Kindliche Auffälligkeiten und biopsycho-soziale Einflussfaktoren T. Banaschewski Kinder- und Jugendpsychiatrie/psychotherapie Universität Göttingen GÖTTINGEN Entwicklung • Altersabhängige, multidimensionale Prozesse – Ähnliche psychische Prozesse können (während unterschiedlicher Alterstufen) von unterschiedlichen Netzwerken unterstützt werden • Risikofaktoren & protektive Faktoren • Vulnerabilität und Widerstandsfähigkeit • Bewältigung von alterstypischen Entwicklungsaufgaben • Fehlanpassung - psychische Auffälligkeiten – chronifizierte psychische Störungen • kritische Entwicklungsphasen – bevorzugtes Erstmanifestationsalter GÖTTINGEN Entwicklung (II) Genetische Faktoren Psycho-soziale Faktoren Neurobiologisches Substrat (Klinischer) Phänotyp psychologische Prozesse Heritabilität (I) GÖTTINGEN • Anteil der Varianz der Population, der durch genetische Unterschiede bedingt ist • Gen Ù Umwelt entspricht nicht Determinismus Ù Modifikabilität – Bsp.: Phenylketonurie – Deprivierte rumänische Waisenkinder Heritabilität (II) GÖTTINGEN • hohe Heritabilität 60-90% – Autismus – Schizophrenie – Bipolare affektive Störung – ADHS • moderate Heritabilität 20-50% – unipolare Depression – generalisierte Angststörung – Phobien Risiko- und Schutzfaktoren GÖTTINGEN • Risikoindikatoren (Korrelate) ≠ kausale Pathomechanismen • R. bedingen nicht per se pathologische Entwicklung – Kontext, Alter, differentielle Sensitivität • R. wirken oft probabilistisch, nicht deterministisch • unspezifische vs. spezifische R. • primäre vs. sekundäre R. Ungünstige psychosoziale Faktoren GÖTTINGEN z.B.: • Sozioökonomischer Status (Armut) • Unterprivilegiertes Wohngebiet / ungünstige schulische Situation • • • • Abnorme intrafamiliäre Beziehungen Inadäquater Erziehungsstil / Kommunikationsstil Aggression und Gewalt in Familien/ Feindseligkeit Familiäre psychiatrische Erkrankungen • Zugehörigkeit zu Randgruppen (Diskriminierung) • Pränatale Toxine (z.B. Alkohol, Nikotin) • Geburtskomplikationen; niedriges Geburtsgewicht • Belastende Lebensereignisse Risikofaktor SES GÖTTINGEN Williams, 2003 GÖTTINGEN Kognitive, motivationale und Persönlichkeitsmerkmale • Temperament • Exekutive Funktionen – Planungsvermögen, Impulsivität, Aufmerksamkeitsspanne • Motivationsstile – Ausdauer, Hedonismus, Sensation seeking • Selbstwahrnehmung, Selbstbild • Kausal- und Kontrollattributionen • Soziale Wahrnehmung Attributionsstile – moralisches Bewusstsein, Kooperationsfähigkeit – narzistische, paranoide Attribution • Bewältigungsstrategien GÖTTINGEN Interaktion und Kovarianz von Genom und Umwelt • Genom – Umwelteffekte nicht additiv • Genom-Umwelt-Kovariation – bestimmte Genome finden sich gehäuft in bestimmten Umwelten – Verhalten schafft und selektiert Umwelt, Reaktionen der Mitmenschen • Genom-Umwelt-Interaktion – genetische Unterschiede in Vulnerabilität auf Umweltrisiken Gen-Umwelt Interaktion (I) GÖTTINGEN MAOA-Aktivität Mißhandlung Aggression Caspi et al., 2002 Gen-Umwelt Interaktion (II) GÖTTINGEN Serotonin-Transporter Mißhandlung Depression Caspi et al., 2003 Psychische Störungen (I) GÖTTINGEN – Oft erbliche Störungen mit komplexem Erbgang – Oft multifaktoriell bedingt • kleine Effekte einzelner Gene / Faktoren – Oft extreme Ausprägung auf einem dimensionalen Kontinuum vs. diskrete kategoriale Entität – Oft gekennzeichnet durch hohe Komorbidität • Gemeinsame Risikofaktoren • Störung A Risikofaktor für Störung B Psychische Störungen (II) GÖTTINGEN • lokalisierte Schädigungen wirken sich nicht notwendig auf spezifische Funktionen aus • Schädigungen haben nicht notwendig unmittelbare Auswirkungen • wechseln Erscheinungsbild – Angststörungen => depressive Störungen – ADHD => Störung des Sozialverhaltens => Substanzabusus => Depression – Sprachentwicklungsstörungen => Beeinträchtigung sozialer Beziehungen GÖTTINGEN Psychische Störungen im Kindesund Jugendalter (I) • Früh beginnende S. mit überdauernder Beeinträchtigung – z.B. LRS, Autismus, Intelligenzminderung • Entwicklungsabhängige S. – z.B. Bewegungsstereotypien, Pavor nocturnus, Enuresis, Enkopresis • Altersspezifisch beginnende S. – z.B. Tic-Störungen, Ess-Störungen • Früh beginnende erwachsenentypische S. – z.B. Angststörungen, Zwangsstörungen, Schizophrenie GÖTTINGEN Psychische Störungen im Kindesund Jugendalter (II) Multiaxiale Klassifikation • Klinisch-psychiatrisches Syndrom • Umschriebene Entwicklungsstörungen • Intelligenz • Körperliche Störung • Psychosoziale Belastungsfaktoren • Globalbeurteilung der psychischen Anpassung GÖTTINGEN Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!