PDF of the full article

Werbung
76
D.-C. Fischer, D. Haffner
Wachstum nach Transplantation solider Organe
Transplantationsmedizin
2011, 23. Jahrgang
Wachstum nach Transplantation solider Organe
Dagmar-Christiane Fischer, Dieter Haffner
Klinik für Pädiatrische Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen, Medizinische Hochschule
Hannover
Die Gewährleistung einer normalen somatischen Entwicklung stellt eine große Herausforderung
bei der Behandlung von Kindern nach Transplantation solider Organe dar. Bereits zum Zeitpunkt
der Transplantation weisen viele Kinder mit Organversagen eine schwere Wachstumsstörung auf.
Neben den metabolischen und hormonellen Folgen des Organversagens sind hier Malnutrition, Infektionen und/oder eine syndromale Grunderkrankung zu nennen. Selbst bei exzellenter Transplantatfunktion ist das Aufholwachstum häufig inkomplett. Es wird maßgeblich durch genetische
Faktoren, die Grunderkrankung, Alter und Ausmaß der Wachstumsretardierung zum Zeitpunkt der
Transplantation, eine Malnutrition, die Glukokortikoidmedikation und die Transplantatfunktion beeinflusst. In den letzten 10 Jahren konnte durch Optimierung der konservativen Therapie vor Transplantation, also z. B. durch eine forcierte enterale Ernährung oder Wachstumshormontherapie, sowie durch reduzierte Steroidexposition nach Transplantation das Wachstum dieser Patienten entscheidend verbessert werden. Somit kann heute ein Großteil der Kinder nach Transplantation eines
soliden Organs eine normale Endgröße erreichen.
Schlüsselwörter: Wachstum, Transplantation solider Organe, Kinder, Wachstumshormon, Glukokortikoide
Growth after Solid-organ Transplantation
One of the ultimate goals of solid organ transplantation in children is to attain a normal adult
height. Many children with organ failure present with severe growth retardation already at time of
transplantation.This is due to the metabolic/hormonal consequences of organ dysfunction, malnutrition, infections, and markedly influenced by the primary disease. Despite excellent organ function catch-up growth in children after solid-organ transplantation remains often incomplete. Of
note, remarkably similar factors impact on growth in pediatric kidney, liver, heart, and lung recipients. Beside genetic factors, age and degree of growth failure at time of transplantation, malnutrition, treatment with corticosteroids and graft function have to be mentioned as factors significantly influencing post transplant growth. During the last 10 years great efforts have been made to improve pre-transplant growth by providing adequate nutrition and/or growth hormone therapy.
New immunosuppressive protocols allow to minimize or even to avoid exposure to corticosteroids
in the majority of patients. Thus, attaining a normal adult height is within reach for children requiring solid-organ transplantation.
Key words: growth, solid-organ transplantation, children, growth hormone, corticosteroids
Abkürzungen
Einleitung
GH
GFR
IGF-1
PEG
PTLD
Die Gewährleistung einer normalen somatischen Entwicklung stellt eine große Herausforderung bei der Behandlung von Kindern nach
Transplantation solider Organe dar. Ein erheblicher Teil der Kinder weist bereits zum Zeitpunkt einer Nieren-, Leber-, Herz- oder Lungentransplantation eine ausgeprägte Wachstumsstörung auf. Die sensibelsten Phasen des Längenwachstums stellen zum einen das Säuglings- und Kleinkindalter und zum anderen die
pubertäre Wachstumsphase dar. In diesen Abschnitten sind die Wachstumsraten physiologischerweise am höchsten und damit hat ein Or-
SDS
Fischer D-C, Haffner D (2011)
Wachstum nach Transplantation solider Organe. Tx Med
23: 76-82
Wachstumshormon
glomeruläre Filtrationsrate
insulin-like growth factor-1
perkutane enterale Gastrostomie
lymphoproliferative Erkrankung nach
Transplantation
SD score
D.-C. Fischer, D. Haffner
Wachstum nach Transplantation solider Organe
ganversagen während dieser Zeiten auch die
stärksten Auswirkungen auf die potentielle
Endgröße. Hierbei spielen neben den direkten
metabolischen und hormonellen Folgen des
progredienten Organversagens Malnutrition,
Infektionen und/ oder eine syndromale Grunderkrankung eine Rolle (1). Darüber hinaus tragen bei Kindern mit chronischer Leber- oder
Niereninsuffizienz Störungen der somatotropen und der gonadotropen Hormonachse zu
der Wachstumsstörung bei (2-4). Das Aufholwachstum nach Transplantation ist häufig
selbst bei exzellenter Transplantatfunktion inkomplett. Die Ursachen hierfür sind multifaktoriell und bisher nur zum Teil verstanden.
