Manuskript downloaden

Werbung
SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Glauben
ZERSTÖRER ALLER HINDERNISSE
GANESHA, EINE DER BELIEBTESTEN GOTTHEITEN DES
HINDUISMUS
VON MARGARETE BLÜMEL
SENDUNG 14.08.2016 / 12.05 UHR
Redaktion Religion, Migration und Gesellschaft
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten
Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung
bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR
SWR2 Glauben können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter
www.swr2.de oder als Podcast nachhören:
http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/glauben.xml
Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2?
Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen
Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen.
Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen
Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert.
Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de
Musik 1 Raga Bhajan
Zitatsprecher:
Einst formte Shivas Gattin Parvati aus Lehm einen kleinen Jungen, den sie
Ganesha nannte. Sie erweckte ihn zum Leben, indem sie ihn mit
Gangeswasser übergoss. Dann setzte Parvati ihren Sohn als Wache vor ihr
Haus. Als Gott Shiva zurückkehrte und der Junge ihm den Weg versperrte,
schlug er ihm den Kopf ab.
Musik 1 Raga Bhajan
bitte hochziehen, dann blenden
Erzählerin:
Heißt es in den Puranas, der bedeutendsten Quelle der hinduistischen
Mythologie.
Musik 1 Raga Bhajan
Zitatsprecher:
Als Shiva klar wurde, dass er Parvatis Kind getötet hatte, befahl er seinen
Dienern, ihm das Haupt des ersten Wesens beizubringen, das sie Richtung
Norden schlafend finden würden. Es war ein Elefant, dessen Kopf Gott Shiva
auf Ganeshas Rumpf setzte. Nachdem Ganesha seine Augen aufgeschlagen
hatte, segnete Shiva ihn und nahm ihn als seinen Sohn an.
Musik 1 Raga Bhajan
Erzählerin:
Ganeshas Vater Shiva ist für den Erhalt und die Zerstörung der Welt
verantwortlich. Als Mahadeva - „großer Gott“ - hat Shiva einen eigenen Kult
und gilt als Herr über alle Welten und alle Wesen, sagt die Indologin Manjiri
Bhalerao aus Poona.
O-Ton 1 Manjiri Bhalerao “And then you also have a separate cult of Ganesh
..as Vigna Kaharta one who brings obstacles.“
VO Sprecherin Auch um Shivas Sohn Ganesha hat sich ein eigener Kult
entwickelt. Anders als Shiva wird Ganesha allerdings erst im dritten
Jahrhundert erstmals in den religiösen Texten erwähnt. Als 'Vigna harta' - als
jemand, der Hindernisse bringt.
2
Erzählerin:
Das hinduistische Pantheon besteht aus an die dreihundertfünfzig Millionen
Gottheiten. Die Menschen wenden sich mit grundverschiedenen Anliegen an
diese Götter. Einige von ihnen werden vor allem anlässlich einer Hochzeit,
andere nur angesichts des Todes oder bei einer Flugzeugtaufe angerufen. Es
gibt Göttinnen und Götter, die aus einer weiblichen und einer männlichen
Potenz bestehen und solche, die ebenso gutmütig und großzügig wie
Verderben bringend sein können.
Zu dieser Kategorie gehört auch Ganesha, der Lieblingsgott der Hindus.
Atmo 1 Lobgesang Ganeshas
Erzählerin:
Im Vergleich zu allen anderen hinduistischen Gottheiten hat Ganesha den
größten Einfluss. Er allein genießt das Privileg, in jedem Hindutempel vertreten
zu sein, gleich ob die heilige Stätte zum Beispiel Shiva, Krishna, Kali oder
Lakhsmi gewidmet ist. Und wann immer Hindus einen Tempel aufsuchen,
wenden sie sich jedes Mal zuerst an Gott Ganesha und bitten ihn um sein
Wohlwollen.
Atmo 1 Lobgesang Ganeshas bitte hoch, dann blenden
Erzählerin:
Ganesha birgt vielerlei Widersprüche in sich: Er ist halb Tier, halb Mensch, kann
den Gläubigen alles geben, aber auch alles nehmen und er ist dick und
naschsüchtig.
Nicht nur seiner Leibesfülle wegen ist Ganesha unverkennbar. Auch sein
Elefantenkopf, der durchdringende Blick und der menschliche Körper
zeichnen ihn aus. Mal wird der Gott mit vier, dann wieder mit zwei Armen
dargestellt. In den Händen hält er eine mit Kuchen gefüllte Schüssel, eine Axt,
einen Treibstock und einen abgebrochenen Stoßzahn.
