1 Sick-Sinus-Syndrom / Sinusknotensyndrom / Sinusknoten-erkrankung (MIM ID 609620, 609621, 609622) Allgemeines Bei dem Sick-Sinus-Syndrom (SSS) handelt es sich um ein kardiales Syndrom, bei dem die Manifestationen aus der symptomatischen Sinusbradykardie, dem Sinusknotenblock und/oder Sinusarrest, einem Sinusknotenfunktionsausfall mit einer Ineffektivität von distalen Schrittmacherzentren, dem Ersatz des Sinusrhythmus durch ektope Rhythmen sowie dem Auftreten von intermittierendem oder auch chronischem Vorhofflimmern besteht. Des Weiteren besteht eine vermehrte Inzidenz von atrioventrikulären Überleitungsstörungen sowie von generalisierten Reizleitungsstörung des Herzens. Die idiopathische Form des SSS mit einer familiären oder genetischen Ätiologie tritt zunehmend bei Kindern und Jugendlichen auf. Krankheitsbild/Indikation In Abhängigkeit von der Schlagfrequenz des Herzens kann eine unterschiedliche Symptomatik auftreten. Verringert sich die Herzfrequenz auf unter 50 pro Minute, so können Schwindel sowie Ohnmachtsanfälle auftreten. Liegt hingegen ein dauerhaft stark verlangsamter Herzrhythmus vor, so kommt es typischerweise zu Zeichen einer Herzschwäche. Hierzu gehören eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit, Kurzatmigkeit und Wassereinlagerungen in der Lunge sowie in den Beinen. Bestätigt werden kann eine verminderte Herzleistung durch häufiges nächtliches Wasserlassen sowie die Unfähigkeit, im Bett ganz flach zu liegen. In Phasen einer Überaktivität des Sinusknotens kann es jedoch zu Herzklopfen, Atembeschwerden und einem Beklemmungsgefühl auf der Brust (Angina pectoris) kommen. Auftretende Schmerzen auf der Brust können typischerweise in den linken Arm oder auch den Hals ausstrahlen. Genetik Die Erkrankung folgt einem autosomal-dominanten oder autosomal-rezessiven Erbgang je nach betroffenem Gen. Zu den möglichen betroffenen Gene gehören: SCN5A (600163) ist auf 3p22.2 lokalisiert und kodiert für eine Untereinheit eines Natrium Ionen-Kanals mit der Bezeichnung Sodium Channel, Voltage-Gated, Type V, Alpha Subunit. Das Protein ist hauptsächlich in Herzmuskelzellen zu finden. Es liegt eine autosomalrezessive Vererbung mit compound heterozygous Mutationen zu Grunde. Das Gen besteht aus 28 Exons. Das Gen HCN4 (605206) kodiert für einen Kanal mit der Bezeichnung HyperpolarizationActivated Cyclic Nucleotide-Gated Potassium Channel 4 und ist auf 15q24.1 lokalisiert. Der Kanal ist größtenteils in der Schrittmacher-Region des Herzens zu finden. Er unterstützt die autonome Kontrolle der Schlagrate. Das Gen besteht aus 8 Exons. MYH6 (160710) ist auf 14q11.2 lokalisiert und kodiert für das Protein Myosin, Heavy Chain 6, Cardiac Muscle, Alpha. Kardiales Muskle Myosin ist ein Hexamer und besteht aus zwei Schwerketten Untereinheiten, zwei Leichtketten Untereinheiten sowie zwei regulatorischen Untereinheiten. Das Gen besteht aus 39 Exons. Tabelle 1: Mögliche betroffene Gene bei dem Sick-Sinus-Syndrom SSS Typ 1 Typ 2 Typ 3 MIM 608567 163800 614090 Gen SCN5A HCN4 MYH6 MIM 600163 605206 160710 Locus 3p22.2 15q24.1 14q11.2 Exons 28 8 39 2013 INSTITUT FÜR MEDIZINISCHE GENETIK UND MOLEKULARE MEDIZIN – MOLEKULARGENETISCHE DIAGNOSTIK DRES. A. & H. JUNG – PAUL-SCHALLÜCK-STR. 8 – D-50939 KÖLN 2 Diagnostik Aus Lymphozyten das peripheren Blutes wird zunächst die genomische DNA isoliert. Anschließend wird die DNA mittels Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) amplifiziert und es werden alle Exons der Gene SCN5A, HCN4 und MYH6 inklusive der Intron/Exonspleißregionen sequenziert und hinsichtlich Mutationen analysiert. Darüber hinaus wird mittels MLPA (multiplex ligation-dependent probe amplification) eine Deletions- bzw. Duplikationssuche im SCN5A Gen durchgeführt. Untersuchungsmaterial 2-4 ml EDTA-Blut Dauer der Untersuchung je Stufe 2-6 Wochen Literatur Texte in Anlehnung an: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/GeneTests/review?db=GeneTests GeneTests™ http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1116 GeneReviews™ http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed PubMed http://www.ncbi.nlm.nih.gov/omim Online Mendelian Inheritance in Man® (OMIM®) http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/index.php?lng=EN orphan.net (The portal for rare diseases and orphan drugs) Ward, D. E., Ho, S. Y., Shinebourne, E. A. Familial atrial standstill and inexcitability in childhood. Am. J. Cardiol. 53: 965-967, 1984. Surawicz, B., Hariman, R. J. Follow-up of the family with congenital absence of sinus rhythm. Am. J. Cardiol. 61: 467-469, 1988. Beyer, F., Paul, T., Luhmer, I., Bertram, H., Kallfelz, H. C. Familiaeres idiopathisches Vorhofflimmern mit bradyarrhythmie. Z. Kardiol. 82: 674-677, 1993. Benson, D. W., Wang, D. W., Dyment, M., Knilans, T. 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