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Bischöfliches Gymnasium
Lange Gasse 2, 8010 Graz
Die dunkle Seite des Universums
Fachbereichsarbeit aus Physik
Vorgelegt bei Mag. Josef Preiß
Von Stefan Huber
8.B. Klasse
Schuljahr 2002/2003
Vorwort
3
Vorwort
Schon früh in meiner Schullaufbahn war ich von den einfachen, klaren Gesetzen und Regeln, die
den komplexen Systemen der Natur zugrunde liegen, beeindruckt und entschloss mich daher
mein Interesse mehr in den Rahmen der Naturwissenschaft zu stellen. Als ich dann von der
Möglichkeit einer Fachbereichsarbeit erfuhr, lenkten mich meine Überlegungen für ein
mögliches Thema immer weiter in Richtung der Physik, welche mich dann am Ende durch ihre
analysierenden Denkmethoden gänzlich in ihren Bann zog.
Schon immer hatte mich der Sternenhimmel fasziniert, was mich schließlich auch dazu bewegte
mein Thema im Bereich der Kosmologie zu suchen. Nirgendwo hat der Mensch eine ähnlich
schmerzliche Verdrängung aus dem Zentrum der ganzen Welt erfahren als in der Kosmologie.
Und diese Vertreibung des Menschen aus der Mitte des Universums fand ihren Höhepunkt in der
Forderung einer neuen Form von Materie und Energie, der Dunklen Materie und der Dunklen
Energie. Das Thema war damit klar, ich beschloss über die dunkle Seite des Universums zu
schreiben.
Großes Interesse und Engagement fand ich auch bei meinem Lehrer und Betreuer, Herrn Mag.
Josef Preiß, dem ich an dieser Stelle für seine bereitwillige Unterstützung danken möchte.
Stefan Huber, Graz am 13.12.2002
Inhaltsverzeichnis
4
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
3
Inhaltsverzeichnis
4
1.
5
Einleitung
2.
Die Entwicklungsgeschichte der Kosmologie und die Urknalltheorie
2.1.
2.2.
2.3.
2.4.
Vom Mythos zum Logos
Das kopernikanische Weltbild
Die Expansion des Universums
Der Urknall: Das Standardmodell der Kosmologie
3.
Indizien für Dunkle Materie
3.1.
3.2.
3.3.
Auftretende Probleme im Standardmodell der Kosmologie
Zu hohe Geschwindigkeiten
Die kritische Dichte
4.
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
4.1.
4.2.
4.3.
4.4.
Baryonische Materie
HDM: Heiße Dunkle Materie
CDM: Kalte Dunkle Materie
Dunkle Energie
5.
Das Ende
5.1.
5.2.
5.3.
Die experimentelle Suche nach Dunkler Materie
Die Alternative: MOND
Das Ende des Universums
30
32
33
6.
Zusammenfassung
36
7.
Literaturverzeichnis
37
8.
Begleitprotokoll zur Entstehung der Fachbereichsarbeit
38
6
7
8
10
12
15
17
20
22
23
28
Einleitung
5
1. Einleitung
Die kosmologische Forschung hatte in den letzten Jahren zu einigen neuen und unerwarteten
Erkenntnissen geführt: Wenn unsere bisherigen Modelle der Welt stimmen sollten – und nichts
sprach dagegen – dann musste das Universum weit mehr Materie beinhalten als bisher
angenommen. Und diese Materie sollte nicht nur die Dichte des Universums drastisch erhöhen,
sondern auch in ihrer Erscheinungsform gänzlich allem widersprechen, was menschliche Augen
bisher gesehen hatten: Die Idee der Dunklen Materie (und der Dunklen Energie) war geboren.
Mit diesen Themen der modernen Kosmologie habe ich mich in der folgenden Arbeit näher
auseinandergesetzt. Dabei habe ich mit einer kurzen Einführung in die lange Geschichte der
Lehre vom Kosmos begonnen um dem Leser den Einstieg in die kosmologischen
Fragestellungen zu erleichtern. Dieser kurze Exkurs in die Vergangenheit führt dann direkt zum
heute relativ gesicherten Urknallmodell, welches wiederum die Indizien für die neuartige
Materieform liefert. Der zweite Teil der Arbeit soll klären, wofür überhaupt eine neue Form der
Materie benötigt wird, während der dritte Teil einen kleinen Einblick in das weite Feld der
möglichen Erscheinungsformen bietet. Am Ende der Arbeit steht ein Ausblick in die ferne
Zukunft des Universums, die ja auch durch die Auswirkungen der Dunklen Materie, vor allem
durch die Wirkung ihrer Masse, mitbestimmt wird.
Gleichzeitig zieht sich aber noch ein anderer Aspekt wie ein roter Faden durch die Arbeit, ein
Aspekt, der mir persönlich äußerst interessant erscheint: Es ist die immer stärker werdende
Verdrängung des Menschen aus dem Zentrum der Welt. Wo er am Anfang die Mitte einnahm,
steht er am Ende ganz am Rande, und zwar nicht nur räumlich. Selbst die Bausteine unseres
Lebens, die Formen unserer bekannten Materie, sind in der Gesamtheit des Universums nur ein
sehr kleiner Teil eines übermächtigen Ganzen.
Ich möchte mit dieser Arbeit einerseits einen kleinen Einblick in das Wesen der modernen
Kosmologie geben, aber andererseits auch den Menschen in seiner Bedeutung (zumindest aus
kosmologischer Sicht) ein wenig durchleuchten.
Die Entwicklungsgeschichte der Kosmologie und die Urknalltheorie
6
2. Die Entwicklungsgeschichte der Kosmologie und die Urknalltheorie
2.1.
Vom Mythos zum Logos
Seit jeher kreisen die Gedanken der Menschheit um die Entstehung und Beschaffenheit ihrer
Welt und auch um ihre Position in dieser. In zahlreichen Mythen und Geschichten versuchten die
Menschen Antworten auf diese Fragen zu geben. So wird die Entstehung der Welt in einem
babylonischen Schöpfungsepos auf den Kampf zweier Götter zurückgeführt, wobei der Sieger
die Welt aus dem Körper des Besiegten erschuf. 1 In anderen Erzählungen existiert unsere Welt
nur aufgrund der Lust eines Götterwesens etwas zu erschaffen, und chinesische Mythen
berichten wieder von der Entstehung der Welt aus dem großen „Einssein“, dem unklaren,
gestaltlosen Etwas, das den Raum vor der Zeit ausfüllte. 2
All diese Mythen und Erzählungen erzählen auf beeindruckende und phantasievolle Weise vom
Anbeginn der Zeit. Sie alle versuchen zu erklären warum wir genau in der Welt leben, die wir
täglich um uns herum beobachten; sie stellen Erklärungsversuche dar, die uns zeigen sollen,
woher wir kommen und warum es uns gibt. So waren es auch in der griechischen Mythologie
Götter, die das Leben und Wirken der Menschen von oben her bestimmten und lenkten.
Und dieselben Griechen waren es, die sich mit ihrem Verstand und ihrer Philosophie diesem
Diktat durch die Götter zu widersetzen begannen und die Welt ihrer eigenen Logik unterwarfen.
Sie waren der Meinung, dass man die Welt und ihre Struktur durch Denken begreifen könne und,
dass sie sich durch handfeste Gesetze beschreiben ließe. Sie nahmen Abstand von der Welt der
Mythologie und gründeten ihre neuen Weltbilder auf der Festigkeit ihres Verstandes, aber
manchmal auch, wie wir sehen werden, auf der Basis ihrer Voreingenommenheit und ihres
Stolzes.
Der heute weithin bekannte griechische Philosoph Aristoteles versuchte als einer der ersten eine
Beschreibung der Welt und des Kosmos zu formulieren. Er schrieb den Himmelskörpern als
Zeichen ihrer Vollkommenheit eine Kugelgestalt und eine Kreisbewegung um die Erde zu. So
1
Vgl. James Trafil: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen
Materie. Hamburg: Rowohlt Verlag 1992, S.14f.
2
Vgl. Harald Fritzsch. Vom Urknall zum Zerfall. Die Welt zwischen Anfang und Ende. 5.Auflage.
München: Piper Verlag 2000, S.30.
Die Entwicklungsgeschichte der Kosmologie und die Urknalltheorie
7
räumte er dem Menschen die Position im Zentrum der Welt ein. Damit schuf er das
geozentrische Weltbild, welches in weiterer Folge von Claudius Ptolemäus weiterentwickelt und
verbessert wurde. Dieser griechische Astronom, der im zweiten Jahrhundert nach Christus in
Alexandria lebte, entwickelte dann auch die mathematische Grundlage für das Weltsystem. Aus
diesem Grund wird es auch als ptolemäisches Weltbild bezeichnet. Die nachfolgenden antiken
Astronomen waren in der Lage zu erkennen, dass die Himmelskörper sich nicht tatsächlich auf
Kreisbahnen bewegten. Diese von der Theorie beobachteten Abweichungen wurden mit
komplizierten Systemen von Ptolemäus erklärt. 3
Zur damaligen Zeit waren philosophische, gesellschaftliche und naturwissenschaftliche
Anschauungen noch sehr eng miteinander verwoben, was an zahlreichen Stellen erkenntlich wird
(siehe oben). Max Born schreibt über diese Eigenart der antiken Philosophen: „In diesem
Stadium der Erkenntnis ist die Erdoberfläche der ruhende, ewige Grund des Alls. Die Worte
„oben“ und „unten“ haben einen absoluten Sinn, und wenn dichterische Phantasie oder
philosophische Spekulation die Höhe des Himmels, die Tiefe des Tartarus abzuschätzen
unternehmen, so braucht die Bedeutung dieser Begriffe mit keinem Wort erläutert zu werden.
(...) Hier schöpft die naturwissenschaftliche Begriffsbildung noch ganz aus der Fülle der
subjektiven Gegebenheiten. Das nach Ptolemäus (...) benannte Weltsystem ist die
wissenschaftliche Formulierung dieses geistigen Zustandes.“ 4
Heraklit und Aristarch von Samos, zwei griechische Denker, die etwa zur gleichen Zeit wie
Aristoteles lebten, entwickelten die Idee eines heliozentrischen Weltbildes mit der Sonne im
Mittelpunkt, das sich allerdings im antiken Griechenland nicht behaupten konnte, stellte es doch
den Menschen zu sehr an den Rand des Kosmos. Die Erde sollte nun für ungefähr 1500 Jahre das
Zentrum der Welt sein.
2.2.
Das kopernikanische Weltbild
Durch die gute Verträglichkeit mit dem Christentum, das sich nach dem vierten Jahrhundert nach
Christus rasch in Europa ausbreitete, wagte niemand das geozentrische Weltbild anzuzweifeln,
geschweige denn sich ein anderes zu überlegen. Stellte dieses Weltsystem doch den Menschen
genau dorthin, wo man ihn so gerne sah, in den Mittelpunkt der Welt, Gottes Schöpfung. Erst im
3
Vgl. James Trafil: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen
Materie. Hamburg: Rowohlt Verlag 1992, S.14f.
4
Max Born: Die Relativitätstheorie Einsteins. 6.Auflage. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag 2001, S.8.
