Predigt Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und

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Predigt
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn
Jesus Christus.
Liebe Gemeinde,
Im Glaubensbekenntnis haben wir es gerade gesprochen:
„Aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen
Vaters. Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“
Das haben wir als unseren Glauben bekannt.
Würde jetzt jede und jeder einzelne danach gefragt:
„Wie hältst Du’s denn mit der Himmelfahrt?“ – dann kämen vielleicht folgende
Antworten:
 „Ja, das ist eine schwierige Frage.
 Ich bin nicht katholisch.
 In der Zeit fiel der Konfirmandenunterricht bei uns aus.
 Mich interessiert das rein exegetisch.
 Das ist ja nur ein Bild.
 Das glaubte man früher.“
Fragen Sie sich einfach selbst. Wie stehen Sie zur Himmelfahrt?
Und wo wir schon dabei sind: Vielleicht fallen Ihnen noch mehr Kandidaten ein,
die Sie bei genauerem Nachdenken gerne aus dem Glaubensbekenntnis streichen
würden:
 „Geboren von der Jungfrau Maria“ – Naja.
 „Hinabgestiegen in das Reich des Todes.“ – Hm.
Mit unserer Skepsis stehen wir immerhin nicht allein da. 1941 fragt der
Theologe Rudolf Bultmann: „Welchen Sinn hat es, heute zu bekennen:
‚niedergefahren zur Hölle‘ oder ‚aufgefahren gen Himmel‘, wenn der
Bekennende das diesen Formulierungen zugrundliegende Weltbild von den drei
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Stockwerken nicht teilt?“ In der Tat: Unten Hölle, oben Himmel und
dazwischen wir – wer glaubt denn das noch?
Jetzt ahnen Sie, was rhetorisch als Nächstes kommen muss: Ich zeige Ihnen,
inwiefern die Rede von der Himmelfahrt für uns heute trotzdem sinnvoll und
wichtig ist. Das ist schließlich meine Aufgabe, wenn ich hier stehe und rede.
Ich werde das auch ein Stück weit versuchen, schicke aber einen Disclaimer –
oder vielleicht besser: eine wichtige Unterscheidung – vorweg:
Das Glaubensbekenntnis ist ein Gemeinschaftspapier. Und wie alle
Gemeinschaftspapiere ist es das Produkt von Kompromissen – Kompromissen
bezüglich dessen, was aufgenommen wird ebenso wie Kompromissen bezüglich
dessen, was nicht aufgenommen wird. Historisch lässt sich das sehr schön
zeigen. Aber es gilt auch – wenn auch vielleicht in etwas anderer Art und Weise
– für die Gegenwart.
Das Glaubensbekenntnis hat seinen nicht zu unterschätzenden Wert darin, dass
es christliche Gemeinschaft als Gemeinschaft sichtbar machen kann. Aber als
Kompromisspapier spiegelt es heute nicht zu 100% den persönlichen Glauben
jeder einzelnen Christin und jedes einzelnen Christen. Daher gibt es z.B. die
beliebte Übung, Konfirmandinnen und Konfirmanden ihr je eigenes
Glaubensbekenntnis formulieren zu lassen – und die Ergebnisse weichen
deutlich voneinander ab.
Die gemeinschaftsfördernde Kraft des Glaubensbekenntnisses lebt insofern von
einer Konsensfiktion. Wir sprechen das Bekenntnis gemeinsam und wissen
doch: Könnten wir einander in die Köpfe und in die Herzen sehen – Christentum
sähe bei jedem und jeder von uns etwas anders aus.
Diese Unterscheidung ist mir für meine Predigt – und auch darüber hinaus –
wichtig. Im Vorfeld des Himmelfahrtstages geht es einerseits um die Frage, was
Himmelfahrt mir persönlich bedeutet. Vielleicht kommen Sie für sich zu der
Überzeugung, dass Sie der Himmelfahrt nach wie vor nicht viel abgewinnen
können.
Damit würde mein zweites Anliegen aber nicht hinfällig: Im Vorfeld des
Himmelfahrtstages geht es mir andererseits um die Frage, welchen Platz die
Himmelfahrt in der Geschichte von Jesus Christus einnimmt, der Geschichte, die
uns zu Christinnen und Christen macht. Was würde fehlen, was würde sich im
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Gesamtgefüge der Erzählung des Christentums verändern, wenn wir die
Himmelfahrt streichen?
Werfen wir dazu einen kurzen Blick auf die neutestamentliche Überlieferung:
An vielen Stellen ist davon die Rede, dass Jesus nach seinem Tod auferweckt
und erhöht wurde. Aber nur Lukas unterscheidet zwischen Auferweckung und
Erhöhung – also Himmelfahrt – als zwei unterschiedlichen Ereignissen,
zwischen denen 40 Tage liegen.
