2015.jedem-das-seine.28.02

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Jedem das Seine
In der Evangelischen Kirchengemeinde Steeden hat zur Fastenzeit eine Predigtreihe
über die Tugenden begonnen: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, das rechte Maß,
Glaube, Hoffnung und Liebe sind ihre Namen.
Besonders hoch im Kurs stehen Tugenden derzeit nicht. Sie klingen nach Moral und
Spießigkeit. Soziologen bescheinigen uns, dass wir in einer Lügengesellschaft leben,
Geiz ist auch heute noch geil und unser gesamtes Wirtschaftssystem ist davon
abhängig, dass nicht Maß gehalten, sondern ständig mehr konsumiert wird. Wer
strebt noch Glaubensstärke, Maßhalten oder Tapferkeit an?
Aus der Antike stammt diese Definition von Gerechtigkeit: „Suum cuique“ – „Jedem
das Seine.“ Es besagt, dass jedem Bürger eines Gemeinwesens das zuteilwerden
soll, was ihm gebührt, etwa durch gerechte Güterverteilung. Wenn dies nicht
funktioniert, gerät etwas aus dem Gleichgewicht und es gibt Unruhen. Weil derzeit
den Bürgern Griechenlands gefühlt Unrecht geschieht– hohe Arbeitslosigkeit,
ungerechte Entlohnung, hohe Rentenkürzungen bei den Ärmsten bei gleichzeitiger
Steuerschonung der Reichsten sind die Entwicklungen nun so, wie wir sie täglich
beobachten. Müssen arme Länder immer ärmer werden? Dürfen Banken sich in fast
rechtsfreien Räumen bewegen und die Welt an den Rand des Abgrunds bringen?
Darf mit Lebensmitteln und Getreide an den Börsen spekuliert werden, sodass
Nahrungsmittel für die Ärmsten der Welt immer unerschwinglicher werden? Sind die
heutigen Flüchtlingsströme in wohlhabendere Staaten nicht hausgemachtes Elend
einer seit Jahrzehnten verfehlten Ausgleichspolitik zwischen arm und reich? – Suum
cuique. Jedem das Seine. Jedem, was ihm als Mensch bedingungslos zusteht. Wo
das nicht funktioniert, gerät die Welt aus den Fugen, im Großen wie im Kleinen.
Ein ganz eigenes Verständnis von Gerechtigkeit erzählt Jesus im Gleichnis vom
Weinbergbesitzer. Dreimal hat dieser Arbeiter in seinen Weinberg geholt: die Ersten
frühmorgens; die zweite Gruppe um die fünfte, die Dritten um die elfte Stunde. Jeder
dieser Tagelöhner erhielt einen Silbergroschen. Also gleicher Lohn für ganz
unterschiedliche Arbeitsleistung. War das gerecht? Unsere Denkgewohnheiten sind
anders. Wer mehr leistet, muss mehr bekommen! Leistung muss belohnt werden! Wo
käme die Gesellschaft hin, wenn niemand etwas leisten würde? Das stimmt natürlich
einerseits. Doch Gottes Gerechtigkeit ist die Barmherzigkeit, ohne Leistung, allein
aus Liebe. Wie diese Früchte der Gerechtigkeit heißen? – Verantwortung, Solidarität,
Vergebung, Teilen, Versorgen, Bewahren…Welche Namen tragen Ihre Früchte der
Gerechtigkeit?
Dekan Manfred Pollex
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