Das politische System in der Schweiz Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Schweiz kein Staat im eigentlichen Sinn, sondern ein Staatenbund, ein lockeres Bündnis zwischen unabhängigen Kantonen. Erst mit der Verfassung von 1848 wurde die Schweiz zu einem modernen Bundesstaat. Eine zentrale Regierung übernahm in Bereichen wie der Außen- und Finanzpolitik Aufgaben von den Kantonen. Die Verfassung hatte zum Ziel, die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Kantone mit den Gesamtinteressen des Bundesstaates zu verbinden. Die Schweiz hat eine föderalistische Staatsstruktur mit drei politischen Ebenen: Bund, Kantone und Gemeinden. Regierung Der Bundesrat, die Regierung der Schweiz (Exekutive), hat sieben Mitglieder: die Bundesräte. Bundespräsidentin oder Bundespräsident ist jedes Jahr ein anderes Mitglied. Das Amt beinhaltet in erster Linie Repräsentationspflichten. Daneben führt er oder sie das eigene Departement (Ministerium) weiter. Normalerweise sind die vier größten Parteien in der Regierung vertreten. Gewählt werden die Mitglieder der Regierung von den Kammern des Parlaments, d.h. von den zwei Kammern der Vereinigten Bundesversammlung (Nationalrat und Ständerat). Parlament Das Parlament (Vereinigte Bundesversammlung) besteht aus zwei gleichberechtigten Kammern: Nationalrat (Volksvertretung) und Ständerat (Vertretung der Kantone). Die 200 Sitze im Nationalrat werden proportional zur Größe der Bevölkerungszahl unter den Kantonen verteilt. Der Ständerat hat 46 Sitze: Zwei pro Kanton, je einen pro Halb-Kanton. Die beiden Parlamentskammern beraten unter anderem sämtliche Verfassungsänderungen, entscheiden über Gesetzesänderungen und üben die Oberaufsicht über die Bundesverwaltung aus. Die Wahlen in den Nationalrat erfolgen zumeist nach dem Proporzsystem, beim Ständerat nach dem Majorsystem. Die Parlamentswahlen finden alle vier Jahre statt. Die weitaus meisten Sitze werden von Abgeordneten der vier größten Parteien belegt. Im Parlament gilt keine strikte Parteidisziplin, es kommt immer wieder vor, dass Abgeordnete von der Parteilinie abweichen. Gesetzgebung Wenn ein Bundesrat/eine Bundesrätin ein neues Gesetz als notwendig erachtet, bringt er/sie die Idee in der Regierung ein. Wenn das Gremium einverstanden ist, werden in einem nächsten Schritt die relevanten Interessengruppen konsultiert und anschließend eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet. Diese so genannte Botschaft wird in einem ersten Schritt einer der beiden Kammern vorgelegt. Nachdem diese die Vorlage beraten hat, kommt sie in die zweite Kammer. Eine Vorlage kann erst in Kraft treten, wenn ihr beide Kammern zugestimmt haben. Dass Vorlagen der Regierung vom Parlament (oder vom Volk) zurückgewiesen werden, ist Bestandteil des demokratischen Systems der Schweiz und führt nicht wie in andern Ländern oft zu Regierungskrisen, Rücktritten von Ministern oder Vertrauensabstimmungen. Direkte Demokratie Schweizerinnen und Schweizer können nicht nur durch Wahlen am politischen Entscheidungsprozess teilnehmen, sondern Verfassung und Gesetze auch direkt mitgestalten. Die Schweiz ist zwar nicht das einzige Land, in dem das Volk solche Möglichkeiten hat, das System ist hier aber sicher am ausgeprägtesten. Diese Mittel der direkten Demokratie werden rege genutzt, auf nationaler Ebene wie auch in den Kantonen und Gemeinden. Jeder Bürger, jede Bürgerin hat das Recht, auf dem Weg über eine Volksinitiative eine Verfassungsänderung zu lancieren. Normalerweise werden diese Initiativen jedoch von Interessengruppen oder Parteien lanciert. Wenn mindestens 100'000 gültige Unterschriften für das Begehren gesammelt werden, kommt es nach der Beratung im Parlament zwingend zu einer nationalen Volksabstimmung. Mit einem Referendum kann diese nachträglich zu Fall gebracht werden. Kommen innerhalb von 100 Tagen nach der offiziellen Publikation der betreffenden Vorlage 50'000 gültige Unterschriften zusammen, kommt es ebenfalls zu einer nationalen Volksabstimmung. Überdies müssen Verfassungsänderungen oder wichtige internationale Abkommen dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden (obligatorisches Referendum). Damit eine Volksinitiative oder ein obligatorisches Referendum angenommen werden, braucht es ein "doppeltes Ja" – das heißt, eine Mehrheit der Volksstimmen und eine Mehrheit der Kantone. Bei Volksinitiativen und Referenden liegt die Stimmbeteiligung heute normalerweise bei etwa 40%. Das ist nicht sehr hoch, auch wenn eine schriftliche Stimmabgabe möglich ist. Um die Beteiligung anzukurbeln, wird unter anderem vorgeschlagen, die elektronische Abstimmung einzuführen. Die politischen Parteien in der Schweiz Die stärksten politischen Parteien der Schweiz sind die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SOS), die aus der Arbeiterbewegung hervorging, die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die