Hygieneleitfaden Angehörige 110312

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„Krankenhauskeime“
Multi- und panresistente Bakterien
Ein Leitfaden über das
VIAPALLIA Hygiene-Regime
für
Patienten und Angehörige
Hamburg, im März 2013
Inhalt
1
Einleitung ................................................................................................................................................ 3
2
Grundlagen............................................................................................................................................ 4
2.1
„Nosokomialer Erreger“ statt „Krankenhauskeim“ ? .......................................................................... 4
2.2
Die Gram-Einfärbung: grampositive und gramnegative Bakterien................................................ 4
2.3
Zur besonderen Relevanz gramnegativer Bakterien ......................................................................... 5
2.4
Antibiotika und Resistenzabstufungen .................................................................................................. 6
2.4.1
2.4.2
2.5
3
Entwicklung und Wirkung von Antibiotika ........................................................................................................ 6
Relevante Resistenzgrade: 3MRGN und 4MRGN ............................................................................................ 6
Geltungsbereich aktueller Vorschriften ................................................................................................ 7
Das Hygiene-Regime der VIAPALLIA .................................................................................................. 8
3.1
Die Hygienekommission VIAPALLIA (HK VIAPALLIA) ........................................................................... 8
3.2
Rationale Ableitungen für den Umgang mit 3MRGN ........................................................................ 9
3.3
Rationale Ableitungen für den Umgang mit 4MRGN ........................................................................ 9
3.4
Sanierungsmaßnahmen ........................................................................................................................ 11
3.4.1
3.4.2
3.5
3.5.1
3.5.2
3.5.3
3.6
3.6.1
3.6.2
3.7
3.7.1
3.7.2
3.8
3.8.1
3.8.2
Die „mechanische“ Sanierung (3MRGN und 4MRGN) ................................................................................ 11
Die antibiotische Sanierung (nur in begründeten Einzelfällen) .................................................................. 12
Isolationsvarianten .................................................................................................................................. 13
Kohortenisolation im Gemeinschaftszimmer (3MRGN) ................................................................................ 13
Im Einzelzimmer (3MRGN) .................................................................................................................................. 13
Im Einzelzimmer innerhalb ausgewiesener Risikobereiche (4MRGN) ........................................................ 14
Standardhygiene (3MRGN) .................................................................................................................. 15
Händedesinfektion (3MRGN und 4MRGN)..................................................................................................... 15
Schutzkleidung Standard (3MRGN) ................................................................................................................. 15
Erweiterte Hygienemaßnahmen (4MRGN) ........................................................................................ 16
Individuelle Hygienepläne einschließlich Raumsituation (4MRGN) ........................................................... 16
Schutzkleidung „Vollschutz“ (4MRGN) ............................................................................................................ 16
Pflegeorganisation.................................................................................................................................. 17
Reguläre Pflege (3MRGN) ................................................................................................................................. 17
Ein Patient-eine Pflegefachkraft: Die „1:1-Pflege“ (4MRGN) ...................................................................... 17
4
Ausblick ................................................................................................................................................ 18
5
Kontaktdaten ....................................................................................................................................... 19
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1 Einleitung
Nach Angaben des Bundesumweltamtes können inzwischen in jedem Fluss in
Deutschland Rückstände von Antibiotika, von Betablockern, Hormonen durch die
Pille oder Schmerzmittel nachgewiesen werden.
Am Stoffmuster der Arzneimittel im Wasser kann inzwischen das Alter der
Bevölkerung festgestellt werden, die Frage, wie viele Menschen Psychopharmaka
einnehmen, ist nach der Analyse einer Wasserprobe ebenfalls kein Geheimnis
mehr. Heute messen Forscher sogar den Drogenkonsum einer Stadt anhand von
Spuren von Kokain oder Cannabis im Abwasser.
Nahezu täglich mit Antibiotika konfrontiert reagiert ein Organismus mit
zunehmender Resistenz / Widerstandskraft, im akuten Bedarfsfalle bleibt die
Wirkung eines konkreten Antibiotikums dann wirkungslos.
Sind Bakterien gegen viele Antibiotika resistent, so liegt eine Multiresistenz vor
(multi / lat. = viele), sind sie gegen alle bekannten Antibiotika resistent, so spricht
man von einer Panresistenz (pan / griech. = alle).
Resistente Bakterien gehören inzwischen zum klinischen Alltag. Unstrittig ist, dass
viele Patienten bereits mit bestehenden Antibiotika-Resistenzen ins Krankenhaus
eingeliefert werden. Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen tragen
allerdings eine besondere Verantwortung, weil sie zum einen bei immer kürzer
werdenden Verweildauern eine Multiplikator-Rolle einnehmen, und weil sie zum
anderen Patienten betreuen, deren Immunabwehr nach erfolgtem Eingriff häufig
stark geschwächt ist.
Die Patienten der VIAPALLIA weisen zum Teil schwerste Diagnosen auf. Ihr Weg
führte sie von der Klinik über unterschiedliche Einrichtungen der Rehabilitation
hierher. Die VIAPALLIA ist folglich das Schlussglied einer häufig langen
Behandlungskette. Obwohl ursächlich nicht verantwortlich, sammeln sich deshalb
gerade hier Patienten, die mit multi- oder panresistenten Bakterien in Kontakt
gekommen sind.
Als Patient, Angehöriger oder Besucher werden Sie auf den Folgeseiten mit
Begriffen wie „3MRGN“ und „4MRGN“ vertraut gemacht.
Aus diesen Begriffen, die zunächst unterschiedliche Resistenzgrade von Bakterien
beschreiben, leitet dieser Leitfaden unterschiedliche Hygienestandards ab.
Die Standards für „MRSA“ sind mit denen für „3MRGN“ identisch und werden
deshalb nicht separat betrachtet.
Der Leitfaden ist deshalb so aufgebaut, dass Sie mit einem Blick in das
Inhaltsverzeichnis die für Sie relevanten Informationen im Umgang mit den
unterschiedlichen Hygienestandards nachlesen können.