Ganesha kann Glück und Erfolg bescheren. Aber er kann sich auch als
fleischfressende Fratze mit bleckenden Zähnen manifestieren – dann heißt er
Kirtttimukha und ist ein Schrecken erregendes, todbringendes Ungeheuer. Die
sonst sehr wohlwollend erscheinende Gottheit besitzt also die Macht, die
Vorhaben der Gläubigen zu vereiteln und sowohl Menschen als auch Götter
zu Fall zu bringen.
Die Indologin Manjiri Bhalerao:
O-Ton 2 Manjiri Bhalerao “Initially he was considered as the head.... and also
in the rituals.”
3
VO-Sprecherin Anfangs betrachtete man Ganesha vor allem als Anführer der
Ganas, einer Heerschar himmlischer Wesen, die Gott Shiva unterstellt sind.
Ganesha wurde sehr mächtig. Und wenn er wollte, konnte er den Gläubigen
große Schwierigkeiten bereiten. Verehrte man ihn aber gebührend, sah er
davon ab. So erlangte Ganesha den Ruf, alle Hindernisse aus dem Weg
räumen zu können. Diese Veränderung schlug sich in den Texten, den
bildlichen Darstellungen und in den Ritualen nieder.
Atmo 2 Ganesha-Mantra
O-Ton 3 Priester Trilok Murthy “When devotees perform.. Ganesha is very much
pleased... gets grace of Lord Ganesha.“
VO-Sprecher Ganesha ist über jede Form der Anbetung überaus erfreut und
er wird dem Gläubigen dafür seine Gunst schenken.
Erzählerin:
Sagt der Priester Trilok Murthy aus dem Ganesha-Tempel Sri Vinayaka Mandir
in Neu-Delhi.
Atmo 2 Ganesha-Mantra
O-Ton 4 Trilok Murthy „There are various types of special pujas.. in Sanskrit one
thousand.
VO-Sprecher Wir können viele verschiedene Rituale für Ganesha ausführen.
So baden wir die Statuen zum Beispiel und fügen dem Waschwasser
wohltuende Essenzen hinzu. Dazu tragen wir heilige Verse vor. Wenn wir diese
Mantras singen, erfüllen wir Ganesha mit großer Freude! Danach bieten wir
ihm symbolisch 1008 Blumen dar, indem wir alle seine Namen singen.
O-Ton 5 Priester-Vortrag Namen Ganpatis Trilok Murthy Sanskrit
Atmo 2 Ganesha-Mantra bitte hochziehen, dann blenden
O-Ton 6 Manjiri Bhalerao “The beauty of Ganesh lies in his intelligence .. That's
why people love him.“
VO-Sprecherin Ganeshas Schönheit beruht auf seiner Intelligenz. Außerdem ist
er wohlbeleibt, reitet auf einer kleinen Maus und er kann einfach alles!
Deshalb lieben ihn die Menschen.
Musik 2 Raga Bhajan ( wie Musik 1 )
4
Zitatsprecher:
Einmal forderten Shiva und Parvati ihre beiden Söhne zu einem Wettstreit
heraus. Sieger würde derjenige von ihnen sein, der als erster die Welt
umrundet hätte. Ganeshas Bruder Kartikeya setzte sich auf seinen Pfau und
flog sogleich los. Ganesha dagegen blieb bei seinen Eltern. Kurz bevor er
seinen Bruder heimkehren hörte, schritt er dreimal um Shiva und Parvati herum
und bekundete ihnen seine Hingabe. Die Eltern erklärten Ganesha zum
Sieger. Denn er hatte die Shastras, die heiligen Schriften verinnerlicht, in
denen es heißt, dass die Eltern für ein Kind die Welt, wenn nicht gar das
Universum darstellen.
Musik 2 Raga Bhajan ( wie Musik 1 )
Erzählerin:
Außer von Hindus wird Ganesha auch von Jainas und einem Teil der
Buddhisten verehrt.
Die Gläubigen bitten ihn vor Antritt einer Reise, vor Vertragsabschlüssen,
Prüfungen oder vor dem Bau eines neuen Hauses um sein Wohlwollen. Die
Statue des Gottes mit dem abgebrochenen Stoßzahn, der in einer seiner
Hände eine Schale voller Süßigkeiten hält, thront über Haus- und
Geschäftseingängen und blickt von den Armaturenbrettern indischer Autos
und Busse in den Straßenverkehr.
