Elektrische Impulse bringen Ohr, Hirn und Hüfte wieder auf Trab

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Elektrische Impulse bringen Ohr, Hirn
und Hüfte wieder auf Trab
Prof. Dr. Ursula van Rienen
Sprecherin des Graduiertenkollegs 1505
Dr.-Ing. Sabine Petersen
Fakultät für Informatik und Elektrotechnik
Institut für Allgemeine Elektrotechnik
16. Juni 2009
Interdisziplinäre Fakultät
Fakultät für Informatik und Elektrotechnik
Medizinische Fakultät
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik
Übersicht
•
welisa – Kurzer Überblick
•
Wie übermitteln Nervenzellen Informationen?
•
Was ist Tiefe Hirnstimulation?
•
Wozu werden numerische Simulationen verwendet?
•
Wie können Gehörlose dank Elektroden hören?
•
Warum werden Knochen elektrisch gereizt?
•
Zusammenfassung
Elektrisch stimulierte Implantate (2)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
welisa – Kurzer Überblick
Elektrisch stimulierte Implantate (3)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
welisa – Kurzer Überblick
• 14 von 16 Stipendien sind seit 1.10.2008 stufenweise besetzt worden
• 50 % Doktorandinnen (2xET, 2xCE, 1xMath., 1xBiol., 1xChem. (aktuell 7 : 7)
• 1 Nachwuchswissenschaftlerin (Post-Doc)
Elektrisch stimulierte Implantate (4)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
welisa – Kurzer Überblick
Fokus
Elektrische Implantate zur Unterstützung von Körperfunktionen, die durch
Krankheit, Unfall oder Alter eingeschränkt sind.
Ziele der Forschung
• Verbesserte und neue Funktionen
• Höhere Verträglichkeit
• Längere Haltbarkeit
Voraussetzung
Theoretisches Verständnis, Modellbildung und experimentelle Validierung
Elektrisch stimulierte Implantate (5)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
welisa – Kurzer Überblick
A-4
A-5
A-6
A-3
A-7
A-2
B-1
A-1
B-2
B-10
B-3
B-9
B-4
B-8
B-7
B-6
B-5
Elektrisch stimulierte Implantate (6)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Nervenzellen
Nervensystem:
• Basis: Neuron (Nervenzelle)
– Informationstransport durch
Nervenimpulse
– ca. 100 Jahre funktionsfähig
– ca. 1011 Neuronen im Alter von
ca. 1 Jahr (= Maximum)
– täglicher Verlust: ca. 200.000
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Nervensystem
Elektrisch stimulierte Implantate (7)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Nervenzelle
Dendriten
Hauptbestandteile:
Zellkern
Zellkörper
(=Soma)
Axonhügel
Myelinscheide
Ranvierscher Schnürring
(=Markscheide)
Axon
• Dendrit:
- Signalaufnahme
• Zellkern:
- Zentrum
• Axonhügel:
- codiert und verstärkt
• Axon:
- Fortleitung des Signals
• Synapse:
- Übertragung der Signale an
die nächsten Neurone
Synapse / mot. Endplatte
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Nervenzelle
Elektrisch stimulierte Implantate (8)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Ruhepotential
Ladungsverteilung entlang der Membran des Axons
+_+_+_+_+_ +_ +_ +_ +_ +_ +_ +
+_
+ _+ _+ _+ _+ _+ _+ _+_+_+_+_+
_+
_+
__
___________________________
+++++++++++++++++++++++++++
• Ruhepotential:
- elektrisches Potential des
Neurons im elektrochemischen
Gleichgewichtszustand
- Natrium-Kaliumpumpe pumpt
Natrium aus und Kalium in die
Zelle
Na+-Kanal
K+-Kanal Na+-K+-Pumpe
