Unterrichtsskript_Werbeanalyse_HS16

Werbung
Kommunikation:
Texte und Konzepte für
Unternehmen
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www.hslu.ch
Dr. Esther Galliker
[email protected]
Luzern, Herbstsemester 2016
Unterrichtsskript
Lerngruppe 105
(basierend auf Skripten von Sabine Witt, Vinzenz Rast und Sonja Kolberg)
Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
Wirkungsvolle Texte: Einführung in die
Textanalyse
Aufgabe 1 Definitionen von Werbung vergleichen
(© Bruno Frischherz)
Lesen Sie die folgenden Definitionen von Werbung. Lassen
sich aus diesen Definitionen Kriterien ableiten, mit denen Sie
Werbetexte analysieren können?
Zur Definition der Werbung im Alltag
Wahrig, G. (1986):
Deutsches Wörterbuch. Gütersloh:
Bertelsmann
Lexikon Verlag.
werben 1 (V. t.) zu gewinnen suchen (Anhänger, Käufer,
Mitglieder, Rekruten, Soldaten) 2 (V. i.) Werbung betreiben,
Käufer, Anhänger suchen; für einen Handelsartikel ~ ; für eine
Partei ~ ; um jmdn. od. etwas ~ sich um jmdn. od. etwas
bemühen, jmdn. od. etwas für sich zu gewinnen suchen; um
jmds. Gunst ~; um ein Mädchen ~ es zur Ehefrau zu gewinnen
suchen [ < mhd. werben, werven < ahd. werban, wervan
<(älterem) hwerfan „sich drehen, bewegen, sich bemühen; hin
u. her gehen; etwas betreiben, ausrichten"]
Zur Definitionen der Werbung aus der
betriebswirtschaftlichen Literatur
Kotler, Ph. & Bliemel,
F. (1995). MarketingManagement, 8.
Auflage. Stuttgart:
Schäffer Pöschl.
„Die Werbung ist eines der Instrumente der absatzfördernden
Kommunikation. Durch Werbung versuchen die Unternehmen,
ihre Zielkunden und andere Gruppen wirkungsvoll
anzusprechen und zu beeinflussen. Zur Werbung gehört jede
Art der nicht persönlichen Vorstellung und Förderung von
Ideen, Waren oder Dienstleistungen eines eindeutig
identifizierten Auftraggebers durch den Einsatz bezahlter
Medien.“
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
Zur Definition der Werbesprache
Bussmann, H.
(2002). Lexikon
der Sprachwissenschaft. Stuttgart:
Kröner.
Aufgabe 2
„Öffentlicher, auf Verhaltenssteuerung gerichteter
Sprachgebrauch, speziell in der Konsumwerbung. Die W. ist
keine lexikalisch oder grammatisch fixierbare Sprachform im
Sinne einer Varietät, sondern eher ein funktionaler Stiltyp, der
geprägt ist durch die persuasive Intention des „Überredens“.
Sein Hauptmerkmal ist die Indirektheit der sprachlichen
Strategien, die alle Ausdrucksmittel im Dienste des verdeckten
Werbeappells instrumentalisiert. Kennzeichnend sind der
adressatenspezifische Sprachgebrauch, ein komplexer
Handlungsaufbau, dessen dominante Absicht
unausgesprochen bleibt …, und der artifizielle, auf
Konnotationen und Assoziationen abzielende Einsatz von
Wortschatz und Grammatik …: ferner spielerische
Intertextualität in Form von Anspielungen oder
Mustermischungen, Inszenierung von Varietäten
(Fachsprachen, Umgangssprachen), Ausprägung spezieller
appellativer Textsorten und Textstrukturen …. Die W. ist
einerseits innovativ (z.B. in der Wortbildung) und wirkt als
„Verteilersprache“ zwischen verschiedenen Sprachschichten
(z.B. von der Fach- zur Standardsprache), andrerseits bestätigt
und verstärkt sie bestehende Normen und soziale Stereotypen.“
Analysekriterien formulieren
Formulieren Sie nun verschiedene Kriterien, um
Werbeanzeigen zu analysieren. Ziel dieses Kriterienkataloges
ist es, unterschiedliche Werbetexte wissenschaftlich zu
untersuchen.