Einflussfaktoren des Aufholwachstums nach Transplantation
solider Organe
Die Faktoren, die das Wachstum nach Transplantation eines Organs beeinflussen, stimmen
in bestechender Weise überein (Tabelle 1). Genetische Fakoren, wie die aus der Größe der Eltern ermittelte Zielgröße, aber auch die Art der
Grunderkrankung spielen insbesondere bei
Kindern nach Lebertransplantation eine große
Rolle. So zeigen Patienten mit metabolischen
Erkrankungen oder nicht-Gallengangsatresiebedingten cholestatischen Erkrankungen häufig ein unzureichendes Wachstum nach Lebertransplantation (5). Syndromale Erkrankungen,
die oft mehrere wichtige Organsysteme betreffen, gehen sowohl vor als auch nach Transplantation häufig mit einer ausgeprägten Wachstumsstörung einher. Weiterhin weisen Patienten, die zum Beispiel bei primärerer Hyperoxalurie Typ 1 eine kombinierte Organtransplantation benötigen, nach Transplantation häufig
ein unzureichendes Wachstum auf (6).
Ein weiterer, wichtiger Faktor, der das Aufholwachstum nach Transplantation limitiert, ist eine (langdauernde) Behandlung mit Glukokorti-
TABELLE 1:
Einflussfaktoren auf das Wachstum nach solider
Organtransplantation
– Grunderkrankung/Genetik
– Glukokortikoidmedikation (Dosis/Behandlungsdauer)
– Alter bei Transplantation
– Grad des Kleinwuchses/Dystrophie zum
Zeitpunkt der Transplantation
– Malnutrition nach Transplantation
– Transplantatdysfunktion/Abstoßung
– Einschränkung der Nierenfunktion (Nephrotoxizität der Immunusuppressiva)
– Komplikationen: Infektionen, PTLD
Transplantationsmedizin
2011, 23. Jahrgang
77
ABBILDUNG 1:
Aufholwachstum bei herztransplantierten Kindern in Abhängigkeit von der
Dauer der Glukokortikoidbehandlung (8).
koiden (Abb. 1) (7, 8). Diese führt auch in Dosierungen unterhalb der Cushing-Schwellendosis
häufig zu einer signifikanten Wachstumsstörung und einem Proteinkatabolismus. So bewirken pharmakologische Dosen von Glukokortikoiden multiple Störungen der somatotropen Hormonachse (9). Hier sind insbesondere eine verminderte Wachstumshormon (GH)Sekretion, eine verminderte Expression des
GH-Rezeptors an den Zielorganen mit konsekutiv verminderter Synthese und Bioaktivität
von insulin-like growth factor-1 (IGF-1) zu nennen. Darüber inhibieren Glukokortikoide im
Epiphysenknorpel die lokale Synthese von IGF1. Die katabolen und wachstums-inhibierenden Wirkungen der Glukokortikoide können
durch eine Behandlung mit GH aufgehoben
werden, da unter GH die Proteinsythese stimuliert, die Proteolyse hingegen kaum beeinflusst
wird (10, 11).