Atmo 3 Gläubige rezitieren
Erzählerin:
In den Tempeln flüstern die Gläubigen ihre Wünsche seiner ständigen
Begleiterin ins Ohr – einer Ratte. Ganeshas wendiges, kleines Reittier gilt als
Botschafter und enger Vertrauter der Gottheit, sagt die
Südasienwissenschaftlerin Katja Eichner.
O-Ton 7 Katja Eichner Ganesh, der Elefantengott, bekommt die Ratte
zugeordnet. Es ist 'ne sehr lustige Darstellungsweise immer - der große
elefantenköpfige Mensch, der da auf der Ratte durch die Welt reitet, 'ne sehr
schöne Vorstellung. Man sagt, beide sind fähig, Hindernisse beiseite zu
räumen. Also die Ratte, die findet überall Eingang, die kann alle Hindernisse
irgendwie beiseite räumen. Und Ganesh ist ja auch dafür zuständig, dass er
Hindernisse beiseite räumt.
5
Erzählerin:
Vor den meist in Bronze gegossenen Statuen der Ratte stehen die
Tempelbesucher Schlange, bis sie an der Reihe sind und die Weggefährtin
ihres Gottes mit der Übermittlung ihrer Anliegen betrauen können.
Atmo 3 Gläubige rezitieren
Erzählerin:
Ein kleines Stück weiter stockt die Menschenmenge im Tempel nochmals dort, wo die Gläubigen Ganesha auf eigens dazu angebrachten Wandtafeln
mitteilen können, was ihnen am Herzen liegt. In allen Landessprachen
schreiben die Anhänger des Gottes ihre Bitten und Nöte nieder - mit
Kugelschreibern, Filzstiften oder auch einfach mit den Fingern.
Atmo 3 Gläubige rezitieren bitte hoch und blenden
Erzählerin:
Auch wenn Hindu-Kinder ihre ersten Schreibversuche machen, setzen die
Gläubigen auf ihren Lieblingsgott. Die Eltern beauftragen einen Priester damit,
ein Ritual durchzuführen, um Ganesha zu erfreuen und sein Wohlwollen zu
gewinnen. Der Gott aller gutgemeinten Unternehmungen, der Schutzpatron
der Künstler und Schriftsteller soll den Kleinen dabei helfen, das Alphabet zu
lernen und die Tücken ihrer Muttersprache sicher zu umschiffen.
Bei dieser Gelegenheit macht man die Kinder auch mit einer besonders
beliebten Anrufung Ganeshas vertraut.
Atmo 4 Ganesha-Mantra Om Sri Ganeshaya Namah
Zitatsprecher:
Ganesh Beseitiger aller Hindernisse, dessen Form Pranava, der Urklang, ist,
Verkörperung von Weisheit, Oh Vinayaka,
Gewährer von Glück,
der Du die Süßspeise Modaka
in Deinen Händen hältst!
Oh Elefantenköpfiger!
Gegrüßet seist Du.
Om Gam Ganapataye Namaha.
Atmo 4 Ganesha-Mantra Om Sri Ganeshaya Namah bitte hoch
6
Erzählerin:
Der wohlgenährte Gott wird von einem Teil der Gläubigen als ihr Hauptgott
verehrt. Es sind die „Ganapatyas“, Hindus, die meist aus dem westindischen
Bundesstaat Maharasthra oder aus Südindien stammen. Die Mitglieder dieser
Hindu-Denomination sind im Allgemeinen eher unauffällig. Mit einer
Ausnahme: Vor größeren Tempelfesten lassen sich einige von ihnen einen
roten Kreis auf die Stirn und das Gesicht eines Elefanten auf die Schulter
malen.
Atmo 4 Audio Ganesha-Mantra Om Sri Ganeshaya Namah bitte hoch und
weg
Erzählerin:
Im Kastensystem, einer hierarchischen Einordnung der Hindus in verschiedene
Gruppen, sind die Ganapatyas weit oben angesiedelt. Sie gehören einer der
höheren Kasten an und sorgen unter anderem dafür, dass in ganz Indien
Ganesha-Tempel errichtet, unterhalten und den religiösen Vorgaben gemäß
betrieben werden.