Die Entwicklungsgeschichte der Kosmologie und die Urknalltheorie
8
16. Jahrhundert hatte der von der Welt abgeschieden lebende Geistliche Nikolaus Kopernikus die
Idee für ein Weltsystem, in dem die Sonne den Mittelpunkt einnahm. Nachdem er diese Idee
auch mathematisch formuliert hatte, stellte sich heraus, dass all die Beobachtungen, die man
Nachthimmel tätigen konnte, logische Folgerungen des neuen Weltbildes waren und nicht mehr
den komplizierten Erklärungen des ptolemäischen Systems bedurften. Die kopernikanische
Lehre wurde später von Johannes Kepler und Galileo Galilei weiterentwickelt. Keplers Verdienst
war es, herauszufinden, dass sich die Planeten auf Ellipsen um die Sonne, die in einem der
Brennpunkte steht, bewegen. Galilei steuerte seine Prinzipien der Mechanik bei, die es dem
englischen Mathematiker und Physiker Isaac Newton ermöglichten das kopernikanische
Weltsystem zu vollenden. Ihm gelang es mit Hilfe der von ihm stammenden Gesetze der
Gravitation auch alle Abweichungen von Keplers Gesetzen, die inzwischen durch bessere
Beobachtungsmethoden entdeckt worden waren, zu erklären. Bis zu Einsteins Verfeinerungen
des Systems durch die allgemeine Relativitätstheorie zirka 200 Jahre später war Newtons
Mechanik vollkommen ausreichend, um alle Geschehnisse im Sonnensystem zu beschreiben. 5
Die kopernikanische Wende hatte auf gewisse Weise die Welt auf den Kopf gestellt. Bis dahin
war es für absolut notwendig gehalten worden, dass nichts anderes als die Erde, der Planet, auf
dem wir leben, im Mittelpunkt des Universums stehen könne. Kopernikus hatte den Menschen
aus seiner zentralen Rolle verdrängt und ihn als Bewohner eines vieler Trabanten um die Sonne
an den Rand gestellt. Gleichzeitig mit dem Platzwechsel von Erde und Sonne wurde es aber für
ein kopernikanisches Universum erforderlich viel größer zu sein als erwartet. Durch die Aufgabe
des Sphärengedankens der Griechen war es notwendig, die Sterne als weit entfernte Objekte zu
betrachten, als Objekte außerhalb unseres Sonnensystems. Das kleine, behagliche Universum der
Griechen mit dem Menschen im Mittelpunkt war gegen ein wesentlich größeres und leereres
ausgetauscht worden, in dem unsere Erde nur mehr einer von neun gewöhnlichen Planeten ist.
Aber auch dieses Weltbild sollte noch einige bedeutende Änderungen erfahren.
2.3.
Die Expansion des Universums
Nach der Erkenntnis, dass sich unser Sonnensystem in einem viel größeren Komplex befinden
musste, der aus vielen Sternen oder sogar Sonnensystemen bestand, was aus dem
kopernikanischen Weltbild hervorging, stellte sich den Astronomen des neunzehnten
Jahrhunderts eine weitere Frage: Gibt es noch weitere Galaxien wie die unsere? Ausgangspunkt
5
Vgl. ebda. S.10f
Die Entwicklungsgeschichte der Kosmologie und die Urknalltheorie
9
für die Debatte waren Beobachtungen von Objekten, die zu nebulos und zu groß für gewöhnliche
Sterne waren. Der eine Teil der Astronomen bevorzugte die Annahme, dass es sich bei diesen
Gebilden lediglich um Nebel innerhalb unserer Galaxie handle, während der andere Teil die
Meinung vertrat, dass es weitere „Welteninseln“ ähnlich unserer Galaxie seien. 6
1923 gelang es Edwin Hubble eine Antwort auf diese Frage zu geben. Er richtete sein Teleskop
auf einige Sterne in einer nahe gelegenen Galaxie aus, bestimmte deren Entfernung und zeigte,
dass diese bei weitem größer war als die Ausdehnung unserer eigenen Galaxie. Die Debatte
wurde trotz allem aber nicht allein zugunsten derer entschieden, die auf weitere Galaxien
geschlossen hatten, denn nicht alle der damals fragwürdigen Objekte waren in diese Kategorie
einzuordnen, einige unter ihnen waren in der Tat interstellare Nebel unserer Galaxie. 7
Die Wichtigkeit dieser Entdeckung ist unbestreitbar, doch war es nicht die einzige, die Hubble
durch seine Beobachtungen machte und diese zweite Entdeckung sollte unsere Vorstellung der
Welt vollständig verändern. Hubble entdeckte, dass sich alle Galaxien, mit Ausnahme einiger
sehr weniger, die sehr nahe zu uns liegen, von uns fortbewegen; und dass ihre Geschwindigkeit
proportional zur Entfernung zunehme, dass heißt, je weiter entfernt eine Galaxie, desto schneller
eilt sie von uns fort.
8
Allerdings heißt das nicht, dass unsere Galaxie einen Sonderstatus im
Universum einnimmt, weil sich alle anderen Galaxien von ihr als Zentrum fortbewegen. Viel
mehr ist es das gesamte Universum, das sich ausdehnt, ähnlich einem Kuchen, der aufgeht,
wodurch sich alle Galaxien voneinander fortbewegen und umso schneller, je weiter sie
auseinander liegen. Eine direkte Folge von Hubbles Entdeckung der Expansion des Universums
war die Überlegung, dass alle diese Galaxien früher einmal näher aneinander gelegen haben
mussten. Damit war der Grundstein für die Urknalltheorie gelegt.
Damit sich aber die Urknalltheorie gegen die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts viel
beliebtere Theorie eines statischen Universums durchsetzen konnte, bedurfte es einer weiteren
Entdeckung: Die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung, die Arno A. Penzias und
Robert W. Wilson in den sechziger Jahren gelang. Die zwei Radioastronomen verzeichneten ein
beachtliches Rauschen bei der Wellenlänge von 7,35 cm, was einer Äquivalent-Temperatur von
ungefähr 3,5 Grad Kelvin entspricht. Interessant an der Entdeckung war, dass die Intensität des
Rauschens weder von Tageszeit oder Jahreszeit noch von der Richtung, in die sie die Antenne
6
Vgl. James Trafil: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen
Materie. Hamburg: Rowohlt Verlag 1992, S.32ff
7
Vgl. ebda. S.45.
8
Vgl. Steven Weinberg: Die ersten drei Minuten. Der Ursprung des Universums. 4. Auflage. München:
Piper Verlag 1977, S.35f
Die Entwicklungsgeschichte der Kosmologie und die Urknalltheorie
10
ausrichteten, abhängig war. Es konnte sich also nicht um ein Störgeräusch von der Erde handeln,
und musste seinen Ursprung in einem sehr großen Ausschnitt des Himmels finden.9
Penzias und Wilson selbst erkannten die kosmologische Bedeutung ihrer Entdeckung noch nicht
vollständig, aber als auch andere Wissenschaftler von der Entdeckung erfuhren, schloss man
schnell auf eine Verbindung der neuen Entdeckung und der bereits vorhandenen Urknalltheorie,
die nur auf eine experimentelle Bestätigung wartete. Die Kosmologen gingen davon aus, dass
das Universum in seinen Anfängen von einer gewaltigen Strahlung erfüllt gewesen war, welche
die Bildung von schwereren Elementen als Wasserstoff und Helium verhinderte, womit deren
Häufigkeit im heute beobachteten Universum erklärt wurde. Durch die größere Dichte des frühen
Universums war diese Strahlung auch viel heißer als heute, und mit der von Hubble
nachgewiesenen Expansion kühlte sich auch diese Strahlung immer mehr ab. Nach weiteren,
bestätigenden Experimenten stand außer Frage, dass es sich mit der Entdeckung von Penzias und
Wilson um besagte Strahlung handeln musste. 10
Man hatte nun endlich eine wissenschaftliche Basis, um nach dem Ursprung des Universums zu
fragen. Womit sich früher Mythen und Legenden beschäftigt hatten, damit beschäftigt sich nun
die moderne Kosmologie. In ihr stellen sich wieder die Fragen nach Ursprung der Welt und
damit unserer Existenz, und die Frage, warum wir genau diese Welt beobachten und nicht
irgendeine andere. Das erste Modell, das die Geschichte des Kosmos eingehend beschreibt ist
besagte Urknalltheorie, auch genannt das Standardmodell der Kosmologie.
2.4.
Der Urknall: Das Standardmodell der Kosmologie
Das Modell einer Urexplosion, eines Urknalls, aus dem die Welt, wie wir sie kennen, entstanden
ist, ist bereits in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts aufgegriffen worden. Zu Anfang gab
es noch einen starken Widerstand gegen die Theorie, der aber mit der Entdeckung Hubbles und
der von Penzias und Wilson in den 60er Jahren schließlich gebrochen wurde. Die Theorie setzte
sich durch und ist heute weitgehend anerkannt, weshalb sie auch als Standardmodell bezeichnet
wird. Sie beschreibt das Universum fast von seinem Anfang bis heute, wobei zu beachten ist,
dass sie umso spekulativer wird, je weiter man in der Zeit zurückgeht. Man kann sich eine
leichte Regel merken: Je jünger das Universum, desto dichter und heißer ist es. 11
9
Vgl. ebda. S.58ff
10 Vgl. ebda. S.63f
11 Vgl. James Trafil: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen
Materie. Hamburg: Rowohlt Verlag 1992, S.52
Die Entwicklungsgeschichte der Kosmologie und die Urknalltheorie
11
Im weiteren wird es notwendig sein die Zeit nach dem Anfang in Abschnitte einzuteilen, die sich
aus dem natürlichen Ablauf der Dinge ergeben. Eine gleichmäßig chronologische Beschreibung
des Prozesses wäre wenig sinnführend, da es im jüngeren Universum turbulenter zuging und die
anfänglichen Ereignisse ansonsten zu kurz kommen würden.
1.) 10
–43
Sekunden (alle Zeitangaben beziehen sich auf die jeweilig vergangene Zeit nach der
Urexplosion):
Was vor dieser Zeit geschah bleibt selbst in den kühnsten Träumen der Extremphysiker unklar;
darum gibt es für die Zeit vor den berühmten 10
–43
Sekunden auch keine brauchbare
Beschreibung. Es stellt sich die Frage ob es diese jemals geben wird oder sich der absolute
Anfang immer unseren Blicken entziehen wird.
Im Zeitraum der Überschrift aber trennte sich die Gravitationskraft von den anderen drei
Grundkräften, der starken und schwachen Wechselwirkung und der elektromagnetischen Kraft.
Man nimmt an, dass zuvor alle vier Grundkräfte miteinander in einer einzigen Kraft vereint
waren (höchste Symmetrie). Das Universum ist von einer heißen Ursuppe von Elementareilchen,
wie Quarks und Leptonen (z.B.: Elektronen) erfüllt.
2.) 10 –35 Sekunden:
Die starke Wechselwirkung trennt sich von der elektroschwachen Kraft, der Verbindung aus
schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung. Die Leptonen und Quarks entsprechen in
ihrer Form bereits den heutigen Teilchen.
3.) 10 –10 Sekunden:
Auch die letzten zwei Kräfte trennen sich auf. Die vier Grundkräfte sind jetzt in ihrer heutigen
Form vorhanden. Dieser Zeitpunkt ist auch bereits in Laboratorien überprüfbar; in großen
Teilchenbeschleunigern können Energien erzeugt werden, die denen zu jenem Zeitpunkt
entsprechen.
4.) 10 –5 Sekunden:
Zu diesem Zeitpunkt vereinigten sich die Quarks zu den Elementarteilchen.
5.) Drei Minuten:
Leichte Atomkerne werden gebildet, wie Deuterium, Helium und Lithium. Alle schwereren
Kerne entstehen erst später in den Kernreaktionen der Sterne.
6.) 100000 Jahre:
Aus Elektronen und Atomkernen beginnen sich Atome zu bilden. Das Universum erreicht bis
ungefähr eine Million Jahre nach dem Beginn des Urknalls die heutige Zusammensetzung. 12
12 Vgl. ebda. S.60ff
Indizien für Dunkle Materie
12
3. Indizien für Dunkle Materie
3.1.
Auftretende Probleme im Standardmodell der Kosmologie
Natürlich geht das Standardmodell in seiner eigentlichen Form viel gründlicher auf Details wie
Dichte- oder Temperaturwerte zu den verschiedenen Zeiten ein, aber die hier sehr kurz gefasste
Beschreibung genügt vollauf, um das Thema der Arbeit ausreichend zu behandeln. Die
Urknalltheorie wirkt an sich sehr schlüssig und gut durchdacht, doch weist sie an einigen Stellen
Mängel auf, die nicht einfach übersehen werden können. Diese Mängel sind es auch, die im
weiteren Verlauf der Kosmologie zur Entstehung der Idee von Dunkler Materie führten.
Die Aufgabe der Kosmologie ist es nicht nur eine x-beliebige Theorie für die Entstehung der
Welt zu entwickeln, sondern diese auch mit den heutigen Beobachtungen in Einklang zu bringen.