Er ist kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit den Verantwortlichen in der
Einrichtung, er soll dazu beitragen, erhaltene Informationen zu vertiefen.
Ein Leitfaden muss sich auf wesentliche Informationen beschränken. Vorschriften
und Zusatzerläuterungen wurden deshalb als Fußnoten aufgeführt. Interessierten
wird dadurch die Möglichkeit gegeben, jederzeit tiefer in die Materie
einzusteigen, nicht Interessierte mögen sie geflissentlich überlesen.
Seite 3 von 19
2 Grundlagen
2.1 „Nosokomialer Erreger“ statt „Krankenhauskeim“ ?
Manchmal wird man zu Recht darauf hingewiesen, die Bezeichnung
„Krankenhauskeim“ sei doch prinzipiell irreführend, weil Patienten häufig genug
bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme damit besiedelt oder infiziert seien. Statt
„Krankenhauskeim“ solle deshalb doch eher der Begriff „nosokomialer Erreger“
verwendet werden.
Ohne Zweifel klingt dieser Begriff viel wissenschaftlicher und eleganter, ins
Deutsche übersetzt bedeutet er allerdings wieder das Gleiche (nosos, griech. =
die Krankheit; komeion, griech. = das Krankenhaus. Also: jetzt wohl „die
Krankenhauskrankheit“, statt vorher „der Krankenhauskeim“).
Um sprachlichen Petitessen dieser und ähnlicher Art aus dem Wege zu gehen,
sind im Folgenden einfach nur „Bakterien“ Gegenstand der Betrachtung,
unabhängig von der Frage, ob sie „nosokomialen“ Ursprungs sind oder nicht.
2.2 Die Gram-Einfärbung: grampositive und gramnegative Bakterien
Bakterien werden in der entsprechenden Fachliteratur gerne nur als „Stäbchen“
bezeichnet, weil sie unter dem Mikroskop häufig eine stäbchenförmige Gestalt
aufweisen (Bakterion, griech. = Stäbchen, Abb. 1).
Bakterien standen schon lange im Verdacht, pathogen, d.h. krankheitserregend,
zu sein, sie stehen deshalb auch schon lange im Mittelpunkt mikrobiologischer
Forschung.
Abb. 1. Exemplarische „Stäbchen“: Acinetobacter Baumannii (links), Pseudomonas (rechts)
Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte der dänische Mikrobiologe
Hans-Christian Gram eine Methode zur Färbung von Bakterien für mikroskopische
Untersuchungen. Durch den Färbeprozess wurde es möglich, nahezu sämtliche
Bakterien in zwei große Gruppen zu unterteilen, die sich im Aufbau ihrer Zellwände
voneinander unterscheiden.
Bei dem sich anschließenden Entfärbungsprozess sammelt sich ein höherer Anteil
der Farbsubstanz in den Zellwänden der Bakterien an, die über eine dickere
Zellwand verfügen. Diese Bakterien erscheinen unter dem Mikroskop dunkel und
werden als grampositiv bezeichnet.
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Bakterien mit einer dünneren Zellwand werden rascher entfärbt, unter
lichtmikroskopischer Betrachtung sind sie deshalb heller und gelten als
gramnegativ.
Von Bedeutung ist das Färbeverfahren z. B. bei der Diagnostik von
Infektionskrankheiten. Grampositive und gramnegative Bakterien reagieren
unterschiedlich auf verschiedene Antibiotika. Mit dieser schnellen diagnostischen
Methode kann man innerhalb kurzer Zeit (etwa 5 Minuten) das „Gramverhalten“
der Bakterien bestimmen.
Damit besteht im Akutfall die Möglichkeit, mit einer antibiotischen Therapie zu
beginnen, bevor das Ergebnis der oft mehrere Tage dauernden definitiven
Bakterienbestimmung vorliegt.
Abb. 2. Staphylococcus aureus (grampositiv /dunkel) und E.coli (gramnegativ/hell)
Jeder Mensch ist Träger sowohl grampositiver als auch gramnegativer Bakterien,
z.T. erfüllen sie wichtige Aufgaben. Von klinischer Relevanz sind beide
Bakteriengruppen erst dann, wenn das Immunsystem Betroffener geschwächt ist
und wenn Resistenzen gegen mehrere Antibiotika vorliegen.
Damit deutet sich bereits eine Schwäche antibiotischer Sanierungsmaßnahmen
an: wenn grampositive und gramnegative Bakterien nur auf unterschiedliche
Antibiotika reagieren, so erreicht man mit einer Sanierungsmaßnahme häufig nur
eine Hauptgruppe und nimmt ggfs. in Kauf, dass die Resistenz der Bakterien der
jeweils anderen Hauptgruppe zunimmt.
2.3 Zur besonderen Relevanz gramnegativer Bakterien
Der überwiegende Anteil an Patienten mit neurologischen Einschränkungen
leidet unter Inkontinenz. Darmbakterien sind jedoch zumeist gramnegativ, ihnen
gilt deshalb sowohl im klinischen als auch im außerklinischen Kontext eine
besondere Aufmerksamkeit.
Mit einem Anteil von ca. 80 - 90 % machen gramnegative Bakterien den
Hauptanteil der Bakterien in der Einrichtung aus. Zu den gramnegativen
Darmbakterien zählen u.a. die Species E.coli, Klebsiella, Enterobacter, Proteus und
Pseudomonas aeruginosa.
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2.4 Antibiotika und Resistenzabstufungen
2.4.1 Entwicklung und Wirkung von Antibiotika
Mit einer Zufallsentdeckung im Jahre 1928 durch den schottischen Bakteriologen
Alexander Fleming (Penicillin) beginnt die zielgerichtete Forschung von
Substanzen, die schon in geringer Konzentration das Wachstum anderer
Mikroorganismen entweder hemmen oder diese gar abtöten.