- Ladungstrennung an der
http://www.epub.org.br/cm/n10/fundamentos/pot2_i.htm
Membran
- Spannung: -70mV
Elektrisch stimulierte Implantate (9)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Auslösung eines Signals
• Ladungen werden räumlich und
zeitlich summiert
- räumlich: mehrere schwache
Signale werden in ein starkes
Signal konvertiert
- zeitlich: schnelle Serie schwacher
Impulse einer Quelle wird in ein
starkes Signal konvertiert
Tom Reimer, Stipendiat, welisa
• Gesamtsignal wird an Zellkörper (Soma) weitergeleitet
- falls Signal größer als Schwellenwert: das Neuron „feuert“ – ein
Ausgangssignal wird das Axon entlang übertragen
- Stärke des Ausgangssignals ist konstant (unabhängig von Größe
über Schwellenwert) und erreicht alle Endknöpfchen (Synapsen)
Elektrisch stimulierte Implantate (10)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Aktionspotential
Extrazelluläre
Flüssigkeit (wässrig)
Neuron
Na+-Kanal
K+-Kanal
Na+,
K+
Na+-K+-Pumpe
•
•
•
•
•
•
•
Initiationsphase
Depolarisation
- Membranpotential nimmt
Repolarisation
- durch
Öffneneinen
der Natriumkanäle
Reiz ab
Nachhyperpolarisation
Langsamere
- Einstrom
der Kaliumkanäle
Natriumionen
Depolarisation
Refraktärzeit
Erhöhtesich
Kaliumkonzenöffnen
- Öffnen
weiterer
Repolarisation
Axon ist
nicht
erregbar
tration
führt
zum
- Natriumkanäle
Schließen
der
Nachhyperpolarisation
Überschwingen
Natriumkanäle
- Starker
Anstieg der
Refraktärzeit
den ab
- Spannung unter
sinkt wieder
Ruhewert
Nachhyperpolarisation
• Repolarisation
Refraktärzeit
• Nachhyperpolarisation
osmotischer Effekt
• Refraktärzeit
elektrischer Effekt
Bildquelle und Quelle der Animation: http://www.epub.org.br/cm/n10/fundamentos/pot2_i.htm
Elektrisch stimulierte Implantate (11)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Erregungsleitung
• Bei marklosen Axonen laufen die Aktionspotentiale kontinuierlich über
das Axon: kontinuierliche Erregungsleitung.
• Bei markhaltigen Axonen springen die Aktionspotentiale von Schnürring
zu Schnürring: saltatorische Erregungsleitung.
Bildquelle: http://www.vobs.at/bio/a-phys/a-neuro-1.htm (Vorarlberger Bildungsserver)
Elektrisch stimulierte Implantate (12)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Intensität des Signals
• Amplitude der Aktionspotentiale ist
entlang des Axons stets gleich
• Alle Signale haben die gleiche
Amplitude, d.h. unabhängig von der
Stärke des Reizes (Alles-oder-NichtsPrinzip)
• Je stärker der Reiz, desto mehr
Aktionspotentiale pro Zeiteinheit
• Frequenz ist durch Refraktärzeit des
Neurons beschränkt (meistens <500/s)
Bildquelle: http://www.vobs.at/bio/a-phys/a-neuro-1.htm (Vorarlberger Bildungsserver)
Elektrisch stimulierte Implantate (13)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Frontal cortex 28 div, MAP2 (green) and 200 kD MAP3 like antibody
(red; courtesy of Walter Steffen), nuclei blue
Mit freundl. Genehmigung durch D.G. Weiss, Rostock
Neurone in neuronaler Netzwerkkultur
U. van Rienen; J. Flehr; U. Schreiber; S. Schulze; U. Gimsa; W. Baumann; D.G. Weiss; J. Gimsa; R. Benecke;
H.-W. Pau. Electro-Quasistatic Simulations in Bio-Systems Engineering and Medical Engineering. Advances in
Radio Science 3, (2005): 39-49.
