Geldangebot Vorlesung Bauwirtschaft 17.1.2006 Was ist Geld? Geld umfasst alle Arten von Gütern und Vermögenswerten, die allgemein zur Zahlung angenommen werden. 2 1 Königreich Lydien, Krösus (561-546 v. Chr.), schwerer Goldstater Quelle: www.moneymuseum.com vorne hinten EC Karte, Zentraleuropa (2002 n. Chr.) vorne hinten 3 Die drei Funktionen des Geldes Tauschmittel Recheneinheit, Wertmassstab Wertaufbewahrungsmittel 4 2 Zwei Hauptakteure des Geldangebots Zentralbank O Schweizerische Nationalbank (SNB) ist weitgehend unabhängig von Regierung und Parlament. O Aufgaben: 1. Sicherung der primären Geldversorgung, 2. Sicherung des inneren Werts der Währung (= Preisstabilität), 3. Sicherung des Aussenwerts der Währung (= Wechselkurs des Franken) Problem: möglicher Zielkonflikt mit Preisstabilität 4. Bank der Banken (Lender of Last Resort), Schutz der Kreditinstitute vor allgemeiner Vertrauenskrise (bank run): Möglichkeit in Zahlungsschwierigkeiten geratene Geschäftsbanken unbegrenzt mit Zentralbankgeld versorgen (lend freely!) Problem: Moral Hazard 5 Zwei Hauptakteure des Geldangebots Geschäftsbanken O Vermitteln zwischen Geldgebern und Kreditnehmern (= Finanzintermediation). O Multiplizieren so das Zentralbankgeld und schaffen Geld. Überschusseinheiten Private Haushalte Einlagen Banken Kredite Defiziteinheiten Unternehmen 6 3 gesamtwirtschaftlicher Kreislauf mit Staat und Ausland Verwendung Ausland Gesamtnachfrage nach inländischen Gütern inländische Endnachfrage Importe Einkommen gesamtwirtschaftliche Produktion Löhne verfügbares Einkommen Zinsen Gewinne inländische Nachfrage nach inländischen Gütern Exporte Produktion Steuern Staat Defizit Sparen Staatsausgaben Investitionen privater Konsum internationaler Kapitalverkehr 7 Funktionen der Finanzintermediation O Transfer von Kaufkraft zwischen Überschuss- und Defiziteinheiten (und damit das volkswirtschaftliche Investitionsvolumen) durch: · Verringerung von Informationskosten (Vermittlung zwischen Gläubigern und Schuldnern) · Kreditgrössentransformation (Kreditvolumen der Titel) · Risikotransformation (Sicherheit der Titel) · Fristentransformation (Laufzeit der Titel) 8 4 Was ist Geld in der Schweiz? O Bargeld (Noten und Münzen) + Guthaben auf Bankkonten. · Die SNB veröffentlicht Statistiken zu verschiedenen Geldaggregaten. 9 Zwei wichtige Geldaggregate Geldmenge M1 = Bargeld des Publikums + sofort verfügbare Guthaben des Publikums bei Geschäftsbanken M1 entspricht den unmittelbar verfügbaren Tauschmitteln des Publikums. Notenbankgeldmenge NGM = Bargeld bei Publikum und Geschäftsbanken + Guthaben der Geschäftsbanken bei der SNB Die Notenbankgeldmenge ist unter der direkten Kontrolle der Nationalbank. 