Der Steinschmätzer Oenanthe oenanthe (Linne, 1758) T. Ratjen (15034) Den Steinschmätzer konnte ich bei einem Urlaub auf Helgoland neben vielen anderen Vogelarten recht häufig beobachten und auch einige Aufnahmen machen. Diesen lebhaften und interessanten Sänger möchte ich Ihnen in einem Porträt gern vorstellen. Systematik: Ordnung: Passeriformes - Sperlingsvögel Unter Ordnungen: Passeres - Singvögel Familie: Muscicapidae - Sänger Gattung: Oenanthe Unterarten: Oenanthe oenanthe seebohmi; Oenanthe oenanthe leucorhoa; Oenanthe oenanthe oenanthe; Oenanthe oenanthe libanotica Namen: Englisch: Northern Wheatear Französisch: Traquet motteux; Italienisch: Culbianco olartico Holländisch: Tapuit Beschreibung: Länge 14,5 – 15,5 cm. Die am weitesten verbreitete Steinschmätzerart und einzige, die im nördlichen Teil unserer Region brütet. Im Flug fallen, wie bei den meisten Arten der Gattung, das kräftige Weiß von Bürzelfleck und Basis der Steuerfedern auf sowie die schwarze Schwanzendbinde und der schwarze Mittelstreif (beides in Form eines auf dem Kopf stehenden „T“). Dieses einmalige Muster, das sichtbar wird, sobald der Vogel davonfliegt, ist das „klassische“ Feldkennzeichen des Steinschmätzers (ebenso wie das der meisten anderen Oenanthe-Arten).Das Männchen ist der einzige Steinschmätzer mit bläulichgrauer Oberseite, von der sich die schwarzen Flügel und die schwarze „Maske“ sowie die isabellweißliche Unterseite (an Kehle und Brust warm gelblich-isabellfarben) abheben. Im frischen Herbstgefieder ist das Schwarz der Flügel durch breite, warm isabellfarbene Federsäume verdeckt, die Unterseite ist dann fast orange-isabellfarben, das Bläulichgrau der Oberseite ist durch bräunliche Federsäume verdeckt (wirkt sehr weibchenähnlich). Weibchen im abgetragenen Gefieder (Frühjahr/Frühsommer) oberseits matt braun mit schwärzlichen Flügeln und isabellweißlicher Unterseite, jedoch mit dem gleichen auffälligen Bürzel- und Schwanzmuster wie Männchen; im frischen Herbstgefieder erscheinen die Weibchen viel farbenprächtiger, ähnlich Männchen im Herbst, die dunkle Flügelfärbung ist durch helle Federsäume verdeckt. Die Männchen Spaniens und aus Südost Europa bis zum Nahen Osten (UA libanotica) sind im Frühjahr unterseits fast weiß, die Weibchen wirken wie eine mattere Ausgabe der Männchen, allerdings erinnern Weibchen im ersten Sommer an helle Weibchen der Nominatform. Die UA leucorhoa (Island, Grönland und angrenzende gebiete Kanadas) ist auffallend groß und farbintensiv. Männchen im Brutkleid mit leuchtend orangefarbener Brust, schneeweißer Stirn und dunkel bläulichgrauer Oberseite (oft mit bräunlichem Anflug). Auch Weibchen im Prachtkleid und Vögel im frischen Gefieder sind meist kräftiger gefärbt , unterseits rostbraun. Vögel Islands sind kaum größer als die der Nominatform und auch in der Färbung etwas intermediär. Die isolierte US seebohmi Marokkos und Algeriens ist von den anderen UA deutlich zu unterscheiden. An Kehle und Ohrdecken schwarz sowie mit schwärzlicheren Unterflügeldecken. Sogar im frischen Gefieder fällt die dunkle Kehle auf. Die meisten Weibchen mit dunkler, aber auch mit weißlicher Zeichnung an der Kehle. Jungvögel oberseits gefleckt und unterseits mit dunklem Schuppenmuster. Vögel im 1. Winter sind nicht mehr von Altvögeln zu unterscheiden. Der im gesamten Artareal sehr einheitliche Reviergesang des Männchens besteht aus kurzen, an Braunkehlchen erinnernden, schnell schwätzenden Strophen ohne rhythmische Wiederholungen. Die