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns, bevor wir näher auf besagte Mängel eingehen, ein
genaueres Bild von der großräumigen Struktur unseres Universums machen. Was schnell durch
Beobachtung des Himmels erkannt werden kann, ist, dass sich die sichtbare Materie zu
Formationen zusammenballt. Die Sterne bilden Galaxien, die Galaxien bilden Galaxienhaufen,
die Haufen bilden wieder Superhaufen. Zwischen diesen Ansammlungen von Materie sind
immer wieder weitläufige Leerräume zu beobachten, in denen sich nur sehr wenig Materie
befinden kann. Das Standardmodell der Kosmologie hat somit die Aufgabe, auch diese
Strukturen zu erklären, und bereits dort tauchen die ersten Probleme auf. 13
Das Universum war in seinen Anfängen aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt: Materie und
Strahlung. Zwischen diesen zweien gab es starke Wechselwirkungen, die mit der Zeit immer
schwächer wurden, wofür die verschiedenen Entkoppelungsprozesse, wie zum Beispiel die
Entkoppelung der starken von der elektroschwachen Kraft (siehe oben), verantwortlich waren.
Licht beispielsweise wechselwirkt gerne mit geladenen Teilchen, wie sie vor der Bildung der
Atome in großen Mengen vorhanden waren. In diesem Fall ist es besser sich Licht als
Teilchenstrom zu vergegenwärtigen und nicht als Welle. So kann man sich vorstellen wie
Photonen, die Lichtteilchen, immer wieder mit den übrigen Teilchen zusammenstoßen, und sie
so daran hindern, sich zu größeren Strukturen zusammenzuballen. Das wiederum heißt, dass sich
13 Vgl. ebda. S68.
Indizien für Dunkle Materie
13
keine großräumigen Strukturen bilden konnten, bevor sich nicht die geladenen Elektronen und
Protonen zu neutralen Atomen verbunden hatten, da dann die Strahlung nicht mehr so stark mit
der Materie wechselwirken kann. Diesen Vorgang nennen die Kosmologen auch die
Entkoppelung der Strahlung, die etwa im Zeitraum von 100000 Jahren bis eine Million Jahre
nach der Urexplosion vonstatten ging. So konnten sich Strukturen wie Galaxien erst innerhalb
der zweiten Hälfte dieses Zeitraumes zusammenballen. 14
Diese Überlegung führt bereits zu einem großen Mangel im Standardmodell. Dieser Mangel
folgt aus der Betrachtung der Wirkung der Gravitation im frühen Universum. Die Gravitation ist
die Kraft, die zwei Massen dazu veranlasst sich gegenseitig anzuziehen. Wenn man annimmt,
dass die gesamte Materie im Universum völlig gleichmäßig verteilt gewesen wäre, würde es
dennoch im Verlauf seiner Geschichte zu leichten Dichteschwankungen an gewissen Stellen
kommen. Das würde eine Massenkonzentration bewirken, die wiederum eine größere Anziehung
auf die umliegende Materie bewirkt, so dass es von selbst zu einer Zusammenballung von
Materie kommt. Das scheint sehr gut mit unseren Beobachtungen von Galaxien und
Galaxienhaufen zusammenzupassen, hat aber einen Haken. Man darf nicht vergessen, dass das
Universum ständig expandiert. Berechnungen zeigen schnell, dass die Gravitationskraft nicht
ausgereicht
hätte
um
in
oben
beschriebenem
Zeitrahmen
Materie
schnell
genug
zusammenzuziehen, bevor sie von der Expansion zu weit auseinander getrieben worden wäre.
Das heißt, dass sich nach der Entkoppelung von Materie und Strahlung Strukturen hätten bilden
können, wenn nicht die Expansion die Materie zu weit verstreut hätte. 15
Wir beobachten aber heute Galaxien und dergleichen Strukturen im Universum, folglich muss
irgendetwas anders geschehen sein als bisher gedacht. In den sechziger und siebziger Jahren
entwarfen daraufhin die Kosmologen Theorien, um das Problem zu lösen. Sie postulierten
Turbulenzen, die sich in dem chaotischen Gemisch aus Materie und Strahlung ohne Zweifel
gebildet haben würden, die Materiewirbel erzeugten, die schnell genug Materie rund um sich
ansammeln konnten, um Verdichtungen zu erreichen, die den heute beobachteten Galaxien
entsprechen. Diese Wirbel würden sich exakt in dem Zeitrahmen gebildet haben, der ausreichte,
um Materieverdichtungen in Galaxiengröße zu ermöglichen. Diesen Theorien galten nicht nur
als sehr unwahrscheinlich, sie lösten auch keineswegs das Problem. Sie formulierten nur die
Frage anders: Zuvor hatte man gefragt, warum wir Strukturen der leuchtenden Materie im
heutigen Universum beobachten, nach der Formulierung der Turbulenz- Theorien fragte man,
warum es im frühen Universum zur Entstehung gerade dieser Wirbel gekommen war. Die Idee
14 Vgl. ebda. S.70ff
15 Vgl. ebda. S.73f
Indizien für Dunkle Materie
14
erwies sich als Irrweg und die Theorien wurden in den siebziger Jahren aufgegeben. 16
Man suchte also nach anderen Lösungen für das Problem und entwarf dafür das isotherme
Modell, wonach zur Zeit der Entstehung der Atome zumindest überall im Universum die
Temperatur gleich war, denn die Strahlung habe sich ungeachtet der Materie gleichmäßig
verteilt. Aus dieser Annahme würde folgen, dass sich langsam Materie an verschiedenen Stellen
in unterschiedlichem Ausmaß zusammenballen würde. Jedoch gibt es auch hier wieder ein
Problem: Es bleibt einfach nicht genug Zeit für einen gemächlichen Aufbau der großräumigen
Strukturen unseres Universums, wie er aus dieser Annahme hervorgehen würde. 17
Da sich auch dieser Denkansatz als Irrtum erwies, nahm man einfach das Gegenteil an, dass
nämlich die Strahlung nicht gleichmäßig im Universum verteilt gewesen war. Überall dort, wo
es eine Materiekonzentration gegeben hätte, wäre auch eine Strahlungskonzentration zu
bemerken gewesen. Das aber führt zu einem Widerspruch mit einer Beobachtung, die uns selbst
auf das Modell des Urknalls hin verwiesen hat, mit der Beobachtung der kosmischen
Hintergrundstrahlung. Denn diese erscheint, wie oben dargelegt, in allen Himmelsrichtungen mit
derselben Intensität, woraus wir schließen können, dass diese Strahlung sehr gleichmäßig im
Universum verteilt gewesen war, als sie sich von der Materie entkoppelte. 18
All das weist darauf hin, dass irgendetwas im Standardmodell der Kosmologie fehlt, denn wie
sonst erklären wir uns die Entstehung von Galaxien oder Galaxienhaufen, geschweige denn die
riesigen Leerräume zwischen ihnen.
Eine korrekte Theorie des Urknalls muss diese Beobachtungen in einem expandierenden
Universum erklären können. Ein sehr naheliegender Gedanke ist nun der, dass irgendetwas eine
Materieverdichtung schon vor der Entkoppelung der Strahlung verursacht hat. Und dieses
irgendetwas muss die Eigenschaft besitzen, dass es nicht mit der Strahlung wechselwirkt, denn
sonst hätte es sich nicht, wie die leuchtende Materie, verdichten können.
Die Kosmologie geht hier also den umgekehrten Weg: Sie kennt das heutige Erscheinungsbild
des Universums und schließt daraus auf frühere Vorgänge, die es zu dem machten, was es ist.
Aber außer den bisher besprochenen Unstimmigkeiten im Standardmodell gibt es noch andere
Denkansätze, die uns zum selben Resultat zu führen scheinen.
16 Vgl. ebda. S.76f
17 Vgl. ebda. S.77f
18 Vgl. ebda. S.79
Indizien für Dunkle Materie
3.2.
15
Zu hohe Geschwindigkeiten
Der Ausdruck Fixstern kann den Laien leicht in die Irre führen, scheint dieser Ausdruck ja eine
Bewegungslosigkeit zu postulieren; in Wahrheit aber bewegt sich auch unsere Sonne um den
Mittelpunkt der Milchstraße, die Galaxie rotiert. Auch diese Rotationen werden von Astronomen
beobachtet und analysiert. Einige interessante Aspekte haben sich in den letzten Jahren aus
diesen Beobachtungen ableiten lassen.
Die Astronomen erwarteten sich Ähnlichkeiten zwischen den bekannten Bewegungen der
Planeten im Sonnensystem und den Bewegungen der verschiedenen Sterne und Gaswolken in
Galaxien. Doch ihre Erwartungen wurden nicht erfüllt. Um näher auf das Problem eingehen zu
können müssen zuerst drei Formen von Rotation unterschieden werden.
1.) Die Rotation eines starren Körpers: Beobachtet man beispielsweise die Drehung einer
Schallplatte, so erkennt man schnell, dass sich ein von der Mitte weiter entfernter Punkt
schneller bewegt als einer, der der Mitte näher ist. Das ergibt sich aus der starren Konstruktion
der Scheibe: ein äußerer Punkt muss einen längeren Weg gleich schnell wie ein innerer
zurücklegen.
2.) Die Rotation der Planeten im Sonnensystem: Merkur, der sonnennächste Planet, braucht für
einen Umlauf um die Sonne 88 Erdentage, während die Erde dafür bekanntlich 365 Tage
beansprucht. Dieser Unterschied ist jedoch nicht allein mit der längeren Umlaufbahn der äußeren
Planeten begründet, sondern auch mit einer langsameren Geschwindigkeit dieser.
3.) Die Rotation von Sternen um das Galaxienzentrum: In einer Spiralgalaxie brauchen
entferntere Sterne und Gaswolken ebenfalls länger für einen Umlauf als dem Zentrum nähere
Objekte, im Gegensatz zur Rotation der Körper unseres Sonnensystems ändert sich ihre
Geschwindigkeit nicht. Unabhängig von ihrer Lage und ihrer Entfernung vom Zentrum der
Spiralgalaxie bewegen sich Sterne mit derselben Geschwindigkeit. 19
Bis heute ist in keiner Galaxie eine sonnensystemähnliche Rotation beobachtet worden; das ist
eine wichtige Tatsache, wenn wir bedenken, dass die Rotationsgeschwindigkeit in engem
Zusammenhang mit der Gravitationskraft steht. Je weiter ein Himmelskörper von einer großen
Materieansammlung entfernt ist, desto schwächer wirkt die anziehende Gravitationskraft auf ihn
und desto langsamer würde er um das Materiezentrum rotieren.
19 Vgl. John Gribbin. Martin Rees: Ein Universum nach Maß. Bedingungen unserer Existenz. Frankfurt am
Main und Leipzig: Insel Verlag 1994, S.138.
Indizien für Dunkle Materie
16
Nun sind aber keine langsameren Geschwindigkeiten von Himmelskörpern in Galaxien zu
beobachten, selbst wenn sie 150000 oder 200000 Lichtjahre vom Zentrum der leuchtenden
Materie (also der Materie, von der uns das meiste sichtbare Licht erreicht) entfernt sind. Es muss
also auch in den Außenzonen und noch weit außerhalb der Spiralarme einer Galaxie genügend
Materie vorhanden sein um die Rotationsgeschwindigkeiten der Sterne und Gaswolken in diesen
Bereichen zu bewirken. Hier taucht zum ersten Mal ein wichtiger neuer Grundsatz der
Astronomie auf, den James Trefil folgendermaßen formulierte: „Die Emission von Licht oder
anderer Strahlung aus einer bestimmten Region steht in keinem Zusammenhang mit der
Anwesenheit von Materie in dieser Region.“ 20
Der Großteil der Materie einer Galaxie bleibt zwar für unsere Instrumente unsichtbar, aber
aufgrund ihrer Auswirkung auf die Rotationsgeschwindigkeiten der Himmelskörper kann davon
ausgegangen werden, dass es sie gibt. Diese Geschwindigkeiten ermöglichen es sogar ihren
Anteil an der Galaxienmasse zu schätzen; der Anteil der unsichtbaren Masse ist mindestens
zehnmal so groß wie der Anteil der sichtbaren Masse. Das heißt, dass mindestens 90 Prozent der
Masse einer Galaxie aus einer Form von Materie besteht, die wir nicht beobachten können, da sie
keinerlei Strahlung abgibt und die bis vor einigen Jahren von Astronomen und auch Kosmologen
nicht einmal vermutet worden war. 21
Außer diesen Rotationsgeschwindigkeiten in Galaxien sorgten noch andere Geschwindigkeiten
für Aufregung unter Astronomen und Kosmologen: Die Geschwindigkeiten der einzelnen
Galaxien in Galaxienhaufen.
