Harmonische Teilung, Inversion, Apollonios-Kreis Diese Ausarbeitung stellt einen Gang durch die Geometrie der Verhältnisse dar, der die oben genannten Begriffe und geometrischen Bereiche schlüssig miteinander in Verbindung bringt. Wir gehen aus von einfachen Streckenteilungen, schließen harmonische Teilungen an, führen so zum Begriff der Inversion, betrachten deren Invarianten - die Orthogonal-Kreise; Orthogonal-Kreise wiederum erzeugen harmonische Teilungen. An unterrichtlichen Voraussetzungen benötigen wir die Strahlensätze, den konstruierenden Umgang mit ihnen, den Satz des Thales, den Satz des Pythagoras, den Kathetensatz und den konstruierenden Umgang mit ihm, und sonst nur ein wenig elementare Geometrie. 1 Streckenteilung 1.1 Begriff der Teilung, Schreibweisen Gegeben seien zwei Punkte A und B. Sie begrenzen eine Strecke AB. Ein weiterer Punkt C liege auf AB. Wir sagen, C teilt B. Das Teilungsverhältnis geben wir durch den Bruch AC/BC an, der Teilpunkt wird stets zuletzt genannt. 1.2 Satz von der Winkelhalbierenden Um den Begriff der inneren Teilung zu motivieren, sehen wir uns den folgenden Satz an. Satz: Die Winkelhalbierende eines Dreiecks teilt die gegenüberliegende Seite im Verhältnis der anliegenden Seiten. Wie beweist man diesen Satz? Die Verhältnisgleichung erinnert an den Strahlensatz. Hier fehlen allerdings die C Parallelen. Aber AD und BD liegen aneinander wie die von den Parallelen abgeschnittenen Strahlenabschnitte. Und eine Parallele zeichnet man leicht hinzu. Eine g2 Parallele zu BC läßt zwar AC und BC als g1 sinnvolle Teilstrecken erscheinen, aber so kommt man nicht weiter. Eine Parallele g2 zur Winkelhalbierenden g1 durch B hindurch ist vielversprechend. Wenn sie auf der A D B Verlängerung von AC über C hinaus die Seite CE=BC erzeugte, wären wir fertig. Das Dreieck BEC ist tatsächlich gleichschenklig, da DCA = CBE (Wechselwinkel) und DCA = BEC (Stufenwinkel). Nun können wir den Strahlensatz anwenden und sehen AD/BD = AC/EC = AC/BC. 1.3 Konstruktion einfacher Teilung mit Strahlensatz B Das Teilverhältnis AC/BC soll auf eine Strecke AY übertragen werden. Zeichne in beliebigem Winkel AY an AB, zeichne Gerade g1 durch B und Y, konstruiere Gerade g2 durch C und parallel zu g1. g2 C g1 g2 A Z Y E schneidet AY im gesuchten Teilpunkt Z. 1.4 innere und äußere Teilung Mit C finden wir zu einer Strecke AB einen Teilpunkt. Kann man umgekehrt zu einem Punkt A bei gegebenem Teilpunkt C den Endpunkt der Strecke B bestimmen? Zur Konstruktion hilft uns die äußere Parallele. Um den Begriff der Teilung zu erweitern, wollen wir auch einen Punkt D, der auf der Verlängerung von AB über B hinaus liegt, als Teilpunkt auffassen. Im Falle des Punktes C sprechen wir von innerer Teilung, im Falle des Punktes D von äußerer Teilung. Bei der inneren Teilung bestimmt C zwei Summanden, sodass AC+BC = AB ist. Bei der äußeren Teilung bestimmt D Minuend und Subtrahend, sodass AD–BD = AB ist. 1.5 Harmonische Teilung Gibt es zu einem Teilpunkt C der Strecke AB einen äußeren Teilpunkt D mit gleichem Teilverhältnis? Das probieren wir aus. AC=2, BC=1, also AC/BC=2/1. Es müßte AD = 6 sein, dann ist BD = 3 und das Verhältnis ist gleich. AC=5, BC=1, also AC/BC=5/1. Liegt jetzt D weiter rechts? Nein, denn dann würde das Verhältnis AD/BD immer kleiner, genauer gesagt ginge es gegen 1. Nun müßte AD = 7,5 und BD = 1,5 sein und das