Generell gilt, dass das Aufholwachstum nach
Transplantation bei Säuglingen und Kleinkindern dem bei Schulkindern und Adoleszenten
überlegen ist (12). Andererseits ist das Risiko einer reduzierten Endgröße bei adoleszenten Patienten, die aufgrund einer akuten Organinsuffizienz einer Transplantation bedürfen, geringer, da bei ihnen das Längenwachstum bereits
weitestgehend abgeschlossen ist. Kinder mit
stark ausgeprägtem Kleinwuchs und/oder Dystrophie weisen in der Regel ein stärkeres Aufholwachstum auf als Kinder mit einer weniger
stark ausgeprägten Gedeihstörung. Da das
Aufholwachstum bei diesen Patienten in der
Regel inkomplett ist, ist die Erwachsenengröße
dennoch unter der von Kindern mit weniger
stark ausgeprägtem Kleinwuchs/Dystrophie
zum Zeitpunkt der Transplantation (5, 7). Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich ein starkes
Augenmerk auf die Vermeidung der Wachstumsstörung/Dystrophie vor Transplantation
gelegt muss werden Komplikationen nach
Transplantation, wie zum Beispiel Infektionen,
78
D.-C. Fischer, D. Haffner
Wachstum nach Transplantation solider Organe
Transplantationsmedizin
2011, 23. Jahrgang
die Entwicklung einer lymphoproliferativen Erkrankung (PTLD), eine Organdysfunktion
(chron. Abstoßung), aber auch die Entwicklung
einer chronischen Niereninsuffizienz durch
nephrotoxische Immunsuppressiva (Calcineurin-Inhibitoren) sind weitere wichtige Einflussfaktoren. Im Folgenden wird auf die speziellen
Aspekte bei der Transplantation verschiedener
Organe eingegangen.
Nierentransplantation
Insbesondere Kinder mit angeborenen Fehlbildungen des Urogenitaltraktes (CAKUT), die bereits im Säuglingsalter zu einer schweren chronischen Niereninsuffizienz führen, weisen bereits vor Transplantation eine schwere Störung
des Längenwachstums auf (13). Darüber hinaus findet sich bei Kindern mit congenitaler
Niereninsuffizienz häufig eine Frühgeburtlichkeit und ein auf das Gestationsalter bezogenes
Untergewicht (small for gestational age), welches die weitere somatische Entwicklung dieser Patienten zusätzlich beeinträchtigt (14). Die
Wachstumsstörung beeinträchtigt nicht nur
die psychosoziale Entwicklung der Kinder, sondern trägt auch zu der bei diesen Patienten
stark erhöhten kardiovaskulären Mortalität bei
(15). Bei Säuglingen und im Kleinkindalter stellt
die adäquate Kalorienzufuhr, ggf. durch eine
perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG),
bei ältern Kindern die Behandlung mit GH, die
entscheidende Maßnahme zur Optimierung
des Wachstums vor Transplantation dar (3).
Auch wenn neuere Daten zeigen, dass eine intensivierte Dialysetherapie das Wachstum dialysepflichtiger Kinder steigern kann, sollte bei
allen Patienten eine möglichst rasche Transplantation angestrebt werden (16).
Die Wachstumsprognose von Kindern mit
chronischer Niereninsuffzienz hat sich in den
letzten Jahrzehnten kontinuierlich verbessert.
So lagen die mittleren Endgrößen von Kindern
ABBILDUNG 2:
Alterskorrigierte Körperhöhe zum Zeitpunkt der
Nierentransplantation. Daten aus dem NAPRTCSRegister im Zeitraum 1987 bis 2008 (17).
mit chronischer Niereninsuffizienz, die vor dem
15. Lebensjahr eine terminale Niereninsuffizienz entwickelt haben, in den 80er und Anfang der 90er Jahre im Mittel bei -3,5 bis -2,0 SD
score (SDS). Das bedeutet, dass mehr als 50%
der Kinder trotz Nierentransplantation mit einer reduzierten Erwachsenengröße rechnen
mussten (3). Die Daten der letzten 10 Jahre belegen, dass die mittlere Erwachsenenendgröße
heute bei ungefähr -1,5 SDS liegt, d. h. dass der
Großteil der Patienten eine normale Endgröße
aufweist (17, 18). Diese Entwicklung wird sehr
anschaulich durch die Daten des NAPRTCS-Registers belegt (Abb. 2). In den letzten 20 Jahren
hat die mittlere Körperhöhe zum Zeitpunkt der
Transplantation kontinuierlich zugenommen,
allerdings ist dieser Zuwachs in den letzten
fünf Jahren deutlich geringer (17). Dieser Effekt
findet sich auch in den im NAPRTCS-Register
verzeichneten Endgrößen der Patienten (Abb.