Ein mögliches Kriterium ist beispielsweise: Welches Ziel
verfolgt der Werbetext? Ein weiteres wäre etwa: Wie gliedert
sich der Text?
Notieren Sie Ihre Kriterien.
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
Aufgabe 3
Beispielanalyse
Analysieren Sie nun im 2er- bzw. 3er-Team mit Hilfe der
aufgestellten Kriterien ein selbstgewähltes Inserat. Klären Sie
vorab den kommunikativen Kontext.
Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse und machen Sie dabei die
verwendeten Kriterien transparent.
Zeit: 15 Minuten
Lektürefragen
1. Lesen Sie den Text von Hartmut Stöckl im Reader durch.
Berücksichtigen Sie dabei das begleitende Bildmaterial
(Zugang über die Website oder direkt im Lerngruppenordner
auf ILIAS).
2. Schreiben Sie einen kurzen Forumsbeitrag zu Ihrem
Lektüreeindruck auf der Lerngruppen-Website Texterei_105.
3. Konsultieren Sie bei Unklarheiten den Anhang zur
Werbesprache am Ende dieses Unterrichtsskripts oder
Nachschlagewerke. Halten Sie im Kasten die neuen Begriffe
und die gefundenen Erklärungen fest.
4. Vergleichen Sie Stöckls Kriterien mit jenen, die Sie im
Unterricht erarbeitet haben. Finden Sie die eigenen in Stöckls
Systematik wieder? Ordnen Sie diese ggf. zu.
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
Linguistischer Ansatz der Werbeforschung
[Hören Sie auf Ihren guten Geschmack, wenn Ihnen Käse nicht einfach wurst
ist. Dann wählen Sie am besten Schweizer Käse. Hergestellt mit Liebe,
Leidenschaft und nach den strengsten Richtlinien. Da machen wir keine
Kompromisse.]
Anzeige aus der Kampagne „Der gute Geschmack“ von Schweizer Käse
2016, (Online: 02.09.2016)
http://www.schweizerkaese.ch/news-events/kampagnen/der-gutegeschmack.html
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
Aufgabe 4 Analysieren sie die Anzeige zum Schweizer Käse
systematisch:
Lautung und Schrift
Morphologie
Lexik
Syntax
Rhetorik
Pragmatik
Semiotik
Textlinguistik/Stilistik
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
Aufgabe 5 Interpretieren Sie nun die Wirkung des gesamten Inserates
auf Basis Ihrer Analyse
Leitfragen können sein:
 Wie wirken die verwendete Schrift und die farbliche
Gestaltung auf die Leserschaft?
 Was suggeriert das Verhältnis von
Schriftgrösse/Sprachanteil und Bildteil?
 Wie wird die Kundschaft angesprochen und was lösen
die sprachlichen Mittel wohl bei dieser aus?
 Welche direkten und indirekten Botschaften vermittelt
der Sender über sich selber?
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
Zur Textsorte „Expertise“
Kontext Für einen Wettbewerb der Werbebranche wird eine Website
erstellt. Diese Website enthält die Dokumentation aller
eingereichten Beiträge und dient als Grundlage für die JuryEntscheide.
Aufgabe Sie erstellen für die Webseite eine Dokumentation eines
Werbespots, der folgende Elemente enthalten muss:
den Titel des Werbespots
die Quellenangabe (wo ist der Spot zu finden)
die Bezeichnung des Werbemittels
die kurze Inhaltsangabe (ca. 250 Zeichen inkl.)
die Beschreibung der Form (ca. 1200 inkl.):
- Bildinhalt (Umgebung, Handlung, Komposition etc.)
- Sprache/Schrift (Lexik, Syntax, Rhetorik etc.)
- Sprache/Ton
Vorgehen Halten Sie die angegebenen Textmengenvorgaben ein. Stellen
Sie Ihren Beitrag auf der Website Texterei_105 unter
<Kontext>, <Werbe-Expertise> bis zum nächsten Unterricht ein.
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
Ihr Lexikon zur Werbung und Werbesprache
(basierend auf Skript Zurgilgen/Albert)
1. Ziele der Werbung
Nicht jede Anzeige will einfach verkaufen. Es gibt ganz
verschiedene Werbeziele, die unterschiedliche Strategien
erfordern.
