Krankheitsbilder des neurotischen Kreises

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Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Der Begriff Neurose ist eine allgemeine Bezeichnung für psychische Störungen , die nicht auf einer nachweisbaren organischen Erkrankungen des ZNS beruhen. Es handelt sich im weitesten Sinne gesehen um lebensgeschichtlich bedingte seelische Störungen. 1 Traditionell wurde zwischen 2 Neuroseformen unterschieden. 1. Charakterneurose: hier hat sich der Betroffene soweit mit seinem neurotischen Verhalten identifiziert, dass er es als zu seiner Persönlichkeit zugehörig empfindet und nicht unbedingt darunter leidet. Zu den Charakterneurosen zählen die Persönlichkeitsstörungen ICD-­‐10 F6. 2. Symptomneurosen: hier erleben die Betroffenen die auftretende Symptomatik als belastend und störend. Sie fühlen sich in ihrer Leistungsfähigkeit, in ihrem beruflichen und/oder privaten Leben beeinträchtigt. Zu den neurotischen Störungen zählen: • Angsterkrankungen • Zwangsstörungen • Dissoziative-­‐ bzw. Konversionsstörungen Heute werden sie teilweise noch als Angstneurose oder Zwangsneurose bezeichnet. Sie entspringen, wie auch die dissoziativen Störungen, dem Krankheitskonzept der Hysterie. Den neurotischen Störungen ist gemeinsam, dass sie nicht hauptsächlich durch organische Ursachen oder durch andere psychische Erkrankungen erklärt werden können. Die Wahrnehmung der Realität ist hier in der Regel ungestört und die Betroffenen erkennen die Krankheit (ich-­‐dyston) und leiden unter der Symptomatik. Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Belastungsstörungen 2 Sie entstehen durch ein einmaliges oder kontinuierlich auftretendes belastendes Lebensereignis oder Traumas. Dieses Ereignis gilt als notwendige und ursächliche Bedingung für die Störung, anders als bei anderen psychischen Erkrankungen, bei denen auch ein solches Ereignis aufgetreten ist, jedoch nicht als Hauptursache gilt. Somatoforme Störungen Hierzu zählen alle anhaltenden körperlichen Beschwerden, deren Ursache auf der körperlichen Ebene trotz eingehender Untersuchung nicht gefunden werden kann. Die körperlichen Beschwerden wechseln sowohl bezüglich des Auftretens als auch ihrer Intensität. Die Patienten glauben an einer körperlichen Ursache und es dauert häufig Jahre bis Patienten mit somatoformen Störungen eine Psychotherapie beginnen. Neurosen gehören traditionell (triadisches System) zu den psychogenen Störungen. Klassifikation nach der ICD-­‐10 F40 Phobische Störungen F41 Sonstige Angststörungen F42 Zwangsstörungen F43 Reaktionen auf schwere Belastungs-­‐ und Anpassungsstörungen • F44 Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) • F45 Somatoforme Störungen • F48 Sonstige neurotische Störungen •
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Angststörungen (F.40 -­‐ F.41) 3 Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Angst ist kein pathologisches Symptom, wenn es als Warnzeichen für tatsächliche Gefahren oder einer Bedrohung auftritt. Tritt Angst vermehrt in Situationen oder vor Objekten auf, die tatsächlich ungefährlich sind und keine Bedrohung darstellen, so ist Angst als pathologisch anzusehen. Angst ist ein dem Menschen innewohnendes Gefühl, dass bei einer Gefahr auftritt, die subjektiv als nicht zu bewältigen erscheint. Dieses Gefühl zeigt sich auf den vier Ebenen: • Emotionale Ebene: Gefühl, „in der Falle“ zu sitzen, • Vegetative Ebene: z.B. Schwitzen, Herzklopfen, schnelles flaches Atmen oder Mundtrockenheit, • Kognitive Ebene: Fehlbewertung der Situation als „gefährlich“. • Motorische Ebene: Erhöhung des Muskeltonus bis hin zur Starre Krankheitsverlauf und Epidemiologie Mit 15% gehören Angststörungen zu den am weitesten verbreiteten Störungen, meist in Form von spezifischen Phobien. Der Verlauf ist eher ungünstig, nicht zuletzt weil von der Ersterkrankung bis zur Diagnose bis zu 15 Jahre vergehen. Spezifische Phobien beeinträchtigen die Lebensführung weniger. Besonders beeinträchtigend hingegen wirken: •