3). Unabhängig vom Alter zum Zeitpunkt der
Transplantation nehmen die Endgrößen über
alle Transplantationszeiträume hinweg zu. So
betrug die mittlere Endgröße der Patienten,
die nach 2002 transplantiert wurden und zum
Zeitpunkt der Transplantation älter als 12 Jahre
waren, -0,92 SDS. Einschränkend muss jedoch
gesagt werden, dass unter einer begleitenden
Glukokortikoidtherapie in der Regel nur junge
Patienten (Alter unter 6 Jahre) ein ausreichendes Aufholwachstum nach Transplantation zeigen (7, 17). Neben Dauer und Dosis der Glukokortikoide spielen auch Alter und Grad der
Wachstumsstörung zum Zeitpunkt der Transplantation eine Rolle. Durch den Einsatz neuerer Immunsuppressiva, wie Tacrolimus und Mycophenolat Mofetil, ist jetzt ein Ausschleichen/Absetzen der Glukokortikoide mit konsekutivem Aufholwachstum bei der Mehrzahl der
Patienten möglich, ohne dass vermehrt Abstoßungsreaktionen auftreten (19). Allerdings
scheint das Aufholwachstum bei Patienten im
pubertären Alter (> 12 Jahre) nach Absetzen
der Glukokortikoide stark limitiert zu sein, so
D.-C. Fischer, D. Haffner
Wachstum nach Transplantation solider Organe
Transplantationsmedizin
2011, 23. Jahrgang
79
ABBILDUNG 3:
Endgrößen von Kindern in Abhängigkeit vom Alter bei Transplantation. Daten aus dem NAPRTCS-Register im Zeitraum
1987 bis 2008. Schwarzer Balken = 1987-1991; gepunkteter
Balken = 1992-1996; linierter Balken = 1997-2001; weißer Balken = 2002-2008 (Abbildung nach Daten aus (17)).
dass ein Ausschleichen der Glukokortikoide
möglichst früh vor dem 12. Lebensjahr angestrebt werden sollte. Wie zu erwarten, führt die
komplette Vermeidung von Glukokortikoiden
nach Transplantation zum einem noch ausgeprägteren Aufholwachstum (20). Dies erfordert
allerdings eine relativ aggressive immunsuppressive Therapie, deren langfristige Nebenwirkungen, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung einer PTLD, noch nicht geklärt sind.
Interessanterweise ist, unabhängig davon, wie
gut das Transplantat funktioniert, das Aufholwachstum bei Kindern nach Lebendnierenspende deutlich besser als das von Kindern, die
das Organ eines Verstorbenen erhielten (21).
Die präemptive Nierentransplantation scheint
darüber hinaus nicht nur das Längenwachstum zu verbessern, sondern auch die mit einer
Dialysebehandlung assoziierten Komplikationen ektoper Kalzifizierungen zu verhindern.
Eine GH-Therapie führt auch bei Kindern nach
Nierentransplantation zu einem anhaltenden
Aufholwachstum und einer Verbesserung der
Endgröße (22, 23). Falls sich nach Nierentransplantation kein adäquates Wachstum zeigt,
sollte zunächst versucht werden, die Glukokortikoid-Dosis zu reduzieren bzw. auszuschleichen. Ein GH-Therapie ist indiziert, falls sich
kein ausreichendes Aufholwachstum nach Absetzen der Glukokortikoide erzielen lässt
und/oder die Transplantatfunktion vermindert
ist (GFR < 50 ml/min/1,73 m²). Unter diesen
Umständen ist die GH-Therapie nicht mit einem erhöhten Abstoßungsrisiko verbunden.
Insgesamt kann gesagt werden, dass bei Kindern mit terminaler Niereninsuffizienz eine
möglichst frühzeitige (präemptive) Transplantation mit minimaler Glukokortikoidexposition
angestrebt werden sollte, um ein optimales
Wachstum zu erzielen.
Lebertransplantation
Die Wachstumsstörung bei Kindern mit Leberzirrhose ist zumindest teilweise über eine Resistenz gegenüber GH (verminderte hepatische Synthese von IGF-1) bedingt (24). Darüber
hinaus spielen eine Malnutrition, bedingt
durch eine verminderte Nahrungsaufnahme
und reduzierte Fettabsorption, ein Vitamin-DMangel (Cholecalciferol, Calcitriol) mit der Gefahr der Entwicklung einer Rachitis, Störungen
im Stickstoffmetabolismus sowie ein erhöhter
Energieverbrauch eine entscheidende Rolle.