Prof. U. van Rienen
Elektrisch stimulierte Implantate (14)
16. Juni 2009
Elektrische Felder und Neurone
• Beeinflussung von Nervenzellen durch elektrische Felder
- Unterdrücken der Signale, wenn Nervenzellen permanent feuern
(Tiefe Hirnstimulation)
- Auslösung von Aktionpotentialen wenn die natürliche
Reizauslösung gestört ist (Cochlea-Implantate)
Bildquelle: http://www.vobs.at/bio/a-phys/a-neuro-1.htm (Vorarlberger Bildungsserver)
Elektrisch stimulierte Implantate (15)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Morbus Parkinson
Absterben von Nervenzellen
in der Substantia nigra
Thalamus (Vim)
Nucleus
Caudatus
Dopaminmangel
Putamen
Synchrones Feuern von
Nervenzellen
Pallidium
Probleme in der Feinmotorik:
Zittern, Muskelsteifigkeit,
Bewegungsverlangsamung
und - armut
Wirkung von Dopamin
zeitlich begrenzt
Substantia
nigra
Nucleus
subthalamicus
m. freundl. Genehmigung d. R. Benecke
Tiefe Hirnstimulation
Elektrisch stimulierte Implantate (16)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Tiefe Hirnstimulation
Quelle:
http://www.daserste.de/wwiewissen/b
eitrag_dyn~uid,0tophd5zjo060h67~cm
.asp
• Implantation einer Elektrode in den
Nucleus Subthalamicus
• Minimal invasive Operation unter
Röntgenkontrolle
• Stromstärke hoher Frequenz
unterdrückt Nervenimpulse
• Bisher Dauerfeuer an den Elektroden
• Neue Ansätze zu bedarfsgerechter
Stimulation (Prof. Tass vom
Forschungszentrum Jülich)
Elektrisch stimulierte Implantate (17)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Operation
m. freundl. Genehmigung d. R. Benecke
• Aufwändige Planung notwendig
• Elektroden werden durch kleine
Löcher in der Schädeldecke
geführt
• Teststimulation – Überprüfung der
Funktion bei vollem Bewusstsein
des Patienten
• Fixierung der Elektroden
• Implantation des Impulsgenerators
unter der Haut (Brustmuskel,
Oberbauch)
Elektrisch stimulierte Implantate (18)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Elektrodenspitze (Medtronic®)
Model 3389
• Elektrode zur Stimulation im Menschen
• Amplituden: 1-3.5 V
• Pulsbreiten: 60-120 µsec
• Stimulationsraten: 130-185 Hz
• Elektrodenpolarität: unipolar oder bipolar
• Elektroden: Platin/Iridium
Elektrisch stimulierte Implantate (19)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Korrosion
Elektronenmikroskopische Aufnahme (REM) einer neuen (oben) und
einer benutzten (unten) Edelstahlmikroelektrode.
(A: Gesamtansicht, B, C: Spitze, D: Isolierung)
A
B
C
D
A
B
C
D
J. Gimsa; B. Habel; U. Schreiber; U. van Rienen; U. Strauss; U. Gimsa. Choosing electrodes for deep brain
stimulation - electrochemical considerations. Journal of Neuroscience Methods, 142/2, (2004): 251-256.
Prof. U. van Rienen
Elektrisch stimulierte Implantate (20)
16. Juni 2009
Fragestellungen
•
•
•
Wie groß sollte die angelegte Spannung an den Elektroden sein um
Zellschäden zu vermeiden?
Wie groß ist das stimulierte Gebiet in Abhängigkeit von der angelegten
Spannung?
Wie sieht die optimale Elektrode aus? (z.B. Vermeidung von Korrosion)
Simulation der Ausbreitung des elektrischen Feldes im Gehirn
Elektrisch stimulierte Implantate (21)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Maxwellsche Gleichungen
Maxwellsche Gleichungen
Materialgleichungen
∂B
Induktionsgesetz:
rot E = −
∂t
∂D
Durchflutungsgesetz: rot H =
+J
∂t
Coulombgesetz:
div D = ρ
Nichtexistenz
div B = 0
magn. Ladungen:
E – elektrische Feldstärke
B – magnetische Flussdichte
H – magnetische Feldstärke
D – Verschiebungsstromdichte
J – elektrische Stromdichte
D=εE
B=μH
J = κ E + Je
ρ – Ladungsdichte
Ε – Permittivität
μ – Permeabilität
κ – Leitfähigkeit
Je – eingeprägte Stromdichte
Elektrisch stimulierte Implantate (22)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Elektro-Quasistatik
Elektro-Quasistatik (EQS)
• langsam veränderliche Felder (Wellenlänge >> betrachtete Gebiet)
• in idealisiertem Modell für f → 0 elektrostatisches Feld (bzw. kapazitives
Verhalten)
• Vernachlässigung von ∂B/∂t in den Maxwellschen Gleichungen (∂B/∂t ≈0):
rot E = 0
• Potentialansatz:
E = − grad ϕ
• Aus dem Durchflutungsgesetz folgt unter Berücksichtigung von div rot=0
für zeitharmonische Anregungen:
div{(jωε + κ ) grad ϕ } = div J E .
Elektrisch stimulierte Implantate (23)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Was sind Numerische Verfahren?