Die Erzählung von der Himmelfahrt dient Lukas als Verbindungsglied zwischen
dem Evangelium und der Apostelgeschichte. Deshalb erzählt er sie gleich zwei
Mal: Einmal am Ende des Evangeliums, dann zu Beginn der Apostelgeschichte.
Die Version der Apostelgeschichte haben wir vorhin bei der Lesung gehört.
Am Ende des Lukasevangeliums heißt es:
„Er – gemeint ist Jesus – führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die
Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von
ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach
Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.“
Für so ein außergewöhnliches Ereignis fällt die Beschreibung denkbar knapp
und nüchtern aus: er „schied von ihnen und fuhr auf gen Himmel“.
Die Apostelgeschichte ist hier auch nicht viel auskunftsfreudiger. Dort lesen
wir:
„Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke
nahm ihn auf und vor ihren Augen weg.“
Immerhin wird in diesen knappen Schilderungen Folgendes deutlich.
Für Lukas ist wichtig: Die Himmelfahrt ist ein einmaliges, sichtbares Ereignis,
so wie auch die Geburt Jesu ein einmaliges, sichtbares Ereignis war und so wie
die Wiederkunft Jesu Christi ein einmaliges, sichtbares Ereignis sein wird. Die
Jünger haben eine wichtige Funktion bei der Himmelfahrt: Sie werden zu
Augenzeugen des Geschehens.
Die Apostelgeschichte schlägt explizit den Bogen zur Wiederkunft Jesu Christi.
Denn in dem Moment, als Jesus gen Himmel fuhr, „da standen bei ihnen zwei
Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr
da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel
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aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel
fahren sehen“.
In der Logik der Jesus-Geschichte markiert die Himmelfahrt den Beginn der
Zeit, in der Jesus „weg“ ist – denn sonst müsste er ja nicht wieder kommen. Er
sitzt jetzt – so bekennen wir es im Glaubensbekenntnis – „zur Rechten des
Vaters“.
Aber: Ist er damit wirklich ganz weg? Oder ist er doch noch irgendwie da – nur
eben anders als vorher? Und wie lässt sich dieses „anders“ fassen?
Plötzlich wird klar: Die Erzählung von der Himmelfahrt handelt nicht nur von
einem mythologisch anmutenden Geschehen, sondern sie handelt von der
zentralen Frage, wie Jesus Christus nach seiner Erhöhung und vor seiner
Wiederkunft von Christinnen und Christen in einer bleibenden Gemeinschaft
erfahren werden kann.
Himmelfahrt hat es mit christlicher Gemeinschaft zu tun, mit der Gemeinschaft
von Jesus Christus mit Christinnen und Christen, mit uns.
Die Frage, wie Jesus Christus mit uns gegenwärtig Gemeinschaft halten kann,
wird von Theologinnen und Theologen schon seit mehreren Jahrhunderten im
Zusammenhang mit der Deutung des Abendmahls kontrovers diskutiert.
Ich bin Religionspädagogin. Deshalb wähle ich einen anderen Zugang: Ich sehe
mir an, was 8-10-jährige Kinder zur Himmelfahrt äußern.
Die Kinder malen zuerst ein Bild zur Erzählung von der Himmelfahrt Jesu. Sie
haben die Erzählung in der Fassung des Evangeliums – also ohne die „weißen
Männer“ – gehört.
Ein Mädchen malt – im Hochformat – unten die Gruppe der Jünger. Einige von
ihnen winken. Alle blicken nach oben. Dort ist eine Wolke, und in der Wolke ist
Jesus. Am oberen Bildrand haben allerdings nur noch seine dicken Schuhe und
das Ende der Hosenbeine Platz, leicht überdeckt von der Wolke, die auch nur
zum Teil auf das Bild passt. Jesu Gesicht ist nicht zu sehen. Umso interessanter
sind die Gesichter der Jünger: Zwei Männern laufen dicke blaue Tränen über die
Wangen. Zwei andere grinsen breit. Bei drei weiteren sind die Münder weit
geöffnet. Und ein Jünger scheint etwas zu dem Jünger neben ihm zu sagen.
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Das Mädchen, das das Bild gemalt hat, erklärt: Einige Jünger weinen, weil Jesus
sie jetzt verlässt. Die Jünger sind unglücklich, dass Jesus in den Himmel geht.
Die beiden anderen freuen sich für Jesus, weil der jetzt wieder bei seinem Vater
sein darf. Er war ja lange weg von ihm.
