M w n: e ne .d io as at g m rd or -e nf as r I -g eh wf g w. w IM PROFIL Folge 39 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe In regelmäßiger Folge stellen wir Ihnen an dieser Stelle die wichtigsten Institutionen und Organisationen im Bereich der Gasversorgung, Gasverwendung und Gaswirtschaft vor. In dieser Ausgabe zeigt sich die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Profil. Alle Folgen dieser Rubrik finden Sie unter www.di-verlag.de/de/GWFGas-Erdgas/Im_Profil Folge 39 Erdgas – ein zentrales Thema der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) D eutschland wird auch im Zeitalter der Energiewende noch für viele Jahre auf fossile Energierohstoffe angewiesen sein. Mit rund 80 Prozent tragen Erdöl, Erdgas, Steinkohle und Braunkohle weiter­ hin den mit Abstand größten Anteil des deutschen Primärenergieverbrauchs. Wir benötigen diese Energieträger zum Hei­ zen, für den Transport, zur Stromerzeu­ gung und als Grundrohstoff für die chemi­ sche und pharmazeutische Industrie. In der Abteilung „Energierohstoffe, Mi­ neralische Rohstoffe“ der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) erforschen Geowissenschaftler die Vorkommen, Verfügbarkeit und nachhalti­ ge Gewinnung von Energierohstoffen. Die BGR ist eine geowissenschaftliche Ressort­ forschungseinrichtung des Bundesminis­ teriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Sie berät die Bundesregierung und die deutsche Politik sowie Wirtschaft und Ge­ sellschaft bei geowissenschaftlichen und rohstoffwirtschaft­lichen Fragestellungen und Themen. Dazu zählen neben fossilen Energierohstoffen u. a. auch die Bereiche mineralische Rohstoffe, Boden, Grundwas­ ser, Endlagerung oder Erdbeben. Neben einer kontinuierlichen Recher­ che zu den weltweiten Vorräten, zu För­ derung und Verbrauch fossiler Energie­ träger, deren Ergebnisse in der jährlich erscheinenden „Energiestudie – Reser­ ven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen“ bereitgestellt werden, führt die BGR wissenschaftliche Expediti­ onen mit geologischer Feldarbeit an Land und geophysikalischen Messungen auf See durch. Für die Untersuchung zu Vorkommen und Verfügbarkeit von Erdöl und Erdgas werden die aufgezeichneten Daten prozessiert und interpretiert und die mitgebrachten Proben im BGR-Labor geochemisch analysiert. So kann die Ent­ wicklung und der geologische Aufbau des Untergrundes abgebildet werden, Spitzbergen: ein wichtiges Forschungsgebiet der BGR in der europäischen Arktis 570 um mögliche Potenziale an Kohlenwas­ serstoffen in der Region zu erfassen und abzuschätzen. Flankierend untersuchen BGR-Mikrobiologen das Potenzial von Mi­ kroorganismen, Kohlenwasserstoffe ab­ zubauen. So entstanden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Studien zu soge­ nannten Frontiergebieten mit bislang un­ bekannten Potenzialen an Erdöl und Erd­ gas. Eines dieser Frontiergebiete ist die Europäische Arktis. Grundsätzlich sichert die BGR ihre Unabhängigkeit und die Qualität ihrer Forschungsarbeit, indem alle Ergebnisse in Fachzeitschriften publi­ ziert werden. Sie stehen so der Wissen­ schaft und Wirtschaft zu Verfügung . Schwerpunkt Forschung: Die Europäische Arktis Angesichts der weltweit steigenden Nach­ frage nach Energierohstoffen erkunden Forscher der BGR auch die Arktis. Dort be­ finden sich laut Schätzungen rund 15 Pro­ zent der weltweit bekannten Erdgas-Res­ sourcen. Die BGR ist bereits seit den 1970er Jahren im Rahmen unterschiedlicher For­ schungsprogramme in der Arktis aktiv. Die Entwicklung des Arktischen Ozeans mit seinen breiten Schelfbereichen ist immer noch nicht vollständig verstanden. Die BGR-Geologen führten