Nach einer erfolgreichen Lebertransplantation
kommt es in der Regel zu einer Normalisierung
der IGF-1-Spiegel und zu einem beschleunigten Längenwachstum (25). Nichtsdestotrotz erreichen viele Kinder nicht ihre genetische Zielgröße (26). In einer größeren Studie lag bei
50% der Kinder die erreichte Endgröße unter
-1,3 SDS bezogen auf die genetische Zielgröße
(27). Allerdings ist in den letzten 10 Jahren, analog zu pädiatrischen Patienten nach Nierentransplantation, ein kontinuierlicher Anstieg
der alterskorrigierten Körperhöhe zum Zeitpunkt der Transplantation und ein stärkeres
Aufholwachstum nach Transplantation zu verzeichnen (Abb. 4) (1). Das Aufholwachstum ist
in den ersten beiden Jahren nach Transplantation am höchsten. Im dritten und vierten Jahr
nach Transplantation ist in der Regel nur noch
ein geringes Aufholwachstum zu beobachten.
Eine ausführliche Analyse der Einflussfaktoren
auf das Wachstum nach Lebertransplantation
wurde kürzlich durch die Arbeitsgruppe des
SPLIT-Registers bei insgesamt 11.043 Patienten
durchgeführt (5). Die mittlere alterskorrigierte
Körperhöhe stieg nach Transplantation von initial -1,55 SDS innerhalb von 24 Monaten auf
-0,87 SDS und nach 36 Monaten auf -0,68 SDS
an. Im weiteren Verlauf zeigte sich innerhalb
der nächsten 5 Jahre keine weitere signifikante
Änderung der alterskorrigierten Körperhöhe.
In einer multivariaten Analyse zeigte sich, dass
80
D.-C. Fischer, D. Haffner
Wachstum nach Transplantation solider Organe
Transplantationsmedizin
2011, 23. Jahrgang
ABBILDUNG 4:
Änderung der alterskorrigierten Körperhöhe (SD-score) innerhalb der
ersten 5 Jahre nach Lebertransplantation in Abhängigkeit vom Transplantationszeitraum. Daten aus dem SPLIT-Register (1).
Patienten mit einer metabolischen Lebererkrankung sowie Patienten, die über einen Zeitraum von mehr als 18 Monaten mit Glukokortikoiden behandelt wurden, ein erhöhtes Risiko
für die Entwicklung eines persistierenden
Kleinwuchses aufwiesen. Andererseits waren
höheres Gewicht und größere Körperhöhe
zum Zeitpunkt der Lebertransplantation als
protektiv anzusehen. Das Aufholwachstum
nach Lebertransplantation war bei metabolischer Lebererkrankung oder nicht Gallengangsatresie-bedingten cholestatischen Erkrankungen geringer ausgeprägt als bei anderen Erkrankungen. Eine langandauernde Glukokortikoidtherapie (>18 Monate) und eine reduzierte GFR waren ebenfalls mit einem geringeren Aufholwachstum assoziiert. Insgesamt
stellten das Gewicht und die Körperhöhe zum
Zeitpunkt der Transplantation die wichtigsten
Einflussfaktoren auf das Aufholwachstum nach
Transplantation dar. Patienten mit einem geringeren Körpergewicht zeigten eine geringere
Beschleunigung des Wachstums. Dieses ist dahingehend zu interpretieren, dass eine bestehende Malnutrition zunächst behoben werden
muss, bevor ein Aufholwachstum erfolgen
kann. Andererseits zeigen Patienten mit einer
geringeren Körperhöhe zum Zeitpunkt der
Transplantation ein stärkeres Aufholwachstum
im frühen Verlauf nach Transplantation. Nichtsdestotrotz ist festzuhalten, dass trotz des stärkeren Aufholwachstums nach Transplantation
bei stark kleinwüchsigen Kindern dieses in der
Regel inkomplett ist und somit diese Patienten
eine geringere Endgröße als Patienten mit einer weniger ausgeprägten Wachstumsstörung
zum Zeitpunkt der Transplantation erreichen.