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Agoraphobie F40.0 Panikstörung F41.0 Soziale Phobie F40.1 Generalisierte Angststörung F41.1 Sie engen das Leben des Patienten sehr ein, da dieser viele Situationen zu vermeiden sucht, die ihm Angst machen, z.B. Patienten gehen nicht mehr alleine einkaufen, fahren kein Auto mehr usw.. Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Als Folge können Depression, Abhängigkeitserkrankungen oder Medikamentenmissbrauch auftreten. 4 Ätiologie Zunächst waren Angststörungen Domäne der Psychoanalyse. Im Laufe der Zeit kamen lerntheorethische und biologische Aspekte hinzu, so dass heute von einer multifaktoriellen Genese gesprochen wird. Das Vulnerabilitäts-­‐Stress-­‐Modell kann zum Verständnis der Erkrankung verwendet werden. Folgende ätiopathogenetische Faktoren werden heute diskutiert: • Biologische und genetische Faktoren • kognitive und lerntheoretische Aspekte • psychodynamische Aspekte Genetische Faktoren Genetische Faktoren scheinen für die Entstehung der verschiedenen Angststörungen bedeutsam zu sein. Ein einzelnes verantwortliches Gen wurde zwar nicht identifiziert, Verwandte von Patienten leiden aber häufiger als andere ebenfalls an Angststörungen. Auch bei eineiigen Zwillingen treten Angststörungen häufiger gleichzeitig auf, als bei zweieiigen. Disposition zur vermehrten Ängstlichkeit. Das limbische System wurde bei der Entstehung und Vermittlung von Angstreaktionen als neurobiologisches Korrelat der Angsterkrankungen entdeckt. Bestimmte Transmittersysteme sind an der Entstehung von Angst beteiligt. Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Besondere Bedeutung kommt dem GABAnergen und dem serotonergen System zu. Dies erklärt, warum Serotonin-­‐
Wiederaufnahme-­‐Hemmer bei bestimmten Angsterkrankungen wirksam sind. 5 Lerntheoretische Aspekte Nach den Annahmen der Lerntheorie entstehen ausgeprägte Ängste durch die so genannte klassische und die operante Konditionierung. Ein zunächst neutraler Reiz wird durch Begleitumstände zum konditionieren Reiz (klassische Konditionierung). Durch operante Konditionierung kommt es zur Aufrechterhaltung der Angst. •
Das „Lernen am Modell“ ist ein weiterer Aspekt für die Entstehung von Angststörungen. Lebensgeschichtlich ist oft entscheidend, wie z.B. die Eltern oder Bezugspersonen mit Ängsten umgegangen Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 sind. 6 Irrationale Überzeugungen spielen aber auch bei der Entstehung von der generalisierten Angststörung eine Rolle. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Betroffenen besonders hilflos fühlen, die an sie gestellten Anforderungen zu meistern. Teufelskreismodell der Angst Eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Ängsten – und insbesondere von Panikattacken – spielt auch, wie jemand die körperlichen Veränderungen, die durch die Angst ausgelöst werden, wahrnimmt und bewertet. So glaubt jemand, der unter Panikattacken leidet, häufig, dass das Herzrasen ein Zeichen für einen drohenenden Herzinfarkt ist oder dass ein Schwindelgefühl darauf hindeutet, dass sie gleich ohnmächtig umfallen werden. Dies führt wiederum dazu, dass die Angst steigt – und daraufhin die körperlichen Empfindungen noch stärker werden. Teufelskreis der Angst Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 http://www.flugangst.de/de-­‐