Einführungswerbung
Es soll über ein neues Produkt informiert werden, das Produkt
soll bekannt gemacht, ein Markenimage aufgebaut werden.
Erhaltungs- oder
Erinnerungswerbung
Ein bekanntes Produkt wird beworben. Ziel der Werbung ist, an
seine Existenz zu erinnern und den Absatz zu halten und zu
fördern.
Stabilisierungswerbung Der Absatz eines Produkts ist durch Konkurrenz bedroht. Mit
Werbung werden Verkaufseinbrüche und eine Verschiebung
von Marktanteilen zum Konkurrenzprodukt zu verhindern
versucht.
Expansionswerbung
Der Marktanteil eines Produkts soll ausgebaut und erweitert
werden.
Imagebildung
Ein übergreifendes Werbeziel ist die Imagebildung, das sich auf
Produkte, aber auch auf Unternehmen beziehen kann und
damit – je nach Marktsituation – meist zugleich der Erhaltung
oder Stabilisierung dient. Imagebildung spielt vor allem in
Krisensituationen eine wichtige Rolle, wenn das Ansehen und
die Marktposition eines Unternehmens oder seine
gesellschaftliche Rolle gefährdet sind.
AIDA-Formel
In den USA wurde in den Sechzigerjahren die so genannte
AIDA-Formel geprägt. Sie listet die Wirkungsabsichten der
Werbung auf: Attention – Interest – Desire – Action. Werbung
soll Aufmerksamkeit erregen, um dann Interesse zu wecken,
das zu Wünschen führt, die eine Kaufhandlung auslösen.
2. Text als Handlungsträger
Texthandlung „über Existenz und Beschaffenheit des Produktes
informieren“:
a)
b)
c)
Produkt explizit nennen
Produkt beschreiben
Anwendungsmöglichkeiten aufzeigen
Texthandlung „zum Kauf bewegen“:
a)
Verkaufsargumente aufführen
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
b)
c)
d)
e)
Verkaufsmodalitäten nennen
Emotionen ansprechen
Werte ansprechen
Autoritäten zitieren
3. Persuasive Funktion von Sprache
Um ihre Ziele zu erreichen, ist die Werbesprache persuasiv
gestaltet. Persuasiv meint „überredend, überzeugend“, im
Gegensatz zu „manipulativ“ (jemanden ohne sein Wissen oder
gegen seinen Willen beeinflussen). Darum ist die
Werbesprache stark intentional konstruiert und inszeniert.
Mögliche Funktionen des persuasiven Prozesses in einem
Text sind:
a)
b)
c)
d)
e)
Aufmerksamkeit aktivierende Funktion (zum Beispiel
auffällige Typographie, auffällige Wörter).
Akzeptanzfunktion: der dargestellte Sachverhalt soll
glaubwürdig sein (Zitieren von Autoritäten)
Erinnerungsfunktion: Wiederholung, Reim, Alliteration
vorstellungsaktivierende Funktion: Aufzeigen von
Möglichkeiten, die Besitzer des Produktes haben
Ablenkungs- und Verschleierungsfunktion: alle
Mechanismen, die von der Persuasionsabsicht ablenken.
4. Argumentation
Argumentation in der Werbung ist monologisch. Diese muss
nicht in Form von Rede und Gegenrede aufgebaut sein,
allfällige Einwände werden schon prophylaktisch ausgeräumt.
Dabei geht es nicht um Objektivität und die Diskussion von Vorund Nachteilen. Ein syllogistisches Schlussverfahren ist nicht
geplant (wenn A für B gilt und B für C, gilt auch A für C).
Zwei Argumentationsverfahren kommen in der Werbung zum
Zug. Sie sind dieselben wie in der Alltagskommunikation:
a)
b)
Enthymemargumentation: Das Enthymem ist ein
dreigliedriger Argumentationsschritt: Der Geltungsanspruch
einer strittigen Aussage wird mit Hilfe einer unstrittigen
Aussage gestützt. Ein Beispiel: Die Werbung für ein
Joghurt argumentiert mit den Vitaminen, die es enthält.