zahlreiche Gelän­ dekampagnen in den Küstenregionen Russlands, Spitzbergens und Kanadas so­ wie marine Expeditionen auf den Schelf­ gebieten der Arktis durch. Gerade dort werden große Vorkommen von Erdgas und Erdöl vermutet. So konnten BGR For­ gwf-Gas | Erdgas 8/2015 scher durch Vergleich von Strukturen und Gesteinen der kanadischen Arktis mit Spitzbergen zeigen, dass ein mehrere Tau­ send Kilometer langes Störungssystem entlang der Nordküste Kanadas wesentli­ chen Einfluss auf die heutige Lage der Se­ dimentbecken und die Lage der Kontinen­ te hat. Das ermöglicht die Rekonstruktion der Beckenentwicklung, die Vorausset­ zung für die Abschätzung des Kohlenwas­ serstoffpotenzials ist. Im Jahr 2013 startete die BGR ein neu­ es Forschungsprogramm in der Region. Mit „PANORAMA“ (Potenzialanalyse des Europäischen Nordmeeres und angren­ zender Randmeere der Arktis) wollen die Geowissenschaftler sowohl die Chancen als auch die Umweltrisiken einer mög­ lichen Nutzung von Energierohstoffen im Nordatlantik sowie der nördlichen Ba­ rentssee untersuchen. Bisher existieren zum geologischen Untergrund dieser weitgehend eisbedeck­ ten Region nur wenige Erkenntnisse und Daten, mit deren Hilfe eine Abschätzung des Erdöl- und Erdgaspotenzials vorge­ nommen werden könnte. Durch das fünf­ jährige Programm sollen die Grundlagen für eine wissenschaftliche Abschätzung möglicher Erdöl- und Erdgasvorkommen in dieser Meeresregion geschaffen wer­ den. Dabei konzentrieren sich die BGR-Ex­ perten gemeinsam mit internationalen Wissenschaftlern auf Teilgebiete, die für das Verständnis der geologischen Ent­ wicklung der Arktis von besonderer Be­ deutung sind. Große Teile des Arktischen Ozeans und seiner Randmeere, wie die nördliche Barentssee, sind bislang geolo­ gisch nur wenig erforscht. Hier wird das Projekt dazu beitragen, eine verlässliche Datengrundlage herzustellen und gegen­ über den bisherigen Schätzungen belast­ bare Zahlen zu liefern. Die BGR setzt ein breites Spektrum geologischer, geoche­ mischer und geophysikalischer Methoden ein, um die Ablagerungsgeschichte der Sedimente am Meeresboden seit Beginn der Öffnung des Arktischen Ozeans vor circa 50 Millionen Jahren zu rekonstruieren und um das Kohlenwasserstoffbildungs­ potenzial von Gesteinen zu bestimmen. Die Förderung von Erdöl unter arkti­ schen Bedingungen ist sehr aufwändig gwf-Gas | Erdgas 8/2015 IM PROFIL Arbeiten auf Deck eines Forschungsschiffes in der norwegischen Barentssee Entnahme mikrobiologischer Proben an der Küste der kanadischen Arktis (Foto links), gefüllte Probenbehälter für mikrobiologische Untersuchungen (Foto rechts) und kann Auswirkungen auf die sensiblen arktischen Ökosysteme haben. Deshalb sind weitere Untersuchungen zur Abschät­ zung der Risiken und Folgen erforderlich. Hierzu nehmen Wissenschaftler Proben aus den Küstenbereichen und aus den Se­ dimenten des Arktischen Ozeans und nut­ zen geomikrobiologische Methoden, um bisher weitgehend unbekannte abbauen­ de mikrobielle Lebens­ gemeinschaften in den Sedimenten der Forschungsregion zu untersuchen. Kenntnisse über diese geomi­ krobiologischen Prozesse können zu einer Abschätzung möglicher Folgen auf das Ökosystem und der Risiken bei der Nut­ zung arktischer Erdöl- und Erdgasvorkom­ men beitragen. Schwerpunkt Labor Seit mehr als 30 Jahren werden an der BGR organisch geochemische/petrogra­ phische und isotopengeochemische Daten zu Muttergesteinen, Erdölen und Erdgasen gewonnen. Hierzu zählen Infor­ mationen zur Versenkungsgeschichte (thermische Reife) von Gesteinen und zur Genese von Erdölen und Erdgasen, wel­ che anhand der Zusammensetzung von Kohlenwasserstoffen und der