Auch hier gibt es wieder einen engen Zusammenhang mit der Gravitationskraft. Wenn man die
Masse eines Galaxienhaufens kennt, kann man die Geschwindigkeit berechnen, mit der sich eine
Galaxie bewegen müsste, um die Gravitation zu überwinden und den Haufen zu verlassen. Ein
Analogon dazu gibt es auch im Bezug auf die Erde: Die Geschwindigkeit, die eine Rakete
mindestens benötigt, um dem Gravitationsfeld der Erde zu entkommen, nennt man
Fluchtgeschwindigkeit. Beobachtungen von Galaxien haben ergeben, dass die meisten von ihnen
die Fluchtgeschwindigkeit, um dem Galaxienhaufen zu entkommen, überschreiten, sofern die
leuchtende Materie den einzigen Lieferanten von Masse darstellt. Die verschiedenen
Galaxienhaufen drohen also zu zerfallen. 22
Es gibt nun zwei mögliche Deutungen für diesen Sachverhalt. Einerseits könnte man behaupten,
20 James Trafil: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen Materie.
Hamburg: Rowohlt Verlag 1992, S.103.
21 Vgl. ebda. S.109f
22 Vgl. ebda. S.112f
Indizien für Dunkle Materie
17
dass sich die Galaxienhaufen wirklich gerade im Zerfallsstadium befinden und die
Beobachtungen daher zufällig in diesem Moment stattfinden. Aber dieses Argument scheint auf
sehr wackeligen Beinen zu stehen, konfrontiert mit der Tatsache, dass diese „zu hohen
Geschwindigkeiten“ in vielen Galaxienhaufen auftreten. Es wäre ein gewaltiger Zufall, dass die
meisten dieser Haufen sich so entwickelt haben, dass sie gerade jetzt auseinanderbrechen.
Andererseits könnte man wieder von einer bisher unentdeckten Form von Materie ausgehen, die
genug Masse besitzt, um die Galaxien mit Hilfe der Gravitationskraft zurückzuhalten. Diese
zweite Interpretation ist inzwischen weithin von Astronomen und Kosmologen akzeptiert. 23
Es scheint also vieles für die Anwesenheit einer bisher unbekannten Form von Materie zu
sprechen, der sogenannten Dunklen Materie. Allerdings gibt es noch ein weiteres wichtiges Indiz
für ihre Existenz.
3.3.
Die kritische Dichte
Hubble beobachtete die Expansion des Universums. Aus dieser Beobachtung folgte das
Urknallmodell, das den Beginn der Welt anschaulich beschreibt. Infolgedessen stellte sich den
Kosmologen nun eine weitere Frage: Wie wird die Zukunft des Universums aussehen?
Das endgültige Schicksal des Universums hängt im Grunde genommen lediglich von einer
Größe ab, der kritischen Dichte. Gravitation ballt Materie zusammen; die Galaxien entfernen
sich aber voneinander; die Gravitation ist abhängig von der Menge der vorhandenen Materie,
von der Materiedichte. Ist diese Dichte in unserem Universum größer als ein bestimmter Wert,
der Wert der kritischen Dichte, dann reicht die Gravitation aus die Expansion zu stoppen und die
Galaxien wieder kollabieren zu lassen. In diesem Fall würde es ähnlich dem Urknall einen
sogenannten Endknall geben, man spricht dann von einem geschlossenen Universum. Ist die
Materiedichte kleiner als die kritische Dichte, dann kann die Gravitation die Expansion zwar
noch verlangsamen, aber nie mehr aufhalten, das Universum würde sich ewig ausdehnen, man
spricht von einem offenen Universum. Die dritte Möglichkeit wäre, dass die Materiedichte genau
der kritischen Dichte entspricht: Das Universum würde dann im Unendlichen zum Stillstand
kommen, man spricht von einem flachen Universum. (Im Moment scheint entgegen diesen drei
Möglichkeiten, die sich aus der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins ergeben, alles auf eine
beschleunigte Expansion des Universums hinzuweisen, doch dazu mehr in Kapitel 4.4.) Die
Kosmologen wüssten gerne welchen Wert die tatsächliche Materiedichte einnimmt, nehmen aber
23 Vgl. ebda. S.113
Indizien für Dunkle Materie
18
aus folgenden Gründen an, dass sie sich im sehr nahen Bereich um die kritische Dichte befinden
muss. 24
Es gibt zwei interessante Aspekte im Zusammenhang mit der kritischen Dichte am
Urknallmodell. Der erste lässt sich am einfachsten mit dem Beispiel eines auf der Spitze
stehenden Bleistiftes erklären. Steht der Bleistift genau auf der Spitze wird er nicht umfallen, ist
er jedoch nur ganz leicht auf eine Seite geneigt, wird er sehr schnell seine stabile Lage verlieren
und umfallen. Um dies nun mit der kritischen Dichte in Verbindung zu bringen ist es wichtig
eine neue Größe einzuführen, Omega. Dieses Omega bezeichnet das Verhältnis der tatsächlichen
Massendichte zur kritischen Dichte. Im Falle eines flachen Universums, das der stabilen Lage
des Bleistifts entspricht, wäre Omega genau 1. Physiker haben nun gezeigt, dass es sich mit
diesem Wert ähnlich verhält wie mit einem Bleistift, der nicht stabil auf seiner Spitze steht,
sondern leicht schräg geneigt ist: War der Wert von Omega am Beginn des Universums nur
etwas kleiner als 1, so würde er sehr rasch gegen Null gehen. War der Wert etwas größer als 1,
würde er sehr rasch unbegrenzt anwachsen. Berechnungen zeigten, dass die tatsächliche
Massendichte eine Sekunde nach dem Urknall mit einer Genauigkeit von 1:1015 mit der
kritischen Dichte übereingestimmt haben muss, damit es heute überhaupt noch ein Universum
wie unseres geben kann. Denn betrüge Omega beispielsweise 0,99999999999999, dann wäre die
tatsächliche Dichte im Universum sehr schnell auf einen vernachlässigbaren Wert geschrumpft
und Galaxien hätten sich niemals bilden können. Betrüge Omega dagegen 1,00000000000001,
so wäre das Universum bereits wieder kollabiert bevor sich Galaxien hätten bilden können. Die
Existenz von Galaxien verlangt also eine Übereinstimmung von 1:1015 zwischen der
tatsächlichen Materiedichte und der kritischen Dichte eine Sekunde nach dem Urknall. 25
Der zweite interessante Aspekt ergibt sich aus Alan Guths Inflationärer Theorie des Universums.
In Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie kommt die Gravitation als Kraft nicht vor. Viel
mehr verzerrt dort die Materie den Raum um sich herum und bewirkt so beispielsweise die Bahn
der Erde um die Sonne (eine genauere Erklärung der Theorie ist aus Platzmangel leider nicht
möglich). 26 Ist nun die tatsächliche Materiedichte größer als die kritische Dichte, krümmt sich
der Raum sozusagen in sich selbst zurück. Man kann sich analog dazu die Gestalt einer Kugel
vorstellen; an einem Ende steht der Urknall, am anderen der Endknall. Ist die tatsächliche Dichte
24 Vgl. Alan Guth: Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts. Die Theorie des inflationären Universums.
München: Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. 2002, S.50f
25 Vgl. ebda. S.52ff
26 Vgl. Harald Fritzsch: Die verbogene Raum-Zeit. Newton, Einstein und die Gravitation. München: Piper
Verlag 1997, S.141ff
Indizien für Dunkle Materie
19
nun kleiner, kommt es zu keinem Endknall, die Krümmung des Raumes ist genau umgekehrt
zur ersten, man kann sich hier analog eine Sattelfläche
vorstellen. Entspricht
nun der
tatsächliche Wert dem der kritischen Dichte, ist der Raum nicht gekrümmt, das Universum ist
flach. 27
Guths Inflationäre Theorie des Universums wird aus Theorien hergeleitet, die die Trennung der
starken Wechselwirkung von der elektroschwachen bei 10-35 Sekunden nach dem Urknall
beschreiben. Zu den vielen Prozessen, die zu dieser Zeit abliefen, soll auch eine sehr rasche
Ausdehnung des Universums gehört haben, die Inflation. Das Universum habe sich um einen
Faktor 1050 in kürzester Zeit ausgedehnt. Würde sich ein einzelnes Proton in einem Atomkern so
gewaltig ausdehnen, würde es mehr Platz beanspruchen als das gesamte bis heute bekannte
Universum bieten könnte. Diese Inflation liefert einen sehr wichtigen Aspekt: Es ist völlig
gleichgültig wie chaotisch die Materie vor der Inflation verteilt gewesen war, die schnelle
Ausdehnung dehnte den Raum weit genug, um immer zu einem flachen Universum zu führen.
Laut Guths Theorie muss also die tatsächliche Dichte mit einer Ungenauigkeit von 1:1050 der
kritischen Dichte entsprechen. 28
Die leuchtende Materie des Universums liefert einen sehr geringen Prozentsatz dieser kritischen
Dichte, obwohl sie nur ungefähr einem Proton pro Kubikmeter Raumvolumen entspricht,
nämlich lediglich 1 bis 2%. Aus den Beobachtungen der Sternen- und Galaxienbewegungen
schließen die Astronomen auf weitere Materie; inkludiert man diese Überlegungen, erhält man
circa 30% des kritischen Werts.29 Die zwei oben besprochenen Aspekte des Urknallmodells
fordern nun einen Prozentwert von 100. Der Kosmos muss demnach voll von einer anderen Art
von Materie sein, der Dunklen Materie. Diese sendet keinerlei Strahlung und ist deshalb von uns
noch nicht beobachtet worden, sie tritt überhaupt nur durch die Gravitation mit dem übrigen
Kosmos in Wechselwirkung. Aus diesem Grund gibt es über ihre Beschaffenheit die kühnsten
Überlegungen, welche im Folgenden behandelt werden.
27 Vgl. ebda. S.329f
28 Vgl. James Trafil: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen
Materie. Hamburg: Rowohlt Verlag 1992, S.143ff
29 Vgl. ebda. S.141ff
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
20
4. Erscheinungsformen der Dunklen Materie
4.1. Baryonische Materie
Die Materie, aus der sich die für den Menschen gewöhnlichen Dinge zusammensetzen, besteht
bereits aus einer Vielzahl an Teilchen. Der naheliegendste Gedanke der Astronomen war es
somit, von einer Dunklen Materie auszugehen, die in ihrer Form diesen bekannten Teilchen
gleicht.
Die bekannten Teilchen lassen sich in die Gruppe der Bosonen, Teilchen, die Kräfte übertragen
(z.B.: Photonen oder Gluonen), und die Gruppe der Fermionen, die sogenannten Masseteilchen,
einteilen. Die Fermionen kommen ihrerseits wieder in verschiedenen Formen vor. Zu ihnen
gehören die Protonen und die Neutronen, aus denen sich gewöhnliche Atomkerne
zusammensetzen; diese zwei gehören zur Gruppe der Baryonen (der schweren Teilchen). Die
sehr leichten Elektronen befinden sich in den Atomhüllen, und gehören zur Familie der Leptonen
(der leichten Teilchen). Diese Familie besteht aus drei Teilchenpaaren, zwei schwereren Kopien
des Elektrons, den - und -Teilchen, und drei Neutrinos (diese sind den oben genannten
Leptonen zugeordnet). Leptonen und Baryonen werden auch als Elementarteilchen bezeichnet,
obwohl sich die Neutronen und Protonen noch aus jeweils drei Quarks zusammen. Unter den
Quarks können wieder drei verschiedene Paare unterschieden werden, wobei sich die
gewöhnlichen Kernteilchen immer nur aus up- und down-Quarks zusammensetzen. Mit diesen
Teilchen lassen sich die vier Grundkräfte, die starke, die schwache, die elektromagnetische
Wechselwirkung und die Gravitation erklären. 30
Baryonen
Leptonen
Protonen
Elektronen, -Teilchen, -Teilchen
Neutronen
Elektron-Neutrinos , -Neutrinos, -Neutrinos
Tabelle1: Die bekanntesten Elementarteilchen
30 Vgl. John Gribbin. Martin Rees: Ein Universum nach Maß. Bedingungen unserer Existenz. Frankfurt am
Main und Leipzig: Insel Verlag 1994, S.111f
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
21
Für die Frage nach der Dunklen Materie sind von diesen Teilchen die bedeutendsten die
Baryonen und die Neutrinos (siehe Kapitel 4.2). Die Formen von baryonischer Dunkler Materie
könnten von Wasserstoffgas über dem Jupiter ähnliche Planeten, kleine Sterne, die kaum
Strahlung abgeben, bis zu schwarzen Löchern reichen. Jedoch ist die Menge an baryonischer
Materie aus folgendem Grund sehr begrenzt:
Etwa drei Minuten nach dem Urknall begann die Bildung leichter Atomkerne (siehe Kapitel 2.4).