Diese Substanzen – die Antibiotika – werden vielfach als Arzneistoffe in der
Behandlung von Infektionskrankheiten eingesetzt. Einige Bakterien widerstehen
aufgrund von Mutationen (sprunghaften Veränderungen des Erbgutes) den
Wirkmechanismen eines konkreten Antibiotikums und gelten damit als gegen
diese Substanz resistent (resistere, lat. = widerstehen). Diese resistenten Bakterien
vermehren sich nach dem Einsatz des Mittels erneut.
Eine wiederholte Gabe des vorher eingesetzten Antibiotikums verpufft wirkungslos,
und eine andere Substanz bzw. ein anderes Antibiotikum muss eingesetzt werden,
um die Infektion zu bekämpfen. Damit beginnt ein Wettlauf zwischen dem
eingesetzten Antibiotikum einerseits und der Frage nach der konkreten Resistenz
des Bakteriums andererseits.
2.4.2 Relevante Resistenzgrade: 3MRGN und 4MRGN
Inzwischen wurde eine Vielzahl von Antibiotika entwickelt und angewendet, die in
vier Hauptgruppen voneinander unterschieden werden 1.
Stand vorher noch die konkrete Bezeichnung eines Bakteriums im Vordergrund
(z.B. MRSA oder Pseudomonas aeruginosa), so ist inzwischen eher die Frage seines
Resistenzgrades unabhängig von seiner Bezeichnung von Relevanz.
Voneinander unterschieden werden deshalb
-
MultiResistente GramNegative Bakterien mit Resistenz gegenüber 3 von 4
Antibiotikagruppen (sog. 3MRGN)
und
-
MultiResistente GramNegative Bakterien mit Resistenz gegenüber 4 von 4
Antibiotikagruppen (sog. 4MRGN) unter Einschluss der Panresistenz
Ein gramnegatives Stäbchen wie z.B. Acinetobacter Baumannii, das ggfs. eine
Resistenz gegenüber 4 von 4 Antibiotikagruppen aufweist, wird folglich als
„4MRGN Acinetobacter Baumannii“ bezeichnet.
Ein ebenfalls gramnegatives Stäbchen wie Pseudomonas aeruginosa mit einer
Resistenz z.B. gegenüber 3 von 4 Antibiotikagruppen ist dagegen ein „3MRGN
Pseudomonas aeruginosa“.
1
An dieser Stelle reiche der Hinweis auf vier Hauptgruppen. Interessierte finden die genauen Bezeichnungen der Gruppen sowie die
der antibiotischen Leitsubstanzen in: „Hygienemaßnahmen bei Infektion oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen
Stäbchen.“ Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-KochInstitut (RKI), Bundesgesundheitsbl. 2012 ▪ 55:1311-1354 (KRINKO), S. 1311 – 1354, folgend zitiert „KRINKO 10/2012“.
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2.5 Geltungsbereich aktueller Vorschriften
Während Vorschriften für den Umgang mit grampositiven Bakterien (z.B. für MRSA)
seit Jahren vorliegen, existieren Leitlinien und Empfehlungen hinsichtlich des
differenzierten Umgangs mit gramnegativen Bakterien für Kliniken und
Krankenhäuser (SGB V) erst seit Oktober 2012 2, für Pflegeeinrichtungen (SGB XI)
liegen auch zum aktuellen Zeitpunkt keine Empfehlungen vor.
Die Empfehlung für Kliniken und Krankenhäuser (KRINKO 10/2012) definiert als
Zielgruppe „ … Träger und Mitarbeiter von Krankenhäusern“, hilfreich seien sie
aber auch „ … in anderen medizinischen Einrichtungen, in denen invasive
Therapien z.B. Beatmungen in der neurologischen Rehabilitationen durchgeführt
werden …“ 3.
Abb. 3. Einrichtungsformen und „zuständige“ Sozialgesetzbücher (SGB)
Die VIAPALLIA ist zwar keine medizinische Einrichtung, sondern ein neurologisches
Therapie- und Fachpflegezentrum, sie bezieht jedoch im Unterschied zu den
klassischen Einrichtungen gem. SGB XI (Altersheime) ihre Patienten nahezu
ausschließlich aus Reha- bzw. Akutkliniken 4. Sie pflegt und therapiert Beatmungsund Wachkomapatienten, die sich in der neurologischen Rehabilitation befinden.
Logisch konsequent orientiert sie sich hinsichtlich gramnegativer Stäbchen
deshalb auch an für Kliniken geltende Bestimmungen bzw. Empfehlungen.
Nahezu alle in KRINKO 10/2012 erwähnten Stäbchen sind zudem Bestandteil des
in der Einrichtung vorhandenen Bakterien-Spektrums 5.
KRINKO 10/2012.
KRINKO 10/2012, S. 1311
4 Nur zwei Patienten wurden aus anderen Fachpflegeeinrichtungen hierhin verlegt, kein einziger Patient entstammt der sog.
„Häuslichkeit“.
5 Für eine Orientierung an die Richtlinie KRINKO 10/2012 spricht zudem der Umstand, dass die VIAPALLIA Wedel regelmäßig
Patienten zu vereinbarten Checks in Kliniken und Krankenhäuser überstellt. Die zwischen Kliniken und Pflegeeinrichtungen zu
beobachtenden unterschiedlichen Vorgehensweisen und Begrifflichkeiten sind aufgrund der engen Kooperation zwischen beiden
Einrichtungsarten kontraproduktiv und kommunikativ problematisch. Darüber hinaus orientieren sich auch Labore bei der
Untersuchung von Abstrichergebnissen an die Notationen KRINKO 10/2012. Eine Orientierung an KRINKO 10/2012 ist auch
deshalb konsequent, weil nicht unterstellt werden sollte, dass multiresistente gramnegative Stäbchen „wissen“, dass sie sich
nunmehr in einem Fachpflege- und Therapiezentrum nach SGB XI befinden und infolgedessen spontan ihr Verhalten ändern.
2
3
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3 Das Hygiene-Regime der VIAPALLIA
3.1 Die Hygienekommission VIAPALLIA (HK VIAPALLIA)
Als die VIAPALLIA Wedel im Februar 2012 ihren ersten, 4MRGN besiedelten und
infizierten Patienten aufnahm, lagen dezidierte Vorschriften für den Umgang mit
so betroffenen Patienten weder für Krankenhäuser, noch für Reha-Einrichtungen
oder für stationäre Therapie- und Fachpflegezentren vor.