Dies ist das Argument, das dafür spricht, es zu kaufen.
Beispielargumentation: Dabei unterscheiden wir das
induktive und das illustrative Beispiel. Das illustrative dient
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
der Verstärkung des Gesagten. Das induktive Beispiel zieht
einen Schluss vom Besonderen auf das Allgemeine. Ein
Beispiel: Die Magnum-Werbung, in der ein junger Mann
eigentlich Kondome kaufen will, sich aber spontan für den
Kauf eines Magma-Eises entscheidet. Der Genuss ist mit
einem extremen Beispiel belegt.
Bei der Enthymemargumentation gibt es feste Muster von
Schlussfolgerungen:
Alltagslogische Schlussverfahren:
a) Kausalschlüsse (Topos Ursache-Wirkung, Mittel-Zweck)
b) Vergleichsschlüsse
c) Gegensatzschlüsse
d) Einordnungsschlüsse
e) Beispiele (von einem Beispiel auf ein Ganzes schliessen)
Konventionalisierte Schlussfolgerungen:
a) Analogie („Drei, die Hilfe holen“. Gezeigt werden Flipper,
Lassie und ein Tele-Aid-System).
b) Topos der Person: (Dynamische Person trinkt Fanta)
c) Topos der Autorität (Federer telefoniert über Sunrise)
Auffällig ist, dass bei der Argumentation in der Werbung die
Konklusion oft offen bleibt. Sie wird dem Leser überlassen. Das
wirkt subtiler. Zudem scheint eine selbst gefundene Konklusion
glaubwürdiger.
5. Die sprachliche Form
Lexik
Konnotation: Begleitvorstellungen, die an den Begriff selbst
bzw. die damit bezeichnete Sache gebunden sind.
Assoziationen: Verknüpfungen zu anderen Begriffen und
Sachverhalten
a) Wortarten und Wortbildungen
Alle Studien zur Werbesprache stellen eine deutliche
Bevorzugung von Nomen fest. Diese dienen auch als Referenz.
Nur mit Nomen kann man auf Gegenstände und Sachverhalte
Bezug nehmen (also referieren). Verben dagegen dienen der
Personifizierung und Aktivierung: Gegenständen werden
Handlungen zugeschrieben. Sie eröffnen auch
Handlungsmöglichkeiten für den Empfänger. Adjektive stehen
seit neustem oft alleine oder in Reihung und kommen immer
häufiger als Modalangaben vor („Genial gebaut“ – „natürlich
schön“). Stehen sie in dieser Reihung allein, können sie auf
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
verschiedene Dinge bezogen werden (Aussage über eine
Eigenschaft des Produkts, Aussage über den Empfänger oder
Qualität einer Handlung).
Eine Möglichkeit der Wortbildung sind Neologismen (neu
gebildeter sprachlicher Ausdruck, Augenblickskompositum).
Meistens handelt es sich um Kompositionen von zwei schon
bekannten Ausdrücken, quasi als Einsparung einer
umständlichen sprachlichen Konstruktion (Frischeflirt,
Vitaminversprechen, magenzärtlich, unkaputtbar, aprilfrisch).
b) Fremdsprachiges
Folgende Fragen sind dabei interessant:

Auswahl des Sprachmaterials (aus welchen Sprachen,
Welche Lexeme, Wortarten, einzelne Morpheme, ganze
Wörter, Sätze?)


Vorkommen und Verteilung (Wie viele Elemente? Wo?)
Grafische und phonetische Form der Übernahmen
(angepasst, damit gespielt?)
Bedeutung (Denotat, Konnotat? Bedeutungswandel im
Deutschen?)
Funktionen, stilistische Absicht


c) Hochwertwörter – Schlüsselwörter – Plastikwörter
Hochwertwörter sind all jene Ausdrücke, die ohne einen
Komparativ oder Superlativ geeignet sind, das damit
Bezeichnete aufzuwerten (ideal, genial, vollendet).