Kohlenstoff­ 571 M w n: e ne .d io as at g m rd or -e nf as r I -g eh wf g w. w IM PROFIL Folge 39 isotopensignaturen bestimmt werden können. Um die Prozesse der Kohlenwas­ serstoffbildung besser zu verstehen, wer­ den in den Laboren der BGR auch Hoch­ drucksysteme betrieben, in denen die natürlichen Druck- und Temperaturbe­ dingungen der Kohlenwasserstoffgenese nachgestellt werden können. Ähnliche Systeme werden auch in den geomikro­ biologischen Laboren verwendet, um entsprechende Einflüsse auf mikrobiellen Kohlenwasserstoffumsatz zu bestimmen. Neben dem direkten Eingang der er­ zeugten Daten in aktuelle Forschungs­ vorhaben und Publikationen werden alle Parameter in seit Jahrzehnten etablierten Fachdatenbanken archiviert. Hieraus wur­ den z. B. umfangreiche Datensätze für die aktuell an der BGR durchgeführte Ab­ schätzung des Schieferöl- und Schiefer­ gaspotenzials in Deutschland genutzt. Schwerpunkt Beratung: Die Energiestudie der BGR In der jährlich erscheinenden Energie­ studie „Reserven, Ressourcen und Verfüg­ barkeit von Energierohstoffen“ stellt die BGR die Situation zur weltweiten Verfüg­ barkeit fossiler Energieträger einschließlich Geothermie und Kernbrennstoffen dar. Hierzu werden Recherchen zur globalen Vorratssituation, Förderung und Verbrauch von Energierohstoffen durchgeführt und die erfassten Daten nach einer gewichte­ ten Einschätzung in einem umfangreichen Tabellenwerk publiziert. In der Studie wer­ den zusätzlich aktuelle Entwicklungen als Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Sonderthemen aufgegriffen wie z. B. der „Schiefergas-Boom“ im letzten Jahrzehnt, der zu einer Verschiebung zu neuen Liefer­ regionen geführt hat. Die Studie dient ins­ besondere als Beratungsgrundlage für die Bundesregierung und die deutsche Wirt­ schaft und kann kostenfrei von der Inter­ netseite der BGR heruntergeladen werden. In der aktuellen Energiestudie aus dem Jahr 2014 betont die BGR, dass Erd­ gas aus geologischer Sicht noch in sehr großen Mengen vorhanden ist. Auch bei einem absehbar steigenden Bedarf kann die Versorgung der Welt aufgrund des hohen verbleibenden Erdgaspotenzials noch über viele Jahrzehnte gewährleistet werden. In Europa hat die Erdgasförde­ rung jedoch ihr Maximum bereits im Jahr 2004 überschritten. Damit wächst die Abhängigkeit von Erdgasimporten aus der GUS, Afrika und dem Mittleren Osten. Etwa 80 Prozent der globalen Erdgasre­ serven befinden sich in den Ländern der OPEC und der GUS. Deutschlands Erdgas­ importe sind leitungsgebunden (Pipe­ lines) und stammen fast gänzlich aus russischen, norwegischen und niederlän­ dischen Quellen. Eine stärkere Diversifi­ zierung der Erdgasbezugsquellen ist möglich, aber aufwändig und erst mittelbis langfristig umsetzbar. Während die Versorgung mit Kohle aus geologischer Sicht auch langfristig gewährleistet werden kann, ist Erdöl der einzige nicht erneuerbare Energieroh­ stoff, bei dem in den kommenden Jahr­ zehnten eine steigende Nachfrage wahr­ scheinlich nicht mehr gedeckt werden kann. Dabei liegt heute der Anteil an Erdöl am Primärenergieverbrauch in Deutschland und weltweit noch etwa bei einem Drittel. Auch die zunehmende Nutzung nicht-konventioneller Kohlen­ wasserstoffe führt langfristig nicht zu einem Paradigmenwechsel. Arbeitsbereiche in der BGR zum Thema Erdgas und Energierohstoffe: ■■ Ausblick Die BGR ist eine neutrale und internatio­ nal anerkannte Einrichtung. Sie berät auf Basis eigener Forschung und Recher­ chen zu allen Fragen der Verfügbarkeit nicht-erneuerbaren Energierohstoffe. Ei­ gene Forschungsarbeiten und Potenzial­ abschätzungen, wie in der Arktis, dienen der Positionierung und der Entwicklung