Seminar Einführung in die Kunst mathematischer Ungleichungen

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Seminar Einführung in die Kunst
mathematischer Ungleichungen
Die Lagrange-Identität und eine Vermutung von Minkowski
1
Die Lagrange-Identität
Die Lagrange-Identität beschreibt den Fehler in der Cauchy-Schwarz-Ungleichung.
Ziel 1. Wir wollen eine allgemeine Formel finden, mit der wir die Differenz
der beiden Seiten der Ungleichung ausdrücken können.
Dafür schauen wir uns zunächst den Fall n = 2 an. Hierfür besagt die CauchyUngleichung
(a1 b1 + a2 b2 )2 ≤ (a21 + a22 )(b21 + b22 ).
Die rechte Seite lässt sich schreiben als
(a21 + a22 )(b21 + b22 ) = (a1 b1 + a2 b2 )2 + (a1 b2 − a2 b1 )2 .
(1)
Hieran sieht man schon, dass der ganz rechte Summand die Differenz der beiden Seiten in der Cauchy-Ungleichung ist. Sei Qn = Qn (a1 , a2 , ..., an ; b1 , b2 , ..., bn )
das quadratische Polynom, das diese Differenz in n Dimensionen angibt. Q2
ist also
Q2 = (a21 + a22 )(b21 + b22 ) − (a1 b1 + a2 b2 )2 = (a1 b2 − a2 b1 )2 .
(2)
(2) lässt sich erweitern zu
Qn = (a21 + a22 + ... + a2n )(b21 + b22 + ... + b2n ) − (a1 b1 + a2 b2 + ... + an bn )2
n X
n
n X
n
X
X
=
a2i b2j −
ai b i aj b j .
i=1 j=1
i=1 j=1
1
Wir wollen nun Qn auf eine ähnliche Form bringen wie Q2 . Dafür schreiben
wir Qn als
n
n
n
n
XX
1 XX 2 2
ai b i aj b j ,
Qn =
(ai bj + a2j b2i ) −
2 i=1 j=1
i=1 j=1
und fassen die beiden Summen zusammen
n
n
n
n
1 XX 2 2
Qn =
ai bj − 2ai bj aj bi + a2j b2i
2 i=1 j=1
1 XX
=
(ai bj − aj bi )2 .
2 i=1 j=1
Damit ist Qn nun in der gewünschten Form und wir haben unser Ziel erreicht.
Lagrange-Identität:
!2
n
n
n
n
n
X
X
X
1 XX
2
2
(ai bj − aj bi )2
ai b i
=
ai
bi −
2 i=1 j=1
i=1
i=1
i=1
(3)
Da stets Qn ≥ 0 gilt, haben wir damit auch einen weiteren Beweis der
Cauchy-Schwarz-Ungleichung gefunden.
2
Ein kontinuierliches Analogon
Zur Cauchy-Ungleichung für reelle Zahlen existiert ein kontinuierliches Analogon, das unabhängig von den Mathematikern V. Y. Bunyakovsky und H.
A. Schwarz gefunden wurde
Z
b
Z
f (x)g(x)dx ≤
a
b
2
12 Z
b
2
g (x)dx
f (x)dx
21
.
a
a
Ziel 2. Wir wollen nun eine dazu passende Lagrange-Identität finden.
Dazu betrachten wir die antisymmetrische Form s(x, y) = f (x)g(y)−g(x)f (y)
und integrieren s2 (x, y) über dem Quadrat [a, b]2 . Wir ersetzen also sozusagen die Summen mit Integralen und die reellen Zahlen mit integrierbaren
2
Funktionen und erhalten
Z Z
o2
1 b bn
f (x)g(y) − f (y)g(x) dxdy
2 a a
Z b
2
Z b
Z b
2
2
=
f (x)dx
g (x)dx −
f (x)g(x)dx .
a
a
(4)
a
Wir stellen also fest, dass, sofern alle Integrale wohldefiniert sind, (4) tatsächlich
die gesuchte kontinuierliche Lagrange-Identität ist.
3
Wann tritt Gleichheit auf ?
Ziel 3. Wir wollen uns damit beschäftigen, unter welcher Bedingung in der
Cauchy-Schwarz-Ungleichung Gleichheit auftritt.
Hier betrachten wir wieder zuerst nur die Ungleichung im Fall n = 2. Angenommen, (b1 , b2 ) 6= (0, 0). Aus (1) wissen wir, dass Gleichheit genau dann
auftritt, wenn
Q2 = (a1 b2 − a2 b1 )2 = 0
a1 b 2 = a2 b 1
a1 = λb1 und a2 = λb2
⇔
⇔
für ein λ ∈ R gilt. (a1 , a2 ) und (b1 , b2 ) müssen also linear abhängig sein. Es
stellt sich die Frage, ob dies ebenfalls in n Dimensionen gilt. Dies ist in der
Tat so.