DE/Flugangst/Wozu%20Angst.aspx 7 Erlernte Hilflosigkeit nach Seligmann Experiment mit 2 Ratten. Es geht Lebewesen besser, wenn sie Kontrolle über ihre Umwelt haben. Wie bei den Ratten, ist nicht die Anzahl der Stromschläge entscheidend für das Wohlbefinden, sondern ihre Kontrollierbarkeit. So ist es auch mit der Angst, sie entsteht immer dann, wenn man meint, dass man die Situation nicht unter Kontrolle hat. Psychodynamische Aspekte Nach den Annahmen von Sigmund Freud (1895) ist Angst zunächst die Folge eines so genannten innerpsychischen Konflikts – zum Beispiel zwischen dem Wunsch, etwas Bestimmtes zu tun, und dem Gewissen, das einem verbietet, dies zu tun. Dieser Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 unbewusste Konflikt wird nach Freud verdrängt, und dabei wird die Angst auf bedeutungslose äußere Objekte oder Situationen verschoben. Dies hat laut Freud den Vorteil, dass diese Objekte oder Situationen leichter vermieden werden können als der innere Konflikt. Neuere Annahmen der Tiefenpsychologie besagen, dass Ängste vor allem bei Menschen entstehen, die in der Kindheit schmerzliche Trennungserfahrungen gemacht haben oder besonders empfindlich auf Trennungen von nahen Bezugspersonen reagieren. Nach dieser Theorie führt vor allem die unbewusste Angst, allein gelassen zu werden oder die Zuneigung anderer Menschen zu verlieren, zur Entstehung von Phobien und anderen Angsterkrankungen. Diagnostik Der Patient muss primäre Symptome von Angst an den meisten Tagen, mindestens mehrere Wochen, meist Monate lang aufweisen, bevor eine generalisierte Angststörung diagnostiziert werden kann. Zeit Ort Situation des Auftretens Dauer Episodisch/persistierend (verharrend) Vier Ebenen der Angst (emotional, vegetativ, kognitiv, motorisch) • Umstände, die verschlimmern/bessern • tritt die Angst spontan oder situationsabhängig auf •
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Weiterhin sind zu erfragen: • Eingenommene Medikamente oder Drogen (insbesondere Selbstmedikation wie Benzodiazepine, Betablocker, 8 Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 pflanzliche Präparate, Alkohol), • Körperliche Erkrankungen, • Bereits erfolgte diagnostische Maßnahmen. 9 Befunderhebung und Zusatzerhebungen Der psychopathologische Befund gibt Aufschluss über eine evtl. psychische Grunderkrankung. Oft liegt bei Panikattacken und diffusen Ängsten eine depressive Störung zugrunde, bzw. kann sich aus einer Panikstörung entwickeln. Zusätzlich kann eine Labordiagnostik (Blutbild, etc.) und eine apparative Diagnostik eingesetzt werden, um körperliche Ursachen auszuschließen. Epidemiologie der Angststörungen: Angst-­‐
störungen Lebenszeit Erstmanifestatio Geschlechtsverteilu
-­‐prävalenz n ng Panikstörun
g 3% 20-­‐30 Lj. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie 10 Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Agoraphobie 5% 20-­‐30 Lj. Frauen häufiger als Männer Soziale Phobie 13% 14-­‐25 Lj. Spezifische Phobien 11% Meist in d. Frauen häufiger als Kindheit – Männer häufig Spontanremissio
n – bei Fortbestehen bis ins Erwachsenenalt
er meist Chronifizierung Generalisiert 5% e Angststörun
g 15-­‐25 Lj. Frauen häufiger als Männer Frauen häufiger als Männer Differentialdiagnostische Abgrenzung: Körperlichen Erkrankungen (z.B. Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion), Hypertonie (Bluthochdruck), Herzrhythmusstörungen. Medikamenten (Sympathomimetika = Medikamente, die die Wirkung des Sympathikus verstärken, Appetitzügler) Drogen oder Alkohol Psychische Erkrankungen • Depressive Episode à Ängste treten gemeinsam mit der Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie 11 Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 depressiven Symptomatik auf und bilden sich nach Besserung der Depression zurück. • Schizophrenie à Ängste zeigen sich gehäuft im Prodromalstadium der schizophrenen Erkrankung. • Somatoforme Störung à körperliche Schmerzen und Beschwerden stehen im Vordergrund. Patient ist von einer organischen Ursache seiner Beschwerden überzeugt. • Zwangsstörung à vorherrschend sind hier Ängste vor Verschmutzung, Verletzung oder Unordnung, die mit zwanghaften Ritualen neutralisiert werden. • Anpassungsstörung à Ängste