Dazu gehören unter anderem ganz spezielle Zeremonien, betont der Priester
Trilok Murthy:
O-Ton 8 Priester Trilok Murthy “Chanting of Lord Ganesha's mantras will have
the effect ... creates a vibration in the entire atmosphere.“
VO-Sprecher Ein Teil der Rituale besteht aus Anrufungen Ganeshas. Es ist
wichtig, den Gesang dieser rituellen Texte mit einer weiteren Zeremonie zu
verbinden, die wir Ganapati Hawan nennen. Unter anderem wird dabei
reines Butterfett in das heilige Feuer im Tempel gegossen. Und noch einmal
zurück zu den Anrufungen Ganeshas, zu den Mantras – der Rhythmus, der
Klang und die Aussprache dieser vedischen Silben sind sehr wirkmächtig. Die
Umgebung, die gesamte Atmosphäre ist von der Vibration der Mantras
durchdrungen.
Atmo 5 Ganpati-Sloka-Gesang im Tempel
Erzählerin:
Die Angehörigen der Ganapatya-Gemeinschaft halten nicht nur die
Vorgaben für die Rituale akribisch ein. Auch die Herstellung der GaneshaStatuen nach den in religiösen Schriften dargelegten Regeln, den
Shilpashastras, liegt den Ganapatyas am Herzen.
O-Ton 9 Priester Trilok Murthy “The idol of Lord.... There are nearly... You can
witness.“
7
VO-Sprecher Ganesha-Statuen werden in den alten Schriften, den Puranas,
ganz genau beschrieben. Ob es sich um seine Augen, die Ohren, den Rüssel,
den Bauch oder den Stoßzahn handelt – nichts wird dem Zufall überlassen. Es
gibt vierundsechzig verschiedene Möglichkeiten, Ganesha darzustellen. Jeder
dieser Statuen wendet man sich mit individuellen Anliegen zu. Allein in unserer
großen Tempelhalle haben wir zweiunddreißig verschiedene Ausführungen
Ganeshas.
Atmo 6 Außenatmo Ganesha - Pilgerreise
Erzählerin:
Die diversen Darstellungen des Gottes können die Gläubigen auch während
einer etwas mühevollen, aber sehr beliebten Pilgerreise bewundern. Drei Tage
dauert diese Wallfahrt, die Ganeshas Anhänger durch Teile des westindischen
Bundesstaates Maharashtra führt. Über Stock und Stein fahren die Pilger im
gemieteten Kleinbus oder mit dem Taxi. Übernachtet wird in sehr einfachen
Herbergen, die meist nicht einmal einen Ventilator besitzen, der den
Reisenden während der schwül-heißen Sommerhitze Erleichterung bieten
könnte. Doch das religiöse Verdienst, das die Gläubigen sich erhoffen, macht
in ihren Augen alle Mühen wett.
Atmo 6 Außenatmo Ganesha-Pilgerreise
Erzählerin:
Acht Ganesha-Tempel besuchen sie im Zuge ihrer Wallfahrt. Und immer
wieder können sie andere Abbildungen und Statuen der Gottheit bestaunen.
Mal kommt Ganesha mit einer stilisierten Schlinge daher, mithilfe derer er
seine Anhänger aus ihren weltlichen Problemen herauszieht. Dann wieder ist
er mit einer Axt bewehrt, dem Symbol für die Zerstörung aller Bindungen und
Wünsche. Immer jedoch bestechen die Statuen durch ihre kleinen, aber
durchdringenden Augen, die über die „innere Schau“ verfügen - die
Fähigkeit, den Geist Gottes in allem und jedem sehen zu können.
Atmo 6 Außenatmo Ganesha – Pilgerreise
Erzählerin:
Ganesha-Anhänger, wie der aus Delhi stammende Gopal Das und seine Frau,
begeben sich nicht zum ersten Mal auf diese Wallfahrt, die sogenannte
Ashtavinayak. Für sie steht fest: Wer die mit der Asthavinayak verbundene
Mühsal auf sich nimmt, gewinnt das Wohlwollen der Gottheit in besonderem
Maße.
8
O-Ton 10 Pilger “Ashtavinayak ... back to Morgaon.”
VO Sprecher 'Ashtavinayak' - das bedeutet acht Ganesha-Tempel. Wir sollen
unsere Pilgerreise hier in Morgaon beginnen, dann nach Siddhatek
weiterfahren und im Anschluß die restlichen Tempel besuchen. Meine Frau
und ich machen das seit achtzehn Jahren so. Jedes Jahr. Am Ende der
Pilgerfahrt kommen wir dann erneut hierher zurück.
Erzählerin:
Die Ganesha-Wallfahrt bietet den Gläubigen auch immer wieder
Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Während solcher
Begegnungen kommt häufig „das Wunder von Ganesha” zur Sprache, ein
Ereignis, das im September 1995 stattgefunden hat.
