Akanyoni katagurutse ntikamenya iyo bweze (Der kleine Vogel, der nirgendwo hinfliegt, weiß nicht, wie es anderswo aussieht – ruandisches Sprichwort) Eine weitere Woche in der idyllischen grünen Hügellandschaft von Janja neigt sich ihrem Ende zu. Mittlerweile habe ich mich so gut eingelebt, dass ich nicht mal mehr auf meinen Programmzettel schauen muss, um den folgenden Tagesordnungspunkt zu kennen, habe meine Süßkartoffelschältechnik, für die ich anfangs so oft belächelt wurde, der der Schüler angepasst und kann mir zumindest zu ein paar Schülergesichtern mittlerweile die Namen merken. Dies hängt zum Teil aber auch damit zusammen, dass ich in der vergangenen Woche mehr Zeit denn je zusammen mit den Schülern verbracht habe. Denn als ich am Mittwoch das Lehrerzimmer erreiche, teilt man mir mit, man könne meine Hilfe als Ersatz der kranken Englisch- und Französischlehrerin Catherine gebrauchen. Gesagt getan: ich werde in die Bibliothek geführt, man sucht mir Lehrbücher für die Klassen Senior 1 und 2 (vgl. der 7. und 8. Klasse in Deutschland) heraus und führt mich zum Klassenraum. Dort stehe ich plötzlich vor 27 wissbegierigen Augenpaaren, ahnungslos auf welchem Niveau sie sich befinden und ohne irgendetwas vorbereitet zu haben. Also bleibt mir nichts anderes übrig als zu improvisieren und da ich sowieso mit Verspätung eingetroffen bin, reicht die Zeit sowieso nur noch für eine kleine Vostellungsrunde der Schüler. In der Parallelklasse beginne ich ebenfalls mit diesem Spiel. Diese Klasse ist allerdings einfach nur laut und unruhig und als ich zu einer kleinen Gruppe Mädchen spreche, unterbricht man mich plötzlich ganz aufgeregt mit der Frage „Teacher?!? May I touch you?“. In mir macht sich schon jetzt die Verzweiflung breit… Auch die darauffolgende Stunde in Senior 1 gestaltet sich nicht gerade einfacher. Ein Blick in die Hefte der Schüler bleibt wenig aufschlussreich. In dieser Klasse merke ich dann auch gleich auf welch unterschiedlichen Niveaus sich die Kinder befinden. Ein 11-Jähriger Junge, der eine Primarschule in Kigali besucht hat, antwortet mit keinerlei Schwierigkeiten auf meine Fragen, während ein schon 13-Jähriger von seinem Banknachbarn eine Übersetzung auf Kinyarwanda ins Ohr geflüstert bekommen muss, um den Inhalt meiner Frage erfassen zu können. Als ich einem Mädchen dann zum wiederholten Male eine Frage stelle und dieser fast die Tränen in die Augen schießen, kapituliere ich. Den Rest der Stunde versuchen wir es mit einem simplen Lied, aber so richtig synchron wird das Ganze an diesem Tag nicht mehr. Ich beginne an meinen Lehrfähigkeiten zu zweifeln und doch verliere ich nicht den Mut und möchte mir am nächsten Tag gerne beweisen, dass ich es mit Vorbereitung besser kann. An diesem Tag taucht Catherine zwar wieder an der Schule auf, aber da sie noch immer noch geschwächt ist, bittet sie mich ihren Unterricht zu übernehmen. Also trete ich vor drei Klassen aus Senior 2 und eine Klasse Senior 1. Glücklicherweise haben sich heute schon alle etwas an die andere Aussprache der Ersatzlehrerin gewöhnt und alle Schüler in Senior 2 A und C sind sehr aufmerksam als wir zusammen das present perfect progressive durchnehmen und die Verwendung des present perfect erarbeiten. Ich habe die Hoffnung, dass bei einigen tatsächlich ein Licht aufgegangen ist, denn am nächsten Tag kommen ein paar Schüler zu mir und möchten wissen, wo ich an diesem Morgen während ihrer Englischstunde gewesen sei. Doch war ich in dieser Woche nicht nur als Lehrkörper im Unterricht, sondern auch als Gast. In Senior 6 sitze ich also zunächst als Gasthörer in der letzten Reihe und folge dem Geschichtsunterricht. Zurzeit wird das Thema Dekolonialisierung behandelt. Später findet sich dann noch etwas Zeit dem Gast einige Fragen zu stellen. Heute möchte man zunächst von mir wissen, was in Deutschland im Unterricht über afrikanische Geschichte gelernt wird, da ruandischen Schüler bestens über die deutsche Historie Bescheid wissen. Gerne befragt man mich hier immer wieder zur Politik Otto von Bismarcks. Aus (un)bekannten Gründen scheint ihnen dieses Kapitel wohl besonders im Gedächtnis geblieben zu sein. Was mir von meinem Aufenthalt hier besonders im Gedächtnis bleiben wird, sind die mutigen und äußerst unterhaltsamen Bühnenauftritte einiger Schüler. Dass Musik hören und tanzen geliebt wird, ist mir sehr schnell aufgefallen. Denn sobald die jungen Leute von St. Jerôme ihre Klassensäle verlassen und Richtung Speisesaal strömen, muss ein Animateur schon dorthin eilen, um das Radio anzuschalten oder eine CD aufzulegen. Die Bühnenauftritte finden allerdings immer im Rahmen des Samstagabendprogrammes statt. Am letzten Wochenende wurde die Schülerschaft von St. Jerôme von den Mitgliedern des media club beeindruckt. Diese präsentierten ihre Talente vor einer kleinen Jury, die am Ende die besten Künstler mit einem Preis ehrte. So wurde getanzt, gesungen und gerappt was das Zeug hält. In jedem Fall fühlte sich das Publikum bestens unterhalten. Ich hoffe, liebe Leser, ich konnte Euch ein wenig an diesen Erfahrungen teilhaben lassen und dass Ihr durch meine Berichte und Fotos einen guten Eindruck vom Leben in einem ruandischen Internat mit all seinen Vorzügen und Schwächen erhalten habt. Mir jedenfalls hat dieser Aufenthalt große Freude bereitet und wird immer als positive Erinnerung in meinem Gedächtnis verbleiben. Murabeho, Eure Alexandra