beziehen sich auf Lebensereignisse, die der Erkrankung vorausgingen, z.B. Scheidung, Todesfälle, Arbeitsplatzverlust. • Posttraumatische Belastungsstörung à Ängste beziehen sich auf ein Trauma, dass zum Ausbruch der Erkrankung geführt hat. Die Angst wird aktiviert, wenn der Betroffene mit Situationen oder Objekten seines Traumas konfrontiert wird. • Essstörung à massive Angst, zu dick zu sein. • Ängstlich-­‐vermeidende Persönlichkeitsstörung à hier stehen Gefühle der eigenen Unzulänglichkeit und die Angst vor sozialer Ablehnung im Vordergrund. • Abhängigkeitserkrankungen à Substanzmissbrauch in der Anamnese, Drogenscreening. Panikstörung (F.41.0) und Agoraphobie (F40.0) Panikstörung (F.41.0) Panikstörung bezeichnet die ständige Angst, erneut Panikattacken zu erleiden. Sie kann zu agoraphobischen Vermeidungsverhalten führen (Vermeidung von öffentlichen Situationen). Auch können Situationen vermieden werden, die mit der Angst assoziierten körperlichen Symptome auslösen (Herzklopfen bei Aktivität). Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Symptomatik 12 Panikattacken sind gekennzeichnet durch wiederholt schwere Angstattacken ohne erkennbaren Grund. Begleitende vegetative Symptomatik: •
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Zittern Schweißausbrüche Herzrasen Schwindel Schwächegefühl Atembeschwerden Übelkeit Brust-­‐ oder Bauchschmerze Psychische Symptomatik: •
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Gefühl von Schwäche, Benommenheit, massiver Schwindel Derealisations-­‐ und Depersonalisationserleben, Angst vor Kontrollverlust, Angst zu sterben. Kognitiv kann ein Kontrollverlust befürchtet werden bzw. es werden katastrophale Konsequenzen angenommen („Gleich bekomme ich einen Herzinfarkt“). Panikattacken treten plötzlich auf und dauern nur einige Minuten. Agoraphobie (F.40.0) Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie 13 Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Agoraphobie bezeichnet die große Furcht vor Menschenansammlungen. Sie werden gemieden, genauso wie öffentliche Plätze und Reisen. Meist stehen am Beginn Panikattacken, bevor das agoraphobische Verhalten eintritt. Typisch ist die Erwartungsangst (Angst vor der Angst). Sie tritt auf, bevor eine unangenehme Situation aufgesucht wird. Es werden Hilfsmittel eingesetzt: Medikamente werden mitgeführt, die Patienten schieben ein Fahrrad bei sich oder tragen Sonnenbrillen im Freien. Kognitive Meidung bezeichnet die Milderung der Angst durch gedankliche Beruhigung (Bsp.: “Mein Hausarzt ist in der Nähe der Haltestelle, an der ich aussteige“). Oft können die Patienten alltägliche Dinge nicht mehr alleine ausführen oder das Haus nicht mehr alleine verlassen. Es werden unterschieden: • Agoraphobie mit Panikattacke • Agoraphobie ohne Panikattacke Diagnosekriterien nach der ICD-­‐10. Panikstörung Wiederholte Panikattacken, die nicht situations-­‐ oder objektgebunden sind, nicht verbunden mit lebensgefährlichen Situationen oder besonderen Anstrengungen. Folgende Charakteristik trifft zu: •
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Einzelne Episode intensiver Angst oder Unbehagen Abrupter Beginn Maximum innerhalb weniger Minuten, Mindestens vier der u.a. Symptome: Vegetative (Schwitzen, Herzklopfen, Tremor, Mundtrockenheit), Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 • Atembeschwerden, • Beklemmungsgefühl, • Unruhegefühl im Magen, 14 Psychische Symptome (Schwindel, Unsicherheit, Schwäche, Derealisation, Angst vor Kontrollverlust) Allgemeine Symptome (Hitzewallungen, Kälteschauer, Kribbeln, Gefühllosigkeit) Die Symptome sind nicht durch eine andere psychische Störung bedingt Agoraphobie Deutliche Meidung mindestens zwei der folgenden Situationen: •