Musik 3 Raga
Erzählerin:
Am 21. September des Jahres 1995 verbreitete sich in Indien die Nachricht,
eine Ganesha-Statue in einem Tempel Delhis habe ihren Rüssel in das vor ihr
stehende Behältnis getaucht und die darin befindliche Milch getrunken.
Bald darauf stand das Land Kopf. Fünfzig Millionen Inder wollten am „Wunder
von Ganesha” teilhaben. Binnen kurzem war landesweit die Milch
ausverkauft, weil alle in den örtlichen Tempel oder an den Familienaltar
eilten, um “ihrer” Ganesha-Statue Schalen voller Milch vorzusetzen – in der
Hoffnung, Gott Ganesha werde sie leertrinken.
Musik 3 Raga hoch, dann wieder unterlegen
Erzählerin:
Doch das Mysterium, das manche schon mit dem Wunder der blutenden
Marienstatuen gleichsetzten, hatte bald ein Ende: Die mit Milch gefüllten
Behältnisse blieben unberührt.
Musik 3 Raga
Erzählerin:
Wissenschaftliche Erklärungen, der Verweis auf eine Massenhysterie und
Verschwörungstheorien, die religiöse Organisationen und Parteien des Betrugs
und der Agitation bezichtigten, wurden laut.
Am Ende aber wurde das Rätsel um „das Wunder von Ganesha” nie gelöst.
Musik 3 Raga bitte hoch und blenden
9
Atmo 7 Hymne
Erzählerin:
Ganeshas Verehrung findet einmal im Jahr ihren Höhepunkt, wenn sein
Geburtstag gefeiert wird. Das Datum, das sich nicht am Sonnen-, sondern am
Mondkalender orientiert, ist jedes Jahr ein anderes.
Dieses Jahr fällt Ganeshas Ehrentag Ganesh Chaturthi auf den 5. September.
Die Indologin Manjiri Bhalerao:
O-Ton 11 Manjiri Bhalerao “People love him... So they move around and take
holidays.“
VO-Sprecherin Die Leute lieben ihn – nicht zuletzt, weil sie seinetwegen und
ihm zu Ehren das Ganesh Chaturthi feiern können. Dies ist eine Zeit, in der im
Namen Ganeshas alles möglich ist! Die Gläubigen genießen die zehn Tage
des Festes sehr – den meisten gelingt es, die Sorgen des Alltags für kurze Zeit
zu vergessen. Es wird ausgelassen getanzt, reichlich gegessen und getrunken.
Und die Legenden, wie etwa die um Ganeshas Streit mit dem Mond, machen
die Runde!
Musik 4 Raga Bhajan ( wie Musik 1 )
Zitatsprecher:
Einmal hatte Ganesha eine ungeheure Menge seiner Lieblingssüßigkeit
verzehrt. Gerade ritt er auf seiner Ratte heimwärts, als eine Schlange dem
flinken Nagetier hinterrücks ein Bein stellte. Unversehens fiel der Gott herab,
sein prallgefüllter Bauch platzte auf und die Konfektkugeln, die Ganesha
zuvor gegessen hatte, rollten aufs Pflaster.
Der Mond, der das genau verfolgt hatte, lachte über diesen Anblick, bis er
auf den Rücken fiel. Gott Ganesha aber war darüber so erzürnt, dass er den
Mond für immer vom Himmelsgrund verbannte.
Musik 4 Raga Bhajan ( wie Musik 1 ) bitte hoch, dann wieder unterlegen
Zitatsprecher:
Ohne den Mond gab es weder Nacht noch Zwielicht. Die Liebenden auf der
Erde klagten, die Alten fanden keinen Schlaf und seufzten und selbst die
Götter murrten, dass der immerzu von hellem Licht erfüllte Himmel sie reizbar
und streitsüchtig machte.
Da gab Ganesha ihren Bitten nach. Er ließ den Mond an seinen Himmelsplatz
zurückkehren, doch fortan musste er sich in einen Turnus fügen, in dessen
Folge er jedes Mal von neuem zu einer dünnen Sichel schrumpfen sollte.
10
Götter und Menschen aber, die am Ehrentag Ganeshas zum Mond
aufschauen, müssen sich danach vor Streitigkeiten und Gerüchten hüten.
Musik 4 Raga Bhajan (wie Musik 1) / bitte hoch und blenden
Erzählerin:
Schon Wochen vorher werden in ganz Indien Statuen und Festwagen für den
Geburtstag Ganeshas gezimmert.
