UMWELTWISSEN/ÖKOLOGIE: 3. Menscheitsgeschichte. Bevölkerungsentwicklung UW - 3/4 (5) Konstante Pro-Kopf-Zuwachsraten führen zu exponentiellem Wachstum, das durch konstante Verdopplungszeiten charakterisiert ist. Verdopplungszeit = 70 / Zuwachsrate (in Prozent pro Zeit) (Halbwertszeit = 70 / Schwundrate (in Prozent pro Zeit)) Beispiele: Indien: 2004 1087 Mill. Einwohner b = 2.5 %/a, d = 0.8 %/a → r = 1.7 %/a → 1628 Mill. Einwohner im Jahre 2050 Deutschland: 2004 82.6 Mill. Einwohner b = 0.9 %/a, d = 1.0 %/a → r = -0.1 %/a → 75.1 Mill. Einwohner im Jahre 2050 Welt: 2004 6.4 Mrd. Einwohner b = 2.1 %/a, d = 0.9 %/a → r = 1.3 %/a → 9.284 Mrd. Einwohner im Jahre 2025 Ein weiteres exponentielles Wachstum der Weltbevölkerung führt zu absurden Zahlen in überschaubaren Zeiträumen, so dass (und zwar bald) eine freiwillige oder zwangsläufige Begrenzung erfolgen muss. 3.3.2. Wachstum mit begrenzter Tragfähigkeit und demografischer Übergang (1) Ein Bevölkerungsgleichgewicht erfordert eine Anpassung der Geburtenrate an die Sterberate (“demografischer Übergang”). Dies zeigt sich bei natürlichen Populationen im logistischen Wachstum, dem eine interne Dichteregulation zugrunde liegt. Bei der menschlichen Bevölkerung ist - vor allem aus soziologischen Gründen und Wandlungen der Gesellschaftsstruktur - die Reproduktionsrate explizit zeitlichen Veränderungen unterworfen. (2) In den Industrieländern hat sich die Geburtenrate weitgehend an die gesunkene Sterberate angepasst, der demografische Übergang hat sich (aus vielerlei Gründen) vollzogen. (3) In den Entwicklungsländern ist die Sterberate in diesem Jahrhundert ebenfalls stark gesunken, während die Geburtenrate weiterhin hoch ist. Als Folge entsteht ein starkes Bevölkerungswachstum. 3.3.3. Demografische Prognosen (1) Die Bevölkerungspyramide ist die grafische Darstellung des Altersaufbaus einer Bevölkerung (nach Geschlechtern differenziert). Ihre Form ist durch Ereignisse in der Vergangenheit bestimmt, und sie erlaubt Vorhersagen der künftigen Entwicklung. Die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Alter und nach dem Geschlecht bestimmt die Anforderungen an Versorgung und Infrastruktur (Schulen, Arbeitsplätze, Studenten, Rentner) sowie die weitere zahlenmäßige Entwicklung (Kinder, Arbeitsfähige, Rentner). UMWELTWISSEN/ÖKOLOGIE: 3. Menscheitsgeschichte. Bevölkerungsentwicklung (2) In Ländern mit relativ stationärer (d.h. zeitlich konstanter) Bevölkerung hat die Pyramide Rechteckform: die Generation der Kinder ersetzt (fast genau) die der Eltern. Rechteck- oder Glockenform: bis 50 Jahre nahezu rechteckig, dann altersbedingte Verjüngung (durch die zunehmende Mortalität); bei schrumpfender Bevölkerung sogar “Urnenform”! (3) In Ländern mit stark anwachsender Bevölkerung hat die Pyramide eine Dreiecksform (mit sich verbreiternder Basis): die Generation der Kinder ist größer als die der Eltern. Entwicklungsländer: hoher Kinderanteil (40 % der Bevölkerung unter 15 Jahre!) und hohe Fruchtbarkeit → weiteres rasches Wachstum vorprogrammiert → auch einschneidende Maßnahmen zur Geburtenregulierung führen erst nach Jahrzehnten zur Stabilisierung der Bevölkerungszahl (4) Damit jede Generation sich selbst ersetzt, muss im Mittel jede Frau eine (überlebende) Tochter haben (d.h. Netto-Reproduktionsrate NRR = 1). aber: Geburtenkontrolle greift frühestens nach einer Generation, und die Kinder von heute sind die Eltern von morgen! (5) a) Die altersspezifische Mortalität (= Anzahl der Todesfälle pro Jahr auf 1000 Männer bzw. Frauen in jeder Alters-klasse) bestimmt - bei konstanten äußeren Bedingungen - die Überlebenskurve. b) Die altersspezifische Fertilität ist die Zahl der Geburten auf 1000 Frauen jeden Altersjahrgangs. (6) Das Grundschema eines Bevölkerungsmodells sieht so aus (als Zeitschritt sei z.B. ein Jahr gewählt): 1) in jeder Altersklasse Sterbefälle abziehen (Anzahl Personen mal spezifische Mortalität) 2) Geburtenzahl ermitteln (Summe über Anzahl Frauen mal Fertilität) 3) alle um eine Altersklasse altern 4) Neugeborene als unterste Altersklasse einführen UW - 3/5 Genauere Prognosen erfordern eine Abschätzung der zukünftigen Entwicklung der Fertilitäten als auch eine Berücksichtigung von Ein- und Auswanderungsvorgängen (soziologische Trends!). UMWELTWISSEN/ÖKOLOGIE: 3. Menscheitsgeschichte. Bevölkerungsentwicklung UW - 3/6 (7) Die Bevölkerungspyramide Deutschlands wird in den nächsten Jahrzehnten schrumpfen und dann zunehmend alterslastiger werden. Die absehbaren Kosequenzen dieser Entwicklung für das System der sozialen Sicherung in Deutschland (z.B. die Renten) sind der Grund für die Notwendigkeit einschneidender (aber sozial gerechter !) Reformen. Tendenzen: - nach 1990 starker Rückgang der Personen, die auf den Arbeitsmarkt drängen - dann ständiger Rückgang an Erwerbspersonen - “Rentnerberg” ab etwa 2020 - insgesamt stark verkleinerte Bevölkerung mit weiter abnehmender Tendenz Fakten: - in Industrieländern zehnmal höherer Getreidekonsum (wegen Fleischverbrauch) als in Entwicklungsländern - bis zu fünfzigfach höherer Rohstoff- und Energieverbrauch in den Industrieländern - mit zunehmender Verschlechterung der Umwelt wächst spezifischer Mitteleinsatz für Ressourcenerschließung, Entsorgung, Umweltschutz (3) Der Mensch benötigt täglich etwa 10 000 kJ Nahrungsenergie (dies entspricht etwa 500 g Getreide), davon sollen rund 1 000 kJ Eiweiß (= 50 g) sein. 3.4. Gegenwärtige und zukünftige Versorgung der Weltbevölkerung (1) Die Weltbevölkerung wird noch mehrere Jahrzehnte lang um 70 bis 80 Millionen Menschen pro Jahr wachsen und sich frühestens in einigen Jahrzehnten bei etwa 8 bis 12 Milliarden stabilisieren. Bem.: Selbst bei sofortiger strenger Geburtenkontrolle ist eine Stabilisierung erst nach ein bis zwei Generationen zu erwarten! (2) Die Umweltbelastungen werden noch schneller als die Bevölkerungszahl steigen, da immer mehr Länder den Verschwendungskonsum der Industrieländer anstreben. Der Jahresbedarf an Energie liegt somit bei insgesamt 180 bis 200 kg Getreide, davon etwa 10% in Form von Eiweiß. Der tierische Anteil an Eiweiß sollte wiederum davon 10% betragen (das entspricht dem weltweiten Durchschnitt, Deutschland liegt dagegen bei 40 % !). (4) Die Nahrungsmittelproduktion pro Kopf der Bevölkerung sinkt in vielen Ländern und liegt zum Teil erheblich unter dem Bedarf. Ursachen: - wachsende Bevölkerungszahl - Witterungs- und Klimaänderungen - Kultivierung weniger fruchtbaren Landes - kürzere Brachperioden - hohe Energiekosten → Energiemangel - hohe Düngerkosten → Düngermangel - Dung und