Verhältnis ist gleich. Stimmen das innere und das äußere Teilverhältnis überein, so sprechen wir von harmonischer Teilung. Es gilt dann also AC/BC=AD/BD. Definition: Die Strecke AB wird durch die Punkte C und D harmonisch geteilt, wenn C auf AB und B auf CD liegt und es gilt AC/BC=AD/BD. 1.6 Konstruktion harmonischer Teilung mit Strahlensatz Zu gegebenem Teilverhältnis AC/BC ist der vierte Punkt D gesucht, der die Teilung harmonisch macht. Da D außerhalb von AB liegt, spiegeln wir B´ über C. B´ C g2 B´´ g1 A B D Zeichne in beliebigem Winkel AB´ an AB, zeichne Gerade g1 durch B´´ und B, konstruiere Gerade g2 durch C und parallel zu g1. g2 schneidet AB außen im gesuchten Teilpunkt D. 1.7 Konstruktion harmonischer Teilung mit Außenwinkelhalbierenden Im Satz von der Winkelhalbierenden haben wir gesehen, dass ein Teilverhältnis der Seiten durch die Winkelhalbierende auf eine Seite übertragen wird. Kann man diese Eigenschaft benutzen, um den außen liegenden harmonischen Punkt zu finden? E g1 A C g2 B D Wir halbieren versuchsweise den Außenwinkel. Eine weitere Hilfsparallele und dieselbe Argumentation wie im Beweis des Satzes von der Winkelhalbierenden führt zum Ziel. Wir können den Satz von der Winkelhalbierenden allgemeiner formulieren: Satz: Die Winkelhalbierende eines Dreiecks teilt die gegenüberliegende Seite innen im Verhältnis der anliegenden Seiten, die Außenwinkelhalbierende teilt die gegenüberliegende Seite außen im Verhältnis der anliegenden Seiten. 1.8 Grenzüberlegung als Hinführung zur Inversion (Kreis-Spiegelung) Bei gegebener Strecke AB ist jedem inneren Teilpunkt C ein äußerer Teilpunkt D zugeordnet und umgekehrt. Wir beobachten die Lage von D abhängig von C. Liegt C nahe bei B, dann liegt auch D nahe bei B. Je weiter C von B wegrückt, desto schneller bewegt sich D von B weg. Liegt C auf der Mitte von AB, dann ist D unendlich weit von B entfernt. Die Abhängigkeit von C und D hat gewisse Ähnlichkeit mit einer Spiegelung. 2 Inversion 2.1 Erklärung des Begriffs Gegeben ist ein Kreis, den wir im allgeneinen als Einheitskreis auffassen können. Er hat den Durchmesse AB und den Mittelpunkt M. C und D seien harmonische Teilpunkte von AB. Dann gilt mit AC/BC = AD/BD und AM = MB = r: (r + MC)/(r – MC) = ( r + MD)/(MD – r) (r + MC)(MD – r) = ( r + MD)(r – MC) rMD + MC MD – r2 – rMC = r2 – rMC + rMD – MC MD r2 = MC MD r/MC = MD/r 1/ (MC/r) = MD/r k1 D C M A MD ist also bis auf Streckung mit r der Kehrwert von MC und umgekehrt. Diese Gleichung definiert die Spiegelung am Kreis, die wir auch Inversion nennen. B Definition: Unter Inversion an einem Kreis mit Mittelpunkt M und Radius r verstehen wir eine Abbildung, die einem Punkt C den Punkt D zuordnet dergestalt, dass 1/ (MC/r) = MD/r gilt. Wir stellen fest: Der Durchmesser eines Kreises wird von zwei am Kreis gespiegelten Punkten harmonisch geteilt. 2.2 Konstruktion des Bildpunktes unter Inversion B1 2.2.1 mit Strahlensatz C1 B2 Den zu C bezüglich k1 inversen Punkt D finden wir mit Hilfe der Strahlensatz-Konstruktion des harmonischen Punktes. D B M C A k1 2.2.2 mit Kathetensatz Da r2 = MC MD gilt, können wir mit b = r den Kathetensatz anwenden. Dabei ist MD die Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks, MC ist der zur Kathete b = r gehörende Abschnitt. Ist umgekehrt der äußere Punkt D gegeben, und C gesucht, konstruiert man den Kreispunkt P2 mit