Schlüsselwörter dagegen haben nicht nur aufwertende
Funktion, sondern sie nehmen temporär eine Schlüsselstellung
im Gedankengut der Werbung ein, momentan etwa Schutz,
Pflege, Bio, natürlich, Sicherheit, Nachhaltigkeit. Plastikwörter
nennt man populäre, umgangssprachliche Begriffe, die aus der
Wissenschaft übertragen werden, hier das Ansehen allgemein
gültiger Wahrheiten erhalten und nun autorisiert in die
Umgangssprache zurückwandern (geprägt von Uwe Pörksen
1992). Ungezählte diffuse Eindrücke werden auf einen Begriff
gebracht (Entwicklung, Fortschritt Prozess, Struktur).
Phraseologie
Phraseologismus ist im weitesten Sinn der Oberbegriff für alle
Syntagmen und Redewendungen, die sich durch ihren
Wortgruppencharakter und eine relative Stabilität auszeichnen.
Sie können nicht ohne weiteres durch Attribute ergänzt werden
(„In Teufels heisse Küche kommen“). Auch ihr Wortbestand
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
lässt sich kaum verändern („in den Rasen beissen“. Zu den
Phraseologismen gehören auch feste Redeformeln („Guten
Morgen“), geflügelte Worte und Sprichwörter.
Die Werbung spielt mit Phraseologismen, verändert und
benutzt sie. Sie können dann durch Mehrdeutigkeit
überraschen und amüsieren („Haben Sie daran gedacht, dass
Ihre Füsse den ganzen Tag auf den Beinen sind?“)
Syntax
Textgrammatik
Die Werbung arbeitet vor allem in Slogans mit unvollständigen
Sätzen. Kurze Sätze sind ein weiteres Merkmal der
Werbesprache. Ausrufe-, Aufforderungs- und Fragesätze
spielen eine untergeordnete Rolle. Meistens arbeitet die
Werbung mit Aussagen. An zweiter Stelle stehen Fragen.
Da die Werbesprache oft nicht mit ganzen Sätzen arbeitet, ist
es umso wichtiger, dass Kohäsion und Kohärenz geschaffen
werden (Siehe Skript „Schreiben für Wissenschaft und Praxis –
Textlinguistik“). Zentral ist dabei der Begriff der Rekurrenz.
6. Besondere Werbestrategien
Rhetorik in der Werbung
Rhetorik hat in der Werbung eine zentrale Bedeutung. Sie
orientiert sich an der klassischen Rhetorik, die klare Regeln für
persuasive Reden aufgestellt hat.
a) Rhetorischer Textaufbau
Als Redearten für die Werbung interessant sind die Feierrede
und die Überzeugungsrede. Zu den Zielen des Redners zählen
hier: das Belehren (docere), Beweisen (probare), Für-sichGewinnen (conciliare) und das Erfreuen (delectare) sowie das
emotionale Bewegen (movere) und das Anstacheln (concitare).
All diese Ziele lassen sich auch in der Werbung finden.
b) Rhetorische Figuren
Ihre mögliche Funktion in persuasiven Werbetexten ist die
Erinnerung an Vertrautes, mit der die Werbenden dann spielen.
Rhetorische Figuren: Repetition! (siehe Frischherz u.a.,
Wirkungsvolle Reden und Präsentationen, 2011)
c) Sprachspiele
Ein Sprachspiel lässt sich durch zwei Merkmale
charakterisieren: Von der Form her ist es eine spielerische
Abweichung von der sprachlichen Norm und eignet sich
deshalb dazu, Aufmerksamkeit zu erregen. Diese absichtliche
Abweichung soll eine komische, witzige und persuasive
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
Wirkung erzeugen. In einem anderen Kontext würde sie als
Fehler geahndet. Hier bedeuten Abweichungen Mehrwert und
zusätzliche Aussage. Die Entschlüsselung dieses Mehrwerts
darf dabei nicht zu schwierig sein. Und der Empfänger soll sich
danach nicht nur an den Witz, sondern vor allem an das
Produkt erinnern.
Wortspiele
Phonetische (Spiele mit Wortgleichklang): „Der Held, was er
verspricht“, Lautvertauschung, - Hinzufügung oder Versetzung:
„Leckt schmecker“, „Unnachrahmlich“, „Massenteurismus“,
Lautverschriftung: „Schnupfn“.
Morphologische Verfahren: Spiel mit Komparativen: „Gut.