Das Tempo der Erzeugung der leichten Kerne hing von zwei Faktoren ab: der Temperatur und
der Massendichte. Die Temperatur bestimmte die Bewegungsgeschwindigkeit der einzelnen
Teilchen, von welcher es abhing, ob die gebildeten Kerne stabil blieben. Außerdem musste die
Temperatur hoch genug gewesen sein, damit es den Protonen gelingen konnte die elektrische
Abstoßung zu überwinden und die starke Wechselwirkung in Erscheinung treten zu lassen (die
Wirkung der starken Wechselwirkung hat nur eine sehr kurze Reichweite). Die Dichte der
Materie hingegen bestimmte die Häufigkeit der Zusammenstöße. Je größer die Massendichte
also war, desto mehr leichte Kerne konnten sich bilden. Da sich Deuterium, oder auch schwerer
Wasserstoff, nur zu dieser Zeit im Universum bildete, und nicht mehr in Sternen neu gebildet
wird (zumindest nicht als Endprodukt), und man seine Häufigkeit sogar hier auf der Erde relativ
genau bestimmen kann, ist es möglich auf die baryonische Materiedichte drei Minuten nach dem
Urknall zu schließen. Durch die schwierigeren Messungen der Lithium-Häufigkeit im
Universum ist der Wert genauer festlegbar: Der Anteil der baryonischen Materie im Universum
beträgt nicht mehr als 20-30% der kritischen Dichte. 31
Des Weiteren ist nicht anzunehmen, dass baryonische Materie einen großen Teil der Dunklen
Materie ausmacht, da dies zu einer ungleichförmigeren Verteilung der Hintergrundstrahlung
führen würde, als bisher beobachtet wurde. Allerdings kann genauso wenig ausgeschlossen
werden, dass von den 30% des Anteils an der kritischen Dichte der größere Teil solchen
Gebilden wie braunen Zwergen (sehr leuchtschwachen Sternen), Jupiterähnlichen oder
schwarzen Löchern zukommt, während die restliche sichtbare und sehr leuchtstarke baryonische
Materie nur 1-2% der kritischen Dichte ausmacht. Dann bliebe jedoch zu erklären, warum es so
viele sehr kleine Sterne, und sehr viele so große Planeten gäbe und sich so wenig Materie zu
größeren
Strukturen
zusammengeballt
habe.
Auch
bei
Schwarzen
Löchern
treten
schwerwiegende Fragen auf, weshalb sich die Kosmologen auf der Suche nach Dunkler Materie
größtenteils anderen Bereichen zuwandten. 32
31 Vgl. James Trafil: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen
Materie. Hamburg: Rowohlt Verlag 1992, S.148ff
32 Vgl. ebda. S.152ff
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
22
4.2. HDM: Heiße Dunkle Materie
Das zweite „gewöhnliche“ Teilchen, das für lange Zeit für Kosmologen von Interesse war, war
das Neutrino. In den Standardtheorien der Teilchenphysik galt das Neutrino bis in die achtziger
Jahre als masseloses Teilchen, das bei Kernreaktionen auftritt. In den frühen achtziger Jahren
wurden jedoch Experimente vorgelegt, die eine winzige Masse des Neutrinos postulierten. Was
das für die Kosmologie bedeutete, wird erst vorstellbar, wenn man eine Ahnung hat, wie viele
dieser Teilchen überhaupt in unserem Universum existieren. Dafür gibt es eine leichte Regel:
Auf jede Kernreaktion, die jemals stattgefunden hat, kommt ein Neutrino. Kurz nach dem
Urknall kam etwa eine Milliarde Neutrinos auf ein Proton, bis jetzt sind es natürlich weit mehr.
Eine winzige Masse für jedes dieser unzähligen Teilchen würde die Kosmologen nahe an die
kritische Dichte heranbringen, und das Problem der dunklen Materie wäre gelöst. Jedoch
tauchten auch hier wieder Probleme auf. Wegen der sehr geringen Masse würden sich die
Neutrinos sehr schnell, nahe der Lichtgeschwindigkeit bewegen. Aufgrund dieser hohen
Geschwindigkeit, man spricht daher auch von Heißer Dunkler Materie (HDM), würde sich die
Neutrinostrahlung kurz nach dem Urknall im ganzen Kosmos annähernd homogen verteilen. Die
Dichtefluktuationen, die notgedrungen auftreten würden, wären sehr gering und nur für sehr
weiträumige Strukturen ausschlaggebend. Aufgrund solcher Grundlagen hätten sich zuerst
Materieansammlungen im Bereich von Superhaufen zusammengeballt, die dann in
Galaxienhaufen, Galaxien und einzelne Sterne zerfallen wären. So eine Entstehung des heutigen
Bildes des Universums hätte einerseits zu viel Zeit beansprucht und andererseits sprechen
Beobachtungen von Sternen, die fast so alt wie das Universum selbst sind, dagegen.33 Das
Universum würde daher, wenn die Neutrinos die gesamte restliche Masse aufbringen würden,
nicht so aussehen wie wir es wahrnehmen. Es war also für die Kosmologen keine Überraschung,
als zahlreiche Nachprüfungen des ausschlaggebenden Experiments erwiesen, dass das Neutrino
entweder keine Masse besitze oder diese so gering sei, dass sie für kosmologische
Fragestellungen belanglos sei. 34
33 Vgl. John Gribbin. Martin Rees: Ein Universum nach Maß. Bedingungen unserer Existenz. Frankfurt am
Main und Leipzig: Insel Verlag 1994, S.86f
34 Vgl. James Trafil: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen
Materie. Hamburg: Rowohlt Verlag 1992, S.175
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
23
4.3. CDM: Kalte Dunkle Materie
Kosmologische Überlegungen haben in den letzten Jahren zu der Überzeugung geführt, dass das
Universum die kritische Masse besitzt, doch selbst nach Einbeziehung aller möglichen
Erscheinungsformen baryonischer Materie und der Neutrinomassen erhält man nur knapp 30%
des erwarteten Werts. Folglich müsste es noch andere Erscheinungsformen der Materie geben,
die bisher noch nicht entdeckt wurden. Dass diese Materieformen bisher noch unentdeckt blieben
spricht dafür, dass sie nicht wie bekannte Teilchen an den gewöhnlichen Wechselwirkungen
(starke, schwache, elektromagnetische Kraft), außer an der Gravitation, teilnehmen. Physiker in
aller Welt erdachten nun die sonderbarsten Formen dieser Materie, die im folgenden eingehender
behandelt werden, wobei zu bedenken bleibt, dass keine dieser Materieformen bis heute wirklich
beobachtet oder experimentell nachgewiesen wurde.
Axionen
Physiker sind seit längerer Zeit der Meinung, dass jede Reaktion zwischen Elementarteilchen
einer
gewissen
CPT-
Symmetrie
gehorcht,
wobei
C
für
„charge
conjugation“
(Ladungskonjugation; das Ersetzen von Teilchen durch Antiteilchen), P für „parity
transformation“ (Paritätstransformation; das Vertauschen von links und rechts im Spiegel) und T
für „time reversal“ (Umkehrung der Zeitrichtung) steht. Man glaubte früher, die Welt sei
hinsichtlich C,P und T, jedes für sich genommen, symmetrisch. Man fand jedoch heraus, dass
dies nicht stimmt. Die Welt, durch einen gewöhnlichen Spiegel gesehen, unterscheidet sich
geringfügig von der direkt beobachteten Welt. Genauso unterscheiden sich auch zeitumgekehrte
Reaktionen oder Reaktionen, bei denen Teilchen mit Antiteilchen vertauscht wurden, von
gewöhnlichen Reaktionen. Später fanden Physiker heraus, dass sich diese Unterschiede beinahe
aufhoben, wenn man die drei Symmetrien miteinander kombinieren würde; aber eben nur
beinahe. Dieses „Beinahe“ bereitet Physikern großes Kopfzerbrechen, denn warum sollte die
Welt nur „beinahe“ symmetrisch sein? 1977 fanden Roberto Peccei und Helen Quinn eine
Antwort auf diese Frage, die in weiterer Folge zu der Annahme eines hypothetischen Teilchens
führte, das Axion genannt wurde. Laut Theorie sollte dieses Teilchen in einer ungeheuren Menge
im Universum existieren (es sollte häufiger sein als Neutrinos oder Photonen), eine sehr kleine
Masse besitzen und sehr selten mit gewöhnlicher Materie in Wechselwirkung treten. Jedoch
bewege sich dieses Teilchen mit einer sehr langsamen Geschwindigkeit fort, so dass es nicht zu
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
24
den Problemen käme, die bei Theorien mit Heißer Dunkler Materie auftreten. Die große Zahl
dieser Teilchen würde trotz der kleinen Masse (weniger als ein Millionstel der Neutrinomasse)
die Möglichkeit für ein flaches Universum bieten. Unter allen hypothetischen Dunklen
Materieformen ist die der Axionen eine der vielversprechendsten. 35
Monopole
Es gibt zwei Varianten der elektrischen Ladung, die positive und die negative. Ein Elektron ist
beispielsweise Träger der negativen Ladung. Auch beim Magnetismus, der der Elektrizität so
ähnlich ist, dass beide durch ein Gleichungssystem beschrieben werden, gibt es zwei
Ausführungen, Nordpol und Südpol, doch wurde hier noch kein isolierter Pol, ein sogenannter
Monopol, entdeckt. Die Physik fordert diese an keiner Stelle, aber sie verbietet sie auch nicht.
1974 zeigten zwei Forscher, dass die Symmetriebrechungen kurz nach dem Urknall (damit sind
die verschiedenen Trennungen der Kräfte gemeint; siehe oben) eigentlich zur Erzeugungen freier
Monopole führen müssten, die ungefähr 1016 mal so massiv wie Protonen wären. Auf der Erde
gibt es keine Möglichkeit so massereiche Teilchen zu erzeugen, und selbst wenn man die nötige
Energie besäße, die unsere derzeitigen Möglichkeiten um einen Faktor 1014 übertrifft, wäre dies
nicht möglich, da Monopole Defekte in der Struktur der Raumzeit darstellen, die zu ihrer
Erzeugung einen hochenergetischen Zustand des gesamten Universums voraussetzen. Allerdings
spricht nichts dagegen, dass einige Monopole kurz nach dem Urknall gebildet wurden, und dank
ihrer großen Masse doch beträchtlich zur Gesamtmasse des Universums beitragen. Jedoch gilt
auch dies als sehr unwahrscheinlich, was durch die inflationäre Theorie des Universums bedingt
wird. Diese besagt, dass der Raumzeitbereich, der sich während der Inflation rasch ausdehnte, so
klein gewesen wäre, dass er nicht mehr als ein oder zwei Monopole hätte enthalten können. Als
Kandidaten für Dunkle Materie sind sie daher sehr unwahrscheinlich. 36
Quark-Klumpen
Ein weiterer sehr unwahrscheinlicher Kandidat für Dunkle Materie, der aber dennoch nicht als
unmöglich betrachtet werden kann, ist der Quark-Klumpen. Die Idee dazu hatte Ed Witten 1984.
Gewöhnliche Baryonen bestehen aus up- und down-Quarks. Es gibt aber daneben noch andere
35 Vgl. ebda. S.188f
36 Vgl. John Gribbin. Martin Rees: Ein Universum nach Maß. Bedingungen unserer Existenz. Frankfurt am
Main und Leipzig: Insel Verlag 1994, S.125ff
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
25
Quarks, wie etwa das strange-Quark, das viel massereicher als eines der anderen beiden ist.
Während des Urknalls gab es genug Energie, dass die Möglichkeit bestand auch Baryonen aus
up-, down- und strange-Quarks zu bilden. Diese Quark-Klumpen wären laut Witten sogar noch
stabiler als gewöhnliche Baryonen, hätten Radien zwischen 0,001 und 10 cm und entsprechend
Massen im Bereich von 106 und 108 Gramm und wären dichter als Kerne von Neutronensternen.