In Kenntnis dieser Sachlage berief die VIAPALLIA Holding eine einrichtungsübergreifende Hygienekommission ein (HK VIAPALLIA), um sich den damit
verbundenen Herausforderungen zeitnah, fundiert und wirkungsvoll stellen zu
können. Das komplette Vorschriften-Set der VIAPALLIA wurde gemeinsam mit
Mikrobiologen und einem Desinfektor überarbeitet und an die neuen Erkenntnisse
angepasst.
Mit der Publikation KRINKO 10/2012 liegen nunmehr Empfehlungen vor, die sich
der Thematik multiresistenter gramnegativer Stäbchen in Kliniken annehmen. Zur
Beruhigung aller Beteiligten decken sich die dort ausgesprochenen
Empfehlungen mit den bereits zuvor eingeleiteten Maßnahmen.
So wurde bereits vor deren Publikation im Oktober 2012 der erste Patient mit
4MRGN im Februar 2012 unter den Bestimmungen aufgenommen, die heute
gemäß KRINKO 10/2012 für diese Klientel empfohlen werden.
Darüber hinaus wurde im Januar 2012 das Verfahren zur Abstrich-Untersuchung
(das sog. Screening-Verfahren) umgestellt, weil im Zuge der Revision bekannt
wurde, dass mit den Screenings auf MRSA und ESBL, die überall als Standard
verwendet wurden (und aktuell auch noch verwendet werden), gerade diese
hochresistenten Bakterien nur unzureichend isoliert werden können 6. Seitdem
verwendet VIAPALLIA hochsensitive Testmedien, die eine Dunkelziffer nahezu
ausschließen.
Ein sofort danach eingeleitetes Kontroll-Screening nach der sensitiveren Methode
ergab erwartungsgemäß einen sprunghaften Anstieg besiedelter oder infizierter
Patienten, glücklicherweise konnte jedoch die Anwesenheit weiterer 4MRGNPatienten ausgeschlossen werden.
Als einzige Einrichtung verfügt die VIAPALLIA damit bereits seit Januar 2012
-
6
über ein vollständiges Lagebild hinsichtlich des tatsächlichen Vorkommens
multi- und panresistenter Bakterien in ihren Einrichtungen,
über individuelle, patientenbezogene Hygienerichtlinien für 4MRGN-Patienten
und über eine ausgewiesene Langfristerfahrung im Umgang mit so
beschaffenen Herausforderungen.
KRINKO 10/2012, S. 1341f.: Die damalige Einschätzung, dass die angewandte Screeningmethode nur unzureichend sei, wurde
inzwischen bestätigt. KRINKO zitiert einen Bericht von Forschern, die 22 Patienten, von denen Acinetobacter-Baumannii-Material
isoliert werden konnte, einer erneuten Untersuchung mit Tupferabstrichen unterzogen haben. Demnach waren plötzlich nur noch 12
Patienten positiv. KRINKO kommt deshalb a.a.O. zu dem Schluss: „Für die Selektion resistenter Isolate müssen zusätzliche
Supplemente verwendet werden.“
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3.2 Rationale Ableitungen für den Umgang mit 3MRGN
Bei 3MRGN handelt es sich um Bakterien, die auf eine ganze Antibiotikagruppe
sensibel reagieren, nämlich auf die sog. Carbapeneme. Carbapeneme zählen zu
den „Reserve-Antibiotika“ und werden nur in Fällen schwer beherrschbarer
Infektionszustände eingesetzt. Konkret gegen MRSA wirken sie jedoch nicht, hier
wirken aber andere Antibiotikagruppen.
Ist ein Patient mit 3MRGN besiedelt oder infiziert, so besteht im Falle einer
schweren Infektion grundsätzlich die Möglichkeit, eine Anzahl von antibiotischen
Substanzen einzusetzen, die ein sehr breites Wirkspektrum aufweisen.
Carbapeneme werden deshalb auch nicht präventiv vor einer schweren
Infektion eingesetzt, um dieses Wirkungsspektrum nicht durch zunehmende
Resistenzen unnötig einzuschränken 7.
Grundsätzlich bestehen also Möglichkeiten, 3MRGN sowohl mechanisch als auch,
im Falle einer schweren Infektion, antibiotisch zu sanieren. Für Patienten, die mit
3MRGN- und/oder MRSA-Bakterien entweder besiedelt (Hautbefall) oder infiziert
sind, gelten deshalb folgende Regelungen:
1. Sie werden in Gemeinschafts- oder in Einzelzimmern isoliert
2. Es gelten die Standardschutzmaßnahmen
3. Sie werden ausschließlich „mechanisch“ saniert, es sei denn, der behandelnde
Arzt ordnet Anderes an
Für so charakterisierte Patienten gelten im Folgenden die Bestimmungen der
Abschnitte, deren Überschriften mit dem Kürzel (3MRGN) abschließen.
3.3 Rationale Ableitungen für den Umgang mit 4MRGN
Waren 4MRGN-Bakterien aus Sicht VIAPALLIA noch zu Beginn des Jahres 2012 ein
Novum, so hat sich das Bild ein Jahr später gewandelt 8. Inzwischen befinden sich
mehrere Patienten in der Einrichtung, die mit einem 4MRGN-Bakterium von
Kliniken und Reha-Einrichtungen übernommen wurden 9.
Zum Krankheitsbild (Morbidität) von 4MRGN-Bakterien können u.a. respiratorische
Infekte, Harnwegs-, Haut- und Weichteilinfektionen, sowie primäre Sepsis 10 zählen.
Zudem gilt als gesichert, dass die Mortalität einiger Erregertypen höher ist, als die
eines 3MRGN-Bakterium 11.