•
•
•
•
Numerische Mathematik: Computerbasierte Methoden
Numerische Verfahren werden eingesetzt, wenn eine analytische
Lösung zu aufwändig oder nicht vorhanden ist
dafür werden in der Numerik:
– numerische Algorithmen entwickelt
– Eigenschaften dieser Algorithmen untersucht
Numerische Verfahren, die Ihnen (vielleicht) schon bekannt sind:
– Gauß‘sches Eliminationsverfahren
– Cholesky-Zerlegung
– Newton-Verfahren
– Runge-Kutta-Verfahren
– Finite-Elemente-Methode
– Finite Integrationsmethode
– ......
Elektrisch stimulierte Implantate (24)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Schritte zur numerischen Feldsimulation
1. Realität: z. B. elektrisches Feld an den Elektroden zur Tiefen
Hirnstimulation
m. freundl. Genehmigung d. R. Benecke
2. Modell: Elektro-Quasistatik, also Vernachlässigung von
Erscheinungen (∂B/∂t =0), mathematische Gleichungen
div{(jωε + κ ) grad ϕ } = div J E .
Elektrisch stimulierte Implantate (25)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Schritte zur numerischen Feldsimulation
3. Diskretisierung der Geometrie:
- Zerlegung des Lösungsraums in Gitterzellen
Kartesisches Gitter
Tetraheder Gitter
Elektrisch stimulierte Implantate (26)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Schritte zur numerischen Feldsimulation
4. Auswahl und Anwendung eines numerischen Verfahrens
a) Zuweisen der Größen auf die Gitterelemente
b) Ersetzen von kontinuierlichen Größen durch diskrete Größen, (bei
Differentialgleichungen: Finite Elemente, Finite Integration, ...)
Elektrisch stimulierte Implantate (27)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Schritte zur numerischen Feldsimulation
4. Auswahl und Anwendung eines numerischen Verfahrens
c) Aufstellen und Lösen diskreter Systeme
r r
∂ r r
∫∂A E ⋅ ds = − ∂t ∫∫A B ⋅ dA
^
=
)
∂)
)
Ce = − b
∂t
)
e
⎛ i⎞
⎜ ⎟
⎜ ). ⎟
⎛.⎞
. . .
⎛
⎞ ⎜ ej ⎟
∂ ⎜ )) ⎟
⎜
⎟⎜ ⎟
⎜1 . 1 . −1 . −1⎟ ⎜ ). ⎟ = − ∂ t ⎜ bn ⎟
⎜.⎟
⎜
⎟ ⎜e ⎟
. . .
⎜ ⎟
k
⎝14444
⎠
244443 ⎜ ⎟
⎝{⎠
))
⎜.⎟
C
⎜ e) ⎟
b
l ⎠
⎝{
)
e
Lineare Operatoren
Elektrisch stimulierte Implantate (28)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Schritte zur numerischen Feldsimulation
5. Ergebnis (hier: Näherungswerte für das Potential an der Elektrode)
Weiterverarbeitung der berechneten Werte
– Bestimmung der Werte für das elektrische Feld auf dem Gitter
– Bestimmung von Zwischenwerten (Interpolation)
– ......
7. Kritische Bewertung der Ergebnisse und evtl. zurück zu den
Punkten 2., 3., 4.
Elektrisch stimulierte Implantate (29)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Simulationsergebnisse (Tierelektroden)
Stimulationslektrode in wässrigem Medium mit κ=1,5 S/m (physiol. Leitf.)
Re(E)
Re(φ)
Simulation mit MAFIA (EQS im S-Modul), Visualisierung mit MATLAB (Dr. Beate Habel, Dr. Ute Schreiber)
Elektrisch stimulierte Implantate (30)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Transmembranpotential
10 mv …1 mV
1 mV … 1 V
>1V
Abschätzung des induzierten Transmembranpotentials
•
•
•
Induziertes Potential über der Membran einer Nervenzelle
(abhängig von den Eigenschaften der Zelle)
Abschätzung, ob eine Zelle gereizt oder gehemmt wird
Proportional zur der im Gewebe induzierten Feldstärke
U. Gimsa; U. Schreiber; B. Habel; J. Flehr; U. van Rienen; J. Gimsa. Matching geometry and stimulation
parameters of electrodes for deep brain stimulation experiments – Numerical considerations. Journal of
Neuroscience Methods, 150, (2006): 212-227
Prof. U. van Rienen
Elektrisch stimulierte Implantate (31)
16. Juni 2009
Simulation der Elektroden für den Menschen
Eduard Vinter, Projekt B-4)
Elektrische Feldstärke der Elektroden für die Tiefe Hirnstimulation
Derzeitig arbeiten wir an:
• Verbessertes Modell für die Berechnung der Feldverteilung während
der Tiefen Hirnstimulation beim Menschen
• Berücksichtigung der Nervenzellen
genauere Vorhersage des
Stimulationsgebietes
Elektrisch stimulierte Implantate (32)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Elektrische Stimulation des Hörnerven
Annekathrin Grünbaum, Projekt B-7
Warum den Hörnerven stimulieren?