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Menschenmengen Öffentliche Plätze Alleine Reisen Reisen mit weiter Entfernung von zuhause Vorhandensein körperlicher Symptome: • Vegetative (Schwitzen, Herzklopfen, Tremor, Mundtrockenheit) • Atembeschwerden, • Beklemmungsgefühl, • Unruhegefühl im Magen Psychische Symptome (Schwindel, Unsicherheit, Schwäche, Derealisation, Angst vor Kontrollverlust) Allgemeine Symptome (Hitzewallungen, Kälteschauer, Kribbeln, Gefühllosigkeit) Deutliche emotionale Belastung durch das Vermeidungsverhalten Symptombeschränkung auf die gefürchteten Situationen Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Die Symptome sind nicht durch andere psychische Störungen bedingt 15 Therapie • Gut belegt ist die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie. • Reizkonfrontation/Expositionsbehandlung • Wichtig sind hier Beziehungsaufbau, Diagnostik und Psychoedukation. Kognitive Verfahren Hier werden die zur Panikattacke führenden Reize analysiert und neu bewertet (bspw. „Es ist ganz normal, dass mein Herz jetzt schneller schlägt“). Hierzu können diese Reize auch in der Therapie bewusst herbeigeführt werden. Medikamentöse Therapie Besonders bei chronischen Verläufen oder zusätzlichen Erkrankungen, aber auch wenn eine Psychotherapie nicht anschlägt, muss eine medikamentöse Behandlung in Betracht gezogen werden. Hier werden Antidepressiva und auch Benzodiazepine angewandt. Bei letzteren ist Vorsicht wegen Toleranz und Abhängigkeitsgefahr geboten! Die Dosierung der Antidepressiva entspricht denen einer depressiven Behandlung. Nachteil ist, dass der Patient nicht aktiv an Strategien mitarbeitet. Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 16 Verlauf und Prognose Meistens verlaufen Panikstörungen und Agoraphobie chronisch, wobei längere symptomfreie Phasen und Phasen massiver Angst sich abwechseln. Spontanheilungen sind eher selten (10-­‐15%), eine verhaltenstherapeutische Behandlung zeigt langfristig gute Effekte. Soziale Phobie (F.40.1) Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Definition und Symptomatik 17 Hier steht die Vermeidung von Situationen in der Öffentlichkeit, bei der der Betroffene im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht (Vorträge, Essen gehen, Konferenzen, Partys, etc. Der Betroffene hat hierbei Angst, sich zu blamieren und bloßzustellen. Zu den Symptomen einer Panikattacke treten bei der sozialen Phobie zusätzlich Erröten und Zittern auf. Komorbide entwickelt sich oft noch ein Substanzmissbrauch oder eine Suchterkrankung (Alkohol, Benzodiazepine). Diagnose und Differentialdiagnose Die Diagnose ist ähnlich die der Panikattacke und Agoraphobie, es kommen Erröten und Zittern und Angst vor Erbrechen hinzu. Entscheidend für die Diagnostik ist, dass der Betroffene durch die Symptomatik stark beeinträchtigt ist und darunter leidet. Sowohl seine Leistungsfähigkeit als auch seine Beziehungsfähigkeit müssen beeinträchtigt sein. Abzugrenzen ist die „Schüchterheit“. Therapie • Verhaltenstherapie, Expositionsübungen (Reizkonfrontation) und Training sozialer Kompetenzen erzielen gute Erfolge. • Antidepressiva können eingesetzt werden und wirken sich durchaus günstig aus, erzielen jedoch in der Regel keine dauerhafte Remission. Spezifische (isolierte) Phobien (F.40.2) Hier besteht eine Angst bis hin zum Panikanfall bei der Konfrontation mit einer bestimmten Situation oder einem Objekt. Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Sie beziehen sich auf •
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18 Tiere (Spinnen, Insekten) Naturgewalten (Gewitter, Sturm) Räumliche Gegebenheiten (Höhe, Enge) Verletzungen, Blut, medizinische Interventionen (Spritzen) In der Regel beeinflussen diese Ängste den Betroffenen weniger, es sei denn, er kann sie in seinem Alltagserleben nicht vermeiden (Flugangst bspw.). Erst dann werden sie zur Belastung. Folgeerkrankungen treten seltener auf. Häufige Phobien sind: •