KRINKO 10/2012, S. 1341: „Die Kommission empfiehlt … außerhalb der Mukoviszidose-Patientengruppe keine
Sanierungsmaßnahmen für mit 3MRGN oder 4MRGN P. aeruginosa besiedelte Patienten anzuwenden, da hierdurch eine
Resistenzentwicklung für die wenigen noch wirksamen Antibiotika gefördert wird.“
8 KRINKO 10/2012, S. 1320. Zum Beispiel hinsichtlich 4MRGN Acinetobacter Baumannii: „A. baumannii gehört seit Jahren weltweit
zu den 6 häufigsten Erregern der nosokomialen und beatmungsassoziierten Pneumonie.“
9 KRINKO 10/2012, S. 1320. „Die weltweite Zunahme und Ausbreitung Carbapenem resistenter A.baumannii-Klone (4MRGN) ist am
ehesten als ein Problem, das mit der stationären oder ambulanten Versorgung assoziiert ist, anzusehen.“
10 KRINKO 10/2012, S. 1330. „Im endemischen Setting eines spanischen Krankenhauses der Maximalversorgung waren 55% der
Patienten … infiziert, wobei respiratorische Infekte (35%), gefolgt von Harnwegsinfektionen (18%), Haut- und Weichteilinfektionen
(18%) und primärer Sepsis (17%) die häufigsten Infektionen waren … .“
11 KRINKO 10/2012, S. 1331. Zusammenfassung 3MRGN / 4MRGN Acinetobacter Baumannii: „Infektionen durch 4MRGN A.
baumannii haben gemäß dem gegenwärtigen Wissensstand gegenüber Infektionen mit sensiblen Isolaten eine höhere Mortalität.“
7
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Im Unterschied zu einer Transmission mit MRSA kann ein Patient im Falle einer
Transmission mit einem 4MRGN-Bakterium nach dem momentanen Kenntnisstand
zudem im Minimum langfristig besiedelt sein (auf der Hautoberfläche), im Falle
einer Infektion ist eine Sanierung nach momentanem Kenntnisstand sogar eher
unwahrscheinlich 12.
Der Versuch, im Vorwege, also präventiv alles zu unternehmen, um eine
Übertragung auf andere Patienten zu verhindern, ist ethisch deshalb nicht nur
vertretbar, sondern zwingend geboten.
Dem Pflegepersonal kommt im Falle von Transmissionen eine Schlüsselrolle zu. Bei
aller Vorsicht und Konzentration kann nicht immer sichergestellt werden, dass
insbesondere in Notfällen eine fachgerechte Händehygiene durchgeführt wird,
bevor sich dem nächsten Patienten zugewandt wird 13. Im Falle von 4MRGNBakterien können solche menschlichen Schwächen gravierende Konsequenzen
nach sich ziehen.
Ist also sichergestellt, dass ein Pfleger auch nur für konkret einen mit 4MRGNBakterien besiedelten oder infizierten Patienten zuständig ist, so muss er nicht von
Patient zu Patient eilen. Die Hauptursache für die Übertragung eines 4MRGNBakteriums auf andere Patienten ist damit beseitigt 14.
Dies gilt umso mehr, wenn die Gefahr einer Transmission in Relation zur
Verweildauer der Patienten steht: Bei einer Verweildauer der Patienten in
Monaten oder Jahren wie im Falle VIAPALLIA ist die Gefahr einer Transmission über
die Zeitachse ungleich höher einzuschätzen als im Falle von Tagen oder Wochen,
wie sie für Krankenhäuser und Reha-Kliniken üblicherweise angesetzt wird 15.
Für Patienten, die mit 4MRGN-Bakterien entweder besiedelt (Hautbefall) oder
infiziert sind, gelten deshalb folgende Regelung:
1. Sie werden immer in einem Einzelzimmer isoliert
2. Sie befinden sich immer in einem durch Sichtbarrieren abgegrenzten
Sicherheitsbereich
3. Sie werden immer von einem eigenen Pflegeteam betreut (1:1-Pflege)
KRINKO 10/2012, S. 1341. Die Empfehlung führt aus, dass „ … sich die Konzeption von Sanierungsstrategien noch in der
Entwicklung …“ befinde, „Da das eigentliche Habitat von A. baumannii bei Krankenhauspatienten nicht geklärt …“ sei.
13 Händehygiene. Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut,
Bundesgesundheitsbl. 2000 . 43:230-230. „Die Hände des Personals sind das wichtigste Übertragungsvehikel von Krankheitserregern. Deshalb gehört die Händehygiene zu den wichtigsten Maßnahmen zur Verhütung von Krankenhausinfektionen.“
Detaillierter: Kampf, Günter et al.: Händehygiene zur Prävention nosokomialer Infektionen, in: Dtsch Arztebl Int 2009; 106(40): 64955; DOI: 10.3238/arztebl.2009.0649, abstract: „Mit verbesserter Compliance in der Händehygiene und gezieltem Gebrauch von
Händedesinfektionsmitteln kann die Rate nosokomialer Infektionen um bis zu 40 % gesenkt werden.“
14 KRINKO 10/2012, S. 1341. „Es ist eine offene Frage, ob in der endemischen Situation Patienten, die aufgrund des Verdachtes der
Besiedelung, einer nachgewiesenen Besiedelung oder Infektion mit 4MRGN A. baumannii isoliert werden, durch speziell
zugeordnetes Personal gepflegt werden sollen.“ hier ist zu berücksichtigen, dass diese Formulierung gewählt werden musste, weil
evidenzbasierende Hinweise, also der Nachweis auf der Basis vorhandener Studien, fehlen.
Dagegen: Empfehlung zum Umgang mit Patienten bei Besiedelung und / oder Infektion mit carbapenemresistenten Acinetobacter
Baumannii (Stand: Mai 2010), Ruhr-Universität Bochum, Arbeitskreis Krankenhaushygiene, Abteilung für Hygiene, Sozial- und
Umweltmedizin in Kooperation mit der Abteilung medizinische Mikrobiologie, folgend zitiert „AK RUB 2010“. Frdl. Hinweis von
Frau Dr. F. Lemm, Leiterin Arbeitskreis Krankenhaushygiene Ruhr-Universität Bochum: Die Standards werden ebenfalls an die
Notation KRINKO 10/2012 (also z.B. „4MRGN Acinetobacter Baumannii“ statt zuvor „carbapenemresistenter Acinetobacter
Baumannii“) angepasst, die 1:1-Pflege z.B. für 4MRGN Acinetobacter Baumannii bleibt auch dort bestehen.
