Dr. Petra Steger-Adami, LKH Rankweil Keine Freunde, Desinteresse und mangelndes Einfühlungsvermögen – für manche Erwachsene ein Anlass, bei sich selbst das Asperger Syndrom zu diagnostizieren Selbsttests im Internet Internetsuche zum Thema Asperger ergibt 16.000.000 – Autismus 2.570.000 Treffer Wissenschaftliche Publikationen: PubMed-Recherche mit dem Schlagwort Autismus ergab im Jahr 2000 311 Nennungen, 2012 19.191 Treffer Heller - Pädagoge aus Wien 1908: Heller´sche Demenz; unauffällige Entwicklung, dann Regression Eugen Bleuler – Schweizer Psychiater 1911: frühkindliche Schizophrenie - Autismus Grunja Sucharewa – Russische Psychiaterin 1926: schizoide Psychopathie, klingen z. T. wie Asperger Hans Asperger - Wiener Kinderarzt 1938: erster Artikel,1944 Habilitationsschrift über die autistische Psychopathie Leo Kanner - Kinderpsychiater aus Baltimore 1943: 11 Kinder mit frühkindlichem Autismus, Basis für weitere Forschung Andreas Rett - Wiener Sozialpsychiater und Kinderarzt 1966 Beschreibung von 22 Mädchen mit zunächst unauffälliger Entwicklung und dann autistischer Symptomatik, XChromosomale Ursache Lorna Wing - britische Psychiaterin 1979: Asperger Syndrom dem englischsprachigen Raum zugänglich gemacht 1991: Internationales Klassifikationssystem der WHO (ICD-10) 1996: Diagnostische Statistische Manual psychischer Störungen (DSM-IV) der American Psychiatric Association Eric Schoppler - North Carolina seit 1960 Entwicklung des TEACCH-Programms Asperger und Autismus sind tiefgreifende Entwicklungsstörungen, welche die Mehrzahl der Betroffenen, ihre Familien und ihre soziale Umgebung erheblich in den Möglichkeiten einer selbständigen Lebensführung beeinträchtigt Die Diagnostik bei Erwachsenen erfordert eine erhöhte Aufmerksamkeit bei Ärzten, Psychologen und anderen Berufsgruppen Patienten mit bereits bestehender Diagnose ◦ Bei Auftreten einer Begleitsymptomatik ◦ Notwendige Kontrollen, Bestätigungen etc. ◦ Bei Änderung von Lebensumständen (z.B. Scheidung, Arbeitsplatzverlust, etc.) Patienten mit V. a. high functioning Autismus/Asperger-Syndrom ◦ Oft nach Selbsttests ◦ Nachdem Geschwister diagnostiziert wurden ◦ Nachdem sie durch Begleitsymptomatik psychiatrisch auffällig wurden Bei bereits bestehender Diagnose: Diagnose und Vorbehandlung durch Kinder- und Jugendpsychiater Befundübermittlung an Erwachsenenpsychiater meist gut integriert in Einrichtungen wie Lebenshilfe, ProMente, AKS und IFS Erhebung und ggf. Behandlung von Begleitsymptomatik Kontrollen, Bestätigungen, etc. Bei noch nicht klarer Diagnose: Psychiatrische Diagnostik Einholen von ev. Vorbefunden Zuweisung zu EEG, MRT Zuweisung zur Testpsychologie, z.B. SMO Anhand aller Befunde mögliche diagnostische Zuordnung Vermittlung an Kontaktstellen des AKS, IFS, der Lebenshilfe, proMente, etc. Ggf. medikamentöse Therapie der Begleitsymptomatik Erheben der Anamnese Psychiatrische ExplorationErheben eines psychopathologischen Status Medizinische Exploration Neuropsychologie mit dem Patienten Bestenfalls Angaben von Eltern/engsten Bezugspersonen Ev. Auch Angaben von früher aus Kindergartenzeit, Schulzeit, etc. Informationen vom Arbeitsplatz Informationen von Freunden Vorstellungsgrund (wer und warum) Aktuelle Problematik, Einschränkung, Entwicklung Erhebung der Biographie inkl. schulischer und beruflicher Entwicklung Erhebung der frühkindlichen Entwicklung mit: Alter bei Beginn der Probleme Entwicklungsgeschichte Angaben