• Einzige Möglichkeit für ertaubte
Patienten wieder hören zu können
(Hörnerv muss funktionsfähig sein)
• Kinder mit angeborener Taubheit oder
extremer Schwerhörigkeit ermöglicht es,
Hören zu lernen
• Erlernen der Sprache ist mit dem Hören
verbunden
Cochlea-Implantate: mit Hilfe von Elektroden in der Gehörschnecke
wird der Hörnerv direkt stimuliert
Elektrisch stimulierte Implantate (33)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Natürliches Hören
Natürliches Hören (Quelle: www.cochlear.de, dec.2008)
1. Leitung des Schalls über den Gehörgang zum Trommelfell
2. Am Trommelfell findet eine Transformation des Schalls in
mechanische Schwingungen der Gehörknöchelchen statt
3. Schwingungen bringen Flüssigkeiten im Innenohr (Cochlea) in
Bewegung und damit auch die Haarzellen
4. Umwandlung der Bewegung in elektrische Impulse und deren
Weiterleitung über den Hörnerv an das Gehirn
Elektrisch stimulierte Implantate (34)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Die Cochlea
• Die 3 Skalen (Röhren) der
Schnecke des Innenohrs
beschreiben ca. 2 ½
Windungen
Schnitt durch die Cochlea:
Hörnerv
www.sinnesphysiologie.de
• Trennung der Skalen
durch Reissnersche
Membran und
Basilarmembran
• Hörnerv in der Achse der
Cochlea
http://oto.wustl.edu/cochlea/images/csalab.jpg
Elektrisch stimulierte Implantate (35)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Funktion der Basilarmembran
Ausgerollte Cochlea (www.uni-kl.de/FB-Biologie, 2009)
• Mechanische Vibrationen verursachen fortschreitende Welle entlang
der Basilarmembran
• Stimulation der Haarzellen im Corti-Organ, welches mit der Membran
verbunden ist
• Resonanzen für verschiedene Frequenzen an verschiedenen Orten
der Membran
Elektrisch stimulierte Implantate (36)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Cochlea-Implantat
Neuroprothese,
die Funktion defekter Haarzellen übernimmt
1.
3.
2.
5.
4.
1. Mikrofon:
a. Schallaufnahme
b. Signalumwandlung
2. Sprachprozessor:
Signalkodierung
3. Implantat:
a. Aufnahme des
Pulsmusters
b. Entschlüsselung
c. Weiterleitung an
aktive Elektrode
4. Elektroden:
Stimulation des
Hörnerven
5. Hörnerv:
a. Bildung des
Aktionspotentials
b. Weiterleitung an
Gehirn
Mehrkanalgeräte, Frequenzbereich zwischen 250 Hz und 6.800 Hz
m. freundl. Genehmigung d. H.W. Pau
(Frequenzbereich gesprochener Sprache)
Prof. U. van Rienen
Elektrisch stimulierte Implantate (37)
16. Juni 2009
Cochlea-Implantate
10
0.45 TYP
DETAIL B
A
0.30 TYP
A
0.60
0.1
8
0.6
Neue Elektrode zur Implantation
außerhalb der Cochlea
0.18mm2
(Exposed Area)
DETAIL A
DETAIL B
SECTION A A
• Zahlreiche verschiedene Implantate (Größe, Anzahl der Elektroden,
Anordnung der Elektroden, Beschaltung)
• Wird üblicherweise in die Scala Tympani eingeführt
• Stimulation durch Stromfluss zwischen den Elektroden
• Stimulationsrate 14.400 Impulse/sec.
