Der kosmische Mikrowellen-Klang Kosmologie und Teilchenphysik als akustische Phänomene 1. Kosmologie: Die Mikrowellen vom Urknall 2. Dunkle Materie Michael Kobel TU Dresden Lehrkräfte-Stammtisch 9.1.2013 Strukturbildung im Universum MPI für Astrophysik München, MIllenium Simulation http://www.mpa-garching.mpg.de/galform/virgo/millennium/ t = 0,2 Mrd. Jahre 20 Mio Lichtjahre t = 4,7 Mrd. Jahre 150 Mio Lichtjahre “erste Sterne” t = 1,0 Mrd. Jahre 50 Mio Lichtjahre “erste Galaxien” t = heute 300 Mio Lichtjahre Ursprung der Dichteunterschiede Postulat: Aus Nachhall der Quantenfluktuationen des Urknalls, „eingefroren“ durch Inflation (überholen Ereignishorizont) Verstärkt durch gravitatives „Aufsammeln“ der Umgebung Grenze der Beobachtung: Kosmischer Mikrowellenhintergrund Ursprung der Hintergrundstrahlung Bis 380.000 Jahre nach Urknall: „Plasma“ aus Protonen, Heliumkernen, Elektronen, Photonen 1 : 0,06 : 1,12 : 2.000.000.000 Strahlung (Photonen) und Materie in Wechselwirkung Temperatur T > 3000 K à Ionisation von H-Atomen durch Photonen 380.000 Jahre nach Urknall: Atomhüllen bilden sich Das Universum wird durchsichtig Strahlung breitet sich ungehindert aus Wenn das Universum heute 80 Jahre wäre… (13.700.000.000 Jahre à 80 Jahre) Ein Neugeborenes, 19 Stunden alt. Erste Schritte mit 13 Monaten Schulanfang mit 6 Jahren Das Universum ist 80. „Hat“ seit 5 Stunden Homo Sapiens Unsere Sonne Wie lange braucht das Licht (Photonen) vom Inneren an die Sonnenoberfläche? A: 2 sec C: 12 Monate B: 8 min D: 100,000 100.000 Jahre Analogie: Die Sonne Gasball aus H und He, normalerweise durchsichtig Innen: T > 10.000.000 K Ionisation der Atome freie Elektronen Licht jeder Energie wird absorbiert und wieder emittiert Erst nach ~100.000 Jahren Ankunft nahe der Oberfläche Oberfläche (Photosphäre) T = 6000 K Elektronen an Atome gebunden Licht kann entweichen erreicht nach 8 min ungehindert die Erde Beispiele zur Vermessung der Hintergrundstrahlung 1999 BOOMERanG Temperaturschwankungen Dichtere Regionen sind etwas wärmer als dünnere Hintergrundstrahlung von dort ist etwas energiereicher Mittlere Temperatur heute: 2,73 K über absolut Null (-270,42 oC) Typische Temperaturschwankungen: +- 0,0002 K Physik Nobelpreis 2006: Entdeckung dieser Schwankungen John C. Mather und George Smoot (COBE Satellit) COBE Mikrowellen als Babyfoto Cobe 1994 WMAP 2003 Nach Abzug unserer Milchstraße • Winzige Temperaturschwankungen: T=2,73 K +- 0,0002 K • “heiße” und “kalte” Flecken = “dichte” und “dünne” Gebiete • genau wie bei Schall à Klang des Universums Akustische Analogie I: Chladni-Figuren Akustische Analogie II: Musikinstrumente Die Obertöne des Kosmischen Klangs • Das Ohr hört an Obertönen: • Art des Instruments • geübtes Ohr: Bauweise Astrophysiker erkennen an den Obertönen: •„Form“ des Universums • Zusammensetzung Vergleich der Akustischen Wellen Schallgesc hwindigkei t im Gas u = ¶p ¶r u Frequenz f = l Luft Universum Verhält. Wechselwirkung Druck d. Stöße Druck d. Strahlung + Gravitation (!) Dichte 3x1025 Moleküle / m3 3x108 Protonen / m3 10-17 (bei 380.000 Jahren) Zustandsgleichung pVk = const.