von früher von Kindergarten, Schule, Eltern, Freunden, Partner Familienanamnese, auch hinsichtlich eigenen Kindern (Entwicklungsstörungen, Intelligenzminderungen, psychiatrischen Störungen,..) Erheben der Anamnese Psychiatrische ExplorationErheben eines psychopathologischen Status Medizinische Exploration Neuropsychologie Offenes Gespräch Strukturiertes Gespräch Ziel ◦ Erfassen der Symptomatik ◦ Erfassen von einer ev. Begleitsymptomatik Neurologischer und Somatischer Status Labor (Routine, Stoffwechselscreening) Beurteilung der Befunde von MRT und EEG Vorbefunde? Hör- und Sehstörung? (genetisches Konsil, z.B. Genetiksprechstunde FK, Zürich) Beurteilung der Testpsychologie IQ (mehrdimensionale Tests) Gedächtnis und Aufmerksamkeit Sprachdiagnostik Persönlichkeitsscreening Neuropsychologische Tests zur Erfassung sozialer Kognition, exekutiver Dysfunktion, Mangel an zentraler Kohärenz Festgelegte Skalen zur Erfassung von AutismusSpektrum-Störungen Sprachentwicklung etwa 20-50% der Kinder mit ASS entwickeln eine flüssige Sprache Intelligenz- und Sprachentwicklung korrelieren miteinander kritisches Alter bei 6 Jahren Auffälligkeiten bestehen bereits vor Beginn der formalen Sprachentwicklung (wenig soziale Interaktion) Sprachliche Besonderheiten Echolalie Vertauschen von Personalpronomina (ich und du) idiosynkratische Begriffe Wortneuschöpfungen Unfähigkeit übertragene Bedeutungen zu verstehen Sprachanwendung mangelndes Einfühlungsvermögen (Theory of mind) Intentionale Zuschreibung durch den Hörer Kontextabhängige Bedeutungen werden nicht verstanden, da Absicht des Sprechers nicht verstanden wird Indirekte Sprechakte (Es zieht! Schließ das Fenster!) Schwierigkeiten die Sprache an den sozialen Kontext anzupassen zur Erfassung sozialer Kognition ◦ FEFA; Fotos emotionaler Mienen ◦ Bildergeschichten zur Erfassung der Theory of mind exekutiver Dysfunktion ◦ Turm von Hanoi, Erfassung von Umstellungsfähigkeit und flexibler Anpassung von Handlungsmustern Mangel an zentraler Kohärenz ◦ Bevorzugung lokaler vor globaler Verarbeitung (Baum vor Wald) ◦ Weniger Opfer optischer Täuschungen ◦ Mangelndes Verständnis für soziale Situationen Kategoriale Skalen ◦ Früherkennung (CHAT, M-CHAT) ◦ Screening-Fragebögen (FSK, SCQ) ◦ Beobachtungsskalen (ADOS, CARS) Interview (ADI-R) Dimensionale Fragebögen (SRS, SCDC) Fragebögen zur Selbstbeurteilung (AQ, EQ) Skalen zur Verlaufs- und Förderdiagnostik (SRS, CARX, PIA-CV-Mini, PEP-R, AAPEP) Skalen zum Asperger-Syndrom (ASDI, ASAS, AAA) Fragebogen zur Sprache und Kommunikation (CCC) Für Erwachsene zugelassen Dimensionale Fragebögen (SRS bis 18. Lebensjahr) Selbstbeurteilung AQ, EQ Verlaufs- und Förderdiagnostik: AAEP Asperger-Syndrom: Adult Asperger Assessment (AAA), computer-generiertes, gemischtes klinisches Interview und Expertenrating, das auf Basis von AQ und EQ entsteht Fragebogen zur Selbstbeurteilung Einsicht, dass Personen mit ASS mit ausreichend kognitiven Fähigkeiten im Jugendlichen- und Erwachsenenalter selbst direkt befragt werden sollen. AQ: Autismus-Spektrum-Quotient ◦ ◦ ◦ ◦ 50 Items; Höchstwert von 50 Punkten; Normalbevölkerung zwischen 11-22 Punkten bei ASS Erwartungswert bei 32 Punkten Frauen scoren niedriger als Männer EQ: Empathie-Quotient ◦ ◦ ◦ ◦ 60 Items; maximaler Summenwert 80 Punkte 0-32 Punkte spricht für niedrige Empathie High functioning Autismus Werte um die 20 Frauen scoren höher als Männer Verlaufs- und Förderdiagnostik - AAEP erfasst: 6 Kompetenzbereiche Berufliche Fertigkeiten Eigenständigkeit Freizeitgestaltung Arbeitsverhalten Funktionale Kommunikation Zwischenmenschliches Verhalten In je 3 Lebensbereichen Klinik Wohnen Arbeit Vor dem 3. Lebensjahr manifestiert sich eine auffällige und beeinträchtigte Entwicklung in mindestens einem der folgenden Bereiche: Rezeptive und expressive Sprache wie sie in der sozialen Kommunikation verwandt wird Entwicklung selektiver und sozialer Zuwendung oder reziproker sozialer Interaktion Funktionelles und symbolisches Spiel Mindestens 6 Symptome von 1./2./3., davon 2 von 1. und mindestens 1 von 2. und 3. 1. Qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion 2. Qualitative Auffälligkeiten der Kommunikation 3. Begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten 1. Qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion (mindestens 2) Unfähigkeit Blickkontakt, Mimik, Körperhaltung und Gestik zur Regulation sozialer Interaktionen zu verwenden Unfähigkeit, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzunehmen, mit gemeinsamen Interessen, Aktivitäten und Gefühlen Mangel an sozio-emotionaler Gegenseitigkeit, die sich in einer Beeinträchtigung oder devianten Reaktion auf die Emotionen anderer äußert, oder Mangel an Verhaltensmodulation entsprechend dem sozialen Kontext oder nur labile Integration sozialen, emotionalen und kommunikativen Verhaltens Mangel, spontan Freude, Interessen oder Tätigkeiten mit anderen zu teilen 2. Qualitative Auffälligkeiten der Kommunikation (1) Verspätung oder vollständige Störung der gesprochenen Sprache, die nicht begleitet ist durch einen Kompensationsversuch durch Gestik oder Mimik als Alternative zur Kommunikation (vorausgehend oft fehlendes kommunikatives Geplapper) Relative Unfähigkeit, einen sprachlichen Kontakt zu beginnen oder aufrechtzuerhalten (auf dem jeweiligen Sprachniveau), bei dem es einen gegenseitigen Kommunikationsaustausch mit anderen Personen gibt Stereotype und repetitive Verwendung der Sprache oder idiosynkrastischer Gebrauch von Worten und Phrasen Mangel an verschiedenen spontanen Als-ob-Spielen oder sozialen Imitationsspielen 3. Begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten (1) Umfassende Beschäftigung mit gewöhnlich mehreren stereotypen und begrenzten Interessen, die in Inhalt und Schwerpunkt abnorm sind; es kann sich aber auch um ein oder mehrere Interessen und ungewöhnlicher Intensität und Begrenztheit handeln Offensichtlich zwanghafte Anhänglichkeit an spezifische, nicht funktionale Handlungen und Rituale Stereotype und repetitive motorische Manierismen mit Hand- und Fingerschlagen oder Verbiegen, oder komplexe Bewegungen des ganzen Körpers Vorherrschende Beschäftigung mit Teilobjekten oder nicht-funktionellen Elementen des Spielmaterials Entwicklungsstörung der rezeptiven Sprache Reaktive Bindungsstörung Bindungsstörung mit Enthemmung Intelligenzminderung mit emotionaler oder Verhaltensstörung Schizophrenie mit ungewöhnlich frühem Beginn Rett-Syndrom Gleiche Kriterien wie für Autismus Manifestationsalter mit Beginn nach dem 3. Lebensjahr Einer der Störungsbereiche der sozialen Interaktion, der Kommunikation oder der repetitiv-stereotypen Verhaltensweisen ist unauffällig Es fehlt eine klinisch eindeutige Verzögerung der gesprochenen und rezeptiven Sprache oder der kognitiven Entwicklung. Die Diagnose verlangt, dass einzelne Worte bereits im 2. Lebensjahr oder