10 5 Verschiedene Geldaggregate Notenbankgeldmenge NGM NGM = Notenumlauf + Guthaben der Banken bei der Nationalbank (Giroguthaben) M1 = Bargeldumlauf (Noten und Münzen) + Sichteinlagen + Einlagen auf Transaktionskonti M2 = M1 + Spareinlagen M3 = M2 + Termineinlagen die Aggregate sind nach ihrer Liquidität geordnet 11 M1 und NGM in der Schweiz 1985-2005 Mio. Fr. 250'000 200'000 150'000 M1 100'000 50'000 NGM 0 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 Quelle: SNB 12 6 Geldaggregate in der Schweiz 1985-2005 Mio. Fr. 600'000 500'000 M3 400'000 300'000 M2 200'000 M1 100'000 NGM 0 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 Quelle: SNB 13 Geldmultiplikator Beziehung zwischen Geldmenge M1 und Notenbankgeldmenge NGM: M1 = m·NGM m>1 Was bestimmt die Grösse von m ? 14 7 Geldmultiplikator O Banken halten einen Teil der einbezahlten Gelder als Reserven. Reserven Reservesatz r = Einlagen O Das Publikum behält einen Teil des Geldes im Portemonnaies, Kassen und Tresoren. Kassenhaltungskoeffizient cu = Bargeld bei Publikum M1 15 Zentralbank bestimmt Notenbankgeldmenge r cu Geschäftsbanken multiplizieren Einlagen Reserven Geschäftsbanken Kassenhaltung Haushalte & Unternehmen 16 8 Beispiel Geldmultiplikator: 1. Die Zentralbank kauft für Fr. 1‘000.- Dollar bei einem Devisenhändler. 2. Der Devisenhändler deponiert die Fr. 1‘000.- bei der Bank 1. 3. Da kaum alle Bankkunden ihre Guthaben auf einmal auflösen werden, kann die Bank 1 Fr. (1 - r)· 1‘000.- ans Publikum ausleihen. 4. Das Publikum behält „Bargeld“ und zahlt Fr. (1 - cu)(1 - r)· 1‘000.- bei der Bank 2 ein. 5. Die Bank 2 vergibt nach Abzug der Reserven Fr. (1 - cu)(1 - r)2· 1‘000.- als Kredit usw. 17 Reservesatz r r = 0.1 cu = 0 Bank 1 (10% Reserven) Einlagen 1‘000 Reserven Kredite 100 900 Bank 2 (10% Reserven) Einlagen 900 Reserven 90 Kredite 810 Bank 3 (10% Reserven) Einlagen 810 Reserven 81 Kredite 729 18 9 Wenn wir die Einlagen bei den einzelnen Banken summieren, erhalten wir die gesamthaft geschaffene Geldmenge. r = 0.1 cu = 0 Einlage Bank 1 1‘000 Einlage Bank 2 900 Einlage Bank 3 810 Summe Einlagen 10’000 · insgesamt geschaffene Geldmenge In diesem Fall ist der Geldmultiplikator m = 1 / r = 1 / 0.1 = 10 19 Notenbankgeldmenge Multiplikator M1 = m·NGM = 1 NGM cu + r (1-cu) Kassenhaltungskoeffizient Reservesatz 20 10 Der Geldmultiplikator in der Schweiz 1985-2004 m= m M1 NGM lockere Geldpolitik 7 6 5 4 3 Strukturbruch Ende 1987 2 1 0 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 Quelle: SNB, eigene Berechnung 21 Freiwilliger Reservesatz der Geschäftsbanken r= Reserven Einlagen 1987 Strukturbruch des Multiplikators durch Halbierung des Reservesatzes. · Einführung des Swiss Interbank Clearing (SIC) · Neue Liquiditätsvorschriften 0.16 0.14 0.12 0.10 Die sinkende Reservehaltung erhöht den Geldmultiplikator. 0.08 0.06 r 0.04 0.02 0.00 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 Quelle: SNB, eigene Berechnung 22 11 Entwicklung der Notenbankgeldmenge 40'000 30'000 Notenumlauf 20'000 10'000 Giroguthaben 0 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 Quelle: SNB 23 Kassenhaltungskoeffizient cu = 0.30 Bargeld Publikum M1 0.25 0.20 cu 0.15 0.10 Die sinkende Kassenhaltung erhöht den Geldmultiplikator. 