à p ~ rk p = ⅓c2r Geschwindigkeit v = Ökp/r = 340 m/s v= c/Ö 3 =1,7x108 m/s 500.000 Wellenlänge 20 mm – 20 m 20.000 – 400.000 Lj 1020 - 1022 Frequenz 17.000 – 17 Hz 10-12 – 0,4x10-13 Hz 10-14-10-16 Akustik bis zu Frequenzen von 0,04 pHz ! Schallwellen vermessen Geometrie l (Geometrie) = u (1/ Dichte ) f (Tonhöhe) Geometrieänderung (Dichte=const.) ergibt Frequenzänderung Länge à Tonhöhe (à Saiten, à Pfeifen) Form à Klang (Frequenzzusammensetzung) (à Fourierzerlegung ) a e i o u Dichteänderung (Geometrie=const.) ergibt ebenfalls Frequenzänderung (à Einatmen von Helium oder Schwefelhexafluorid SF6 ) Universum: Kenne v und f è bestimme l (Maßstab) Geometrie der Raumkrümmung erlaubt Rückschluss auf gesamten Energieinhalt ( Masseninhalt) W W = M / Mflach W<1 negativ gekrümmt flach W=1 positiv gekrümmt W>1 allgemeine Relativitätstheorie Geometrie = „Form“ des Universums W>1 W=1 13,7 Mrd. Lichtjahre bekannter Maßstab l - neg. gekrümmt - flach - pos. gekrümmt W = 1,005 +- 0,006 W<1 Das Universum als Spiegelsaal? Flach:= Parallele bleiben Parallel trotzdem endliches Volumen möglich! einfachste Lösung: Torus (eingeschränkte 3Dà2D Visualisierung) 3D Visualisierung als Spiegelsaal Möglicher Nachweis: “circles- in- the sky” Sobald Ereignishorizont größer Einheitszelle à gleiche Muster gegenüber (heutiger Ereignishorizont: 46 Mrd. Lichtjahre) ) konsistent mit langwelligen CMB Pattern! Spektrum der Wissenschaft, Januar 2009 http://www.spektrum.de/artikel/974631 Beste Anpassung an CMB Daten: (Aurich, Steiner et al, Uni Ulm, 2008) http://arxiv.org/abs/0708.1420 Kantenlänge = 54 Mrd. Lichtjahre (große Unsicherheiten!) Zusammensetzung des Universums Beiträge zur Gesamtenergie W atomare Materie (p,n,e): WB Sterne, Planeten, Gaswolken, Schwarze Löcher,… -- dämpft den ersten „Oberton“ -- verstärkt den zweiten „Oberton“ nichtatomare „dunkle“ Materie (n, …): WDM Ungebundene Elementarteilchen, schwach wechselwirkend -- verstärkten den zweiten „Oberton“ „dunkle“ Energie: WV „kosmologische Konstante“ „Vakuumenergie“ unverdünnbar W = WB + WDM + WV = 1 Der Effekt von Gravitation (~Materiedichte) Veränderung der Amplitudenverhältnisse Ergebnis 5% atomare Materie (WB =0,05) 22% nichtatom. Materie (WDM =0,22) Summe: W=1,00 à 73% „dunkle Energie“ (WV =0,73) ! Unabhängige Bestätigungen: Supernovae und Galaxiencluster =WV = WB + WDM Zwischenbilanz • Nur 27% des Universums ist Materie Wm = WB + WDM = 0,27 • 5/6 davon ist nichtatomare, „dunkle“, Materie möglicherweise uns völlig unbekannt • 73% ist keine Materie, sondern „dunkle Energie“ und treibt das Universum auseinander •Weder die Erde noch die Sonne noch die Milchstraße ist Mittelpunkt des Kosmos •Selbst der Stoff aus dem all das gemacht ist, ist eine „Randerscheinung“ (~ 5%) •Die „dunkle Energie“ bestimmt die Zukunft Zusammenfassung • Die „Kosmische Symphonie“ der Mikrowellenhintergrund Obertöne ergeben Form und Zusammensetzung des Universums • Das Universum ist im Mittel flach • Die Masse der uns bekannten atomaren Materie bildet ca. 5% der Gesamtenergie des Universums • Neutrinos erklären nur einen kleinen Bruchteil der 22% nichtatomaren „dunklen“ Materie im Weltall • Es gibt Ideen, was der Rest ist (à LHC Experimente 2010-…?) • 73% der Gesamtenergie steckt in „dunkler Energie“, unverstanden, aber bestimmend für die Zukunft • Kosmologie und Teilchenphysik, Quantenphysik und Akustik sind eng verknüpft Literaturempfehlungen (zusätzlich zu den schon genannten) • Dieser Talk (ab morgen) auf: http://iktp.tu-dresden.de/IKTP/forschung/Pub.php (Projekt: Outreach) • Harald Lesch / Jörn Müller Kosmologie für Helle Köpfe (Goldmann Taschenbuch, 2006) • Wayne Hu, The Physics of microwave background anisotropies http://background.uchicago.edu/~whu/physics/physics.html (mit Artikel aus Scientific American: The cosmic symphony, 2004) • Kosmologie und Teilchenphysik generell www.weltderphysik.de à Das Weltall, Welt des Allerkleinsten www.teilchenphysik.de • Physik am LHC www.weltmaschine.de www.weltderphysik.de/de/351.php • Teilchenphysik für die Schule www.teilchenwelt.de/material www.teilchenphysik.de/multimedia/lehr__und_lernmodule/ www.physicsmasterclasses.org (nächste Veranstaltungen: März 2013!)