Strophen werden oft mit Lockrufen eingeleitet und zu Beginn viele harte Elemente und Pfeiftöne eingestreut. Charakteristisch sind daneben hell klirrende Laute, die zu einer Strophe gereiht werden können, meist aber mit rau gepressten Tönen abwechseln. Verbreitung: Das große Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Nordwestafrika über fast ganz Europa und den größten Teil des nördlichen Asien, in der neuen Welt über Alaska, das Yukon Gebiet und Nordostkanada sowie die Küstenbereiche Grönlands. In Europa kommt der Steinschmätzer bis nach Island, Spitzbergen und in den höchsten Norden Fennoskandiens und Russlands vor, andererseits besiedelt er die Mittelmeerinseln. In vielen Teilen Europas ist der Steinschmätzer sehr selten. Besonders die anhaltende Lebensraumzerstörung im Tiefland hat innerhalb weniger Jahrzehnte zum drastischen Rückgang der Art in Mitteleuropa geführt. Fast alle Steinschmätzer, selbst die Brutvögel aus Alaska und dem Arktischen Kanada überwintern in Afrika südlich der Sahara. Biotop: Als Bodenvogel bewohnt der Steinschmätzer offenes, übersichtliches Gelände mit kurzrasigen (häufig beweideten) bis karg bewachsenen trockenen Böden, Jagd-, Sing- und Ruhe- bzw. Sicherungswarten und Spalten, Nischen oder Höhlungen in Steinblöcken, Felsschutt, anstehendem Gestein usw. zur Anlage des Nestes und als Schlafplatz. Ihre regelmäßigste Verbreitung erreichen Steinschmätzer auf Fjälls, in steinigen Tundren (vor allem Moos-Flechtentundra) und im Gebirge (bei deutlicher Bevorzugung von süd- bis südostexponierten Lagen) auf blockdurchsetzten Matten, Geröllhalden und Moränenzügen zwischen Waldgrenze und oberer alpiner Stufe, aber auch auf felsigen, beweideten Inseln und Küsten oder in Dünen. Im tief gelegenen Binnenland und in Mittelgebirgen werden neben den (zumindest in Mittel und Westeuropa spärlichen) „natürlichen“ Biotopen, wie steinigen Hängen, Lößabbrüchen, sandigen Böschungen u.ä., zur Hauptsache sandige Heiden, junge Kahlschlagflächen vor allem der Sandkiefernwälder (in Heiden und Kiefernwäldern werden Brandflächen besonders gerne besiedelt), abgetorfte Moore, extensiv bebautes Kulturland mit alten Bruchsteinmauern, Lesesteinhaufen oder hohem Steinbesatz, Steinbrüche, Kies- und Sandgruben, nicht rekultiviertes Gelände des Braunkohlentagebaus, kahle Bergbauhalden, Truppenübungsplätze, Schuttkippen, Lager- und Bauplätze oder ähnliche niedrig oder karg bewachsene Ruderalflächen mit Materialhaufen (Steinblöcke, Betonelemente, Holzstapel), Bahndämme, Flußdämme usw. besiedelt. Fortpflanzung: Die Geschlechtsreife tritt zu Ende des 1. Lebensjahres ein. In der Regel wird eine monogame Saisonehe geführt, Umpaarungen für Zweitbruten ohne Gattenverlust kommen vor. Gattentreue ist lediglich Ausdruck von Brutplatztreue. Mehrjährige Männchen erscheinen am Brutplatz meist 4–7, gelegentlich bis 14 Tage vor den Weibchen. Auch wenn Männchen und Weibchen am selben Tag eintreffen, erfolgt die Paarbildung in Mitteleuropa in der Regel erst im Brutrevier. In Einzelfällen kann das Weibchen auch als erstes eintreffen. Männchen besetzen sofort nach Ankunft ein Territorium und verteidigen es gegen Artgenossen. Die Paarbildung beginnt unmittelbar nach Eintreffen der Weibchen im Revier und dauert wenige Tage. Die Nistplatzwahl erfolgt durch das Weibchen offenbar aber nur nach Vorauswahl und „Zeigen“ durch das Männchen. Neststand in oft tiefen Höhlungen und Spalten im Boden und in vertikalen Strukturen in Bodennähe, selten bis gegen 6 m