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Akrophobie (Höhenangst) Arachnophobie (Spinnen) Aviophobie (Flugangst) Klaustrophobie (enge Räume) Zoophobie (Tiere) Diagnose und Differentialdiagnose Die Diagnose erfolgt nach den bereits besprochenen Kriterien der Angst. Differentialdiagnostisch sind Belastungsreaktionen z.B. nach einem Unfall oder Zwänge in Betracht zu ziehen. Therapie • Reizkonfrontation steht an erster Stelle. • Pharmakotherapie Generalisierte Angststörungen (F.41.1) Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Definition 19 Die GAS ist die anhaltende Angst, ohne Bezug zu einer Situation oder Objekten. Betroffene leben mit einer ängstlichen Grundstimmung, die sich auf fast alle Lebensbereiche bezieht und sich in der Intensität von den Sorgen gesunder Menschen unterscheidet. Auch hier liegen den Ängsten keine tatsächlichen Bedrohungen und Gefahren zugrunde. Symptomatik: • Frei flottierende Ängste und Befürchtungen, z.B. Sorge über alltägliche Dinge, über evtl eintretendes Unglück, über die eigene Gesundheit oder der Gesundheit naher Angehöriger, • vermehrte Grübelneigung motorische Anspannungen mit Schlafstörungen, • vegetative Übererregbarkeit • Entfremdungserleben • Depressivität Diagnostik und Differentialdiagnose Neben den Symptomen einer Panikstörung oder Agoraphobie kommt es hier noch zu Verspannungen der Muskeln und Anspannung wie Nervosität. Außerdem sind übertriebene Reaktionen auf Überraschungen und Einschlafstörungen aufgrund einer Besorgnis zu beobachten. Differentialdiagnostisch ergeben sich Überschneidungen mit depressiven Episoden, Dysthymie oder somatoformen Störungen. Phobien und Zwänge beziehen sich auf bestimmte Inhalte. Im Gegensatz zu Panikstörungen sind die Ängste wechselnd und chronisch. Therapie Psychopharmakotherapien mit Antidepressiva und Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Benzodiazepin-­‐Präparaten zeigen eine kurzfristige Linderung. Psychotherapeutisch kommen in Frage: 20 • Verhaltenstherapie: • Kognitive Therapie: • Erfassung und Neubewertung dysfunktionaler Gedanken Strategien zur Angstbewältigung Konfrontation mit Grübeln Problemlösetraining • Entspannungsverfahren • Psychodynamische Therapieansätze: Stärkung des Selbst-­‐Konzeptes durch Stärkung oder Nachreifung defizitärer Ich-­‐ Funktionen Verlauf und Prognose Der Verlauf ist ungünstiger als bei den Panikstörungen. Bei Behandlung gehen 25% zurück, zusätzliche Erkrankungen verschlechtern die Prognose. Zwangsstörungen (F.42)
Definition
Zwangsstörungen sind psychische Störungen, bei denen
• Zwangsgedanken und
• Zwangshandlungen,
im Vordergrund stehen.
Charakteristikum dieser Gedanken ist, dass sie immer wieder auftreten
und das die Betroffenen sich der Sinnlosigkeit ihrer Zwangsgedanken
bewusst sind. Trotzdem können die Gedanken nicht unterdrückt
werden.
Zwangshandlungen sind ritualisierende Handlungen, die vom
Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 Betroffenen wiederholt ausgeführt werden müssen, um z.B. innere
Anspannungen abzubauen. Auch die Handlungen erlebt der
Betroffene als sinnlos, übertrieben und quälend.
21 Das Durchführen solcher Rituale findet in verschiedenen
Generationen (Einschlafritus bei Kindern, religiöse Rituale im
Erwachsenenalter) statt. Als krankhafte Störung wird es erst
angesehen, wenn es ein solches Ausmaß annimmt, dass der Betroffene
darunter leidet und in seiner sozialen oder individuellen
Leistungsfähigkeit eingeschränkt wird.
Symptomatik Zwangsstörung
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Zwangsgedanken und –impulse
Zwangshandlungen
Familienangehörige werden i.d. Zwangsrituale mit einbezogen
Vermeidungsverhalten
Generalisierung
Verheimlichung der Symptome (Scham)
Deutliche Beeinträchtiung der Lebensführung (privat/beruflich)
Merkmale der Zwangsstörung nach ICD-10
• Zwangsgedanken und –handlangen nüssen vom Patienten als
seine eigenen erkannt werden.