0.05 0.00 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 Quelle: SNB, eigene Berechnung 24 12 Instrumente der Geldpolitik Die Zentralbank steuert die Geldmenge; O Direkt über die Notenbankgeldmenge · Repo-Geschäfte: Bei Kauf von Wertpapieren wird Vertrag für Rückverkauf abgeschlossen (wichtigstes Instrument der SNB) · Devisengeschäfte: An- und Verkauf von Devisen Der Gesetzgeber steuert die Geldmenge indirekt durch den Mindestreservesatz rmin · in der Schweiz heute 2,5% 25 Repo-Geschäfte und Devisen-Swaps der SNB 1990-2003 Mio. Fr. 25'000 Forderungen aus Repo-Geschäften 20'000 Devisen-Swaps 15'000 10'000 5'000 0 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 Quelle: SNB 26 13 Repo-Geschäfte steuern die Kurzfristzinsen 10 9 8 7 Kurzfristzins SNB (3 Monate) 6 5 4 3 2 1 0 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 Quelle: SNB 27 Preisindizes messen die Inflation O O O Inflation = andauernder Anstieg des Preisniveaus Ein Preisindex zeigt, wie sich der Wert eines Güterkorbs in der Zeit verändert. Die Güter im Güterkorb werden nach ihrem Anteil an den gesamten Ausgaben im Basisjahr gewogen. 28 14 3 Cervelats = 2.95 Stück 0.98 Fr. 2 Bio Cervelats = 3.10 Stück 1.55 Fr. 2 Cervelats = 2.60 Stück 1.30 Fr. Quelle: www.leshop.ch, www.coop.ch (25.04.2005) 29 Beispiel: Ein „ungesunder“ Preisindex Preise Mai 94 Mai 95 Mai 96 Anzahl pro Monat Ausgaben pro Monat Gewichte Cervelat, 1 Stück Lagerbier inländisch, 5.0 dl Zigaretten, Paket Index 1.03 1.08 1.10 1.19 1.19 1.20 3.13 3.46 3.59 100.00 104.72 106.90 100 100 30 103.00 108.00 110.00 119.00 119.00 120.00 93.90 103.80 107.70 315.90 330.80 337.70 33% 38% 30% 100% 330.80 315.90 Total Mai 94 Mai 95 Mai 96 Quelle: BfS 30 15 Beispiel: Ein „ungesunder“ Preisindex Fr. Index 135 6 130.39 130 5 4.93 Zigaretten 125 4 3 120 Preisindex 3.13 115 2 Lagerbier 1.19 1 0 Cervelat 1.03 1.34 1.30 100.00 94 110 105 100 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 Quelle: BfS 31 Gewichte einzelner Gütergruppen im Landesindex der Konsumentenpreise Gewichtung 2004 Übrige Waren Nahrungsmittel, Getränke, 14% Tabakwaren 13% Unterhaltung, Erholung, Bildung und Kultur 10% Verkehr und Kommunikation 4% 12% Bekleidung und Schuhe 26% 16% Gesundheit Wohnungsmiete und Energie 5% Wohnungseinrichtung Quelle: BfS 32 16 Preisentwicklung einzelner Güter im Landesindex der Konsumentenpreise Zigaretten 160 140 Heizöl Kino Landesindex der Konsumentenpreise Brot Milch 120 100 80 60 Fernseh- und Videogeräte 40 20 Heim- und Personalcomputer 0 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 Quelle: BfS 33 Konsumentenpreisindex für die Schweiz 1950-2005 (2000 = 100) März 2000 = 100 100 80 Das Preisniveau in der Schweiz hat sich seit 1950 beinahe verfünffacht 60 Landesindex der Konsumentenpreise 40 20 0 50 54 58 62 66 70 74 78 82 86 90 94 98 02 Quelle: BfS 34 17 Vorjahresveränderung des LIK als Mass der Inflation (1990-2005) Vorjahresveränderung in % 7 6 5 4 3 2 1 0 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 Quelle: BfS 35 Ist Inflation schädlich? O O Bei Hyperinflation verliert das Geld seine wichtigste