Elektrisch stimulierte Implantate (38)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Fragestellungen
• Entwicklung neuer Implantate, die außerhalb der Cochlea zu liegen
kommen sollen (Resthörvermögen erhalten)
• Optimierung von Elektrodengeometrie, Stimulationsparametern und
Implantatposition
• Wie breitet sich das elektrische Feld in der Cochlea und der
Umgebung aus?
• Vermeidung der Stimulation des Gesichtsnervens hervorgerufen
durch z.B. Störungen in der Knochendichte
• Patientenspezifische Implantatlösungen
Simulation des elektrischen Feldes von Cochlea-Implantaten
Elektrisch stimulierte Implantate (39)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Datenquelle CT/MRT
Auswahl an CT-Schnitten der humanen Cochlea
Bildgebende Verfahren (CT/MRT)
• Bilder mit definiertem Abstand (Schnittbreite) und Auflösung
• Kontrastverfahren (definierte Graustufenaufnahmen)
Elektrisch stimulierte Implantate (40)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Von Schnittdaten zum CAD-Modell
1. Generierung Schnittdaten (hier CT)
4. Fertiges CAD-Modell
Elektrisch stimulierte Implantate (41)
2. Registrierung
3. Segmentierung
Prof. U. van Rienen
41
16. Juni 2009
Elektrische Stimulation des Hörnerven
ca. 18 mm
ca. 5 mm
Dicke der Membranen:
ca. 2-5 µm
(Quelle: Wikimedia Commons, 2009)
Probleme:
• Detailgrad der Cochlea (Membranen wenige µm dick, Abmaße der
Cochlea 16-18 mm)
• Begrenzte räumliche Auflösung der CT-/MRT-Scanner
• Elektrische Eigenschaften unbekannt, Messungen mit hohem Aufwand
verbunden (z.B. Impedanzspektroskopie)
Elektrisch stimulierte Implantate (42)
Prof. U. van Rienen
42
16. Juni 2009
Elektro-Osteostimulation
Carsten Potratz, Projekt B-10 (DFG RI 814/17-1)
• elektromagnetische Stimulation bei Frakturen, Knochenheilungsstörungen, Pseudoarthrosen und Knochentransplantationen
• Ziel: Förderung und Beschleunigung der Knochenheilung
Biss-Schraube
Elektrisch stimulierte Implantate (43)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Knochen
• Das menschliche Skelett besteht aus ca. 206 Knochen
• Knochen dienen der Stabilität und dem Schutz von
inneren Organen
• Im Knochenmark bilden sich Blutplättchen, rote
und weiße Blutkörperchen
• Knochen bestehen aus
- Knochenhaut
- Knochensubstanz (Kortikalis und Spongiosa)
- Knochenmark (später gelbes Fettmark)
• Knochensubstanz besteht aus Osteozyten
(Knochenzellen)
Oberschenkelknochen
• Aufbau mit Hilfe von Osteoblasten
(http://en.wikipedia.org/wiki/Bone)
(Knochenbildungszellen)
• Abbau des Knochengewebes durch Osteoklasten
• Versorgung der Knochenzellen durch Blutgefäßsystem
Elektrisch stimulierte Implantate (44)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Hüftinfarkt
•
•
Ursachen: Rauchen, zu hohe Blutfettwerte, hoher Alkoholkonsum
Symptome: kurzzeitiger stechender Schmerz in der Hüfte
Verschluss von Blutgefäßen
Versorgung des Hüftkopfes mit
Blut nicht mehr ausreichend
Knochenzellen sterben ab
Hüftgelenk wird zerstört
Elektrisch stimulierte Implantate (45)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Elektrische Stimulation von Knochen
• Wirkungsweise noch nicht vollständig bekannt
• Elektrisches Wechselfeld simuliert funktionelle Belastung des Knochens
(reziproker piezo-elektrischer Effekt)
• Wechselnde Amplitude der Spannung führt zur Polarisation des
Knochens ähnlich wie bei physiologischen Belastungen (Zug, Druck, …)
• Reaktion der Knochenzellen
verbesserte Durchblutung, erhöhter
Knochenstoffwechsel und Knochenneubildung
Elektrisch stimulierte Implantate (46)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Elektro-Osteostimulation mit BISS-Schraube
Bipolares-Induktions-Schrauben-System (BISS)
• Entwickelt von Prof. Dr. med. Mittelmeier, Universität Rostock
• Platzierung der BISS-Schraube direkt in den zerstörten Knochen
(ambulante OP)
• Aktivierung der Schraube durch externes Feld der Primärspule