• mind. gegen einen Zwangsgedanken oder gegen eine
Zwangshandlung muss der Patient (noch Widerstand leisten.
• Zwangsgedanke oder –handlung dürfen nicht angenehm sein.
• Zwangssymptome müssen sich in zutiefst unangenehmer Weise
wiederholen.
• Die Symptomatik muss über mind. 14 Tage an den meisten
Tagen bestehen.
Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 22 Vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang (F42.0)
Zwangsstörungen treten hier als Zwangsgedanken auf und können
sich als zwanghafte Ideen, bildhaften Vorstellungen oder
Zwangsimpulsen zeigen, die für den Betroffenen als quälend erlebt
werden. Meistens beinhalten diese Gedanken endlose Überlegungen
unabwägbarer Alternativen, verbunden mit der Unfähigkeit, einfache
aber notwendige Entscheidungen im täglichen Alltag zu treffen.
Überwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale) (F42.1)
Die meisten Zwangshandlungen beziehen sich auf das Händewaschen,
wiederholte Kontrollen, die garantieren, dass sich eine
möglicherweise gefährliche Situation nicht entwickeln kann
(Kaffeemaschine ausschalten),
oder übertreibene Ordnung und Sauberkeit.
Hierbei liegt die Furcht vor einer möglichen Gefahr zugrunde, von der
für den Patienten oder vom Patienten selbst eine Bedrohung ausgeht.
Das Zwangsritual ist ein wirkungsloser oder symbolischer Versuch die
befürchteten Gefahren abzuwenden oder zu minimieren.
Zwangsgedanken und –handlungen gemischt (F42.2)
Meisten zeigen Zwangspatienten beide Symptome in gleichwertiger
Ausprägung – daher wird diese Diagnose am häufigsten vergeben. Es
wird auf die F42.0 oder F42.1 zurückgegriffen, wenn die
Symptomatik eindeutig vorherrschend ist.
Differentialdiagnosen:
• Depressionen à Zwangssymptome bilden sich mit Besserung
der depressiven Symptomatik zurück.
• Angststörungen
Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie 23 Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 • Schizophrenie à in der akuten Phase kann sich der Patient nicht
mehr von den Zwangsgedanken distanzieren, Inhalte sind
bizarrer.
• anankastische Persönlichkeitsstörung à Symptomatik wird als
ich-synton erlebt, Außenstehende leiden mehr unter ihrem
Verhalten als sie selbst.
• Abhängigkeitserkrankungen
• Frühkindlicher Autismus à im Vordergrund stehen
Entwicklungsstörungen
• Gilles-de-la-Tourette-Syndrom à vokale und motorische Tics
• Organische Störungen à z.B. Tumore, Chorea minor
Epidemiologie
Die Lebenszeitprävalenz in Deutschland ist 2%. Untersuchungen
zeigen, dass die Zahl der Zwangsstörungen in verschiedenen Ländern
und Kulturkreisen ähnlich hoch ist. Zwischen Frauen und Männern
gibt es kaum Unterschiede. Die Störung beginnt in der Regel in
jungen Jahren (ca. 23 Jahre). Sie beginnen häufig schleichend, bei
Waschzwängen bspw. auch akut.
Ätiologie
Als biologische Faktoren kommt eine Funktionsstörung des
Botenstoffhaushaltes im Gehirn in Betracht. Dies erklärt auch die
Wirksamkeit von Antidepressiva (SSRI). Außerdem wurden in
bildgebenden Verfahren Störungen in verschiedenen Hirnbereichen
festgestellt.
Psychodynamisch geht man von einem Abhängigkeits-AutonomieKonflikt aus. Konflikte zwischen einem aggressiven „Es“ und einem
rigiden „Über-Ich“ werden durch bestimmte Abwehrmechanismen in
einer für das Bewusstsein tolerablen Weise bearbeitet. Man geht von
einer Fixierung in der analen Phase (2.-3. Lebensjahr) aus. Hier
Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie 24 Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 beginnt das Kind, seine Autonomie zu entfalten. Bei rigider, strenger
Erziehung kann es zur Ausbildung eines rigiden „Über-Ichs“
kommen.
