1 Katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie (MIM ID 604772, 611938, 614021, 614916) Allgemeines Bei der katecholaminergen polymorphen Kammertachykardie (CPVT) handelt es sich um eine schwere, genetisch bedingte arrhythmogene Störung mit adrenerg induzierter Kammertachykardie (VT), welche sich als Synkope oder auch plötzlicher Herztod äußert. Bisher wurden vier Typen der CPVT (CPVT1-4) gefunden. Die Prävalenz der Erkrankung wird in Europa auf 1:10.000 geschätzt. Das typische Erkrankungsalter liegt bei beiden Geschlechtern etwa zwischen dem siebten und neunten Lebensjahr. Krankheitsbild/Indikation Auf Grund der Synkope ist die CVPT ist eine schwere und oft tödlich endende Krankheit. Allerdings kann durch eine frühzeitige Diagnose und eine angemessener Behandlung die Lebenserwartung deutlich erhöht werden. Hierzu zählen eine verminderte körperliche Belastung sowie in Verbindung mit einer Betablocker-Therapie. Des Weiteren bieten ICDImplantate eine vorteilhaft verbessert Prognose. Die synkopale Anfälle nach körperlichen Belastungen und plötzliche Emotionen gehören meist zu den ersten Symptomen. In geschätzen 10 bis 20% der Fälle wird leider der plötzliche Herztod als Erstsymptom festgestellt. Zu den typische Arrhythmieformen bei CPVT zählen die bidirektionale ventrikuläre Tachykardie sowie, in selteneren Fällen, die supraventrikuläre Tachykardie mit Vorhofflimmern. Zu den wichtigsten Differentialdiagnosen zählen das Long-QT-Syndrom (LQTS), die Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC) sowie das Andersen-TawilSyndrom. Bei Personen, bei denen in der Familie eine emotionsbedingte Synkope zur CPVT oder einem plötzlichen Herztod führte, hervorgerufen durch körperliche Belastungen oder emotionale Gründe, sollten einen Belastungs-Stresstest und ein so genanntes HolterMonitoring in Betracht ziehen. In aller Regel sind das Ruhe-EKG sowie kardialen Bildgebungen (Echokardiogramm und MRI) in typischen CPVT-Fällen unauffällig. Genetik Die Erkrankung folgt einem autosomal-dominanten Erbgang. Sie wird in einem Großteil der Fälle (ca. 55-65%, CPVT1) durch Mutationen im RYR2-Gen (180902) hervorgerufen, das auf 1q43 lokalisiert ist und für den Ryanodin Rezeptor 2 kodiert. Dieser gehört zur Gruppe der Calciumionenkanäle dessen Aktivierung die Freisetzung von Calciumionen aus dem sarkoplasmischen Retikulum in das Zytosol bewirkt. Somit spielen diese Rezeptoren eine wichtige Rolle bei der Auslösung von Muskelkontrationen. Das Gen besteht aus 105 Exons. Als weitere Gene, die zu einer CPVT führen können, wurden die Gene CASQ2 (114251) sowie CALM1 (114180) identifiziert. CASQ2 ist auf 1p13.1 lokalisiert und kodiert für das Protein Calsequestrin 2. Hierbei handelt es sich um ein Calcium-bindendes Protein, welches in Muskelzellen von Wirbeltieren zu finden ist. Genauer, in den Cisternen des sarkoplasmatischen Reticulums. Das Gen besteht aus 11 Exons. Das Gen CALM1 kodiert für Calmodulin 1 und ist auf 14q32.11 lokalisiert. Hierbei handelt es sich ebenfalls um ein Calcium-bindendes regulatorisches Protein. Es ist in der glatten Muskulatur an Aktin gebunden und reguliert hier die Kontraktion. Das Gen besteht aus 6 Exons. Das für die CPVT3 ursächliche Gen konnte bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht identifiziert werden. Eine Zusammenfassung der verschiedenen betroffenen Gene der CPVT finden sie in Tabelle 1. Tabelle 1: Mögliche betroffene Gene bei CPVT 2013 INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE GENETIK UND MOLEKULARE MEDIZIN – MOLEKULARGENETISCHE DIAGNOSTIK DRES. A. & H. JUNG – PAUL-SCHALLÜCK-STR. 8 – D-50939 KÖLN 2 CPV Typ 1 Typ 2 Typ 3* MIM 604772 611938 614021 Gen RYR2 CASQ2 MIM 180902 114251 Locus 1q43 1p13.1 7p22-p14 Exons 105 11 Typ 4 614916 CALM1 114180 14q32.11 6 * zum jetzigen Zeitpunkt noch kein ursächliches Gen identifiziert Diagnostik Aus Lymphozyten das peripheren Blutes wird zunächst die genomische DNA isoliert. Anschließend wird die DNA mittels Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) amplifiziert und es werden alle Exons der möglichen betroffenen Gene inklusive der Intron/Exonspleißregionen sequenziert und hinsichtlich Mutationen analysiert. Darüber hinaus wird mittels MLPA (multiplex ligation-dependent probe amplification) im RYR2-Gen eine Deletions- bzw. Duplikationssuche durchgeführt. Untersuchungsmaterial 2-4 ml EDTA-Blut Dauer der Untersuchung je Gen 2-8 Wochen Literatur Texte in Anlehnung an: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/GeneTests/review?db=GeneTests GeneTests™ http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1116 GeneReviews™ http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed PubMed http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim Online Mendelian Inheritance in Man® (OMIM®) http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/index.php?lng=EN orphan.net (The portal for rare diseases and orphan drugs) Priori, S. G., Napolitano, C., Tiso, N., Memmi, M., Vignati, G., Bloise, R., Sorrentino, V., Danieli, G. A. Mutations in the cardiac ryanodine receptor gene (hRyR2) underlie catecholaminergic polymorphic ventricular tachycardia. Circulation 103: 196-200, 2001. Lahat, H., Pras, E., Olender, T., Avidan, N., Ben-Asher, E., Man, O., Levy-Nissenbaum, E., Khoury, A., Lorber, A., Goldman, B., Lancet, D., Eldar, M. 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