Untitled - Deutsche Herzstiftung

Werbung
Der normale Herzrhythmus
Prof. Dr. med. Dietrich Andresen, Kardiologie an der Evangelischen Elisabeth Klinik, Berlin
Das Herz hat die Aufgabe,
das Blut durch unseren
Kreislauf zu befördern und
damit die Organe unseres
Körpers mit Sauerstoff,
Nährstoffen und anderen
lebensnotwendigen Substanzen zu versorgen.
Wenig bekannt ist, wie
die Arbeit des Herzens
gesteuert wird. Zwei
Eigenschaften zeichnen
die Steuerung des Herzens
aus:
■ Das Herz hat ein eigenes
Reizbildungs- und Reizleitungssystem, das aus
Zellen besteht, die sich
auf das Rhythmusgeben
spezialisiert haben.
■ Das Reizleitungssystem
des Herzens ist mehrfach gesichert. Mehre-
re
Schrittmacherzentren sind hintereinander
geschaltet, um zu gewährleisten, dass das Herz
auch
weiterschlägt,
wenn ein Zentrum
ausfällt.
Der
Zusammenhang zwischen der
Herzaktivität und
ihrer Steuerung soll
im Folgenden skizziert
werden.
Das Herz-KreislaufSystem
Das Herz erfüllt die
Funktion einer Pumpe.
Es besteht aus zwei
Vorkammern (Vorhöfe)
und zwei Hauptkammern (Kammern). Beide
Obere Hohlvene
Aorta
Lungenarterie
Lungenvenen
Linker Herzvorhof
Sinusknoten
erzeugt elektrische Signale und dient
damit als natürlicher Schrittmacher
des Herzens
Rechter Herzvorhof
sammelt über die Hohlvenen sauerstoffarmes Blut aus dem Körper
nimmt sauerstoffreiches
Blut aus den Lungenvenen auf
Mitralklappe
(hier offen)
Aortenklappe
(hier geschlossen)
AV-Knoten
bündelt die elektrischen Reize aus den
Vorhöfen und gibt sie geordnet weiter
Linke Herzkammer
Trikuspidalklappe
(hier offen)
Purkinje-Fasern
Rechte Herzkammer
verzweigen sich in die Herzkammer
und bringen diese zur Kontraktion
Untere Hohlvene
Herzmuskel
Abb. 1: So wird der Herzrhythmus gesteuert.
Vorhöfe und Kammern sind jeweils durch eine
Scheidewand (Septum) getrennt. Zwischen
den Vorhöfen und den Kammern befinden
sich Herzklappen, die wie Ventile das Blut nur
in eine Richtung passieren lassen (Abb. 1).
Das sauerstoffarme Blut wird über zwei große
Blutgefäße (Venen) in den rechten Vorhof
transportiert. Von dort wird es über die sich
öffnende Trikuspidalklappe in die rechte
Hauptkammer gesogen, indem der Muskel der
rechten Kammer erschlafft. Am Ende dieser
Saugphase wird ein zusätzlicher Teil durch
aktives Zusammenziehen (Kontraktion) des
rechten Vorhofs in die rechte Hauptkammer
gepumpt. Von der rechten Hauptkammer wird
das Blut über die Lungenklappe (Pulmonalklappe) in die Lungenschlagader (Lungenarterie) und in den Lungenkreislauf befördert.
14
DEUTSCHE HERZSTIFTUNG
Hierbei verzweigen sich die Lungenarterien in
immer kleiner werdende Äste, die schließlich
zu kleinen Haargefäßen (Kapillare) werden
und als solche ein dichtes Geflecht um die
Lungenbläschen bilden. An dieser Stelle findet
der Gasaustausch statt: Das Kohlendioxyd
wird an die Lungenbläschen abgegeben und
dann mit unserer Atemluft ausgeatmet. Der
Sauerstoff wird als Austausch dafür in das Blut
aufgenommen.
Das sauerstoffreiche Blut fließt über die
Lungenvenen in den linken Vorhof. Aus
dem linken Vorhof wird das Blut dann über
die Mitralklappe in die linke Kammer gesogen und von dort mit hohem Druck über die
Aortenklappe in die Hauptschlagader (Aorta)
gepumpt. Die Hauptschlagader verzweigt sich
in zunächst größere und später kleinere Adern
AV-Knoten
linker vorderer
Tawara-Schenkel
His-Bündel
rechter
Tawara-Schenkel
linker hinterer
Tawara-Schenkel
Abb. 2
(Arterien), die sich als Haargefäße (Kapillaren)
in den einzelnen Organen (Gehirn, Leber,
Verdauungsorgane, Muskeln etc.) verzweigen.