Eine GH-Therapie führt bei Kindern mit persistierendem Kleinwuchs nach Lebertransplantation (ca. 20% der Patienten) zu einem anhaltenden Aufholwachstum ohne Akzeleration der
Knochenreifung. Damit ist davon auszugehen,
dass durch die GH-Therapie auch die Endgröße
der Patienten signifikant verbessert werden
kann (28). Daten zu Endgrößen von GH-behandelten Kindern nach Lebertransplantation liegen jedoch noch nicht vor. Darüber hinaus ist
unklar, inwieweit eine GH-Therapie das Risiko
einer Transplantatabstoßung beeinflusst. Es
wäre auch zu prüfen, ob eine Transplantation
zum Zeitpunkt des pubertären Wachstumsspurts zu einer verbesserten Endgröße bei Patienten mit Leberinsuffizienz beiträgt. Im Moment scheinen die konsequente Ernährungsund Substitutionstherapie vor Transplantation,
und die präferenzielle Allokation von Organen
zu Patienten, die bereits die Transplantationskriterien erfüllen und zudem das höchste Risiko für einer Wachstumsstörung nach Transplantation aufweisen, sinnvolle Maßnahmen
zu sein, um ein optimales Wachstum nach
Transplantation zu erreichen.
In den letzten 10 Jahren haben die meisten pädiatrischen Transplantationszentren die immunsuppressiven Protokolle dahingehend geändert, dass bei der Mehrzahl der Patienten die
Glukokorticoide innerhalb der ersten 6 Monate
ausgeschlichen werden (29). Darüber hinaus
werden mittlerweile in einigen Zentren komplett steroidfreie Protokolle zur Immunsuppression eingesetzt, die gegenüber den bisher
üblichen Protokollen zu einem signifikant besseren Aufholwachstum im ersten Jahr nach
Transplantation führen (30). Die Äquivalenz
dieser Protokolle in Bezug auf die langfristige
Transplantatfunktion gilt es jedoch zu prüfen.
Herztransplantation
Kinder nach Herztransplantationen weisen in
der Regel eine geringere Störung des Längenwachstums auf als Kinder nach Leber- oder
Nierentransplantation (8, 31, 32). Dieses Phäno-
D.-C. Fischer, D. Haffner
Wachstum nach Transplantation solider Organe
Transplantationsmedizin
2011, 23. Jahrgang
81
ABBILDUNG 5:
Einfluss einer forcierten enteralen Ernährung auf das Wachstum bei herztransplantierten Kindern (31).
men ist wahrscheinlich zum einen darauf zurückzuführen, dass die begleitende Glukokortikoidbehandlung bei den meisten herztransplantierten Patienten heute früher abgesetzt
werden kann. Zum anderen liegt eine dichotome Altersverteilung bei herztransplantierten
Kindern vor (33). Einerseits werden sehr junge
Kinder (Säuglinge) aufgrund angeborener
Herzfehler transplantiert, also noch bevor sie
eine signifikante Wachstumsstörung entwickeln konnten. Zum anderen handelt es sich
um ältere Kinder/Jugendliche, die aufgrund einer akuten Herzerkrankung transplantiert werden und bei denen das Längenwachstum
schon weitgehend abgeschlossen ist. Peterson
und Mitarbeiter untersuchten kürzlich das
Wachstum von 46 Kindern nach Herztransplantation mit einer Altersspannweite von 3,5 Monaten bis 11 Jahren (8). Die Glukokortikoide
wurden bei den Patienten, falls keine Rejektionen im Frühverlauf auftraten, innerhalb der
ersten 12 Monate ausgeschlichen. Innerhalb
der ersten 6 Monate nach Transplantation war
ein signifikanter Anstieg sowohl des mittleren
Gewichts als auch des BMI (jeweils SDS-Werte)
zu verzeichnen, wohingegen sich die alterskorrigierte Körperhöhe nicht signifikant änderte
(initial -0,7 SDS; nach 2 Jahren -1,3 SDS). Eine
längerdauernde Glukokortikoid-Behandlung
wirkte sich ungünstig auf das Längenwachstum aus, wohingegen ein höheres Alter zum
Zeitpunkt der Transplantation mit einem stärkeren Aufholwachstum einherging. In einer anderen Studie konnte allerdings kein Einfluss
des Alters zum Zeitpunkt der Transplantation
(hier lag der cutt off bei 7 Jahren) auf das anschließende Aufholwachstum gefunden werden (32). Ähnlich wie bei Patienten nach Leberoder Nierentransplantation führt auch bei
herztransplantierten Kindern eine forcierte enterale Ernährung mit PEG (Abb. 5) sowie eine
GH-Behandlung zu einem verbesserten Wachstum (31, 34). Randomisierte Studien mit längeren Beobachtungszeiträumen liegen hierzu allerdings noch nicht vor.