Beweis. Sei (b1 , b2 , ..., bn ) 6= 0, dann existiert ein bk 6= 0. Im Gleichheitsfall
muss Qn = 0 gelten, also ai bj = aj bi für alle 1 ≤ i, j ≤ n. Für bk ergibt sich
für alle 1 ≤ i ≤ n.
ai b k = ak b i
Setze λ = ak /bk , dann ergibt sich
für alle 1 ≤ i ≤ n.
ai = λbi
Also müssen im Gleichheitsfall (a1 , a2 , ..., an ) und (b1 , b2 , ..., bn ) tatsächlich
linear abhängig sein.
Analog erhält man, dass im kontinuierlichen Fall f und g proportional sein
müssen.
3
4
Eine Vermutung von Minkowski
Der Mathematiker Hermann Minkowski beschäftigte sich unter anderem mit
der Fragestellung, ob sich alle nicht negativen Polynome als Summe von
quadratischen, reellen Polynomen darstellen lassen. Er vermutete, dass dies
nicht immer möglich sei, und behielt Recht. Den ersten Beweis dafür lieferte
David Hilbert im Jahr 1888, das erste explizite Gegenbeispiel wurde jedoch
erst 1967 von T.S. Motzkin gefunden.
Ziel 4. Wir wollen ein reelles Polynom P (x1 , x2 , ..., xn ) finden, mit P (x1 , x2 , ..., xn ) ≥
0 für alle (x1 , x2 , ..., xn ) ∈ Rn , welches sich nicht als Summe der Quadrate
von s reellen Polynomen Qk (x1 , x2 , ..., xn ), 1 ≤ k ≤ s, darstellen lässt.
Zuerst betrachten wir den Fall n = 1. Hier lässt sich jedoch kein Gegenbeispiel finden, im Gegenteil, es lässt sich per Induktion über den Grad des
Polynoms zeigen, dass alle nicht negativen reellen Polynome in einer Variablen als Summe von Quadraten zweier reeller Polynome darstellbar sind.
Beweis. Induktionsanfang: Wir betrachten das Polynom P (x) = ax2 +
bx + c, a 6= 0, das vom Grad zwei ist. Mithilfe der quadratischen Ergänzung
lässt sich dieses schreiben als
2
4ac − b2
b
2
.
(5)
+
P (x) = ax + bx + c = a x +
2a
4a
Der erste Summand ist schon in der gewünschten quadratischen Form, bleibt
zu zeigen, dass sich der zweite Summand ebenfalls in eine solche Form bringen
lässt. Für große x folgt aus P (x) ≥ 0, dass a > 0. Wenn wir nun x0 = −b/2a
setzen, folgt aus (5)
P (x0 ) ≥ 0 ⇒ 4ac − b2 ≥ 0.
Also sind beide Summanden in (5) nicht negativ. P (x) lässt sich also schreiben als Q21 + Q22 , wobei Q1 und Q2 reelle Polynome sind mit
Q1 (x) =
√
a x+
b
2a
√
und Q2 (x) =
2
4ac−b
√
.
2 a
Induktionsvoraussetzung: Für Polynome kleineren Grades als P sei die
Aussage schon gezeigt.
Induktionsschritt: Wenn wir in Gleichung (1) die reellen Zahlen mit Polynomen ersetzen, erhalten wir, dass die Menge der Polynome, die als Summe
4
von den Quadraten zweier Polynome dargestellt werden kann, multiplikativ
abgeschlossen ist. D. h., wenn P (x) = Q(x)R(x), mit
Q(x) = Q21 (x) + Q22 (x)
und R(x) = R12 (x) + R22 (x),
dann folgt mit (1)
P (x) = Q(x)R(x)
= (Q21 (x) + Q22 (x))(R12 (x) + R22 (x))
= {Q1 (x)R1 (x) + Q2 (x)R2 (x)}2 + {Q1 (x)R2 (x) − Q2 (x)R1 (x)}2 .
Da Q und R nach Induktionsvoraussetzung die gewünschte Darstellung besitzen (da sie von kleinerem Grad als P sind), lässt sich P ebenfalls als Summe
von Quadraten zweier reeller Polynome darstellen, vorausgesetzt wir finden
eine geeignete Zerlegung in zwei nicht negative reelle Polynome Q und R.
Hier unterscheiden wir zwei Fälle: P hat eine reelle Nullstelle oder P hat
keine reelle Nullstelle.
1.Fall: P hat die reelle Nullstelle r mit Multiplikativität m. Dann können wir
P schreiben als
P (x) = (x − r)m R(x),
wobei R(r) 6= 0. Wir setzen nun x = r + ε, dann folgt
P (r + ε) = εm R(r + ε).