15 Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr.291 vom 24.08.2012 titelt: „Aufenthaltsdauer im Krankenhaus 2011 durchschnittlich
7,7 Tage“, ebenfalls Bundesamt für Statistik: die durchschnittliche Verweildauer in Reha-Einrichtungen in privater Trägerschaft
betrug im Jahre 2009 demnach 24,8 Tage. Im Vergleich dazu lässt sich eine durchschnittliche Verweildauer für Patienten der
VIAPALLIA Wedel überhaupt nicht ermitteln, hier liegen Patienten seit der Gründung des Hauses vor nunmehr zwei Jahren.
12
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4. Sie werden ausschließlich „mechanisch“ saniert, es sei denn, der behandelnde
Arzt ordnet Anderes an
5. Für sie werden patientenbezogene Hygienerichtlinien, Desinfektionsintervalle
und Verhaltensweisen aufgestellt, die die individuelle Situation des Patienten
berücksichtigen
Patienten, die mit einem 4MRGN-Bakterium besiedelt oder infiziert sind, ihre
Angehörigen und Besucher, werden konkret in die individuellen Bestimmungen
eingewiesen.
Für so charakterisierte Patienten gelten im Folgenden die Bestimmungen der
Abschnitte, deren Überschriften mit dem Kürzel (4MRGN) abschließen.
3.4 Sanierungsmaßnahmen
Den Versuch, multi- oder panresistente Bakterien zu beseitigen, bezeichnet man
als Sanierung bzw. Sanierungsvorgang. Zwei Sanierungsmethoden werden
voneinander unterschieden.
3.4.1 Die „mechanische“ Sanierung (3MRGN und 4MRGN)
Bei der mechanischen Sanierung werden antiseptische Waschsubstanzen oder
Salben zum Einsatz gebracht, mit deren Hilfe multiresistente Bakterien auf der
Hautoberfläche oder in den Nasenvorhöfen entfernt werden16. Meistens handelt
es sich hierbei um Waschhandschuhe in Form von Einmalartikeln, die mit einer
entsprechenden Lösung getränkt sind und in einer Mikrowelle vor der Benutzung
angewärmt werden. Erst dann entwickelt die enthaltene Lösung ihre volle
Wirksamkeit.
Hierbei wird pro Körperglied ein Waschhandschuh verwendet (z.B. ein Handschuh
für den rechten Arm, ein weiterer für den linken Arm, etc.). Antiseptische
Waschungen werden abhängig von der Besiedelungsintensität über Tage oder
Wochen angesetzt.
Nach einer individuell bestimmten Zeitspanne wird die antiseptische Waschung
eingestellt, nach Ablauf von meistens drei Tagen werden anschließend sog.
Kontrollabstriche abgenommen. Ziel dieser Kontrollabstriche ist es, zu überprüfen,
ob die bisher eingeleiteten Waschungen erfolgreich waren oder nicht.
Ist das Ergebnis negativ, so müssen an drei weiteren, aufeinander folgenden
Tagen weitere Kontrollabstriche abgenommen werden. Weisen drei
aufeinanderfolgende Abstriche ein negatives Ergebnis auf, so gilt der Patient als
saniert. Sind sie nach wie vor positiv, so muss der Sanierungsvorgang wiederholt
werden, bis ein negatives Ergebnis nach dem beschriebenen Verfahren
festgestellt wird.
16
KRINKO 10/2012, S. 1342: „Da die Haut jedoch ein häufiges Reservoir mit erheblichem Streuungspotential darstellt, liegt es nahe,
antiseptische Waschungen durchzuführen.“ Weiter wird bzgl. eines Sanierungsversuches eines 4MRGN berichtet, dass mit dieser
Methode … „80% der kolonisierten Patienten … bei Kontroll-Untersuchungen (Abstrich von Leisten und Axillen mit einem Tupfer),
die unter laufender Behandlung entnommen wurden, negativ“ waren. Dieser Effekt deckt sich mit den eigenen Erfahrungen.
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3.4.2 Die antibiotische Sanierung (nur in begründeten Einzelfällen)
Ist ein Patient mit multi- bzw. panresistenten Bakterien infiziert, befinden sie sich in
der Trachealkanüle oder in Wunden, so stoßen die Möglichkeiten der
mechanischen Sanierung an ihre Grenzen.
Die Abstriche werden auf einen Nährboden ausgebracht und ausgewertet.
Dieser Vorgang kann einige Tage andauern, weil sich die unterschiedlichen
Bakterienkulturen erst entwickeln müssen. Im Einzelfall sind Nährböden von einer
höheren Sensitivität nötig, um klare Aussagen über den Bakterienbefall zu
erhalten.
Sobald die Ergebnisse vorliegen, wird die Resistenz der festgestellten Bakterien
gegenüber einzelnen Antibiotika tabellarisch erfasst und in einem sog.
Resistogramm oder Antibiogramm festgehalten (Abb. 4).
Die Liste der festgestellten Bakterien wird oben notiert (im vorliegenden Falle
„Keim 1“ bis „Keim 5“), weiter folgend werden darunter in der linken Spalte die
einzelnen Antibiotika (zunächst der Wirkstoff) aufgeführt, gegen die auf Resistenz
geprüft wurde, gefolgt von dem jeweiligen Handelsnamen, unter dem das
Präparat vorwiegend bezogen werden kann.
