgeführt. Alternativ zur hier durchgeführten Linea-alba-Gastropexie als Rezidivprophylaxe gibt es verschiedene andere Maßnahmen. Man unterscheidet in solche die eine Drehung verhindern sollen, wie verschiedene Formen der Gastropexie, Kathetergastromie und solche die eine Magenerweiterung verhindern sollen und das Ziel haben, die Magenpassage zu beschleunigen, wie die Pyloromyotomie und Pyloroplastik. Die Drehung verhindernde Maßnahmen haben die beste Prognose, gelegentlich werden Vertreter beider Verfahren miteinander kombiniert. Ferner sollten die Fütterungsgewohnheiten geändert werden. Am 15.05.1999 bekam "Eike" 250mg Solodecortin, 3 Infusionen mit 500ml Thomaejonin Vollelektrolytlösung sowie 9ml Ampicillin. Am 16.05.1999 war das Abdomen o.b.B., es wurden wieder 3 Infusionen Thomaejonin mit 7ml Ampicillin gegeben, der Patient hat sich jedoch des Verweilkatheters entledigt, so daß zwar ein neuer Katheter am anderen Unterarm gelegt, auf eine weitere Infusion aber verzichtet wurde. Am 17.05.1999 waren Abdomen und Naht o.b.B, es wurden zweimal 7ml Ampicillin s.c. verabreicht und Wasser zur Tränke gegeben. Am 18.05.1999 waren Abdomen und Naht o.b.B., die Antibiose wurde abgesetzt und Suppe gefüttert. Prognose Ein kritischer Zeitpunkt ist die 5. Stunde nach Beginn der Magendrehung; davor operierte Tiere haben die besten Überlebenschancen. Rezidive sind mit 40 bis 50% überaus häufig, können aber durch prophylaktische Möglichkeiten erheblich gesenkt werden. Für die Magendrehung wird eine Mortalitätsrate in der Literatur mit 30 bis 60% angegeben; sie nimmt mit der Dauer der Erkrankung und dem Umfang der Magenwandnekrose zu und ist dann um so höher, je größer der zu resizierende Magenwandanteil ist. Bei der Kardianekrose ist zur Euthanasie zu raten. Da die Hündin "Eike" sehr frühzeitig überwiesen wurde, weder Milz noch Magenwand resiziert werden mußten und eine Gastropexie als Rezidivprophylaxe durchgeführt wurde ist die Prognose hier günstig. Ob der dilatierte Oesophagus sekundär durch die Torsio ventriculi entstanden ist oder primär bestand ist vom Haustierarzt abzuklären. Um was es sich bei der Umfangsvermehrung an dem Mammarkomplex handelt sollte der Haustierarzt ebenfalls untersuchen, da Mammatumore oder Milchsterne bei sehr früh kastrierten Hündinnen ungewöhnlich sind.