früher und kommunikative Phrasen im dritten Lebensjahr oder früher benutzt wurden. Selbsthilfefertigkeiten, adaptives Verhalten und die Neugier an der Umgebung sollten während der ersten drei Lebensjahre einer normalen intellektuellen Entwicklung entsprechen. Allerdings können Meilensteine der motorischen Entwicklung etwas verspätet auftreten und eine motorische Ungeschicklichkeit ist ein häufiges diagnostisches Merkmal. Inselbegabungen sind häufig aber nicht erforderlich für Diagnose. Qualitative Beeinträchtigungen der gegenseitigen sozialen Interaktion (gleich wie bei Autismus) Ungewöhnlich intensives umschriebenes Interesse oder begrenzte repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten (entspricht dem Punkt begrenzte repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten bei Autismus) Andere tiefgreifende Entwicklungsstörung Schizotype Störung Schizophrenia simplex Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters Bindungsstörung mit Enthemmung Zwanghafte Persönlichkeitsstörung Zwangsstörung Autismus Jungen: Mädchen 3:1 Kleinkindalter Häufig IQ vermindert Gestörte und verzögerte Sprachentwicklung In der Regel keine Einschränkungen in der Motorik Umgebung ist nicht existent Asperger Jungen: Mädchen 9:1 Kindergarten- und Schulalter Normale bis überdurchschnittliche Intelligenz Frühzeitige Sprachentwicklung Motorische Auffälligkeiten wie Ungeschicklichkeit Umgebung wirkt störend Andere tiefgreifende Entwicklungsstörungen Sonstige desintegrative Störungen des Kindeslaters Rett-Syndrom Überaktive Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien Landau-Kleffner-Syndrom Störung des Seh- und Hörapparates Expressive und rezeptive Sprachstörungen Bindungsstörungen Anpassungsstörungen Elektiver Mutismus Schizophrenie Schizoide Persönlichkeitsstörung Epilepsien Doppelsyndrome ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ Tuberöse Sklerose Fragiles X-Syndrom Phenylketonurie Neurofibromatose Williams-Beuren-Syndrom Angelmann-Syndrom Prader-Willi-Syndrom Down-Syndrom Joubert-Syndrom Ljuan-Fryns-Syndrom Moebius-Syndrom Sotos-Syndrom Lesch-Nyhan-Syndrom Intelligenzminderung Hpyerkinetische Störung Emotionale Störungen Angststörungen Zwangsstörungen Tic-Störungen Depressive Verstimmungen Schizotype Störung Schizophrenia simplex Zwanghafte Persönlichkeitsstörung Zwangsstörung Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters Fallbeispiel 1 – Norman Fallbeispiel 2 – Peter Fallbeispiel 3 – Kerstin Bitte durchlesen Versuch der diagnostischen Zuordnung Asperger/Autismus ja/nein Warum? Fallbeispiele entnommen aus dem Buch: Diagnose und Therapie von Autismus-Spektrum-Störungen; Steinhausen/ Gundelfinger Vorstellungsanlass auf Initiative des Patienten wegen V. a. Asperger-Syndrom Er sei irgendwie anders, passe nirgends dazu. Was die anderen machen (Party, Trinken, Schwätzen) interessiere ihn nicht. Ihn interessiere nur das Programmieren und das Thema Ernährung. Er lese ständig Ernährungs- und Programmierbücher, mache mit der Ernährung seine eigenen Experimente. So habe er vegetarisch, Rohkost, vegan und gegenwärtig Trennkost probiert, um seine Depressionen wegzukriegen. Psychopathologischer Befund Wach, in allen Qualitäten orientiert, formaler Gedankengang ist flüssig. Inhaltlich bestehen Größenideen (er könne für irgendetwas bestimmt, ein Genie sein), außerdem ein paranoider Wahn (Verfolgung durch Autos), beides mit inadäquatem, nicht manischem