Über sie werden Sauerstoff und Nährstoffe an
die Organe geliefert und Abfallstoffe abtransportiert. Die Haargefäße fließen wieder zu
größeren Blutgefäßen (Venen) zusammen
und münden schließlich im rechten Vorhof.
Damit ist der Kreislauf geschlossen. Etwa 60bis 90-mal pro Minute (100 000-mal pro Tag)
schlägt unser Herz und fördert am Tag rund
7 000 Liter Blut.
Warum schlägt das Herz?
Damit sich der Herzmuskel zusammenzieht,
sind elektrische Impulse notwendig (Abb. 1).
Der Taktgeber, der mit elektrischen Impulsen
dafür sorgt, dass der Herzmuskel sich in ständigem Wechsel zusammenzieht und erschlafft,
ist der Sinusknoten, der im Bereich des rechten Vorhofs an der Einmündung der großen
oberen Hohlvene liegt. Er ist der natürliche
Schrittmacher der Herzaktivität. Es handelt
sich dabei um ein Geflecht von Zellen, das die
Fähigkeit besitzt, sich elektrisch aufzuladen
und durch die anschließende Entladung den
Strom auf die umgebenden Herzmuskelabschnitte weiterzuleiten (Reizbildungszentrum).
Von dort pflanzt sich die Erregung über spezifische Muskelbahnen (Reizleitungssystem)
auf beide Vorhöfe fort. Durch die elektrische
Erregung ziehen sich diese zusammen und
pumpen Blut über die geöffneten Segelklap-
DEUTSCHE HERZSTIFTUNG
15
pen in die rechte bzw. linke Herzkammer.
Dann dringen die elektrischen Impulse durch
den AV-Knoten (Atrioventrikular-Knoten), der
zwischen dem Vorhof und der Herzkammer
liegt. Im AV-Knoten werden die elektrischen
Reize aus den Vorhöfen gebündelt und ihre
Weiterleitung gezielt gebremst.
Die elektrische Erregungswelle passiert dann
die schnell leitenden Fasern des His-Bündels
und durchläuft den rechten und linken TawaraSchenkel (Abb. 2, S. 15). Die Tawara-Schenkel
ziehen sich durch die Scheidewand (Septum).
Beide Schenkel weisen eine unterschiedliche Struktur auf. Der rechte Tawara-Schenkel
verzweigt sich erst spät und versorgt die rechte
Herzkammer. Der linke Tawara-Schenkel
verzweigt sich dagegen schon sehr früh in
zwei Bahnen: eine vordere und eine hintere
Bahn, die in die linke Herzkammer münden.
Von den Tawara-Schenkeln gelangt die elektrische Erregungswelle über ein fein verzweigtes Reizleitungsnetz (Purkinje-Fasern) auf die
Muskeln beider Kammern, die sich infolge der
Erregung zusammenziehen und das Blut in
die Lungengefäße (durch die rechte Kammer)
bzw. in die Hauptschlagader (durch die linke
Kammer) pumpen.
Dass das Herz schlägt, hängt in diesem System
nicht allein von dem Hauptimpulsgeber, dem
Sinusknoten, ab. Fällt der Sinusknoten durch
eine Störung aus, so springt der AV-Knoten als
Rhythmusgeber ein. Er hat allerdings mit etwa
50 Schlägen pro Minute eine geringere Entladungsfrequenz.
Versagt auch der AV-Knoten, so übernimmt
das His-Bündel die Rolle des Schrittmachers
und treibt das Herz mit etwa 40 Schlägen pro
Minute an. Das heißt: Je weiter entfernt vom
Sinusknoten die Schrittmacherimpulse entstehen, desto langsamer ist die Herzschlagfolge
16
DEUTSCHE HERZSTIFTUNG
und desto eher können Beschwerden auftreten, z.B. Leistungseinschränkung, Schwindel
oder Bewusstlosigkeit.
Arbeitet hingegen der Hauptimpulsgeber
einwandfrei, so dominiert er alle anderen
Rhythmusgeber. Sie ordnen sich ihm unter.
Deswegen heißt der normale regelmäßige
Herzrhythmus Sinusrhythmus.
Wie wird die elektrische
Erregung des Herzens gemessen?