von Handlungsoptionen für Politik und Wirtschaft im internationalen Kontext. Im Sommer 2015 werden zwei Landex­ peditionen auf Spitzbergen durchge­ führt. Ziel ist es, Proben von Erdölmutter­ gesteinen und Gesteine zu gewinnen. Anschließend werden auf einer vierwö­ chigen Schiffsexpedition südlich von Spitzbergen reflexionsseismische Profile aufgezeichnet und die Ergebnisse mit den vorherigen Forschungsarbeiten an Land verknüpft. Während beider Expedi­ tionen werden auch Proben genommen, um Mikroorganismen zu sammeln und um ihr Potenzial zu erforschen, inwieweit Kohlenwasserstoffe biologisch abgebaut werden können. Diese Arbeiten werden die Risiken einer eventuellen Kohlenwas­ serstoffförderung für die fragilen arkti­ schen Lebensräume beleuchten. ■■ ■■ ■■ ■■ Link auf Energiestudie: http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/ Energie/Downloads/Energiestudie_2014. pdf?__blob=publicationFile&v=7 Mikroskopische Aufnahme von Algenresten, Ooiden und Pyrit in Opalinustonsedimenten (Jura-Zeitalter) 572 Geländearbeit an Erdgasmuttergestein auf den Neusibirischen Inseln Kontakt: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe GEOZENTRUM HANNOVER Stilleweg 2 30655 Hannover Tel.: (0511) 6432679 Fax: +49 511 6433685 [email protected] www.bgr.bund.de gwf-Gas | Erdgas 8/2015 IM PROFIL ■■ Verfügbarkeit der Energierohstoffe Aufgaben −− Beratung der Bundesregierung auf dem Energierohstoffsektor (Erdöl, Erdgas, Kohle, Kernbrennstoffe) −− Erfassung und Auswertung der weltweiten Entwicklungen zu Exploration, Vorräten und Produktion von Energierohstoffen sowie Analysen zur Verfügbarkeit von Energierohstoffen −− Erstellung von Studien, Stellungnahmen und Energierohstoff-Recherchen Methoden −− Betrieb der BGR-Energierohstoffdatenbank Marine Seismik Aufgaben −− Erforschung des Aufbaus und der Entwicklungsgeschichte von Sedimentbecken an Kontinenträndern durch marin-geophysikalische Untersuchungen −− Erforschung des Rohstoffpotenzials des arktischen Polargebietes Methoden −− Reflexions- und Refraktionsseismik, −− Potenzialfeldmethoden (Magnetik, Gravimetrie, Elektromagnetik, Geothermie) Erdöl-, Erdgasgeologie Aufgaben −− Abschätzung des Erdöl- und Erdgaspotenzials ausgewählter Regionen (z. B. Tiefwasser) im Vorfeld der industriellen Nutzung −− Durchführung von integrierten Studien sedimentärer Becken in Bezug auf das Rohstoffpotenzial −− Erforschung des Rohstoffpotenzials des arktischen Polargebietes Methoden −− rechnergestützte Interpretationswerkzeuge zur Interpretation reflexionsseismischer Profile −− Modellierung der Erdgas- und Erdölgenese −− Geoinformationssysteme Schiefergas und Schieferöl in Deutschland Aufgaben −− Untersuchung des Potenzialsnicht-konventioneller Energierohstoffe in Deutschland: Geologie, Ressourcenab­schätzung und Umweltaspekte Geochemie der Energierohstoffe und Gasmonitoring Aufgaben −− Geochemische Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu Vorkommen, Genese und effizienter Nutzung von Energierohstoffen −− Entwicklung von Methoden und Strategien zur Prospektion von Rohstoffen −− organisch-geochemische und isotopengeochemische Untersuchungen zur Genese, Alteration und Bewertung Energierohstoffen und deren Muttergsteinen Methoden −− Kohlenstoff/Schwefel-Analytik, Rock-Eval Pyrolyse, Isotopenmassenspektrometrie Geomikrobiologie Aufgaben −− Analyse und Bewertung der mikrobiellen Bildung und des Abbaus von Kohlenwasserstoffen −− Bewertung von Methoden zum „microbial enhanced oil recovery“ (MEOR) Methoden −− Kultivierung und Isolierung von Schlüsselmikroorganismen, Bestimmung der Raten von Kohlenwasserstoffabbau und -bildung gwf-Gas | Erdgas 8/2015 573