Affekt vorgetragen. Affektiv nicht depressiv, eher gleichgültig, wenig schwingungsfähig und stellenweise inadäquat. Psychomotorisch fallen eckige, manierierte Bewegungen auf. Krankheitsbewusstsein und Behandlungsbereitschaft sind nur partiell (bezüglich Selbstdiagnose Asperger) vorhanden. Vorstellungsanlass Initiative einer Psychologin, die alle Leitsymptome des Asperger-Syndroms erfüllt sieht: Früher Beginn (bereits im Kindergartenalter auffällig; Diagnose: Emotionale Störung im Jugendalter; umschriebene Rechenschwäche, schon damals aber: andere hänseln ihn, machen sich über ihn lustig) Interaktions- und Kommunikationsschwierigkeiten in sozialen Situationen Ausgeprägte Sonderinteressen und –begabungen, Rituale Besonderheiten der Sinneswahrnehmungen (visuell, auditiv) Probleme der fein- und grobmotorischen Koordination Fremdanamnese (Eltern) immer anders als die anderen Kinder Vorstellung in psychiatrischen Kliniken. Diagnose: emotionale Störung. Die Mutter berichtet mit Ausnahme zwangsritualisierter Handlugen sämtliche Symptome eines Asperger-Syndroms erkannt zu haben. Schwangerschaft, Geburt: normal entwicklungsverzögert, die motorische Entwicklung normal gewesen, Sprechbeginn mit zwei Jahren. Die Entwicklung habe immer wieder stagniert. Er sei immer sehr langsam gewesen (nicht von dieser Welt). Im Kindergarten Angst vor den anderen Kindern, kein Interesse an anderen Kindern, Kindergartenwechsel. Mit einer engagierten Erzieherin sei Peter sehr gut zurechtgekommen. Einschulung mit sieben Jahren nach initialer Rückstufung. Fremdanamnese (Eltern) Zunächst guter Kontakt zu gleichaltrigen Nachbarskindern Trotz Einladungen anderer Kinder am liebsten alleine Bis zur dritten Klasse gute Schulleistungen. In der dritten Klasse habe er sich geweigert zu rechen. Diagnose: Akalkulie. Vorschlag Sonderschule. Ab der vierten Klasse habe er sich am Rechenunterricht wieder beteiligt. Peter habe nie Interesse an Mädchen gehabt, habe Menschen immer gemieden. Zu einer Cousine habe er aber ein gutes Verhältnis gehabt, auch zum Bruder sei das Verhältnis gut gewesen. Neu seien verbal-aggressive Angriffe. Peter sei insgesamt ein Ich-Mensch, reagiere aggressiv wenn ihm Wünsche nicht gewährt würden. Besondere Vorlieben: Der Computer sei sein Lebensgefährte. Peter erkenne soziale Situationen, habe ein Gespür für Emotionen anderer, gehe aber darauf nicht ein (ich hasse dieses soziale Getue) Psychopathologischer Befund Während des Gesprächs kein Blickkontakt, außer bei Konfrontation (z.B. Aufforderung an ihn gestellte Fragen konkret zu beantworten). Verliert sich sonst mit unstillbarem Redefluss in weitschweifigen Gedankengängen. PX zeigt deutliche paranoide Verkennungen: bereits mit 15 Jahren vermutete er, jeder nehme Böses von ihm an, interpretierte er neutrale oder freundliche soziale Signale als feindlich und gegen sich gerichtet (Fremdanamnese u. a. bei Eltern und Schulkameraden). Deutlich zeigten sich formale Denkstörungen (Ambivalenz, Weitschweifigkeit, Sprunghaftigkeit), eine aggressiv-paranoid, gespannte Grundstimmung. Außerdem gestörter Tag-Nachtrhythmus Vorstellungsanlass Diagnostische Abklärung bei V.a. Asperger-Syndrom. Kerstin wünscht sich hierdurch Unterstützung bei ihrer Arbeitsplatzproblematik (Konzentrationsbeeinträchtigung nach 4-stündiger Tätigkeit, Probleme bei Veränderungen, bei Sozialkontakten). Durch Literaturstudium selbst gestellte Verdachtsdiagnose: Sie hatte immer