Ein anderes Kind schaltet sich ein und sagt: „Jesus ist auch traurig und
glücklich. Er denkt: Endlich kann ich mal wieder meinen Vater sehen, aber ich
muss auch meine Jünger verlassen.“
Die Jünger mit den geöffneten Mündern wundern sich, so erklärt das Mädchen
weiter. „Weil Jesus an diesem Tag in den Himmel gefahren ist. Und das passiert
ja nicht jeden Tag! Darum feiern wir heute noch Himmelfahrt.“
Und was sagt der eine Jünger zum anderen? Ich bin gespannt. Vielleicht sagt er
– in Anlehnung an die biblische Erzählung: „Siehst du das? Das müssen wir
unbedingt weitererzählen!“
Oder vielleicht lässt das Mädchen den Jünger sagen: „Wie macht er das bloß?“
Das würde jedenfalls gut zur mythisch-wörtlichen Stufe des Glaubens passen,
auf der sich das Kind nach James Fowler befinden müsste.
Ich liege mit meinen Vermutungen aber ganz falsch. Der Jünger sagt – so erklärt
das Mädchen: „Jetzt müssen wir zusammen halten! Aber wir schaffen das.“
Dieser Optimismus ruft wiederum das Kind auf den Plan, das sich um die
Gedanken Jesu bemüht. Es wendet ein: „Jesus weiß das aber nicht genau. Er
denkt sich: Hoffentlich schaffen die das auch ohne mich. Deshalb ist er ja auch
traurig.“
Die Kinder deuten die Himmelfahrt als eine Abschiedssituation. Sehr
empathisch fühlen sie sich in die Situation der Jünger und in die Situation Jesu
hinein. Der Abschied ist sowohl für die Jünger als auch für Jesus ambivalent:
Die Jünger sind traurig, dass Jesus sie verlässt. Sie bekommen dadurch aber
auch mehr Verantwortung. Sie sind nun stärker aufeinander angewiesen. Und sie
können das schaffen, auch ohne dass Jesus bei ihnen ist! Jesus ist sich da
allerdings nicht so sicher. Er ist traurig, weil er die Jünger zurücklassen muss.
Aber er freut sich auf das Zusammensein mit seinem Vater.
Himmelfahrt hat es in den Augen der Kinder mit Gemeinschaft zu tun: Die
Trennung zwischen Jesus und seinem Vater wird überwunden. Aber die
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Gemeinschaft zwischen Jesus und seinen Jüngern endet. Sie müssen jetzt allein
zurechtkommen.
Können sie das schaffen? Wie können sie das schaffen?
Die Antwort der Kinder lautet: Jesus bleibt in unseren Herzen. Wir können an
ihn denken.
Kinder können so etwas in großem Vertrauen formulieren. Aber wir? Vielleicht
haben wir ganz andere Erfahrungen gemacht. Vielleicht fühlen wir uns doch
eher verlassen.
Der Evangelist Johannes geht genau auf diese Frage ein: Angesichts seines
Abschiedes versichert Jesus seinen Jüngern gleich zweimal: „Ich werde euch
nicht als Waisen zurück lassen.“ Jesus lässt die Jünger nicht allein. Sie müssen
nicht alleine zurechtkommen. Er sorgt weiter für die Seinen.
Wie macht er das?
Er bittet seinen Vater, einen Tröster zu senden, einen, der die Jünger ermahnt:
den Geist der Wahrheit, oder – wie wir sagen würden: den heiligen Geist. In ihm
bleibt Jesus anwesend und erfahrbar.
Auch Lukas erzählt vom heiligen Geist. Die Apostel werden von ihm erfüllt und
können plötzlich in anderen Sprachen sprechen. Alle, die sie hören, hören ihre
eigene Sprache. Verständigung wird dort möglich, wo sie vorher unmöglich
war.
Das heißt: In der Jesus-Geschichte gehören nicht nur Himmelfahrt und
Wiederkunft zusammen, sondern die Himmelfahrt ist mit Pfingsten untrennbar
verbunden;
mit Pfingsten als der Ausgießung des Geistes, als der Geburtsstunde der
Gemeinde, der Kirche. Menschen – so erzählt es die Pfingstgeschichte –
erfahren durch den Geist Gemeinschaft, sie können einander verstehen.
Das heißt: Jesus, der gen Himmel gefahren ist, der bleibt nicht nur je individuell
in unseren Herzen, sondern er ermöglicht die Gemeinschaft von Christinnen und
Christen.
Diese Gemeinschaft hängt nicht daran, dass wir einer Meinung sind. Sie hängt
nicht daran, dass wir alle allen Aussagen des Glaubensbekenntnisses zustimmen
können. Sie ist Gottes Werk.
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Die Konsensfiktion, von der ich zu Beginn gesprochen habe, ist damit keine
reine Fiktion. Sie macht sichtbar, was Gott uns anvertraut und zutraut:
Gemeinschaft mit ihm über den Tod und die Erhöhung Jesu hinaus.
Und das ist Grund zum Feiern.
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und
Sinne in Christus Jesus.
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