Beobachterischer Nachweis von Sternen der ersten Generation 18.Juni.2015 08:06 Home > Pressemitteilung: Beobachterischer Nachweis von Sternen ... bP_.A 17.06.2015 12:00 Beobachterischer Nachweis von Sternen der ersten Generation < Dr. Carolin Liefke - ESO Science Outreach Network Öffentlichkeitsarbeit Max-Planck-Institut für Astronomie Europäische Südsternwarte Pressemitteilung der Europäischen Südsternwarte (Garching) Astronomen ist es gelungen, mit dem Very Large Telescope der ESO die mit Abstand hellste Galaxie im frühen Universum zu entdecken. Außerdem fanden sie deutliche Hinweise darauf, dass sich darin Exemplare der ersten Generation von Sternen versteckt halten. Diese massereichen, hell leuchtenden und zuvor rein theoretischen Objekte haben die ersten schweren Elemente im Universum erzeugt – Elemente, die notwendig für die Entstehung die Sterne waren, die uns heute umgeben, ebenso wie für die Planeten, die sie umkreisen und das Leben, wie wir es kennen. < Astronomen haben lange über die Existenz von Sternen der ersten Generation diskutiert, die man auch als Sterne der Population III bezeichnet und die aus der Ur-Materie, die vom Urknall stammte, entstanden sind [1]. Alle schwereren chemischen Elemente – wie Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Eisen, die für das Leben unentbehrlich sind – wurden im Inneren von Sternen gebildet. Das bedeutet, dass die ersten Sterne aus den einzigen Elementen entstanden sein müssen, die vor diesen Sternen existierten: Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium. Künstlerische Darstellung von CR7: die hellste Galaxie im frühen Universum. Bild: ESO/M. Kornmesser Diese Sterne der Population III wären gewaltig gewesen – mehrere hundert- oder sogar tausendfach massereicher als die Sonne – glühend heiß und kurzlebig – und wären als Supernovae nach gerade einmal zwei Millionen Jahren explodiert. Aber bis heute ist die Suche nach einem Beweis für ihre physikalische Existenz ergebnislos gewesen [2]. Ein Team, angeführt von David Sobral vom Institute of Astrophysics and Space Sciences, der Faculty of Sciences der Universität Lissabon in Portugal und der Sternwarte Leiden in den Niederanden, nutzten nun das Very Large Telescope (VLT) der ESO um eine Phase in der Gesichte des Universums, die man als Reionisationsepoche bezeichnet und die schätzungsweise 800 Millionen Jahre nach dem Urknall stattfand, genauer unter die Lupe zu nehmen. Anstatt sich bei ihren Beobachtungen nur auf einen kleinen Ausschnitt des Himmels zu https://idw-online.de/de/news632939 Seite 1 von 5 Beobachterischer Nachweis von Sternen der ersten Generation 18.Juni.2015 08:06 beschränken, erweiterten sie den Beobachtungsbereich, um die umfangreichste Bestandsaufnahme weit entfernter Galaxien zu erstellen, die je angestrebt wurde. Durchgeführt wurde die weitreichende Untersuchung mit dem VLT, mit dem W.-M.-Keck-Observatoriums, dem Subaru-Teleskop und dem Hubble-Weltraumteleskops von NASA und ESA. Das Team entdeckte – und bestätigte – eine große Zahl überraschend heller sehr junger Galaxien. Eine von ihnen, die als CR7 bezeichnet wird [3], entpuppte sich als ein außergewöhnlich seltenes Objekt und ist mit Abstand die hellste Galaxie, die je in dieser Phase des Universums beobachtet wurde [4]. Allein schon durch die Entdeckung von CR7 und anderen hellen Galaxien war die Untersuchung bereits ein voller Erfolg, eine weitere Inaugenscheinnahme lieferte allerdings zusätzliche überraschende Neuigkeiten: Die Instrumente X-Shooter und SINFONI am VLT fanden starke Strahlung von ionisiertem Heliums in CR7, aber – und das war ausschlaggebend und überraschend zugleich – keinerlei Anzeichen schwerer Elemente in einem hellen Teil der Galaxie. Dies bedeutete, dass das Team den ersten brauchbaren Hinweis auf Haufen von Sternen der Population III, die ionisiertes Gas enthalten, innerhalb einer Galaxie im frühen Universum entdeckt hatte. „Diese Entdeckung übertraf unsere anfänglichen Erwartungen, da wir nicht damit gerechnet hatten, eine solch helle Galaxie zu finden“, erklärt David Sobral. „Dann, als wir das Wesen von CR7 Stück für Stück enthüllten, verstanden wir, dass wir nicht nur die mit Abstand leuchtkräftigste entfernte Galaxie gefunden hatten, sondern begannen auch zu realisieren, dass sie jedes einzelne Merkmal besaß, das man von Sternen der Population III erwartet. Das sind diejenigen Sterne, die die ersten schweren Atome gebildet haben, aufgrund welcher wir letztlich überhaupt existieren. Noch aufregender geht es wirklich nicht.