Probleme mit Gleichaltrigen, kaum Kontakt, nur Interesse für Buchtstaben und Zahlen, zeigte motorische Ungeschicklichkeit mit sehr schlechten Leistungen im Sportunterricht. Vorstellungsanlass Sie habe panikartige Ängste bei Veränderungen: früher bei Lehrerwechsel, jetzt bei bevorstehendem Umzug. Sie habe Körperkontakt immer abgelehnt, sei immer ernst und nachdenklich gewesen, habe immer viel gelesen. Von der Selbsteinschätzung bezeichnet sich Kerstin als introvertiert, ordentlich, pünktlich, sauber, intelligent, wenig ehrgeizig. Sie werde häufig überschätzt. Hilfsbereit sei sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten, d. h. unter Berücksichtigung ihrer sozialen Einschränkungen. Im Laufe der Jahre habe sie durch Imitation sozial erwünschtes Verhalten antrainiert. Angaben (mit Einverständnis von Kerstin) der Mutter und des Vaters (ohne Kerstin) Nach schwerer Geburt und anfänglich motorischer Entwicklungsverzögerung habe sich Kerstin schon früh mit Buchstaben beschäftigt, habe mit drei Jahren angefangen zu Lesen. Dadurch habe sie sich die Schriftsprache angeeignet, die von anderen nicht verstanden worden sei. Dadurch habe sie keinen Kontakt zu Jüngeren und Gleichaltrigen gefunden, zu Älteren schon. Die Eltern hätten immer wieder versucht, für die Tochter Kontakte zu schaffen, hätten zu Geburtstagsfeiern bis zu 16 Kinder eingeladen. Es habe nicht an den anderen Kindern gelegen, sondern die Tochter habe einfach keinen Kontakt herstellen können, sei auch den Gegeneinladungen der Kinder nicht gefolgt. Angaben (mit Einverständnis von Kerstin) der Mutter und des Vaters (ohne Kerstin) In der Schule sei sie isoliert gewesen, vor allem nach dem Wechsel von der Grundschule aufs Gymnasium. Ab der fünften Klasse sei die Tochter alleine gesessen, niemand habe sich zu ihr hingesetzt. Schon aus dem Kindergarten habe sie auf Wunsch der Kindergärtnerin herausgenommen werden müssen, da sie nicht integrationsfähig gewesen sei. Sie habe dort niemand verstanden, habe an keinen Gruppenaktivitäten teilnehmen können, habe Angst und Panik entwickelt und zum Schluss alles Essen und Trinken wieder ausgespuckt, sodass die Kindergärtnerinnen kapituliert hätten. Prozedere Es waren verschiedene differenzialdiagnostische Erwägungen anzustellen. Unter anderem ob es sich angesichts der schweren Geburt und motorischen Entwicklungsverzögerung nicht um eine zerebrale Schädigung handelt. Eine MRT-Untersuchung des Kopfes wurde angeregt. Darüber sollte die Verdachtsdiagnose eines ADHS ausgeschlossen werden. Zu diesem Zweck wurde die Durchführung einer umfangreichen neuropsychologischen Testdiagnostik mit besonderem Schwerpunkt auf Ausdauer- und Konzentrationsleistungen empfohlen. Weiterer Verlauf MRT: ohne pathologischen Befund; Testpsychologie: kein Hinweis auf ADHS 1-4/1000 für frühkindlichen Autismus 6,5/1000 für Austismusspektrumstörung Unter 150 Kindern liegt bei einem eine Autismusspektrumstörung vor Neuere Studie für Erwachsene und Kinder, Häufigkeit mit 1 von 100 angegeben Keine Zunahme von Erkrankungen, nur verbesserte Diagnostik Jungen häufiger als Mädchen betroffen Mädchen häufiger Intelligenzminderung und Epilepsie Genetische Faktoren und Umweltfaktoren Körperliche Erkrankungen Hirnschädigungen bzw. Hirnfunktionsstörungen Biochemische Anomalien Neuropsychologische und kognitive Basisdefizite Störung der Emotionsregulation Zwillingsstudien zeigen Konkordanzraten von 36-96% bei eineiigen