Lerntheoretisch kommen die klassische und operante
Konditionierung in Frage. Das Vermeidungsverhalten ist auch hier für
die Aufrechterhaltung des Zwangs von großer Bedeutung. Kognitive
Ansätze bieten die Erklärung, dass ursprünglich normalpsychisch
vorhandene aggressive oder magische Gedanken subjektiv als
inakzeptabel bewertet werden. Es entstehen Unwohlsein und/oder
Neutralisationsversuche. In beiden Fällen wird den Gedanken mehr
Aufmerksamkeit geschenkt.
Aufrechterhaltende Faktoren sind ebenso relevant. An erster Stelle
steht hier das Vermeidungsverhalten. Dadurch verhindert der
Betroffene die Erfahrung, dass ein Verbleiben in der auslösenden
Situation wieder zur Erleichterung führen würde. Über
Neutralisierungsrituale kommt er zu einer Entlastung (primärer
Krankheitsgewinn). Auch kann er evtl. durch seine Störung eine
Machtposition in der Partnerschaft aufrechterhalten oder sich durch
Arbeitsunfähigkeit entlasten (sekundärer Krankheitsgewinn).
Therapie
Psychotherapeutische Behandlungen
Psychotherapeutisch kommen alle gängigen Verfahren in Betracht.
Verhaltenstherapeutische Verfahren haben sich allerdings bei der
Behandlung besonders bewährt und werden bei starken Zwangsstörungen
auch stationär durchgeführt.
Reizkonfrontation bei Zwangshandlungen
Hier lernt der Patient, gefürchtete Situationen bis zum Abklingen der
Anspannung auszuhalten. Dadurch wird das Vermeidungsverhalten
Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 verhindert. Der Patient macht die Erfahrung, dass sich seine Angst nicht
bis ins Unermessliche steigert, sondern sogar wieder abflacht.
Reizkonfrontation bei Zwangsgedanken
Hier wird der Patient gebeten, die Gedanken detailliert zu schildern, die
ihm Angst oder Unruhe bereiten, ohne sie durch Rituale (beten, etc.)
abzubrechen oder zu vermeiden. Die Stimuli können auch auf Band
gesprochen werden.
Kognitive Verfahren
Hier werden verzerrte Gedanken erfasst (bspw. in einem Tagebuch) und
auf die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens überprüft.
Psychodynamische Therapie
25 Fachausbildung um Heilpraktiker/in für Psychotherapie Neurotische, Belastungs-­‐ und somatoforme Störungen ICD-­‐10 F4 26 Hier soll der Betroffene Einblicke in die Psychodynamik des Konfliktes
(Autonomie-Abhängigkeit) bekommen, sein „Über-Ich“ entlasten und
Schuldgefühle abbauen. So kann er bislang tabuisierte Wünsche und
Bedürfnisse äußern.
Pharmakotherapie
Hier kommen in erster Linie auf den Serotonin-Haushalt wirkende
Antidepressiva (SSRI) zum Tragen.. Schwere Zwangsstörungen können
durch die Gabe eines atypischen Neuroleptikums günstig beeinflusst
werden.
Die alleinige medikamentöse Behandlung bei Zwängen hat sich nicht bewährt. Idealerweise ist eine Kombinationsbehandlung (Psychotherapie u. medikamentöse Therapie)-­‐ Die Antidepressiva müssen höher dosiert werden und entfalten ihre Wirkung erst nach 6-­‐12 Wochen, also später als bei den depressiven Störungen. Prognose und Verlauf
Unbehandelt verlaufen Zwangsstörungen fast immer chronisch. Durch eine
Multimodale Verhaltenstherapie ist bei 60-80% eine deutliche Besserung
zu erreichen. Ebenso durch die Behandlung mit Antidepressiva. Hier
allerdings erleiden ca. 75% der Behandelten einen
Quelle: √ http://www.therapie.de/psyche/info/diagnose/angst/entstehung-­‐einer-­‐angststoerung/ Lehrbuch Heilpraktiker für Psychotherapie, Christopher Ofenstein, Skript Neurotische Störungen Pegasus Centrum 
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