Da R stetig ist, existiert ein δ, so dass R(r + ε) für alle ε mit |ε| ≤ δ dasselbe
Vorzeichen hat. Da P (x) nie negativ ist, muss εm ebenfalls für alle |ε| ≤ δ
dasselbe Vorzeichen haben, also ist m gerade. Mit m = 2k haben wir
P (x) = Q̂2 (x)R(x),
wobei Q(x) = Q̂2 (x) = {(x − r)k }2 , und damit nicht negativ ist und R(x)
folglich ebenfalls nicht negativ ist. Für den ersten Fall haben wir also eine
sinnvolle Zerlegung gefunden.
2.Fall: P hat keine reelle Nullstelle. Nach dem Fundamentalsatz der Algebra
existiert eine komplexe Nullstelle r, und da
0 = P (r) ⇒ 0 = P (r) = P (r̄),
5
ist das komplex konjugierte r̄ ebenfalls eine Nullstelle von P . Daher existiert
für P die Zerlegung
P (x) = (x − r)(x − r̄)R(x) = Q(x)R(x).
Das reelle Polynom Q(x) = (x − r)(x − r̄) ist positiv für große x, und da es
keine reellen Nullstellen hat, ist es positiv für alle reellen x. Da P (x) nicht
negativ ist, ist R(x) ebenfalls nicht negativ und wir haben auch hier eine
sinnvolle Zerlegung von P gefunden.
Also lässt sich jedes nicht negative Polynom in einer Variablen als Summe
von Quadraten zweier reeller Polynome darstellen.
Nun, da wir im Fall n = 1 kein Gegenbeispiel finden konnten, versuchen
wir es im Fall n = 2. Zuerst müssen wir auf die eine oder andere Art und
Weise ein nicht negatives Polynom konstruieren. Dabei hilft uns die AM-GMUngleichung
a1 + a2 + ... + al
.
(a1 a2 ...al )1/l ≤
l
Um es nicht zu kompliziert zu machen, wählen wir a1 = x2 , a2 = y 2 , und
a3 = 1/x2 y 2 , so dass a1 a2 a3 = 1. Dann folgt mit der AM-GM-Ungleichung
1
1 ≤ (x2 + y 2 + 1/x2 y 2 ).
3
Daraus ergibt sich nach ein paar Umformungen, dass das Polynom
P (x, y) = x4 y 2 + x2 y 4 − 3x2 y 2 + 1
(6)
für alle x und y nicht negativ ist. Nun ist es unser Ziel zu widerlegen, dass
sich dieses Polynom als
P (x, y) = Q21 (x, y) + Q22 (x, y) + ... + Q2s (x, y)
mit s ∈ N darstellen lässt. Wenn wir y = 0 wählen, erhalten wir
1 = P (x, 0) = Q21 (x, 0) + Q22 (x, 0) + ... + Q2s (x, 0),
und mit x = 0
1 = P (0, y) = Q21 (0, y) + Q22 (0, y) + ... + Q2s (0, y),
6
also sind die univariaten Polynome Q2k (x, 0) und Q2k (0, y) beschränkt. Außerdem wissen wir, da P (x, y) Grad sechs hat, dass keins der Polynome Qk
einen Grad größer als drei haben kann. Daraus folgt, dass die Qk die Form
Qk (x, y) = ak + bk xy + ck x2 y + dk xy 2
(7)
haben, wobei ak , bk , ck und dk Konstanten sind. Wenn wir uns (6) anschauen,
sehen wir, dass alle Koeffizienten positiv sind, außer der von x2 y 2 , der ist −3.
Aufgrund von (7) folgt
−3 = b21 + b22 + ... + b2s ,
was jedoch ein Widerspruch ist, da die rechte Seite niemals negativ ist. Also
kann P (x, y) nicht als Summe von Quadraten reeller Polynome dargestellt
werden. Damit haben wir ein Gegenbeispiel gefunden und so Minkowskis
Vermutung bewiesen.
5
Monotonie und eine rationale Schranke
Ziel 5. Sei f : [0, 1] → (0, ∞) integrierbar und monoton fallend. Zeige
R1 2
R1 2
xf (x)dx
f (x)dx
0
≤ R0 1
.
R1
xf (x)dx
f (x)dx
0
0
6
Eine Cauchy-Interpolation
Ziel 6. Sei 0 ≤ x ≤ 1 und (a1 , a2 , ..., an ) und (b1 , b2 , ..., bn ) zwei beliebige
reelle Vektoren. Zeige
X
2 X
X
n
n
n
n
n
n
X
X
X
2
2
aj b j + x
aj b k ≤
aj + x
aj ak
bj + x
bj bk
j=1
j,k=1
j6=k
j=1
j,k=1
j6=k
j=1
j,k=1
j6=k
Für x = 0 ist dies die Cauchy-Ungleichung, für x = 1 haben wir
(a1 + a2 + ... + an )(b1 + b2 + ... + bn )2 = (a1 +a2 +...+an )2 (b1 +b2 +...+bn )2 .
7
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