und 0-5% bei zweieiigen Zwillingen Hohe Vererbbarkeit autistischer Merkmale große Vielfalt im Erscheinungsbild der autistischen Störung bedeutet große genetische Heterogenität Identifizierung von genetischen Varianten, die an der Ätiologie dieser Störung beteiligt sind, ist schwer Komplexe genetische Prozesse durch Interaktionen verschiedener Gene und von Umweltfaktoren an der Ätiologie von Autismus beteiligt Trotz intensiver Forschungen nur geringe Fortschritte bei der Identifizierung von Kanditatengenen Neuroligin-Gene 3 und 4 (X-Chromosom), für Synaptogenese Neurexin1, Synaptogenese, Glutamat-Neuronen SCHANK3-Gen (Chromosom22q13), für Synaptogenese, strukturelle Organisation der Dendriten Oxytocin-Rezeptor-Gen (Chromosom 3p24-26) soziale Wahrnehmung Nur in 6-12% monogenetischer Defekt Vielzahl von bekannten neurologischen/genetischen Syndromen Epilepsien (11-39% klinische Anfälle, 10-77% ohne klinische Anfälle), deutlich häufiger als in Normalbevölkerung Kein spezifisches EEG Muster Auch die Art der Epilepsie oder der epileptischen Anfälle nicht spezifisch Abweichungen in verschiedenen Hirnregionen: ◦ Abnormitäten des Großhirns ◦ limbischen Systems ◦ Zerebellum ◦ unteren Olivenkerns Ev. unzureichende Vernetzung diverser cerebraler Areale fMRT: ◦ Dysfunktion des frontalen Kortex, Amygdala, Basalganglien, Balken ◦ z.B. bei Erkennung von Gesichtern mit unterschiedlicher emotionaler Qualität wird jene Struktur des Temorallappens aktiviert, die bei Gesunden für die Erkennung von Objekten zuständig ist. In einigen Studien wird eine verminderte Aktivität in Arealen des Spiegelneuronennetzwerkes beim Imitationsverhalten von Autisten beschrieben Ergebnisse noch nicht eindeutig Veränderungen im serotinergen System (Single nucleotide polymorphism, SNP des SerotoninTransportergens) Veränderungen im dopaminergen System Intelligenzstruktur visuell-räumlich gut, sozial unterdurchschnittlich, Asperger: Diskrepanz zwischen Verbal-IQ (höher) und Handlungs-IQ (niedriger) Exekutivfunktionen Unfähigkeit einfache und im Alltag notwendige Planungsprozesse zu vollziehen, flexibel reagieren, kreative Lösungen,.. Theory of mind Fähigkeit anderen Personen bestimmte Bewusstseinszustände oder Bewusstseinsvorgänge wie z.B. Wünsche, Intentionen, Überzeugungen, Meinungen zuzuschreiben und zu erfassen Zentrale Kohärenz Menschen, Objekte und Situation werden im Kontext gesehen; bei autistischen Menschen schwach; dafür gute Leistungen bei versteckten Figuren Physiologische Aktivierung (Herzschlag bei Angst) Physiologische Aktivierung wahrnehmen und adäquat interpretieren Fähigkeit destabilisierende Ereignisse und Situationen zu antizipieren und zu bewältigen Steht in engem Zusammenhang mit Theory of mind z. B. Autist sieht wie Kind von Fahrrad fällt, Herzschlag steigt, kann eigene Reaktion nicht interpretieren und auch nicht entsprechende Handlungsstrategie ableiten, z.B. Kind helfen Wahrnehmung von Gesichtern Geteilte Aufmerksamkeit Ganzheitliche Wahrnehmung Wahrnehmung von Emotionen Emotionale Ansteckung, mitfühlende Reaktion Perspektivenwechsel Schwierigkeiten im Symbolspiel Defizite im Spielverhalten führen dazu, dass autistische Kinder auch in der weiteren Entwicklung nicht von Lerneffekten des Spielens in sozialer, emotionaler und kognitiver Hinsicht profitieren können, was die Teilnahme am sozialen Leben erschwert Meist chronischer Verlauf (bis zu 75 % sind lebensbegleitend auf Hilfe angewiesen, 