Lungentransplantation
Der Großteil der pädiatrischen Patienten, die
eine Lungentransplantation benötigen, leidet
an einer Mukoviszidose. Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele der Patienten eine eingeschränkte Körperhöhe zum Zeitpunkt der
Transplantation aufweisen (35). Die Indikationen für eine Lungentransplantation bei Säuglingen und Kleinkindern sind in der Regel alveoläre Proteinosen oder interstitielle Erkrankungen. Lungentransplantierte Säuglinge und
jüngere Kinder zeigten in einer größeren, kürzlich publizierten Studie eine signifikante Abnahme der alterskorrigierten Körperhöhe in
den ersten 5 Jahren nach Transplantation (initial -1,72 SDS, nach 1 Jahr -1,89 SDS, nach 3 Jahren -1,91 SDS, nach 5 Jahren -2,14 SDS) (36). Eine GH-Therapie kann Patienten mit persistierendem Kleinwuchs nach Lungentransplantation bisher nicht empfohlen werden, da unklar
ist, ob hierdurch eine Bronchiolitis obliterans
begünstigt wird. Letztere ist bei diesen Patienten die wesentliche Ursache für Retransplantation oder Tod.
Literatur
1. Mohammad S, Alonso EM (2010) Approach to optimizing growth, rehabilitation, and neurodevelopmental outcomes in children after solid-organ
transplantation. Pediatr Clin North Am 57: 539-57
2. Fuqua JS (2006) Growth after organ transplantation. Semin Pediatr Surg 15: 162-9
3. Haffner D, Nissel R (2008) Growth and puberty in
chronic kidney disease. In: Geary DF, Schaefer F
(Eds.) Comprehensive Pediatric Nephrology (pp.
709-32). Mosby Elsevier
4. Foresta C, Schipilliti M, Ciarleglio FA, Lenzi A,
D’Amico D (2008) Male hypogonadism in cirrhosis and after liver transplantation. J Endocrinol Invest 31: 470-8
5. Alonso EM, Shepherd R, Martz KL, Yin W, Anand R
(2009) Linear growth patterns in prepubertal children following liver transplantation. Am J Transplant 9: 1389-97
82
D.-C. Fischer, D. Haffner
Wachstum nach Transplantation solider Organe
Transplantationsmedizin
2011, 23. Jahrgang
6. Nissel R, Latta K, Gagnadoux MF et al. (2006) Body
growth after combined liver-kidney transplantation in children with primary hyperoxaluria type
1. Transplantation 82: 48-54
7. Nissel R, Brazda I, Feneberg R et al. (2004) Effect of
renal transplantation in childhood on longitudinal growth and adult height. Kidney Int 66: 792800
8. Peterson RE, Perens GS, Alejos JC, Wetzel GT,
Chang RK (2008) Growth and weight gain of prepubertal children after cardiac transplantation.
Pediatr Transplant 12: 436-41
9. Tönshoff B, Mehls O (1996) Interaction between
glucocorticoids and the somatotrophic axis. Acta
Paediatr 85: 72-5
10. Bennet WM, Haymond MW (1992) Growth hormone and lean tissue catabolism during longterm glucocorticoid treatment. Clin Endocrinol
(Oxf ) 36: 161-4
11. Kovács GT, Oh J, Kovács J et al. (1996) Growth promoting effects of growth hormone and IGF-I are
additive in experimental uremia. Kidney Int 49:
1413-21
12. Fine RN, Alonso EM, Fischel JE et al. (2004) Pediatric transplantation of the kidney, liver and heart:
summary report. Pediatr Transplant 8: 75-86
13. Mekahli D, Shaw V, Ledermann SE, Rees L (2010)
Long-term outcome of infants with severe chronic kidney disease. Clin J Am Soc Nephrol 5: 10-7
14. Franke D, Volker S, Haase S et al. (2010) Prematurity, small for gestational age and perinatal parameters in children with congenital, hereditary
and acquired chronic kidney disease. Nephrol Dial Transplant 25: 3918-24
15. Wong CS, Gipson DS, Gillen DL et al. (2000) Anthropometric measures and risk of death in children with end-stage renal disease. Am J Kidney
Dis 36: 811-9
16. Fischbach M, Terzic J, Menouer S et al. (2010) Daily on line haemodiafiltration promotes catch-up
growth in children on chronic dialysis. Nephrol
Dial Transplant 25: 867-73
17. Fine RN, Martz K, Stablein D (2010) What have 20
years of data from the North American Pediatric
Renal Transplant Cooperative Study taught us
about growth following renal transplantation in
infants, children, and adolescents with end-stage
renal disease? Pediatr Nephrol 25: 739-46
18. Franke DU, Ehrich JHH, Querfeld U, Zivicnjak M
(2009) Age-dependent improvement of growth
in european children with renal replacement therapy (RRT) from 1985-2008. Pediatr Nephrol:
1838
19. Höcker B, Weber LT, Feneberg R et al. (2009) Prospective, randomized trial on late steroid withdrawal in pediatric renal transplant recipients under cyclosporine microemulsion and mycophenolate mofetil. Transplantation 87: 934-41
20. Vidhun JR, Sarwal MM (2005) Corticosteroid avoidance in pediatric renal transplantation. Pediatr
Nephrol 20: 418-26
21. Pape L, Ehrich JH, Zivicnjak M, Offner G (2005)
Growth in children after kidney transplantation
with living related donor graft or cadaveric graft.