• Durch Induktion wird ein Stromfluss in der Mini-Spule der Schraube
bewirkt
gezielte lokale Feldausbreitung
• Vermeidung von Hüftgelenksimplantaten
Implantierte BISS-Schraube
Primärspule
Elektrisch stimulierte Implantate (47)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Elektrisch stimulierte Hüftprothese
• Elektroden auf der Oberfläche einer Hüftgelenkspfanne erzeugen ein
möglichst gleichmäßiges elektrisches Feld
• Besseres Einheilen der Implantate
• Einsatz bei Defekten im Hüftknochen (z.B. durch Implantatwechsel,
krankhafte Veränderungen)
Elektrode
Hüftendoprohtese
(Wikimedia Commons)
Neue Hüftendoprothese
Elektrisch stimulierte Implantate (48)
Modell der Prothese
im Knochen
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Fragestellungen
• Wirkungsweise der Elektro-Osteostimulation
• Feldverteilung im Knochen bei verschiedenen Defekten und
Stimulationsmodi
• Realisierung geeigneter Elektroden (Aufbau, Geometrie, …)
• Optimierung der Elektrodenpositionen und deren elektromagnetischer
Felder
Simulation der Ausbreitung des elektrischen Feldes im
Umfeld der elektrisch stimulierten Hüftendoprothese
Simulationen with CST EM-Studio
Potentialverteilung an einer
neuen Hüftendoprothese
Elektrisch stimulierte Implantate (49)
Feldverteilung
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Zukünftige Anwendungen
Abb: Defekte des Acetabulums; AAOS Klassifikation
Ziele
• Therapie von großflächigen Knochenschäden der acetabulären
Region nach Hüftpfannenrevisionen.
• Verbesserung des Einwachsprozesses (erhöhte mechanische
Stabilität, längere Verweildauer des Implantates im Patienten).
Elektrisch stimulierte Implantate (50)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Optimierungsaufgabe
• Integration eines elektrostimulativen Systems in ein
bestehendes Implantat.
• Erzeugung eines elektrischen Feldes mit bestimmten
Charakteristika im angrenzenden Knochen.
• Hierzu: Geeignete Positionierung der
Stimulationseinheiten unter Berücksichtigung der
lokalen Gewebeeigenschaften, magnetischen Kopplung
etc.
Elektrisch stimulierte Implantate (51)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Optimierung des Implantatdesigns
Ziel:
Gewichtete Überlagerung von Elementarlösungen
• Entwicklung geeigneter mehrdimensionaler genetischer
Algorithmen.
• Definition von beliebigen (auch widersprüchlichen)
Optimierungszielen.
• Evolutionäre Verbesserung einer Menge von Designvarianten;
„Bessere“ Varianten erzeugen mit höherer Wahrscheinlichkeit
Nachwuchs
• => Die Individuen der aufeinander folgenden Generationen erfüllen
die Optimierungsziele immer besser => Automatische Entwicklung
neuer und besserer Implantatdesigns.
Elektrisch stimulierte Implantate (52)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Mehrdimensionale Optimierung
• Pareto-optimale Menge für zwei Zielfunktionen (f1, f2)
• Es können nicht beide Zielfunktionen minimiert werden (immer
Kompromisslösungen)
Elektrisch stimulierte Implantate (53)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Zuarbeit von anderen Projekten
Zellkulturen
Ergebnisse aus
Grundlagenforschung
Nervmodell
Elektrochemische
Messungen
Messwerte zur
Validierung
Messwerte
Gewebeeigenschaften
Medizinische Studien
MRT/CT-Bilder
Implantatgeometrie
Hintergrundwissen
Mathematische
Methoden
Begleitende
Experimente
Elektrisch stimulierte Implantate (54)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Zusammenfassung
• Elektrisch stimulierte Implantate können eingeschränkte
Körperfunktionen unterstützen
• Entwicklung und Optimierung von Implantaten ist eine große
Herausforderung
• Numerische Simulationen können dazu beitragen Implantate zu
verbessern
Zusammenarbeit unterschiedlichster Disziplinen
Elektrisch stimulierte Implantate (55)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
Elektrisch stimulierte Implantate (56)
Prof. U. van Rienen
16. Juni 2009
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