Der größte Teil der elektrischen Erregungsabläufe im Herzen lässt sich mit Hilfe des Elektrokardiogramms (EKG) darstellen (Abb. 3).
Den Aufbau eines elektrischen Impulses im
Sinusknoten können wir im EKG nicht sehen.
Erfasst wird dagegen die Erregung des Vorhofs
(P-Welle). Die P-Welle ist gefolgt von einem
hohen Ausschlag (R-Zacke), der Ausdruck der
Erregung (Depolarisierung) der Kammermuskeln ist.
Die danach registrierte T-Welle ist Ausdruck
der elektrischen Erholung (Repolarisation) der
Kammermuskeln. Der Vorgang der Erregungsbildung im Sinusknoten, die Weitergabe des
Stromes auf den Vorhofmuskel, gefolgt von der
Erregung der Kammermuskeln, wiederholt sich
60- bis 90-mal pro Minute. Unter körperlicher
Belastung sowie unter psycho-emotionalem
Stress schlägt das Herz bis zu 160-mal, nachts
im Schlaf lediglich 60- bis minimal 40-mal pro
Minute. Verantwortlich für diese unterschiedliche situationsbedingte Herzschlagfolge ist
ein Geflecht von Nerven, das in den Sinusknoten mündet und seine Entladungsfrequenzen
beeinflusst. Es handelt sich dabei um Fasern
des vegetativen Nervensystems – also Nerven,
die unserem Willen nicht unterworfen sind.
Denn man kann dem Herzen nicht sagen, es
soll schneller oder langsamer schlagen oder
gar, es soll vorübergehend aufhören zu schlagen.
Wir unterscheiden beim vegetativen Nervensystem zwischen sympathischen (Sympathikus) und parasympathischen (Vagus) Nervenfasern. Der Sympathikus führt zur allgemeinen
1 Sekunde
R-Zacke
P-Welle
T-Welle
Abb. 3:
Herzstromkurve: EKG.
Stimulation des Herzens mit Anstieg der Herzschlagfolge (Herzfrequenz). Der Vagus dämpft
die Herztätigkeit mit Abfall der Herzfrequenz.
Sympathikus und Vagus fungieren also als
Gegenspieler. Jeder von uns hat schon mal
davon gehört, dass Menschen beim Anblick
von Blut oder bei starken Schmerzen plötzlich
bewusstlos werden. Diese Bewusstlosigkeit
kommt durch eine überschießende Vagusstimulation zustande, die zu einem kurzzeitigen
Herzstillstand und Blutdruckabfall führt.
Neben direkten Einflüssen, die das vegetative
Nervensystem ausübt, werden Änderungen
der Herzschlagfolge auch durch Hormone
vermittelt. Das bekannteste Hormon ist das
Adrenalin. Da es verantwortlich ist für den
Anstieg der Herzfrequenz unter psychischem
und körperlichem Stress, wird es auch als
Stresshormon bezeichnet. Unter Stress schüttet
die Nebenniere Adrenalin aus. Das Adrenalin
kommt auf dem Blutweg zum Sinusknoten
und hebt die Pulsfrequenz an, dann schlägt
das Herz als Reaktion auf den Stress schneller.
Auch erhöhte Körpertemperatur bei Fieber
führt dazu, dass die Herzschlagfolge rascher
wird.
Zusammenfassung
Unser Herz ist ein Hohlmuskel, der sich regelmäßig (rhythmisch) ca. 60- bis 90-mal pro
Minute zusammenzieht und wieder erschlafft
und auf diese Weise vier bis sechs Liter Blut
pro Minute durch unsere Blutgefäße pumpt.
Damit sich der Herzmuskel zusammenzieht,
muss er durch einen elektrischen Reiz (Impuls)
angestoßen werden. Der elektrische Impuls
entsteht im Bereich des rechten Herzvorhofs
und breitet sich in weniger als einer Drittelsekunde (200 bis 250 msec) über den gesamten
Herzmuskel aus, worauf sich dieser ebenso
schnell zusammenzieht und in der nächsten
Sekunde wieder erschlafft.
Störungen der Impulsbildung und Impulsleitung sowie die Bildung von Zusatzimpulsen
führen beim Patienten zu unregelmäßiger
Herztätigkeit. Von diesen Rhythmusstörungen
und ihren Konsequenzen soll in den folgenden
Artikeln die Rede sein.
DEUTSCHE HERZSTIFTUNG
17
Herunterladen