Abb. 4. Exemplarisches Antibiogramm – Bakterien, getestete Antibiotika und Resistenzen
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Zu jedem getesteten Antibiotikum wird festgehalten, ob das Bakterium dagegen
resistent reagiert (R), ob es sensibel ist (S) oder ob eine natürliche Resistenz vorliegt
(n). Nicht immer ist seine Resistenz eindeutig nachweisbar, deshalb steht das I für
intermediär (lat. = „dazwischenliegend“). Gewertet wird bei der Frage nach einer
Panresistenz ein intermediäres Ergebnis allerdings wie eine Resistenz.
Betrachtet man das abgebildete Antibiogramm in seiner Gesamtheit, so
erschließt sich ein schon fast typisches Dilemma:
Neben grampositiven Bakterien (Enterococcus species) siedeln ausschließlich
gramnegative Bakterien, und innerhalb der Gruppe der gramnegativen Bakterien
befinden sich einige, die gegen ein konkretes Antibiotikum sensibel reagieren,
gegen das andere wiederum resistent sind.
Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass mit der Einnahme dieser AntibiotikaGruppen häufig schwere Nebenwirkungen verbunden sind, deshalb unterliegt
ihre
Gabe
grundsätzlich
einer konkreten
Einzelfallentscheidung des
behandelnden Arztes und bedarf seiner vorsichtigen Risikoabwägung.
Angesichts derartiger Resistenzlagen kann die antibiotische Sanierung im Hause
VIAPALLIA nicht mehr als Standard-Sanierungsmaßnahme bezeichnet werden, sie
wird deshalb nur noch in konkreten Einzelfällen angewandt.
3.5 Isolationsvarianten
Patienten, die mit multi- oder panresistenten Bakterien besiedelt sind, müssen von
anderen, nicht betroffenen Patienten isoliert werden. Dabei werden drei Arten
von Isolation unterschieden:
3.5.1 Kohortenisolation im Gemeinschaftszimmer (3MRGN)
Patienten können gemeinsam in einem Zimmer untergebracht sein, wenn sie mit
den gleichen Bakterien-Species besiedelt sind. Ein Patient, besiedelt oder infiziert
mit z.B. einem MRSA oder 3MRGN, kann mit einem anderen Patienten
zusammenliegen, der von der gleichen Species betroffen ist. Gleich betroffene
Patienten können folglich gemeinsam (als Kohorte) von den anderen Patienten
isoliert werden. Trotzdem müssen für jeden einzelnen Patienten in der
Kohortenisolation eigene Sets an Schutzkleidung vorgehalten werden, um eine
Keimverschleppung (die sog. Transmission) zu vermeiden.
Die Kohortenisolation ist nur dann zulässig, wenn die Resistogramme bzw.
Antibiogramme ein identisches Resistenzspektrum zeigen. Sind sie unterschiedlich
oder weist einer der Patienten im Gemeinschaftszimmer noch weitere
multiresistente Bakterien auf, so sind die Patienten voneinander zu trennen und in
Einzelzimmern unterzubringen.
3.5.2 Im Einzelzimmer (3MRGN)
Patienten sind dann in einem Einzelzimmer unterzubringen, wenn die
Antibiogramme nicht identisch sind. Hier gelten die Bestimmungen der
Standardhygiene.
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3.5.3 Im Einzelzimmer innerhalb ausgewiesener Risikobereiche (4MRGN)
Mit 4MRGN besiedelte oder infizierte Patienten werden in Appartements
untergebracht, die durch eine rot-weiße Sichtbarriere von den allgemein
zugänglichen Bereichen abgegrenzt sind (Abb. 5.). So betroffene Patienten
werden immer in Einzelzimmern untergebracht, für die jeweils individuelle
Hygienevorschriften und Zugangsregeln gelten.
Abb. 5. Durch rot-weißes Flatterband gekennzeichnete Sichtbarriere – Risikobereich
Mit 4MRGN besiedelte oder infizierte Patienten werden grundsätzlich im
Erdgeschoss untergebracht, damit eine evtl. notwendige Einlieferung ins
Krankenhaus grundsätzlich über die Außenterrassen und den Rundweg erfolgen
kann.
Die entsprechenden Verfahrensanweisungen stellen so sicher, dass Transporte zu
Kliniken und Rücktransporte abgewickelt werden, ohne dass zentrale
Wohnbereiche davon tangiert werden (Abb. 6.).
Abb. 6. Ab- und Rücktransport von 4MRGN-Patienten über die Außenterrasse und Rundweg
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3.6 Standardhygiene (3MRGN)
Der Begriff „Standardhygiene“ ist klar definiert 17. Unter diesem Begriff fallen
Regeln zur fachgerechten Durchführung der Händedesinfektion genauso, wie
Vorschriften zur Verwendung von Schutzbekleidung.
3.6.1 Händedesinfektion (3MRGN und 4MRGN)
Es ist erstaunlich, zugleich aber beruhigend, dass mit den simpelsten Methoden,
wie z.B. der fachgerechten Durchführung der Händedesinfektion, eine
Transmission von Bakterien jeglicher Couleur auf andere Patienten nahezu
vollständig unterbunden werden kann.
Spender mit den entsprechenden Desinfektionslösungen finden Sie in allen
Appartements, in den zentralen Aufenthaltsräumen und in den Bädern bzw. WCs
auf den Wohnbereichen.
Nutzen Sie die Spender, bevor Sie Ihren Angehörigen besuchen (zum Schutze des
Patienten) und nutzen Sie sie, wenn Sie Ihren Angehörigen werlassen (zum
Schutze der anderen Patienten). Jeweils vor dem Anlegen der Einmalhandschuhe
und nach dem Ablegen ist die Händedesinfektion obligatorisch.
Die fachgerechte Durchführung der Händedesinfektion entnehmen Sie bitte den
Schaubildern, die in unmittelbarer Nähe der Spender angebracht sind, oder
wenden Sie sich an die Bezugspflegekräfte.
3.6.2 Schutzkleidung Standard (3MRGN)
Besucher und Personal dürfen sich Patienten, die mit 3MRGN besiedelt oder
infiziert sind, nur mit Mundschutz, Einmalhandschuhen und Kitteln nähern (Abb. 7.).
Sollten sich die Patienten in einer Kohortenisolation befinden, so sind jeweils
patientenbezogene Kittel vorzuhalten.