Jedoch gibt es keinen Hinweis auf, geschweige denn einen Beweis für ihre Existenz. Wittens
Rechnungen zeigten im Laufe der Zeit sogar, dass Neutrinos die Quark-Klumpen im frühen
Universum zerstören würden, wenn sie weniger Masse hätten als ein Planet, etwa 1027 Gramm,
was sie zu wenig verheißungsvollen Kandidaten für Dunkle Materie macht. 37
Supersymmetrie und Schattenuniversen
Eine große Zahl an möglichen Kandidaten für Dunkle Materie ergibt sich aus einem weiteren
Symmetrieprinzip, der sogenannten Supersymmetrie. 1971 wurde nachgewiesen, dass es zu den
bisher bekannten Symmetrien (wie etwa den CPT-Symmetrien) noch eine weitere, mathematisch
mögliche geben kann. Diese läuft darauf hinaus, dass bei Energien, die denen entsprechen, die
das Universum innehatte als alle vier Grundkräfte vereint waren - noch vor besagten 10-43
Sekunden nach dem Urknall -, die Unterschiede zwischen Bosonen und Fermionen
verschwinden. Die Supersymmetrie gilt somit als höchste Form der Symmetrie: Es gibt keine
Unterschiede mehr zwischen Kraftteilchen und Materieteilchen.
Den Physikern wurde Anfang der siebziger Jahre klar, dass es laut Supersymmetrie für jedes
Materieteilchen ein entsprechendes Kraftteilchen geben müsse, dass also alle Teilchen paarweise
vorkommen. Diese Teilchenpaare sind als Superpartner bekannt. Als die Physiker versuchten
dieses Symmetrieprinzip in das Standardmodell der Teilchenphysik einzugliedern, stellten sie
fest, dass keines der bisher bekannten Teilchen als Superpartner für eines der anderen Teilchen
in Frage kam. Das heißt, dass es für jedes bekannte Materieteilchen (wie etwa Elektronen oder
Quarks) im Universum noch unbekannte supersymmetrische Kraftteilchen geben muss: so würde
der Superpartner des Elektrons das Selektron (supersymmetrisches Elektron), der des Quarks das
Squark sein. Genauso müsste es auch für alle Kraftteilchen entsprechende Superpartner geben: in
diesem Falle wurden die bekannten Teilchen einfach mit der Nachsilbe –ino erweitert, der
supersymmetrische Partner des Photons hieße demnach Photino. 38
37 Vgl. ebda. S.127f
38 Vgl. Brian Greene: Das elegante Universum. Superstrings, verborgene Dimensionen und die Suche nach
der Weltformel. Berlin: Berliner Taschenbuch Verlag 2002, S.205f
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
26
Da es der Supersymmetrie gelingt Materie und Kraft auf diese Weise zu vereinigen und die
Physiker davon ausgehen, dass die Natur auch diese Symmetrie wie alle anderen verwirklicht
hat, erscheint sie aufgrund ihrer Attraktivität als vielversprechender Ausgangspunkt für weitere
Überlegungen. Die von ihr geforderten Teilchen könnten ohne weiteres den Platz der Dunklen
Materie im Universum einnehmen. Dass keines dieser Teilchen bis jetzt entdeckt wurde, könnte
damit zusammenhängen, dass die Energien der Teilchenbeschleuniger noch nicht ausreichen,
diese wahrscheinlich sehr schweren Superpartner zu erzeugen.
Besondere Anwendung findet die Supersymmetrie in den modernen Superstringtheorien, in
denen die bis dahin punktförmigen Elementarteilchen durch Stringschleifen ersetzt werden.
Einige dieser Stringtheorien würden sogar ein ganzes Universum aus sogenannter
Schattenmaterie postulieren, das parallel zu unserem eigenen Universum existiert. Die zwei
Universen trennten sich ebenfalls 10-43 Sekunden nach dem Urknall, und würden heute nur noch
über die Gravitation miteinander wechselwirken, was diese Idee ideal für die Suche nach
Dunkler Materie macht. 39
Kosmische Strings
Kosmische Strings (nicht zu verwechseln mit den Superstrings der Stringtheorien) sind lange
eindimensionale Objekte im Raum, die als Defekte der Raumzeit zur Zeit von 10-35 Sekunden
nach dem Urknall entstanden sind. Die Entstehung kosmischer Strings ist vergleichbar mit den
Nahtstellen auf einer Eisoberfläche, die dort entstehen, wo verschieden angeordnete Eiskristalle
aufeinandertreffen. In diesen Defekten in der kristallinen Struktur des Eises ist Energie
gespeichert, da sich das Eiswachstum in ihrer Nähe nach dem Verlauf der Defekte orientiert. Der
Defekt hat also die Energie einen neu entstandenen Eiskristall in die günstigste (am wenigsten
energieverbrauchende) Richtung zu drehen. Aufgrund dieses erhöhten Energieinhalts (gegenüber
den restlichen Eisbereichen) besitzt der Defekt auch eine geringfügig höhere Masse als das
umliegende Eis, was sich aus Einsteins Formel E = mc² ergibt. Etwas vergleichbares wäre auch
zur Zeit der Entkoppelung der starken von der elektroschwachen Kraft geschehen. Da damals
das Universum aber eine gewaltig höhere Energie besaß, wären auch die Energieinhalte der
kosmischen Strings immens, wodurch sie über eine gewaltige Masse und Gravitationsanziehung
verfügten. Ein Stück String mit einer Länge, die dem Durchmesser eines Atoms entspricht würde
eine Million Tonnen wiegen. Strings sind sozusagen Objekte aus reiner Energie. Nachdem sich
39 Vgl. James Trafil: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen
Materie. Hamburg: Rowohlt Verlag 1992, S.190
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
27
die kosmischen Strings im frühen Universum gebildet hätten, wären sie keine statischen Objekte
geblieben, sondern peitschten mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durch den Raum. Wie der
Physiker Niel Turok zeigte, hätten sich zwei Stringstücke, die sich überkreuzten, getrennt und es
wären zwei neue Strings entstanden. Aufgrund der hohen Masse der kosmischen Strings und
ihrer Stabilität gegenüber der Strahlung, die damals das Universum ausfüllte und die
Zusammenballung baryonischer Materie verhinderte, hätten sie die Keime für die großräumigen
Strukturen im heutigen Universum bilden können. Es hätten sich später, als der Strahlungsdruck
nachließ, leicht baryonische Materie, sowie natürlich auch jegliche Form Dunkler Materie um
die kosmischen Strings heran anordnen können. Daraus wären dann im weiteren Verlauf der Zeit
die heutigen Strukturen, wie Superhaufen im Großen und Galaxien im Kleinen, entstanden.
Computersimulationen Turoks zeigten sogar eine gute Übereinstimmung des simulierten
Universums mit dem realen. 40
So gesehen müsste in jeder Galaxie ein „kleines“ Stück String vorhanden sein, um das herum
sich die Galaxie bildete, doch auch Strings halten nicht ewig. Durch die Schwingungen und
Eigenbewegungen verloren die kosmischen Strings im Laufe der Zeit Energie, wodurch ihre
eigene Energie immer weiter sank, bis sie am Ende gänzlich verschwunden waren. Danach
dürften bis heute nur sehr große Exemplare der kosmischen Strings erhalten geblieben sein, wie
die in den größten Superhaufen. Alle anderen wären bis heute wahrscheinlich schon
„verstrahlt“.41
Wie oben bereits angedeutet wurde sind viele Kosmologen heutzutage der Ansicht, dass sich die
Dunkle Materie nicht aus einer einzigen oben genannten Form zusammensetzt. So geht man viel
mehr davon aus, dass es sowohl Axionen als auch die Teilchen der Supersymmetrie in einem
Universum mit kosmischen Strings geben kann. So wie es ja auch unter den gewöhnlichen
Teilchen eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, so kann es auch mehrere Gesichter der Dunklen
Materie geben, wobei natürlich unter den Kandidaten die äußerst fragwürdigen von den eher
wahrscheinlichen unterschieden werden müssen, obwohl alle bisher genannten nicht
experimentell nachgewiesen werden konnten.
Allerdings gab es auch auf der dunklen Seite des Universums in letzter Zeit eine überraschende
neue Entdeckung.
40 Vgl. ebda. S.195ff
41 Vgl. ebda. S.205f
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
4.4.
28
Dunkle Energie
Zwei Indizien überzeugten die Astrophysiker davon, dass der größte Teil des Universums aus
einer sogenannten Dunklen Energie besteht. Zum ersten zeigte sich, dass ferne Supernovae
(Sternexplosionen) heute lichtschwächer sind als erwartet. Das wurde vor allem durch die
Beobachtung der rund 10 Milliarden Lichtjahre entfernten Supernova „1997ff“ bestätigt. Diese
Erkenntnisse wiesen darauf hin, dass sich die Expansion des Universums nicht wie angenommen
verlangsamt
sondern
beschleunigt.
Das
zweite
Indiz
lieferten
Messungen
der
Temperaturschwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung, die im Endeffekt die
Flachheit des Universums postulieren. Da aber nach Einbeziehung aller Beobachtungsdaten und
Berechnungen baryonische und dunkle Materie nur etwa ein Drittel zur kritischen Dichte
beitragen, muss der Rest in der mysteriösen, das Universum aufblähenden Dunklen Energie
stecken. 42
Die Beobachtungen der Supernovae 1998 erwiesen, dass die kosmische Konstante, die schon
Einstein in seine Gleichungen einführte, aber dann wieder verwarf, Realität sei. Der Anteil dieser
Energie übersteige sogar den Materieanteil beträchtlich. Allerdings stellen sich den Physikern
auch Probleme mit der neuen Entdeckung. Man könnte zwar die Dunkle Energie mit den
Energien des Vakuums, die aus der Quantentheorie hervorgehen, gleichsetzen, allerdings
ergeben sich dabei erhebliche Unterschiede zwischen den Berechnungen und den
Beobachtungen: Den Berechnungen zufolge müsste der Wert der Dunklen Energie 10 120 mal
höher sein als gemessen, was natürlich völlig unmöglich ist, da unter den Bedingungen einer so
schnellen Expansion kein Leben möglich wäre. Eine weitere Frage, die sich im Zusammenhang
mit der Dunklen Energie stellt ist die nach dem Zeitpunkt: Warum wurde sie erst bemerkbar als
sich Galaxien zu bilden begannen, während in der Zeit davor der Kosmos von der baryonischen
und Dunklen Materie bestimmt wurde. 43
Manche Physiker erklären den Wert der Dunklen Energie mit einer bisher unentdeckten
Symmetrie in den physikalischen Gesetzen, so dass sich die anziehenden Effekte der Gravitation
und die abstoßenden Effekte der Dunklen Energie beinahe aufheben und die Vakuumenergie fast
Null ist. Andere Theoretiker vermuten wiederum die Wirkung eines neuartigen Feldes, das den
Raum durchzieht. Eine weitere Erklärungsstrategie hält sich an das anthropische Prinzip: „Nur
42 Vgl. Rüdiger Vaas: Die mysteriöse Dunkle Energie. In: Bild der Wissenschaft 7 / 2001, S.50
43 Vgl. ebda. 52
Erscheinungsformen der Dunklen Materie
29
dort, wo die Dunkle Energie einen lebensfreundlichen Wert besitzt, können sich Kosmologen
über diesen Wert auch Gedanken machen.“44
Paul J. Steinhardt, Robert R. Caldwell und Rahul Dave postulierten dagegen schon 1998 die
Existenz eines Quantenfeldes, das sie Quintessenz nannten, und welches gravitativ abstoßend
wirke. Der Vorteil dieser Hypothese besteht darin, dass die Quintessenz-Energie im Gegensatz
zur Kosmologischen Konstanten zeitlich veränderlich ist, und sie nicht von Anfang an exakt auf
den heutigen Wert abgestimmt sein muss, wodurch sie auf natürliche Weise durch
Wechselwirkung mit der übrigen Materie diesen Wert erreichen konnte. Laut den Physikern Gia
Dvali und seinen Kollegen ist die Dunkle Energie ein Effekt verborgener, von der Stringtheorie
geforderter, Raumdimensionen. Die Gravitationen sei dann die einzige Kraft, die die
Dimensionsgrenzen überschreiten könnte und in unsichtbare Räume entweichen würde. Dies
erkläre auch die Schwäche dieser Kraft, die um einen Faktor 1033 schwächer ist als die
zweitschwächste Naturkraft, die Schwache Wechselwirkung. So wäre der Eindruck einer
beschleunigten Expansion des Universums bloß eine Täuschung. 45
Zusammenfassend kann man ohne weiteres behaupten, dass selbst die Bausteine des Menschen
in diesem Universum eine Rarität darstellen, und der größte Teil des Kosmos aus Materie und
Energie zusammengesetzt ist, die bis vor wenigen Jahren noch nicht einmal erahnt wurde. Es ist
nun zwar möglich die Zusammensetzung des Universums bis auf einige wenige Prozent genau
anzugeben, aber über die wahre Beschaffenheit der Anteile besteht weiterhin große Unklarheit.