Feuerholz als Brennmaterial - Bewässerung ohne ausreichende Entwässerung → Versalzung - Überkultivierung und Überweidung - Weltmarkteinbindung (Preis am Bedarf orientiert !) (5) Trotz der Möglichkeit einer weltweit ausreichenden Nahrungsproduktion leidet etwa die Hälfte der Menschheit ständig unter Hunger. Etwa ein Drittel der jährlichen 50 Millionen Sterbefälle ist die Folge von Hunger; Kinder werden bleibend geschädigt. UMWELTWISSEN/ÖKOLOGIE: 3. Menscheitsgeschichte. Bevölkerungsentwicklung UW - 3/7 Pro-Kopf-Erzeugung stagniert bzw. sinkt (Afrika !), → Folge: fast 2 Milliarden ständig hungrig, über 1 Milliarde unterernährt, 400 Millionen ständig am Rande des Verhungerns !! Dabei ist die gesamte Welt-Nahrungsmittelproduktion theoretisch ausreichend, um (gegenwärtig noch) alle Menschen zu ernähren. (6) Der Pro-Kopf-Verbrauch an Getreide ist in den Industrieländern zehnmal so hoch wie in den Entwicklungsländern. Bei rein pflanzlicher Ernährung könnten allerdings zehnmal so viele Menschen vom Ertrag der gleichen Fläche leben. Beispiel: Pro-Kopf- Energieverbrauch (umgerechnet auf Kilogramm Steinkohle = kg SKE = 30 MJ): - USA 12 000 kg SKE - Deutschland 6 000 kg SKE - Entw.länder < 500 kg SKE Unterschiede im Klima, vor allem aber Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Effizienz der Energienutzung (Technik, Gewohnheiten, Ansprüche) haben entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Pro-Kopf-Energieverbrauchs. Asien: 135 - 180 kg/Jahr, davon 75% direkt verbraucht (8) Der zukünftige weltweite Energiebedarf (und damit die daraus resultierenden Umweltbelastungen) hängen ganz entscheidend von der weiteren Bevölkerungsentwicklung und der Technikwahl ab. Energieund rohstoffsparende Technologien und erneuerbare Energiequellen könnten - bei gleicher Dienstleistung die Umwelt- und Ressourcenbelastungen erheblich senken. Deutschland: 80 % der landwirtschaftl. Fläche für die Erzeugung von Viehfutter genutzt Ungarn: 1500 kg Getreide pro Jahr, davon 1300 kg verfüttert, um 155 kg Fleisch zu produzieren Bei fast allen Dienstleistungen (warmer Raum, Beleuchtung, Personentransport, Produktion von Gütern) lassen sich Energieund Rohstoffaufwand und damit die Umweltbelastungen noch erheblich reduzieren: Ohne Kraftfutteranbau für die Viehmast, d.h. bei pflanzlicher Nahrung und Weideviehhaltung, könnte die heutige Anbaufläche etwa die doppelte Zahl von Menschen ausreichend ernähren. Wenn man davon ausgeht, dass ein hoher Energie-bedarf pro Kopf weltweit erstrebenswert sei und dieser durch konventionelle Ener-gien (einschließlich Kernenergie) gedeckt werden muss, ergi-bt sich ein stark steigender Weltenergiebedarf. Da nur ein kleiner Teil regenerativ gedeckt werden kann, muss nach der Erschöpfung der fossilen Brennstoffe die Energieversorgung zusammenbrechen. (7) In den Industrieländern liegt der Energie- und Rohstoffverbrauch pro Kopf zwanzig- bis fünfzig mal höher als in den Entwicklungsländern. Er ist zugleich ein Maß für die Umwelt- und Ressourcenbelastungen. Das Ziel kann somit nur darin bestehen, effizientere Energienutzungstechniken zu entwickeln, so dass durch geringeren spezifischen Energieeinsatz und zunehmenden Anteil an regenerativen Energien der Weltenergiebedarf nicht weiter steigt, sondern deutlich sinkt.