1% unauffällig, 15% grenzwertig) nur in Einzelfällen rasche Besserung stereotype Bewegungsmuster und selbstverletzendes Verhalten nehmen ab Stereotype Interessen und zwanghaftes Verhalten bleiben relativ stabil Ausprägung der Kernsymptomatik IQ über 50 Sprachfähigkeit vor dem 6. Lebensjahr Ausmaß sozial unangepassten Verhaltens Neurologische Komorbidität Psychiatrische Komorbidität (vor allem stereotypes Verhalten und massive Ängste) Unterstützung durch Familie, Arbeitsplatz, soziale Einrichtungen Grundsätzlich chronischer Verlauf Oft Versagen in der Schule wegen Fixierung auf Spezialinteressen Manchmal Symptomatik gebessert im Erwachsenenalter Geringere Beziehungsfähigkeit Mangelnde Empathie Je nach Integrationsbereitschaft Im günstigsten Fall soziale oder berufliche Nischen Vor allem bei Änderung der Lebensumstände Ängste Depressionen Zwänge Eßstörungen Schlafstörungen Akute Belastungsreaktionen bei jahrelang bestehender kognitiver/sozialer Überforderung Eine Behandlung der Grunderkrankung ist nicht möglich Pharmakologische Therapie sowohl des Autismus als auch des Asperger beschränkt sich auf problematische psychiatrische Begleitsymptomatik oder epileptische Anfälle Versuche mit B6, Magnesium, Kortikoide, Clonidin,, Naltrexon, Sekretin etc. unterschiedliche Ergebnisse Diätetische Maßnahmen mit Glutamatfreier Kost, Caseinfreier Kost oder Gliadinfreier Kost unterschiedliche Ergebnisse Abgesicherte und anerkannte Verfahren Verhaltenstherapeutische Verfahren und Therapieprogramme auch im Rahmen von Frühförderprogrammen Psychoedukative Programme wie TEACCH Empirisch mäßig abgesicherte Verfahren, aber potentiell Wirksam Training der sozialen Kompetenz, auch anhand von Theory of Mind Trainings Relationship Development Intervention Social Stories Gruppentherapeutische Angebote, SOKO, KONTAKT Empirisch nicht abgesichert, aber potenziell wirksam Ergotherapie, sensorische Integration Logopädie Physiotherapie Zweifelhafte Methoden ohne empirische Absicherung/ohne wissenschaftlich fundierten Hintergrund/ohne nachgewiesene Wirksamkeit Festhaltetherapie, Diäten, Vitamin- und Mineralstofftherapien, Sekretin, auditives Integrationstraining, Irlen-Therapie, Facilitated Communication, Reittherapie oder andere tiergestützte Therapien Erwachsenenpsychiater Hausärzte Ambulanz des LKH-Rankweil ◦ Diagnostik ◦ Vermittlung an andere Stellen ◦ Behandlung der Begleitsymptomatik ProMente, IFS, AKS, SMO Psychotherapie Beratung der gesamten Familie Vor allem Schwierigkeiten in Übergangszeiten, unter anderem Erwachsenwerden mit neuem Lebensort, Arbeitsplatz, etc. Risiko an einer Depression oder Streß zu erkranken ist bei Müttern oder Vätern deutlich höher Eltern werden älter Geschwister: kann Resilienz fördern, mit Zunahme psychosozialer Belastungen steigt Risiko an psychischer Störung zu erkranken Psychoedukation und Beratung Begleitung Rechtliche Ansprüche, Pflegegeld Unterstützungsmöglichkeiten durch IFS, AKS, ProMente Unterstützung im Umgang mit Patient Supervision im Umgang mit Problemverhalten Erkennen von Grenzen in der Behandlung Vernetzung der Helfersysteme Angebote zur Fort- und Weiterbildung Literatur: Diagnose und Therapie von Autismus-SpektrumStörungen; Steinhausen/ Gundelfinger Autismus; Kamp-Becker/Bölte Autismus-Spektrum-Störungen, Noterdaeme/Enders Vorschnelle Selbstdiagnose Asperger-Syndrom, Dose Das Asperger-Syndrom, Dose ICD- 10 Psychiatrie und Psychotherapie, Möller/Laux