Familien, die den Festtag daheim begehen, schmücken ihren Hausaltar mit
Blumen, kleiden die Statuen neu ein und überreichen ihrem Gott Reis und
seine Leibspeise – in Butter gewälzte süße Konfektkugeln.
Ein Priester haucht der für diesen Anlass angefertigten Tonfigur Ganeshas
symbolisch Leben ein.
Atmo 8 Ganesh Chaturthi
Erzählerin:
In ganz Indien ist während des Ganesh Chaturthi auf vielen Straßen kein
Durchkommen. Gemüsekarren rumpeln über den Asphalt, Gefährte, die
durch frischen Anstrich und goldflirrende Brokatdecken aufgewertet worden
sind, um nun die kolossalen Statuen von Gott Ganesha befördern zu dürfen.
Atmo 9 Ganesh Chaturthi
Erzählerin:
Neben den Wagen laufen außer Rand und Band geratene Kinder hin und
her. Gestandene Männer schlagen entrückt die Trommeln, die sie sich
umgehängt haben. Frauen in ihren schönsten Saris versuchen mit Mann und
Kindern Schritt zu halten, um den Rest der Familie nur ja nicht aus den Augen
zu verlieren.
Atmo 9 Ganesh Chaturthi
Erzählerin:
Segensrufe werden ausgebracht und die Anhänger tanzen mit ihren
Ganesha-Figuren auf den Schultern neben den Festwagen her, während ein
schweißüberströmter Polizist versucht, mit seinem Gummiknüppel einen aus
dem Takt geratenen Frauen-Chor zu dirigieren.
Atmo 10 Ganesh Chaturthi mit „Chor“
11
Erzählerin:
Die Zahl der Gläubigen lässt sich meist kaum noch überblicken. Und überall
Ganeshas: Als über acht Meter in die Höhe ragende Statue blickt die Gottheit
mit dem Elefantenrüssel von einem mit kühl-blauer Seide ausgeschlagenen
Podest auf die Menschen herunter. Dann wieder auf einer Drehbühne: Mit
erhobenen Händen und strengem Lächeln weist Ganesha den Todesgott
Yama in seine Schranken.
Atmo 11 Priesterrezitation
O-Ton 12 Katja Eichner: Wenn man weiß, dass er derjenige ist, der die
Probleme beiseite räumt, der uns Schwierigkeiten und Hindernisse überstehen
lässt und dass er auch noch dafür zuständig ist, dass wir erfolgreich im Leben
sind - also ich denke, da bleibt Ihnen doch nichts Anderes übrig, als ihn zu
mögen, oder?
Atmo 11 Priesterrezitation bitte unter d. folg. Text blenden
Erzählerin:
Am Ende finden die Statuen des hinduistischen Lieblingsgottes im Wasser ihre
letzte Heimat. Traditionsgemäß bringen die Ganesha-Anhänger sie zu Fuß, auf
Handkarren oder kleinen Pritschenwagen zum Meer, einem Fluss oder einem
kleinen Weiher. Die Gläubigen setzen sich ihre Bronze- oder Tonfigur auf den
Kopf und schreiten damit zum Wassersaum. Dreimal tauchen die Menschen
mit ihrem Ganesha unter, murmeln eine Segensformel, lassen die Statue los
und schauen ihr nach, wie sie davontreibt.
Entstehung - Erhaltung - Zerstörung - Neubeginn.
Nachdem Gott Ganesha Gestalt angenommen hatte und er Gast der
Gläubigen geworden war, schließt sich der spirituelle Zyklus nun, indem seine
Anhänger ihre Statuen den Elementen überantworten.
Musik 5 Raga Bhajan
O-Ton 13 Manjiri Bhalerao “We always believe that our fate lies in his hand …
And you get this by doing all these rituals all over your life. “
VO-Sprecherin Wir sind seit jeher davon überzeugt, dass unser Schicksal in
seinen Händen liegt. Indem wir Ganesha verehren, bitten wir ihn darum, unser
Leben sorgenfrei zu gestalten und alles in gute Bahnen zu lenken. Die
Zeremonien, die wir für Ganesha vollführen, die Teilnahme am Ganesh
Chaturthi – all das bringt spirituelles Verdienst. Und damit sichern wir uns
günstige Voraussetzungen für unsere nächste Wiedergeburt. Es ist also sehr
bedeutsam, ein Leben lang die ihm zugedachten Rituale zu erfüllen.
12
Musik 5 Raga Bhajan
13
Herunterladen