5. Wiederholte Interaktion (Wiederholte Spiele – Superspiele) 5.1 „Endlich oft“ wiederholte Spiele 5.2 „Unendlich oft“ wiederholte Spiele 5.3 Fallstudie: Wettbewerb und Kollusion an der NASDAQ-Börse Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp 5 Beispiele und Definition Beispiele • einmal wiederholtes Gefangenendilemma • endlich oft wiederholtes Gefangenendilemma • unendlich oft wiederholtes Gefangenendilemma • modifiziertes Gefangenendilemma • einmal wiederholtes modifiziertes Gefangenendilemma Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp Bemerkungen • Strategien in wiederholten Spielen • Anzahl der Strategien • Begriffe: ‚Strategien‘ vs. ‚Aktionen‘ • Konsequenzen für die strategische Interaktion Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp DEF Ein wiederholtes Spiel ist definiert durch • ein Grund- oder Quellenspiel in Normalform (zur Erinnerung: 1. eine Liste der Spieler, 2. eine Liste von möglichen Strategien für jeden Spieler und 3. Auszahlungen für jede mögliche Strategiekombination) sowie • die Anzahl T seiner Wiederholungen (T kann endlich oder unendlich sein). Ist T endlich, so heißt das wiederholte Spiel endlich oft wiederholt, hat das Spiel kein bestimmtes Ende, so wird es unendlich oft wiederholt genannt. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp 5.1 „Endlich oft“ wiederholte Spiele Analyse des • einmal wiederholten Gefangenendilemmas • endlich oft wiederholten Gefangenendilemmas • modifizierten Gefangenendilemmas • einmal wiederholten Gefangenendilemmas Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp Beziehungen zwischen Grund- und wiederholtem Spiel Satz: Sei G=(N,S,U) ein Spiel in Normalform und GT (mit T < ∞ ) das T-fach gespielte Spiel. Besitzt G ein eindeutiges Nash-GG s*, dann besitzt GT (mit T < ∞ ) für alle Diskontfaktoren β ∈ (0,1] genau ein eindeutiges teilspielperfektes Gleichgewicht, das aus T-fachem Spiel von s* besteht. 1 T 1 T Satz: Sind s ,...,s Nash-GGe des Grundspiels, so ist (s ,...,s ) ein teilspielperfekter Ggspfad des wiederholten Spiels. 1 T Satz: Ist (s ,...,s ) ein teilspielperfekter GGspfad des wiederholten Spiels, so muss sT ein Nash-GG des Grundspiels sein. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp Folk-Theoreme für endlich oft wiederholte Spiele (Benoit/Krishna, 1985) Theorem 1: Sei G=(N,S,U) ein Spiel in Normalform und GT das Tfach gespielte Spiel ( T < ∞ ). Für jeden Spieler i (i=1,...,n) existiere ein Nash-Gleichgewicht s*(i)=( s1*(i),...,sn*(i)) von G mit ui(s*(i))>vi, wobei vi = min s −i max s i u i (s i , s − i ) die schlimmstmögliche Bestrafung gegen Spieler i darstellt. Dann konvergiert die Menge der Nash-Gleichgewichte von GT für T → ∞ gegen die Menge der Nash-Gleichgewichte von G∞. Theorem 2: Hat die Menge der zulässigen Auszahlungen die Dimension n, so gilt ein entsprechender Satz für die Menge der teilspielperfekten Gleichgewichte. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp 5.2 „Unendlich oft“ wiederholte Spiele Notation sτ∈S at=(s1,..., st) in Periode τ gespielte Strategiekombination d. Grundspiels Vorgeschichte des (t+1)-ten Spieles DEF Eine reine Strategie für Spieler i im Superspiel G∞ ist eine Funktion gi, die jeder Vorgeschichte at eine Aktion gi( at) = sit+1 des Grundspiels zuordnet; d.h. g i : A → Si A = Menge der möglichen Vorgeschichten a t → g i (a t ) a 0 =' Ursprung'. Die Menge der reinen Strategien von Spieler i sei mit G i∞ bezeichnet. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp Die Auszahlung in unendlich oft wiederholten Spielen DEF (Durchschnittsauszahlung) Die Durchschnittsauszahlung über alle Spiele des Grundspiels ergibt sich für Spieler i als 1 t ∞ ∞ U i (a ) = lim t → ∞ inf ∑ U i (s τ ), t τ =1 wobei sτ die in Periode τ verwendeten Aktionen des Grundspiels und a ∞ =(s1,s2,s3,...) den durch die Strategiekombination g=(g1,...,gn) erzeugten Spielverlauf bezeichnet. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp DEF (diskontierte Auszahlung) Sei a ∞ =(s1,s2,s3,...) der durch die Strategiekombination g=(g1,...,gn) erzeugte Spielverlauf. Dann ist die diskontierte Auszahlung für Spieler i im „unendlich“ oft wiederholten Spiel definiert als U i∞ (a ∞ ) ∞ = ∑ β t −1U i (s t ), t =1 wobei β∈[0,1] den Diskontfaktor bezeichnet. Alternativ: U i∞ (a ∞ ) = ∞ durchschnittliche diskontierte Auszahlung ∑β t =1 t −1 U i (s t ) (1 + β + β 2 + ...) Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) ∞ = (1 − β) ∑ β t −1U i (s t ) t =1 © 2004 Dr. B. Hehenkamp DEF (Nash-Gleichgewicht) Ein (Nash-)Gleichgewicht von G∞ ist eine Strategienkombination g*=(g1*,...,gn*), so dass jeder Spieler i — bei gegebener Wahl der anderen Spieler — seine Auszahlung maximiert, d.h. U i∞ (a (g i *, g − i *)) ≥ U i∞ (a (g i , g − i *)), für beliebige alternative Strategien gi* von Spieler i und alle Spieler i (g-i*=( g1*,..., gi-1*, gi+1*,..., gn*) bezeichnet die Wahl der jeweils anderen Spieler und a (g i , g − i ) den durch die Strategien gi und g-i erzeugten Spielverlauf a∞). DEF (teilspielperfektes Gleichgewicht) Ein Gleichgewicht des „unendlich“ oft wiederholten Spieles heißt teilspielperfekt, falls es von jeder möglichen Vorgeschichte an, d.h. für jedes Teilspiel, ein Nash-Gleichgewicht erzeugt. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp Analyse des „unendlich“ wiederholten Gefangenendilemmas • Auslöserstrategie • Lohnt „Abweichen“? / Wann lohnt „Abweichen“? • Analyse entlang und abseits des GGspfades • verzögerte Beobachtbarkeit • mehrere Spieler • weitere Gleichgewichte Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp Folktheoreme Theorem 3: Sei G=(N,S,U) ein Grundspiel in Normalform und s* ein Nash-Gleichgewicht von G. Dann gibt es für jedes ŝ∈S mit Ui(ŝ)≥Ui(s*) für alle i=1,...,n ein β ∈ (0,1], so dass G∞ für alle Diskontfaktoren β ≥ β ein teilspielperfektes Gleichgewicht g* besitzt mit durchschnittlicher diskontierter Auszahlung U ∞ (g*) = ( U1∞ (g*),..., U ∞ n (g*)) = ( U1 (ŝ),..., U n (ŝ)) . Theorem 4: Sei V die Menge der zulässigen Auszahlungsvektoren des Grundspiels G=(N,S,U) und dimV = n (Anzahl der Spieler). Dann gilt: Für jeden zulässigen Auszahlungsvektor u=(u1,...,un), so dass ui>vi für alle Spieler i (i=1,...,n), gibt es β ∈ (0,1], so dass für alle β ∈ (β,1] ein teilspielperfektes Gleichgewicht von G∞ mit durchschnittlicher Auszahlung u existiert. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) © 2004 Dr. B. Hehenkamp US-Börsen US-Börsen⏐Studie⏐NASH-GG⏐Kollusion⏐ Feste Beziehungen ⏐Epilog NYSE: • nur ein Market-Maker pro Aktie NASDAQ: • diverse Market-Maker pro Aktie • MM verdient an Courtage • MM verdient über Kursdifferenz (bei Kursen in Achteldollarschritten) • Broker können sich MM aussuchen Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) (c) 2004 Dr. B. Hehenkamp 1 Studie US-Börsen⏐Studie⏐NASH-GG⏐ Kollusion⏐ Feste Beziehungen ⏐Epilog • 1994 belegen Christie & Schultz, daß die meisten Spreads 1/4 bzw. 1/2 betragen (39% bzw. 33%). • größerer Spread kommt auch in umsatzstarken Aktien vor. • Annahme eines unendlich wiederholten Spieles mit perfekten Erinnerungen und perfekter Information. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) (c) 2004 Dr. B. Hehenkamp 2 Nash-Gleichgewicht US-Börsen⏐Studie⏐NASH-GG⏐ Kollusion⏐ Feste Beziehungen ⏐Epilog • Nachfragefunktion: D(a)=120 - 5a / (MM verkauft zu a) • Angebotsfunktion: S(b)= -80 + 5b / (MM kauft zu b) • Nash-GG=>M-Räumung: 120 - 5a=-80 + 5a → a=20 • GGsmenge: 200.000 Aktien (1ME=10.000 Aktien) • Nash-GG: bei p*=20, weil sich kein MM mit einem anderen Gebot besser stellen kann. MM machen 0 Profit. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) (c) 2004 Dr. B. Hehenkamp 3 Geheime Absprache US-Börsen⏐Studie⏐NASH-GG⏐ Kollusion ⏐ Feste Beziehungen ⏐Epilog • Maxa≥20 (120-5a)(a-20) + Maxb≤20 (-80+5b)(20-b) • aK=22, bK=18 → MM macht statt 0 jetzt 4 Einheiten Profit • GGsmenge: 100.000 Aktien • Auswirkungen: – statt Umsatzvolumen von 200.000 gehandelten Aktien, jetzt nur noch 100.000 → Investoren werden aus dem Markt gedrängt (Rente der Investoren nimmt ab) – MM machen Profit Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) (c) 2004 Dr. B. Hehenkamp 4 Trigger-Strategie US-Börsen⏐Studie⏐NASH-GG⏐ Kollusion⏐ Feste Beziehungen ⏐Epilog • Trigger-Strategie: Androhung und Durchführung von Vergeltung bei Nichteinhaltung der geheimen Absprache • In der ersten Runde halten sich alle MM an die geheime Absprache von aK=22, bK=18. – MM bekommen 40/[N(1- δ)] • Sobald einer abweicht, wird zum Nash-GG und damit zum Preis von 20 zurückgekehrt. • „Abweicher“ kann nun einmal den Spread von 2 alleine einnehmen, danach 0. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) (c) 2004 Dr. B. Hehenkamp 5 Trigger-Strategie US-Börsen⏐Studie⏐NASH-GG⏐ Kollusion⏐ Feste Beziehungen ⏐Epilog • Abwägung: 40/[N(1- δ)]>30 → Bedingung: N(1- δ)<4/3 • D.h. – je größer N, desto schwieriger wird geheime Absprache (je mehr MM) – je größer δ, desto leichter fällt geheime Absprache (Zukunft wichtig) • N=11, δkrit=0.8788 / N=50, δkrit =0.973 • Realistischer Wert des Diskontfaktors δ nahe 1 und damit funktioniert geheime Absprache Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) (c) 2004 Dr. B. Hehenkamp 6 Feste Broker-MM-Beziehungen US-Börsen⏐Studie⏐NASH-GG⏐ Kollusion⏐Feste Beziehungen⏐Epilog • langjährige Broker-MM-Beziehungen: – Abweichen lohnt sich nicht, da „Abweicher“ kein zusätzliches Umsatzvolumen generieren kann („order preference“ der Broker) – wirken als Markteintrittsbarriere für neue MM, da zwar Profit Anreiz zum Markteintritt darstellt, aber dieser Profit von neuen MM nicht erzielt werden kann Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) (c) 2004 Dr. B. Hehenkamp 7 Epilog US-Börsen⏐Studie⏐NASH-GG⏐ Kollusion⏐ Feste Beziehungen ⏐Epilog • Nach Veröffentlichung der Studie wurde die Börsenaufsichtsbehörde auf die Preisabsprachen aufmerksam und konnte sie anhand von aufgezeichneten Telefongesprächen nachweisen. • 1996 wurde die sog. “limit order display rule“ eingeführt; diese erlaubte Investoren mit den MM an der Börse zu konkurrieren: dies zwingt MM ihre Quoten auf Gebote der Investoren abstimmen und nicht schlechter als deren beste Quote zu bieten. Einführung in die Spieltheorie (für Betriebs- und Volkswirte) (c) 2004 Dr. B. Hehenkamp 8