Höhe (ausnahmsweise 12–15m). Je nach Angebot unter Steinblöcken, -platten und Wurzelstöcken, in Felsspalten oder Erdhöhlen an Steilwänden, mitunter in Uferschwalbenröhren und regional auch zur Hauptsache in leerstehenden Nagerbauen (Murmeltier, Kaninchen, Ziesel, Hamster), seltener in Höhlen von Fuchs oder Brandgans Sehr häufig auch in künstlichen Strukturen wie Steinhaufen und Stapel von Holz, Bau- und Feuerungsmaterialien (ausnahmsweise Stroh-, Reisig- und Misthaufen, in Hochmooren hingegen regelmäßig in Torfmieten), unter Metallplatten, Eisenbahnschwellen und -weichen (auch regelmäßig befahrener Zugstrecken), in Röhren, Metallhülsen, -dosen u.ä. Besonders beliebt sind jedoch einseitig abgedeckte, alte Stützmauern, denen nicht nur vor beidseits freien Bruchsteinmauern, sondern auch vor den meisten natürlichen Standorten der Vorzug gegeben wird. Ferner in Mauerlöchern von Ruinen oder Gebäuden, Ziehbrunnen, hinter Verschalungen von Erdwällen (militärische Stellungen) und bisweilen unter den Dächern kleinerer Gebäude, zumindest in Europa aber nur selten von Wohnhäusern obwohl die Nähe des Menschen keineswegs gemieden wird und manche Nistplätze direkt an stark befahrenen Verkehrsträgern liegen. Ausnahmsweise wurden Bruten in Asthöhlen, unter einem dichten Busch und in einem Starenkasten bekannt. Bereitwillig nehmen Steinschmätzer jedoch entsprechend konstruierte Nisthilfen an. Das Nest ist stets nach oben geschützt und liegt häufig in einer Ausweitung am Ende eines etwa 20–50 cm langen, engen, waagrechten bis steil abwärts führenden Ganges. Oft, besonders wohl bei untiefen Höhlungen, ist der Eingang so schmal, dass die Vögel gerade durchzuschlüpfen vermögen. Das Nest ist ein unordentlicher, locker gefügter Haufen aus trockenen Halmen, Stängeln, kurzen Ästchen, Würzelchen, Koniferennadeln u.ä., dessen flache Mulde dick mit Federn oder feinen Halmen, aber auch Haaren, Wolle, Filz, Watte und anderen Fasern ausgekleidet ist und dadurch oft ein massives Aussehen erhält. In seltenen Fällen kann das Nest nur aus Haaren bestehen. Beginn des Nestbaus kurz nach der Verpaarung oder auch mit mindestens einwöchigem, bei schlechtem Wetter auf über 10 Tage ausgedehntem Verzug. In vielen Fällen beteiligen sich beide Partner zu etwa gleichen Teilen am Rohbau, während der Innenausbau (stets?) vom Weibchen allein übernommen wird. Nicht selten beschränkt sich das Männchen von Beginn an auf eine passivere Rolle oder trägt überhaupt nicht ein, begleitet dann aber das 0,1 häufig. Gewöhnlich dauert die Fertigstellung des Nestes 6–9 Tage, manchmal aber auch weniger, so dass am 5. Tag die Eiablage beginnen kann. In der Regel errichten Steinschmätzer für Zweit- und Ersatzgelege ein neues Nest. Dieses kann bereits vor Ablage des Erstgeleges im Rohbau erstellt werden. Die Eier sind elliptisch bis oval, glattschalig, glanzlos bis mattglänzend und ungezeichnet einfarbig hellblau mit grünlichem Schimmer. Hin und wieder mit einigen meist undeutlichen hellen oder auch dunkleren, rostbraunen Pünktchen am stumpfen Ende. Gelegegröße meist 5 oder 6, nur halb so oft 4, seltener 3 oder 7 Eier. Hauptlegebeginn ist in weiten Bereichen des gemäßigten W Eurasiens in der 1. Maidekade; er verzögert sich im N der Deutschlands um durchschnittlich 7 Tage gegenüber dem Süden des Landes. Früheste Eiablagen in den höheren Regionen Mitteleuropas nicht vor Mitte Mai, bei den nördlichsten Populationen liegen die frühesten Termine ab Mitte Juni. Zweitbruten können in Tieflagen