Dunkle Energie
CDM:
Axionen?,
65%
kosmische
Strings?,
30%
Superpartner?, Quarkklumpen?, Monopole?
HDM und Strahlung: Neutrinos, Photonen, etc.
0,3%
Baryonische Materie: Gas 4%, Sterne 0,5%, 4,53%
schwere Elemente 0,03%
Tabelle 2: Zusammensetzung des Universums
44 Ebda. S.54
45 Vgl. ebda. S.54
Das Ende
30
5. Das Ende
5.1.
Die experimentelle Suche nach Dunkler Materie
Zur Bestätigung benötigt jede noch so gute Theorie am Ende immer noch das Experiment, und
obwohl in der modernen Kosmologie und Physik einige große Theoriegebäude scheinbar auf die
Existenz der Dunklen Materie angewiesen sind, konnte bisher noch kein Experiment einen
direkten Nachweis für diese erbringen. Schon aus den oben besprochenen Theorien geht hervor,
dass Dunkle Materie sehr schwer nachzuweisen ist, womit das Defizit an experimentellen
Beweisen gerne erklärt wird, doch viele Experimentalphysiker haben es sich dennoch zur
Aufgabe gemacht, die Existenz der Dunklen Materie endgültig zu verifizieren.
Der erste Weg die Bestandteile der Dunklen Materie ausfindig zu machen geht über
Teilchenbeschleuniger. In diesen Maschinen können Teilchenstrahlen aus Elektronen oder
Positronen (den Antiteilchen der Elektronen), oder Protonen oder Antiprotonen auf
Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Dann werden sie
entweder auf ruhende Ziele (Atomkerne) oder auf entgegenkommende Antiteilchen geschossen.
Bei den folgenden Kollisionen werden hohe Energien frei, die sich in weiterer Folge zu den
Massen von Teilchen umwandeln können. Auf diese Weise wurden schon zahlreiche Teilchen
entdeckt, die jedoch allesamt aus gewöhnlicher Materie bestehen. Natürlich sind auch die
Energien bei den Kollisionen begrenzt, je nachdem wie leistungsfähig der jeweilige
Teilchenbeschleuniger ist. Viele Theorien fordern für die Teilchen der Dunklen Materie, wie
zum Beispiel für die supersymmetrischen Teilchen, sehr hohe Massen (das Photino hätte die 23fache Protonmasse). Wenn also bisher kein solches Teilchen in einem Experiment nachgewiesen
wurde, heißt das nicht, dass es nicht existiert, sondern, dass vielleicht nur die Energien bisher zu
niedrig waren. Man bemüht sich daher ständig darum, immer größere Beschleuniger zu errichten
um den Teilchen der Dunklen Materie nachzuspüren. 46
Eine andere Möglichkeit um den erlösenden Nachweis zu erbringen benötigt hochsensible
Siliziumdetektoren. Physiker nehmen an, dass der Raum gleichmäßig mit Dunkler Materie
46 Vgl. James Trafil: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen
Materie. Hamburg: Rowohlt Verlag 1992, S. 213ff
Das Ende
31
ausgefüllt ist. Die Erde würde sich daher durch eine Substanz aus Dunkler Materie
hindurchbewegen, die man als Wind der Dunklen Materie bezeichnen könnte. Es geht nun darum
diesen „Wind“ aufzuspüren. Wenn ein Teilchen der Dunklen Materie mit einem der Atome in
einem Siliziumkristall zusammenstieße, so geriete das getroffene Atom in eine Schwingung,
welche sich durch den Kristall fortsetzen würde und auf der Oberfläche von hochsensiblen
Detektoren nachgewiesen werden könnte. Natürlich könnten auch Teilchen bekannter Materie
solche Schwingungen erzeugen, weshalb es wichtig ist zu beachten, dass die Bewegung der
Dunklen Materie aufgrund ihrer seltenen Wechselwirkung mit gewöhnlicher Materie nicht der
Bewegung von leuchtender Materie in einer Galaxie folgt. Die Erde würde daher in einem
Halbjahr gegen den Wind der Dunklen Materie ansteuern, während sie ihn im nächsten Halbjahr
im Rücken hätte. Es gäbe folgendermaßen einmal mehr Zusammenstöße im Siliziumkristall und
einmal weniger. Diesen Unterschied wollen Physiker messen und so einen Beweis für die
Dunkle Materie erbringen. 47
Eine weitere Möglichkeit ergibt sich wieder aus der Beobachtung des Himmels. Laut Einsteins
Allgemeiner Relativitätstheorie erfährt auch Licht in der Nähe eines massereichen Objekts eine
nachweisbare Krümmung. Dadurch könnte das Licht einer Galaxie, das ein sehr massereiches
Schwarzes Loch passiert, von diesem so gekrümmt werden, dass zwei Lichtstrahlen, die das
Schwarze Loch auf entgegengesetzten Seiten passiert hätten, in einem Punkt gebündelt würden.
Auf der Erde erhielte man dann zwei oder mehrere verschiedene Bilder der fernen Galaxie.
Solche massereichen Objekte wie dieses Schwarze Loch fungieren als sogenannte
Gravitationslinsen. Bisher wurden zwar einige dieser Gravitationslinsen entdeckt, allerdings
wurden alle als bekannte Galaxien erkannt. Es wäre aber genauso möglich, dass Dunkle Materie,
wie Kosmische Strings, solche Gravitationslinsen darstellen könnte, was die Astronomen dazu
führt um so mehr Ausschau nach scheinbaren Mehrfachbildern im Kosmos zu halten. 48
47 Vgl. ebda. S. 219ff
48 Vgl. John Gribbin. Martin Rees: Ein Universum nach Maß. Bedingungen unserer Existenz. Frankfurt am
Main und Leipzig: Insel Verlag 1994, S.213f
Das Ende
5.2.
32
Die Alternative: MOND
Die Schwierigkeiten, die bei den Experimenten zum Nachweis der Dunklen Materie auftauchen,
bewegen einige Physiker über alternative Erklärungen für diverse Probleme, die oben als
Indizien für Dunkle Materie behandelt wurden, nachzudenken. Die einzige Alternative, die sich
seit den 80er Jahren neben den Standardtheorien der Dunklen Materie halten konnte, ist die
Theorie einer Modifizierten Newton’schen Dynamik, kurz MOND genannt.
Innerhalb dieser Theorie wird eine Modifikation des zweiten Newton’schen Gesetzes, demnach
Kraft das Produkt der zwei Faktoren Masse und Beschleunigung ist, gefordert. Es wird eine neue
Naturkonstante namens a0 eingeführt, die die Dimension einer Beschleunigung hat (sie entspricht
10-10
ca.
Meter
pro
Sekundenquadrat,
was
nur
einem
Hundertmilliardstel
der
Gravitationskonstanten g mit 10 Metern pro Sekundenquadrat auf der Erde entspricht). Ist die
betrachtete Beschleunigung groß gegen a0 so gelten die bekannten Gesetze: Die Kraft ist
proportional zur Beschleunigung. Ist die Beschleunigung allerdings klein gegen a0, so wird die
Kraft
proportional
zum
Quadrat
der
Beschleunigung.
Im
Falle
der
beobachteten
Beschleunigungen in Galaxien, sagt MOND eine kleinere Kraft, und damit eine kleinere Masse
voraus als die gewöhnliche Newton’sche Dynamik. Die aus den „alten“ Gesetzen folgende
Massendiskrepanz (siehe Kap. 3.2) würde einfach wegfallen, Dunkle Materie wäre nicht mehr
vonnöten. 49
Bereits oben wurde das problematische Verhalten innerhalb von Galaxien erwähnt, dass die
Rotationsgeschwindigkeiten der weit vom Zentrum entfernten Objekte, wie Sterne oder Gas,
nicht wie früher angenommen abnehmen, sonder einen konstanten Wert anstreben. Diese
Beobachtungen sagt MOND weit besser voraus als die Theorien der Dunklen Materie. Genauso
lassen sich auch scheinbare Massediskrepanzen durch MOND besser beschreiben. Probleme mit
der alternativen Theorie ergeben sich nur dort, wo Beschleunigungen kleiner als die Konstante a0
werden und wo Effekte der Relativitätstheorie zum Tragen kommen. Da sich die meisten
Kosmologen mehr an die Theorien der Dunklen Materie hielten ist es noch nicht gelungen die
Modifizierte Newton’sche Dynamik mit den Relativitätstheorien in einem Gleichungssystem zu
vereinen. Ein weiterer schwerwiegender Makel der Theorie taucht auf, wenn man Kerne von
Galaxienhaufen betrachtet. Dort gelingt es MOND nicht die gesamte Dunkle Materie
wegzuerklären. Des Weiteren ist es, wie im Fall der Dunklen Materie, schwierig MOND
49 Vgl. Mordehai Milgrom: Gibt es Dunkle Materie? In: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2002 S.37
Das Ende
33
experimentell zu beweisen, da die Beschleunigungen im Sonnensystem bei weitem höher sind
als ein brauchbarer Wert und sich daher die minimalen Auswirkungen der Modifikation nicht
nachweisbar sein würden. Man hofft, in Zukunft auch diese minimalen Abweichungen mit
besseren technischen Mitteln beobachten zu können. 50
So gut sich die alternative Theorie auch eignet das heute beobachtbare Universum zu
beschreiben, so wenig ist es ihr möglich auf die Kosmologie angewandt zu werden. MOND lässt
sich zwar auf fertig ausgebildete Systeme anwenden, aber kann nicht die Zeit davor beschreiben.
Außerdem fehlt MOND eine zu Grunde liegende Theorie, obwohl versucht wird, die
Modifizierte Dynamik mit Erscheinungen, wie der durch die Dunkle Energie erzeugten
Beschleunigung, zu verbinden. Dabei erscheint erstaunlich, dass a0 beinahe dem Produkt der
Lichtgeschwindigkeit und der Hubble-Konstante, der gegenwärtigen Expansionsrate des
Universums, entspricht. Sollte diese Nähe nicht nur Zufall sein, so könnte das dafür sprechen,
dass MOND mehr ist als nur eine gute Beschreibung der astronomischen Beobachtungen, und
vielleicht sogar mit lokalen physikalischen Gesetzen, wie dem Trägheitsgesetz, in Verbindung
gebracht werden kann. So legt MOND nahe, dass Trägheit keine inhärente Eigenschaft von
Körpern ist, sondern auf ihrer Wechselwirkung mit dem übrigen Universum beruht. Trotz diesen
Versuchen die neue Theorie in größere Modelle einzubauen sind sich viel Forscher sicher, dass
MOND keine fundamentale Wahrheit ausdrückt. Viel mehr sei die Theorie nur Beschreibung
dessen, was in der Natur beobachtet wird und würde sich, sobald die Modelle der Dunklen
Materie besser ausgearbeitet seien, automatisch aus diesen ergeben. MOND wäre demnach nur
eine Folge der Auswirkungen der Dunklen Materie. 51
5.3.
Das Ende des Universums
Ob nun eine Modifikation der Newton’schen Gesetze oder das Modell der Dunklen Materie und
Energie sich am Ende als wahr erweist, sei dahingestellt. Niemand weiß, was die Zukunft an
neuen Überraschungen bereithält und was Experimentalphysiker in den nächsten Jahren
entdecken werden. Eines aber kann man als sicher gelten lassen: Das Universum hat nur zwei
Möglichkeiten zu einem Ende zu finden; entweder setzt es seine Expansion in alle Ewigkeit fort
oder es beginnt in ferner Zukunft wieder zu kollabieren und endet in einem Endknall. Bis vor
einigen Jahren war man sich zunehmend sicher, dass Ersteres geschehen werde, doch mit den
50 Vgl. ebda. S. 37-39
51 Vgl. ebda. S. 40
Das Ende
34
Postulaten nach Dunkler Materie wurde man plötzlich mit viel mehr Materie konfrontiert als
jemals gedacht und ein geschlossenes Universum erschien nicht mehr als zu unwahrscheinlich.