sich für eine bundesstaatliche Organisation der Schweiz einsetzt, und die Christlich demokratische Partei (CVP), die gegen eine zu starke Zentralisierung der Staatsmacht ist. Weitere wichtige Parteien sind die Schweizerische Volkspartei (SVP), die Grüne Partei der Schweiz (GPS), die Freiheits-Partei (FPS), die Liberale Partei (LPS) und der Landesring der Unabhängigen (LdU). Verteidigung Die Schweiz unterhält eine Milizarmee mit allgemeiner Wehrpflicht für alle Männer zwischen dem 20. und 42. Lebensjahr. Mit 400.000 Soldaten zählt diese Armee zu den größten in Westeuropa. (aus der Internetseite www.swissinfo.ch/ Weitere Infos finden Sie auch auf der Internetseite www.swissworld.org oder auf der offiziellen Webseite der Schweiz www.swissinfo.ch, wo Sie auch ein Dossier zum Thema direkte Demokratie finden können. ) Übungen zum Text A. Im politischen Bereich gibt es zahlreiche rein schweizerische Begriffe. Suchen Sie sie im Text und listen Sie sie alle auf. B. Beantworten Sie die folgenden Fragen. 1. Wie ist die föderalistische Staatsstruktur der Schweiz? 2. Wie viele Mitglieder hat der Bundesrat und woher kommen sie? 3. Wie heißen die zwei Kammer im Parlament? 4. Wer kann die Gesetze in der Schweiz vorschlagen? 5. Was heißt «direkte Demokratie»? 6. Ist das Verteidigungssystem der Schweiz gleich wie in Italien? Ein Spezialfall: Fürstentum Liechtenstein Unter den auswärtigen Beziehung der Schweiz nimmt das Verhältnis zum benachbarten Fürstertum Liechtenstein eine besondere Stellung ein. Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs hat sich der Zwergstaat (rund 20.000 Einwohner und 157 Quadratkilometer) so eng an die Schweiz angeschlossen, dass er auf manchen Gebieten staatlicher Aktivität (etwa Zollwesen, Währung, Sozialpolitik) wie ein schweizerischer Kanton behandelt wird. Das Fürstentum Liechtenstein hat aber seine Eigenstaatlichkeit beibehalten. Das Gebiet Liechtenstein umfasst die beiden alten Grafschaften Vaduz und Schellenberg, die im 17. und 18. Jahrhundert von der niederösterreichischen Adelsfamilie von Liechtenstein erwoben wurden. Als Kleinstaat im Zentrum Europas ist Liechtenstein etwas Spezielles. Das Land ist eine Monarchie und das Staatsoberhaupt, der Fürst, vertritt das Land in vielfältiger Weise, vor allem gegen aussen. Gleichzeitig sieht die Verfassung zwei direktdemokratische Elemente, die Initiative und das Referendum, vor. Dem Fürsten stehen das Parlament (Landtag mit 15 Mitgliedern) als Legislative und die Regierung als Exekutive zur Verfügung. Die Judikative wird in Liechtenstein Landgericht genannt; der Oberste Gerichtshof ist die höchste Instanz. Das Fürstentum Liechtenstein ist also eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage. Die Staatsgewalt wird von Fürst und Volk getragen. Grundlage des Staates ist die Verfassung von 1921. Die Fürsten von Liechtenstein stammen ursprünglich aus Niederösterreich. Das heutige Staatsoberhaupt, Fürst Hans-Adam II., ist der 15. Fürst des Hauses Liechtenstein. Der 1945 geborene Hans-Adam ist der erste Landesfürst, der im Fürstentum Liechtenstein aufwuchs. Literatur: Aus der zehnten Buchgabe des Migros-Genossenschafts-Bundes, Die Schweiz. Vom Bau der Alpen bis zur Frage nach der Zukunft. von Niklaus Flüeler und Roland GfellerCorthésy (Hrsg), Ex Libris Verlag, 1975. S.307. Aus der Internetseite www.liechtenstein.it «Land und Leute- Staatswesen» Übung Mit der Hilfe der üblichen sprachlichen Strukturen zur Beschreibung eines Landes auf der folgenden Seite, beschreiben Sie das Land Liechtenstein. Übliche sprachliche Strukturen zur Beschreibung eines Landes Ein Land… liegt Lage in Nord-/Süd-/West-/Ostdeutschland; in Mitteldeutschland; im Zentrum Deutschlands im Nord-/Südwesten Deutschlands; im Nord-/Südosten Deutschlands im Norden/Süden/Westen/Osten Deutschlands im nördlichen/südlichen/westlichen/östlichen Teil Deutschlands grenzt (im Norden/Süden/Westen/Osten)an liegt an der Grenze die Nord-/Ostsee Dänemark/Frankreich… die Niederlande/ die Tschechische Republik/ die Schweiz zu Polen/Italien… zu den Niederlanden zur Tschechischen Republik/ Schweiz Landschaften gehört zur Norddeutschen Tiefebene/zum Mittelgebirge hat Anteil an der Norddeutschen Tiefebene ist (im Norden/Süden…) flach gebirgig/ ein Bergland hügelig/ ein Hügelland Eine Ebene liegt/erstreckt sich/dehnt sich …aus (im Süden/von… bis…) wird von einem Fluss durchzogen erhebt sich zu (den Alpen) Ein Fluss entspringt in (den Alpen) fließt (von Süden nach Norden; in Richtung Nordosten) durchzieht Norddeutschland ist … Km lang; ist schiffbar; ist ein wichtiger Wasserweg; ist ein Nebenfluss des/der… mündet in einen Fluss (in den Rhein, in die Weser), ins Meer Küsten sind sandig und flach; felsig Eine Insel liegt vor der Küste; … Km von der Küste entfernt Ein Bergzug liegt; erhebt sich (aus der Ebene); ist (nördlich) gelegen; erstreckt sich (von… bis…); zieht (von Osten nach Westen).