“ Innerhalb von CR7 wurden blauere und etwas rötlichere Sternhaufen gefunden, die darauf hinweisen, dass die Entstehung von Sternen der Population III – wie vorhergesagt – in Wellen stattfand. Bei dem, was das Team direkt beobachten konnte, handelte es sich um die letzte Welle von Population III-Sternen, was darauf hindeutet, dass solche Sterne einfacher zu finden sein sollten, als ursprünglich gedacht: Sie befinden sich inmitten normaler Sterne in helleren Galaxien und nicht nur in den frühesten, kleinsten und dunkelsten Galaxien, die so lichtschwach sind, dass sie nur sehr schwer zu beobachten sind. Jorryt Matthee, Zweitautor der Veröffentlichung, in der die Ergebnisse präsentziert werden, erläutert abschließend: „Ich habe mich immer gefragt, woher wir stammen. Schon als Kind wollte ich wissen, wo die Elemente herkommen: das Kalzium in meinen Knochen, der Kohlenstoff in meinen Muskeln, das Eisen in meinem Blut. Ich fand heraus, dass diese zum ersten Mal gleich zu Beginn des Universum von der ersten Generation an Sternen gebildet wurden. Bemerkenswerterweise sehen wir mit dieser Entdeckung solche Objekte tatsächlich zum ersten Mal.“ Um Zweifel daran, dass das, was beobachtet wurde, Sterne der Population III sind, auszuräumen und nach weiteren Exemplaren zu suchen und sie zu identifizieren, sind weitere Beobachtungen mit dem VLT, ALMA und dem Hubble-Weltraumteleskop der NASA/ESA geplant. https://idw-online.de/de/news632939 Seite 2 von 5 Beobachterischer Nachweis von Sternen der ersten Generation 18.Juni.2015 08:06 Endnoten [1] Der Name Population III kam auf, weil Astronomen die Sterne der Milchstraße bereits in Sterne der Population I (Sterne wie die Sonne, die reich an schwereren Elementen sind die galaktische Scheibe bilden) und Population II (ältere Sterne mit einem geringen Anteil schwerer Elemente, wie sie in Bulge und Halo der Milchstraße und in Kugelsternhaufen zu finden sind) unterteilt haben. [2] Solche Sterne zu finden, ist sehr schwierig: Sie hätten nur eine extrem kurze Lebensdauer und hätten bereits zu einer Zeit geleuchtet, als das Universum größtenteils lichtundurchlässig war. Bisherige Forschungsergebnisse beinhalten Nagao, et al., 2008, die kein ionisiertes Helium nachweisen konnten, De Breuck et al., 2000, die ionisiertes Helium neben Kohlenstoff und Sauerstoff, sowie klare Charakteristika eines aktiven Galaxienkerns entdeckt haben und Cassata et al., 2013, die zwar ionisiertes Helium gefunden haben, allerdings neben Kohlenstoff und Sauerstoff und nur mit einer sehr geringen Äquivalentbreite bzw. schwachen Intensität. [3] Der Spitzname CR7 ist eine Abkürzung für COSMOS Redshift 7, ein Maß für die Entfernung bezogen auf das kosmische Alter. Je höher die Rotverschiebung, desto weiter ist die Galaxie entfernt und desto weiter zurück in der Geschichte des Universums ist sie beobachtbar. A1689zD1, eine der ältesten Galaxien, die je beobachtet wurde, hat beispielsweise eine Rotverschiebung von 7,5. Der Name wurde von dem bekannten portugiesischen Fußballer Christiano Ronaldo inspiriert, der als CR7 bekannt ist. [4] CR7 ist dreimal so hell wie der vorherige Rekordhalter, Himiko, den man für einzigartig hielt. Staubreiche Galaxien aus späteren Stadien der Entwicklung des Universums können zwar insgesamt deutlich mehr Energie aussenden als CR7, allerdings in Form von Wärmestrahlung des in Ihnen enthaltenen Staubes. Die von CR7 ausgesendete