In den letzten Jahren wiesen wieder einige Gedankengebäude, wie die inflationäre Theorie des
Universums oder Überlegungen zur Dunklen Energie, auf die Möglichkeit eines flachen
Universums hin, was ebenfalls mit einer Expansion bis in die Ewigkeit gleichzusetzen ist, da ein
flaches Universum erst in der Unendlichkeit seiner Expansion Einhalt gebietet. Allerdings gelten
alle Tatsachen in der Naturwissenschaft nur so lange als gesichert bis sie einmal widerlegt
werden, weshalb es noch immer Verfechter der Idee von einem geschlossenen Universum gibt.
Diesen Gedanken weiterverfolgend ergaben sich in letzter Zeit einige interessante Aspekte.
Die Wissenschaft unterscheidet bis heute zehn voneinander verschiedene Zeitpfeile, die alle
darauf hindeuten, dass die Zeit nur in eine, die uns gewohnte, Richtung läuft, von der
Vergangenheit in die Zukunft. Die Physik stellt über diese vielen Zeitpfeile einen alle
vereinenden: Die Expansion des Universums. Die Zeit läuft in diese Richtung, solange unser
Universum expandiert. Da die meisten physikalischen Versuche zeitsymmetrisch sind, das heißt,
es gibt keine Unterschiede in den Ergebnissen, wenn man die Zeitrichtung umkehrt (indem man
beispielsweise einen Film rückwärts abspielt), ergab sich für die Kosmologen die Möglichkeit,
dass sich auch der Fluss der Zeit umkehren könne, und vielleicht nicht einmal im gesamten
Universum einheitlich sei. So wäre es möglich, dass die Zeit in einem kollabierenden Universum
rückwärts laufe, dass Menschen sterben würden bevor sie geboren würden und sich an ihre
Zukunft erinnerten, dass zerbrochene Teetassen vom Boden auf Tische sprängen und sich
zusammensetzten, dass Schwarze Löcher ständig Materie auswerfen würden und Sterne Licht
aufsaugten. Auf diese Weise würden der Endknall und der Urknall zu identischen Ereignissen
zusammenfallen und das ganze Universum würde sich selbst in sich zurückschließen. Allerdings
würden informationsverarbeitende Systeme nichts von dieser Zeitumkehr bemerken, da diese
Umkehr auf fundamentalster Ebene stattfinden würde und sich mit der Zeit auch jegliches
Verhalten, sei es von Menschen oder Maschinen, umkehren würde. So würde man nicht
beobachten, dass die Uhren immer langsamer gingen, schließlich stehen blieben und die Zeiger
dann in die umgekehrte Richtung liefen. Laut manchen Überlegungen wäre es sogar möglich,
dass im bekannten Universum zeitumgekehrte Zeitinseln existierten, die sich als Dunkle Materie
bemerkbar machen würden, was wieder einen Bezug zu der anderen Seite der Kosmologie
herstellt. 52
Die Idee zu einer möglichen Umkehr der Zeit während der Kontraktionsphase des Universums
52 Vgl. Rüdiger Vaas: Wenn die Zeit rückwärts läuft. In: Bild der Wissenschaft 12 / 2002 S.46-55
Das Ende
35
Stammt ursprünglich von dem Physiker Stephen Hawking. Seine Rechnungen ergaben am Ende,
dass die Zeit unwiderruflich in eine Richtung wies, was von manchen Physikern auf einen
halbherzigen Umgang mit der Quantentheorie zurückgeführt wird. Hawking tat danach seinen
Gedanken als Irrtum ab und beschäftigte sich nicht weiter damit.53 Andere Physiker und
Kosmologen griffen jedoch die Idee wieder auf und kamen zu dem oben beschriebenen
Ergebnis.
Während das Universum auf der einen Seite ein Ende in Form eines brennend heißen Feuertodes
vorfindet, wird es auf der anderen Seite mit einer trostlosen ewigen Kälte konfrontiert.54 Wenn
das Universum, worauf sehr vieles hindeutet, flach ist, dann werden in vielen Jahren die Sterne
ihre Tätigkeit einstellen und zu weißen Zwergen, Neutronensternen und Schwarzen Löchern
zusammenfallen. Die schwarzen Löcher werden mit der Zeit verdampfen, die Protonen werden
zerfallen. Das einzige Überbleibsel einer so komplexen Welt, wie der unseren, werden einige
wenige Elementarteilchen und sehr viele Photonen bilden. Der Raum wird sich bis in die
Unendlichkeit ausdehnen und von allem Leben wird nicht mehr übrig sein als Strahlung.
1014 Jahre
Die gewöhnliche Sterntätigkeit wird eingestellt
1017 Jahre
In den Galaxien wird ein dynamische Gleichgewicht erreicht
20
10 Jahre
Gravitationsstrahlung wirkt auf Galaxien
1031-36 Jahre
Protonenzerfall
1064 Jahre
Quantenverdampfung Schwarzer Löcher
Abb. 1: Die ferne Zukunft eines sich immer weiter ausdehnenden Weltalls. 55
Die Zukunft des Universums sieht also keinesfalls rosig aus, doch ist die Relevanz dieser
Erkenntnis für den Menschen mehr als fraglich, werden wir ja mit ziemlicher Sicherheit keines
der beiden Enden miterleben. Umso erstaunlicher erscheint es dann, dass so ein Wesen, das erst
seit etwa drei Millionen Jahren existiert, etwas so faszinierendes wie das Universum begreifen
kann, und seine Gedanken in Richtungen lenkt, wohin nicht einmal modernste Maschinen sehen
können, und fordert, dass mehr als 90% der Materie, die es umgibt, völlig anders ist als die, aus
der es selbst besteht, einfach daher, weil sein Geist es ihm so eingibt.
53 Vgl. Stephen Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit. Hamburg: Rowohlt Verlag 1991, S.185ff
54 Vgl. Steven Weinberg: Die ersten drei Minuten. Der Ursprung des Universums. 4. Auflage. München:
Piper Verlag 1977, S.162
55 John Gribbin. Martin Rees: Ein Universum nach Maß. Bedingungen unserer Existenz. Frankfurt am Main
und Leipzig: Insel Verlag 1994, S. 104
Zusammenfassung
36
6.
Zusammenfassung
Schon in der Frühgeschichte der Menschheit zimmerten sich die Menschen ihre eigenen
Weltsysteme. Diese wurden im Laufe der Zeit immer weiter verbessert und führten am Ende
dazu, dass es für das kleine Wesen Mensch möglich wurde, über Aspekte seiner Welt zu
diskutieren, die Milliarden Jahre zurückliegen oder erst in Milliarden Jahren sein werden. Dieses
schließlich entwickelte, gut durchdachte kosmologische Weltsystem verlangte auch nach einer
neuartigen Form von Materie und Energie, die wir niemals werden sehen können, und auch nur
mit gut ausgetüftelten Experimenten aufspüren können.
Allerlei Probleme mit dem Standardmodell, wie das Zeitproblem der Galaxienentstehung, die
hohen Geschwindigkeiten von Galaxien in Galaxienhaufen, die neue inflationäre Theorie des
Universums, führten dazu, dass Wissenschaftler begannen sich die sonderbarsten Materieformen
auszudenken, vor allem mit der Eigenschaft möglichst schwer ausfindig zu machen zu sein. Eine
Flut von neuen hypothetischen Teilchen überschwemmte dann die Experimentalphysiker, denen
es trotz aufwendiger Versuche bis heute nicht gelang, eines der Teilchen nachzuweisen. Damit
sahen andere Physiker bereits das Ende der Theorien über Dunkle Materie gekommen und
dachten über andere Lösungen für die bekannten Probleme nach. Darauf erwiderten die
Befürworter der Dunklen Materie kurzerhand, dass all diese Lösungen ganz automatisch aus
ihren Theorien hervorgingen.
Das Rätsel der dunklen Seiten des Universums ist bis heute nicht gelöst. Wir wissen bis auf
einen Bruchteil einer Sekunde genau über den Anfang der Welt bescheid, können mit ziemlicher
Sicherheit über das Ende dieser Welt diskutieren, aber können nichts genaues über ihre
Zusammensetzung sagen. Und doch ist es immer wieder erstaunlich wie sicher sich der Mensch
seines Verstandes ist, mit welcher Leichtigkeit die Wissenschaft mit Begriffen wie Raum und
Zeit spielt, wie sie einfach für 90% der Materie unbekannte Formen postuliert, und das alles
aufgrund der Denkleistung eines aus kosmologischer Sicht so kurzlebigen und kleinen Wesens.
Der Mensch hat sich zwar durch seine neuen Weltsysteme aus der Mitte des Universums
hinausgestellt, aber er hat diese Zentralität eingetauscht, gegen die Möglichkeit etwas so
gewaltiges wie den Kosmos, ja selbst die Welt an sich, nicht nur beschreiben zu können, sondern
am Ende sogar ein wenig zu verstehen.
Literaturverzeichnis
37
7.
Literaturverzeichnis
Born, Max: Die Relativitätstheorie Einsteins. 6.Auflage. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag
2001
Fritzsch, Harald: Vom Urknall zum Zerfall. Die Welt zwischen Anfang und Ende. 5.Auflage.
München: Piper Verlag 2000
Ders.: Die verbogene Raum-Zeit. Newton, Einstein und die Gravitation. München: Piper Verlag
1997
Greene, Brian: Das elegante Universum. Superstrings, verborgene Dimensionen und die Suche
nach der Weltformel. Berlin: Berliner Taschenbuch Verlag 2002
Gribbin, John / Rees, Martin: Ein Universum nach Maß. Bedingungen unserer Existenz.
Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag 1994
Guth, Alan: Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts. Die Theorie des inflationären Universums.
München: Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. 2002
Hawking, Stephen: Eine kurze Geschichte der Zeit. Hamburg: Rowohlt Verlag 1991
Milgrom, Mordehai: Gibt es Dunkle Materie? In: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2002
Trafil, James: Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Die Astrophysik der Dunklen
Materie. Hamburg: Rowohlt Verlag 1992
Vaas, Rüdiger: Die mysteriöse Dunkle Energie. In: Bild der Wissenschaft 7 / 2001
Ders.: Wenn die Zeit rückwärts läuft. In: Bild der Wissenschaft 12 / 2002
Weinberg, Steven: Die ersten drei Minuten. Der Ursprung des Universums. 4. Auflage.
München: Piper Verlag 1977
Begleitprotokoll zur Entstehung der Fachbereichsarbeit
8.
38
Begleitprotokoll zur Entstehung der Fachbereichsarbeit

Mai 2002: Beschluss eine Fachbereichsarbeit im Fach Physik zu schreiben

Mai – September 2002: Einlesen in diverse, Kosmologie behandelnde, Bücher

September 2002: Festlegung des Themas auf Dunkle Materie und Einlesen in diverse
Literatur

23.9. 2002: Ausarbeitung der Disposition und des Titels / Vorlage beim Landesschulrat

17.10. 2002: Erneute Vorlage beim Landesschulrat

Oktober 2002: Ausarbeitung des ersten Teils der Arbeit

Ende Oktober 2002: Vorlage des Kapitels „Die Entwicklungsgeschichte der Kosmologie
und die Urknalltheorie“ beim Betreuer

November 2002: Weiteres Ausarbeiten

26.11. 2002: Vorlage des Kapitels „Indizien für Dunkle Materie“ beim Betreuer

Dezember 2002: Korrekturen an bereits vorhandenen Teilen der Arbeit und Ausarbeitung
der übrigen Teile

10.12. 2002: Vorlage des Kapitels „Erscheinungsformen der Dunklen Materie“ beim
Betreuer

16.12. 2002: Vorlage des Gesamtkonzepts (mit bereits überarbeiteten Kapiteln)

20.12. 2002: Besprechung des Gesamtkonzepts
Herunterladen