Lancet 366: 151-3
22. Haffner D, Schaefer F, Nissel R et al. (2000) Effect of
growth hormone treatment on the adult height
of children with chronic renal failure. German
Study Group for Growth Hormone Treatment in
Chronic Renal Failure. N Engl J Med 343: 923-30
23. Nissel R, Lindberg A, Mehls O, Haffner D (2008)
Factors predicting the near-final height in
growth hormone-treated children and adolescents with chronic kidney disease. J Clin Endocrinol Metab 93: 1359-65
24. Maes M, Sokal E, Otte JB (1997) Growth factors in
children with end-stage liver disease before and
after liver transplantation: a review. Pediatr Transplant 1: 171-5
25. Sarna S, Laine J, Sipila I, Koistinen R, Holmberg C
(1995) Differences in linear growth and cortisol
production between liver and renal transplant recipients on similar immunosuppression. Transplantation 60: 656-61
26. McDiarmid SV, Gornbein JA, DeSilva PJ et al.
(1999) Factors affecting growth after pediatric
liver transplantation. Transplantation 67: 404-11
27. Scheenstra R, Gerver WJ, Odink RJ et al. (2008)
Growth and final height after liver transplantation during childhood. J Pediatr Gastroenterol Nutr
47: 165-71
28. Puustinen L, Jalanko H, Holmberg C, Merenmies J
(2005) Recombinant human growth hormone
treatment after liver transplantation in childhood: the 5-year outcome. Transplantation 79:
1241-6
29. Al-Sinani S, Dhawan A (2009) Corticosteroids usage in pediatric liver transplantation: To be or not
to be! Pediatr Transplant 13: 160-70
30. Gras JM, Gerkens S, Beguin C et al. (2008) Steroidfree, tacrolimus-basiliximab immunosuppression
in pediatric liver transplantation: clinical and
pharmacoeconomic study in 50 children. Liver
Transpl 14: 469-77
31. Bannister L, Manlhiot C, Pollock-BarZiv S et al.
(2010) Anthropometric growth and utilization of
enteral feeding support in pediatric heart transplant recipients. Pediatr Transplant 14: 879-86
32. Cohen A, Addonizio LJ, Softness B et al. (2004)
Growth and skeletal maturation after pediatric
cardiac transplantation. Pediatr Transplant 8: 12635
33. Hathout EH, Chinnock RE (2004) Growth after
heart transplantation. Pediatr Transplant 8: 97100
34. Mital S, Andron A, Lamour JM et al. (2006) Effects
of growth hormone therapy in children after cardiac transplantation. J Heart Lung Transplant 25:
772-7
35. Woo MS (2004) An overview of paediatric lung
transplantation. Paediatr Respir Rev 5: 249-54
36. Elizur A, Faro A, Huddleston CB et al. (2009) Lung
transplantation in infants and toddlers from 1990
to 2004 at St. Louis Children’s Hospital. Am J
Transplant 9: 719-26
PROF. DR. DIETER HAFFNER
Klinik für Pädiatrische Nieren-, Leber- und
Stoffwechselerkrankungen
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
[email protected]
Herunterladen