Die entsprechenden Patienten befinden sich in Zimmern, an deren Eingangsbereich Hinweisschilder (gelb oder rot) angebracht sind, um Sie auf die Notwendigkeit der Standardhygiene hinzuweisen. Wenden Sie sich bitte im Bedarfsfalle
an die zuständige Bezugspflegekraft, die Ihnen gerne weiterhelfen wird.
Abb. 7. Pflegekraft gem. Vorschrift „Standardhygiene“
17
KRINKO definiert „Standardhygiene“ als die Beachtung der Regeln zur hygienischen Händedesinfektion, die Nutzung von
Einmalhandschuhen, von patientenbezogenen Kitteln oder Schürzen und von Mundschutz, in: Anforderung an die Hygiene bei der
medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten, Bundesgesundheitsbl. 2010 53:357-388 DOI 10.1007/s00103-0101028-9, 20.03.2010, S. 358f.
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3.7 Erweiterte Hygienemaßnahmen (4MRGN)
Für Patienten mit Besiedelung oder Infektion von 4MRGN gelten besondere
Vorschriften. KRINKO 10/2012 führt aus, dass in diesem Falle „über den Standard
hinausgehende“ Maßnahmen anzuwenden seien 18.
Angesichts der Betonung der präventiven Komponente wurden bereits
organisatorisch alle Maßnahmen getroffen, deren Ziel darin besteht,
Transmissionen zu verhindern.
3.7.1 Individuelle Hygienepläne einschließlich Raumsituation (4MRGN)
Individuelle Hygienepläne für Patienten mit 4MRGN legen Desinfektionsintervalle
für die jeweiligen Sicherheitsbereiche fest und definieren die zu verwendenden
Mittel.
Wie bereits dargelegt, werden so betroffene Patienten ausschließlich im
Erdgeschoss untergebracht, notwendige Transporte erfolgen ausschließlich über
die Außenterrasse. Auch diese Maßnahme folgt dem präventiven Leitgedanken:
Einrichtungsbereiche, die theoretisch einer Gefahr bei einem Transport durch die
Einrichtung ausgesetzt sein könnten, unterliegen dieser Gefahr nicht mehr, wenn
sie erst gar nicht betreten werden.
3.7.2 Schutzkleidung „Vollschutz“ (4MRGN)
Der Vollschutz schützt Pflegekräfte und Besucher. Als über den Standard
hinausgehende Maßnahme sind das Tragen von Haube, Einmal-Overall,
Schutzbrille, Einmal-Handschuhe und sog. „Fußlinge“ obligatorisch (Abb. 8).
Abb. 8. Pflegekraft im „Vollschutz“
Der Materialaufwand, mit dem so betroffene Patienten gepflegt und therapiert
werden, ist entsprechend enorm. Alle Gerätschaften, die einmal in das Zimmer
verbracht wurden (z.B. Lifter, Schränke, Regale, etc.) werden individuell geordert
und verbleiben auch dort, bis sie ebenfalls über die Außenterrasse beim Verlassen
der Einrichtung entnommen werden.
18
KRINKO 10/2012, S. 1333, Tabelle 4: Zu allen 4MRGN wird die Frage, ob über die Standardhygiene hinausgehende Maßnahmen
notwendig seien, mit „ja, in allen Bereichen“ beantwortet.
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3.8 Pflegeorganisation
3.8.1 Reguläre Pflege (3MRGN)
Patienten mit 3MRGN werden in die reguläre Pflege unter den Bestimmungen der
Standardhygiene aufgenommen.
3.8.2 Ein Patient-eine Pflegefachkraft: Die „1:1-Pflege“ (4MRGN)
Patienten mit 4MRGN werden ausschließlich in die 1:1-Pflege übernommen
(Begründung s. Kapitel 3.3.). Die Übernahme dieser Patienten bedarf einer
Vorbereitungszeit von ca. 14 Tagen. Pflegefachkräfte sind zu organisieren, sie
müssen in die Abläufe vor Ort eingewiesen werden, Schulungen finden statt.
Es ist sicherzustellen, dass über 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche genau eine
Pflegekraft für genau diesen einen Patienten zuständig ist.
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4 Ausblick
Es ist seriös nicht davon auszugehen, dass sich das Thema Hygiene in stationären
Einrichtungen des Gesundheitswesens in der nächsten Zeit entspannen wird.
Es deuten im Gegenteil alle Anzeichen darauf hin, dass die Situation weiterhin
angespannt bleibt.
Kann man aber bestimmte Entwicklungen nicht verhindern, so bleibt nur die
Möglichkeit, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um unter neuen Vorzeichen
seine angestammten Aufgaben zu erledigen.
Für die VIAPALLIA bedeutet das, ihre Aufgabe, zu pflegen und zu therapieren,
unter den neuen Vorzeichen von Multi- und Panresistenzen professionell weiter
fortzusetzen.
Wir haben uns mit dem Thema auseinandergesetzt und konnten uns fachlich und
organisatorisch darauf vorbereiten. Vielleicht verhält sich die VIAPALLIA in diesem
Themenkomplex deshalb auch deutlich restriktiver als andere Institutionen des
Gesundheitswesens, die Fakten sprechen jedenfalls für sich:
Sämtliche bisher durchgeführten Oberflächenanalysen in der VIAPALLIA Wedel
weisen negative Ergebnisse hinsichtlich des Vorkommens von 4MRGN in den
Räumen der Einrichtung auf.
Solche Ergebnisse lassen begründet den Schluss zu, dass die getroffenen
Maßnahmen richtig sind, dass sie erfolgreich umgesetzt wurden und dass eine
Transmission bisher unterblieben ist.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass das so bleibt.
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5 Kontaktdaten
HK VIAPALLIA
c/o
VIAPALLIA Holding GmbH
Hans-Henny-Jahnn-Weg 9
22085 Hamburg
Tel.: +49 4103 1 8888 100
Fax: +49 4103 1 8888 129
mailto: [email protected]
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