Strahlung dagegen stammt im Wesentlichen aus dem Ultravioletten bzw. aus dem sichtbaren Licht. [5] Das Team zog zwei alternative Theorien in Erwägung, zum einen dass die Quelle des Lichts entweder aus einem AGN oder von WolfRayet-Sternen stammt. Das Fehlen schwerer Elemente und anderer Hinweise widerlegte jedoch diese Theorien. Das Team hielt es auch für möglich, dass es sich bei der Quelle um ein direkt kollabiertes Schwarzes Loch handelt, die wiederum außergewöhnlich exotisch und rein theoretischer Natur sind. Dass eine breite Emissionslinie fehlt und die Helligkeiten von Wasserstoff und Helium größer sind als für ein solches Schwarzes Loch, deutet darauf hin, dass dies ebenfalls unwahrscheinlich ist. Das Fehlen von Röntgenstrahlung würde diese Möglichkeit weiter widerlegen. Hierfür sind jedoch zusätzliche Beobachtungen notwendig. Zusatzinformationen Die hier präsentierten Forschungsergebnisse von D. Sobral et al. erscheinen demnächst unter dem Titel ”Evidence for PopIII-like stellar populations in the most luminous Lyman-α emitters at the epoch of rehttps://idw-online.de/de/news632939 Seite 3 von 5 Beobachterischer Nachweis von Sternen der ersten Generation 18.Juni.2015 08:06 ionisation: spectroscopic confirmation“ in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal. Die beteiligten Wissenschaftler sind David Sobral (Instituto de Astrofísica e Ciências do Espaço, Universidade de Lisboa, Lissabon, Portugal; Departamento de Física, Faculdade de Ciências, Universidade de Lisboa, Lissabon, Portugal; Sterrewacht Leiden, Universiteit Leiden, Niederlande), Jorryt Matthee (Sterrewacht Leiden), Behnam Darvish (Department of Physics and Astronomy, University of California, Riverside, USA), Daniel Schaerer (Observatoire de Genève, Département d’Astronomie, Université de Genève, Versoix, Schweiz; Centre National de la Recherche Scientifique, IRAP, Toulouse, Frankreich), Bahram Mobasher (Department of Physics and Astronomy, University of California, Riverside, USA), Huub J. A. Röttgering (Sterrewacht Leiden), Sérgio Santos (Instituto de Astrofísica e Ciências do Espaço, Universidade de Lisboa; Departamento de Física, Universidade de Lisboa, Portugal) und Shoubaneh Hemmati (Department of Physics and Astronomy, University of California, Riverside, USA). Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch 16 Länder: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist einer der Hauptpartner bei ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird. Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg. Kontaktinformationen Carolin Liefke https://idw-online.de/de/news632939 Seite 4 von 5 Beobachterischer Nachweis von Sternen der ersten Generation 18.Juni.2015 08:06 ESO Science Outreach Network - Haus der Astronomie Heidelberg, Deutschland Tel: 06221 528 226 E-Mail: [email protected] David Sobral Universidade de Lisboa and Leiden University Lisbon / Leiden, Portugal / The Netherlands Tel: +351 916 700 769 E-Mail: [email protected] Richard Hook ESO Public Information Officer Garching bei München, Germany Tel: +49 89 3200 6655 Mobil: +49 151 1537 3591 E-Mail: [email protected] João Retrê Coordinator, Science Communication and Outreach Office, Instituto de Astrofísica e Ciências do Espaço Lisbon, Portugal Tel: +351 21 361 67 49 E-Mail: [email protected] Weitere Informationen: http://www.eso.org/public/germany/news/eso1524/?nolang Webversion der Pressemitteilung mit einem Video (auch in höher aufgelösten Versionen). Zugang vor Ablauf der Sperrfrist bitte bei [email protected] erfragen http://www.eso.org/public/archives/releases/sciencepapers/eso1524/eso1524a.pdf - Fachartikel http://www.eso.org/public/germany/images/archive/search/? adv=&subject_name=V... - Fotos vom Very Large Telescope Merkmale dieser Pressemitteilung: Journalisten, Wissenschaftler, jedermann Physik / Astronomie überregional Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen Deutsch https://idw-online.de/de/news632939 Seite 5 von 5