von Mitteleuropa noch Ende Juni begonnen werden. Zweitbruten kommen in gemäßigten Breiten regelmäßig vor, sind in wenigen Fällen sogar für alpine Bereiche nachgewiesen. Beginn der Zweitbrut nach dem Selbständigwerden der Jungen, aber auch schon, während diese vom Weibchen außerhalb des Nestes betreut und mitunter bereits zu Ende derer Nestlingszeit Nachgelege verunglückter Erstbruten sind dagegen überall die Regel und können innerhalb eines Tages nach dem Verlust in Angriff genommen werden. Die Brutdauer beträgt 13–14 Tage. Die Eiablage erfolgt täglich in den Morgenstunden. Beginn der Bebrütung in der Norddeutschen Tiefebene mit Ablage des letzten Eies. Die Nestlinge schlüpfen fast gleichzeitig oder zumindest innerhalb von 12 h, seltener fällt ein Nesthäkchen einen Tag später aus als die übrigen. In den Alpen sind hingegen erhebliche Unterschiede die Regel. Die Bebrütung setzt hier (wegen der kalten Nächte?) oft schon beim ersten Ei ein Im Normalfall verlassen die Jungen das Nest mit 13–15 (16) Tagen, bei Störungen bereits mit 10 Tagen. Das Flugvermögen erlangen sie mit 17–19 Tagen, dennoch werden sie 10–15 Tage in unmittelbarer Nestnähe weiter gefüttert. Nahrung in der Natur: Überwiegend Insekten, daneben auch andere Arthropoden (Hundertfüßer, Spinnen u. a.), Würmer, Schnecken und bisweilen pflanzliche Nahrung. Oft dominieren Käfer und Schmetterlinge sowie deren beider Larven, auch Zweiflügler (Fliegen, Schnaken), Hautflügler (Ameisen, Goldwespen, Hummeln) oder Heuschrecken und Grillen sind häufige Beute. Massenvorkommen einzelner Arten, wie Schnaken, Raupen und Schmetterlinge, Heuschrecken oder „Drahtwürmer“ (Larven der Schnellkäfergattung Agriotes) können den Großteil der Nestlingsnahrung ausmachen. Ameisen haben besonders im zeitigen Frühjahr und im Sommer als Ausweichnahrung eine große Bedeutung. Vor allem bei nördlichen Populationen dürften im Herbst neben trockenen Samen auch Beeren von größerer Bedeutung sein. Bei der Streifsuche bewegen sich Steinschmätzer zu Fuß und picken Nahrungsobjekte vom Boden auf, graben sie aus oder fangen sie manchmal auch nach kurzem Verfolgungsflug, aus der Luft. An kalten Tagen können inaktive Insekten durch Wenden von Blättern und Rindenstückchen ausfindig gemacht werden; mitunter stöbern Steinschmätzer auch in Nischen und Höhlen. An der Küste oft beim Nahrungserwerb in Seevogelkolonien, in Grönland (Oe. oe. leucorhoa) wurden sie auch beim Abpicken von Parasiten vom Rücken von Walrossen beobachtet. Die Wartenjagd erfolgt von einem erhöhten Punkt. Der Vogel erspäht ein potentielles Beutetier am Boden oder in der Luft und fängt es nach Würger- oder Schnäpperart, im zweiten Fall bis 10 m hoch und 30 m weit fliegend. Anschließend kehrt er zur Warte zurück oder bezieht eine neue. Streifsuche kann anschließen. Bisweilen geht dem Aufschnappen ein kurzes Rütteln voran, auch das Ablesen von Insekten von Baumstämmen aus dem Rüttelflug und ausgiebiges Rütteln in der Art von Turmfalken wurden beobachtet Haltung und Zucht: Informationen über die Haltung und Zucht des Steinschmätzers finden sie in dem hervorragenden Artikel von Thomas Wendt in den AZN 2004 Seite 130 und im AZ Lexikon auf www.azvogelzucht.de Literaturquellen: http://www.vogelfreundekaltenkirchen.de http://www.natura2000.rlp.de Limbrunner, Bezzel, Richarz, Singer „Enzyklopädie der Brutvögel Europas“ Kosmos „Urs N. Glutz von Blotzheim „Handbuch der Vögel Mitteleuropas“ Vogelzug Verlag Beaman / Madge „Handbuch der Vogelbestimmung Ulmer