Thales-Kreis und fällt das Lot auf MD. h2 g3 g2 M 2.3 Orthogonal-Kreise Dieser letzte Gedanke läßt uns ein zweites Thales-Dreieck in der Zeichnung entdecken. CDP2 besitzt einen Umkreis, der offensichtlich den Inversionskreis orthogonal schneidet. Sehen wir uns diesen Kreis k2 genauer an. Er ist bestimmt durch die Lage von C, D und dem Punkt P des Inversionskreises. Jetzt bekommt die Gleichung r2 = MC MD plötzlich eine weitere Bedeutung. r2 ist das Quadrat eines Abschnittes der Tangente durch M an den Kreis k2, MC und MD sind Abschnitte einer Sekante. Nun gilt die Gleichung r2 = MC MD aber auch für jeden anderen Kreis durch C und D, da er ja immer den Inversionskreis schneidet. Der Radius r berührt aber gleichzeitig den Kreis k2. Die Kreise verlaufen also orthogonal zueinander. Es gilt somit der Satz: Teilen die Punkte C und D die Strecke AB harmonisch, so ist jeder Kreis durch C und D Orthogonal-Kreis zum Kreis mit Durchmesser AB. Und umgekehrt gilt: Satz: Ist D das Bild von C bezüglich der Spiegelung an k, dann ist jeder Kreis durch C und D Orthogonal-Kreis zum Kreis k. Und weiter: Satz: Ist k2 ein Orthogonal-Kreis zu k1, dann existiert zu jedem P aus k2 ein Q aus k2, welches das Bild von P unter Inversion an k1 ist. Das heißt, der Orthogonal-Kreis k2 wird in sich abgebildet. D B C k1 h2 g3 P k2 k1 g2 D B C M A P k2 k1 r D B M A C 2.4 Invarianten Eben haben wir festgestellt, dasss Orthogonal-Kreise in sich abgebildet werden. Solche Kreise nennen wir Fixkreise; sie sind unter der Abbildung invariant. Gibt es noch weitere Invarianten? Der Inversionskreis selbst ist bezüglich der Inversion invariant. Er besteht aus Fixpunkten, die jeweils auf sich selbst abgebildet werden. Auch Ursprungsgeraden sind invariant, da alle ihre Punkte wieder auf die Gerade selbst abgebildet werden. Ursprungsgeraden sind Fixgeraden. 2.5 Bilder von Geraden und Kreisen Wie werden beliebige Geraden und beliebige Kreise abgebildet? Besitzen sie besonders geartete Bilder, wie es die Ursprungsgeraden und die Orthogonalkreise zeigten? 3 Apollonios-Kreis Erinnern wir uns noch einmal an die harmonischen Punkte. Oben haben wir zu gegebenem Teilverhältnis passende Punkte auf AB konstruiert. Ein Punkt X, der die Gleichung AC/BC=AX/BX erfüllt, muss aber nicht unbedingt auf AB liegen. Im Falle der harmonischen Teilung haben wir ihn außerhalb von AB gefunden. Im Satz von der Winkelhalbierenden war X die dritte Ecke des Dreiecks. Der griechische Mathematiker Apollonios fand heraus, dass alle diese Punkte X auf einem Kreis liegen. Wir wollen seinen Gedankengang nachvollziehen. Ist X ein Punkt außerhalb von AB mit AX/BX=const., dann liegt ein Punkt C der Strecke AB mit AC/BC=const. auf der Winkelhalbierenden von Winkel AXB. Der dazu passende harmonische Punkt D auf AB liegt auf der Außenwinkelhalbierenden. Diese beiden Winkelhalbierenden schneiden sich in X orthogonal. Das Dreieck CDX ist rechtwinklig, egal wo X liegt. Nach Thales bilden die Punkte X also einen Kreis mit Durchmesser CD. 4 Koaxiale Kreise eventuell weglassen? 5 Hilfssätze 5.1 Sekanten-Tangenten-Satz 6 Literatur 6.1 C. Stanley Ogilvy: Unterhaltsame Geometrie, Vieweg Braunschweig 1984 6.2 Coxeter/Greitzer: Zeitlose Geometrie, Klett Stuttgart 1983 6.3 Roger A. Johnson, Advanced Euclidean Geometry, Dover Publications New York 1960 Autor: StD Michael Spielmann Wolfgangstr. 14 42655 Solingen