Besser. Paulaner“, Spiel mit ungrammatischen Wortformen:
„Tankwart und wart und wart“, Spiel durch Neubildungen:
„Unkaputtbar“.
Syntaktische Verfahren: Mittels rhetorischer Figuren: „Genial
einfach. Einfach genial“, Spiel mit Verben: „Heben sie sich ab,
aber heben sie nicht ab“, Spiel mit normwidriger Syntax; „Denn
kleiner ist schöner ist besser.“
Phraseologische Verfahren durch Ersetzen, Hinzufügen oder
Weglassen eines Ausdrucks in einer festen Redewendung:
„Der klügere Gurt gibt nach.“
Grafische und orthografische Verfahren: Spiel mit Interpunktion
und Grafik: „SchreIBMaschine“, „Alfaspider. Auf. Und davon“,
Spiel mit der Typografie, zum Beispiel Wahl der Schrift bei
griechischen Wochen von McDonald’s.
Kontextspiele
Die Erwartungen des Empfängers, die sich auf den
Zusammenhang von Textinhalt und Kontext, Situation sowie
Textsorte beziehen, werden verletzt, zum Beispiel ein
Inseratetext in Briefform.
Referenzspiele
Personifizierung, Kontextkombinationen, die gebrochen
werden: Zylinder (Hüte) anstelle von Autozylindern zeigen,
Anspielungen auf der Text-Bild-Basis.
Inszenierung von Varietäten
Die drei häufigsten Varietäten in der Werbung sind
Fachsprache, Jugendsprache und Dialekt.
a) Fachsprache
Die Fachsprache dient einer zweckgerichteten, weitgehend
emotionslosen Kommunikation zwischen Fachleuten über die
Gegenstände ihres Fachs. Die Fachsprache in der Werbung
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Systematische Textanalyse: Beispiel Werbung
dient nicht dieser Art von Kommunikation, sondern will
wissenschaftliche Autorität ausstrahlen. Die Eigenschaften der
Fachsprache (Genauigkeit, Fehlen von Konnotationen und
Sachbezogenheit) sind hier nicht relevant. Daher werden
fachsprachliche Ausdrücke in der Werbung auch erst erfunden
(„Pflegevitamin“, „Bodysplash“, Computerwerbung,
Lebensmittelwerbung).
b) Jugendsprache
Wenn man Jugendsprache als Sondersprache mit sozialer
Identifikations-, Abgrenzungs- und zum Teil Protestfunktion
versteht, muss ihr Einsatz in der Werbung gut überlegt sein.
c) Dialekt
Dialekt wird vor allem im Fernsehen und Radio eingesetzt. Im
Inserat eignet sich Dialekt für regionale Werbung. Die
Ausdrücke müssen jedoch allgemein verständlich sein.
Intertextualität
Gemäss Linke Nussbaumer (1997) lässt sich vom Begriff
Intertextualität für die Werbung die Frage ableiten, wie ein Text
auf andere Texte anspielt, sie zitiert, nachahmt, parodiert oder
karikiert. Werbung steckt voller Abspielungen. Dabei wären
folgende Fragen interessant: Funktion der intertextuellen
Anspielungen? Welche Texte werden aus welchem Grund
woher geholt? Welcher argumentativen Strategie dienen sie?
7. Interpunktion und Typografie
Als beliebtestes Satzzeichen in der Werbung gilt der Punkt. Er
grenzt ab, verdichtet die Aussage, reiht aneinander und setzt
gleich. Eine andere Tendenz ist, dass zwischen Produktname
und Slogan kein Punkt mehr steht, sondern der Produktname
grafisch abgesetzt wird. Der Doppelpunkt grenzt weniger ab,
weckt aber Erwartungen auf das Folgende. Ein Bindestrich
setzt Produktname und Slogan gleich. Das Komma gilt als
weicheres Trennmittel, als der Punkt und wird in der Werbung
gleich verwendet wie in anderen Texten. Fragezeichen sind
häufiger als Ausrufezeichen.
Mit Hilfe der Typografie stellt die Werbung einzelne Ausdrücke
oder Wortteile heraus. Eingesetzt werden verschiedene
Schriftarten, Versalien, Kursivdrucke und Farbe.
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