Funktion: Es wird nicht mehr als Tauschmittel akzeptiert. · Gesamte wirtschaftliche Aktivität wird gelähmt. · Ausländische Währungen dienen als Tauschmittel (z.B. Dollar, Euro) Bei niedrigeren Inflationsraten sind die Kosten nicht so eindeutig. Man muss hier unterscheiden zwischen: · vollständig antizipierter Inflation · nicht oder nur unvollständig antizipierter Inflation 36 18 Die Quantitätsgleichung M V = PY Geldmenge Preisniveau Umlaufsgeschwindigkeit reales Einkommen bzw. Produktion 37 Die Quantitätsgleichung M V = PY Geldstrom O Güterstrom Diese Gleichung muss per Definition gültig sein. 38 19 Die Quantitätsgleichung konstante Umlaufgeschwindigkeit gegebenes Einkommen M V=P Y O Eine Geldmengenerhöhung führt zu einer proportionalen Preiserhöhung. O Aber: Ist die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes tatsächlich konstant? 39 Umlaufsgeschwindigkeit in der Schweiz 1990 - 2004 V= 4 nominales BIP M1 3 - 40% 2 1 0 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 Quelle: BfS, SNB, eigene Berechnung 40 20 Inflationsraten und Wachstumsraten der Geldmenge für 75 Länder Durchschnitte 1980-1990 Inflationsrate in % 1000 Korrelation: 0.9907 Bolivien Peru Israel Mexiko 100 Argentinien 10 Schweiz 1 USA Deutschland Singapur Japan 1 10 100 Wachstumsrate der Geldmenge in % 1000 41 Vorjahresveränderungen LIK und M1 (1986-2005) % 20 M1 16 12 8 4 LIK 0 -4 Steigenden Preise bei steigendem Geldangebot? -8 -12 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 42 21 Die Quantitätsgleichung O Die Quantitätsgleichung zeigt aber auch, dass bei realem Wirtschaftswachstum und konstanter Umlaufsgeschwindigkeit ... oder die Preise sinken müssen M V=P Y entweder das Geldangebot wachsen muss 43 Preisentwicklung in Grossbritannien unter dem Gold Standard (1873-1913) Quelle: Eichengreen (1996) 44 22 Zinssätze Schweiz (1984-2005) 10 Kurzfristzinsen (3-Monatssatz) 8 6 Restriktive Geldpolitik Ende 80er Jahre: innerhalb von zwei Jahren von 2 auf 9.5% 4 2 0 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 Quelle: SNB 45 Zinssätze Schweiz (1984-2005) Langfristzinsen reagieren weniger stark auf die Geldpolitik der Nationalbank. Erwartungen und Risiko spielen hier eine wichtige Rolle. % Kurzfristzinsen (3-Monatssatz) 8 Hypothekarzins 6 10-jährige Bundesobligationen 4 2 0 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 Quelle: SNB 46 23 Zinssätze Schweiz (1984-2005) 10 Kurzfristzinsen (3-Monatssatz) 8 Langfristzinsen (10-jährige Bundesobligationen) 6 4 2 Langfristzinsen reagieren weniger stark auf die Geldpolitik: Erwartungen und Risiko spielen eine wichtige Rolle. 0 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 Quelle: SNB 47 Zinssätze Schweiz (1984-2005) 10 Wegen dem höheren Risiko Kurzfristzinsen sollten Langfristzinsen über (3-Monatssatz) Kurzfristzinsen liegen 8 Langfristzinsen (10-jährige Bundesobligationen) 6 4 2 0 wenn Kurzfrist- höher als Langfristzinsen: inverse Zinsstruktur 84 86 88 90 92 restriktive Geldpolitik 94 96 98 00 02 04 48 24