Laborgemeinschaft Institut für medizinische & molekulare Diagnostik AG. Zürich Info Norwalk (-like) Viren NLV 1. Bedeutung Norwalk-like Viren (NLV) werden als die weltweit häufigsten Erreger einer viralen Gastroenteritis betrachtet. Die Infektion verläuft grösstenteils harmlos und selbstlimitierend. Nach einer Inkubationszeit von 8-36 Stunden treten plötzlich und überraschend Übelkeit und Erbrechen auf, vielfach begleitet von leichter Diarrhoe und wenig Fieber. Zusätzlich mögliche Symptome sind Bauchschmerzen, Krämpfe, Malaise und Kopfschmerzen. Die Erkrankung dauert meist nur 2 bis 4 Tage. Komplikationen sind sehr selten und betreffen vorwiegend Kinder und ältere Menschen, die wegen (drohender) Dehydrierung vielfach der Hospitalisation bedürfen. Das Krankheitsbild wurde bereits 1929 als ”winter vomiting disease” beschrieben. In den 1940er Jahren wurde die Übertragbarkeit in verschiedenen Arbeiten dokumentiert, ohne je einen Erreger nachweisen zu können. Die Winter-Saisonalität des Auftretens von NLVInfektionen wird durch kürzlich erschienene Arbeiten in Frage gestellt [1-4]. Der 1969 beschriebene Ausbruch einer Gastroenteritisepidemie an einer Grundschule in Norwalk, Ohio, USA, zeigte den explosionsartigen Verlauf exemplarisch auf. Dieser Ausbruch führte in der Folge zur erstmaligen Darstellung des viralen Agens mit Hilfe der Elektronenmikroskopie und später zur Entdeckung einer ganzen Reihe weiterer, Durchfall erregender Viren (Rota-, Astro-, Adenoviren). Damit wurde einerseits die bedeutende Rolle von Viren als Erreger von Gastroenteritiden klar und auch, warum zuvor nur in den wenigsten Fällen ein verantwortliches Agens gefunden worden war. NLV ist eines von vier Genera in der Familie der Caliciviridae (CV). Diese wurde kreiert zur Klassifizierung von genetisch und antigenetisch unterschiedlichen, kleinen (∆ 30-35 nm), einzelsträngigen, hüllenlosen RNA Viren mit optisch charakteristisch kelchartigen (griech. kalyx = Kelch), regelmässig angeordneten Einbuchtungen. Humanpathogen und assoziiert mit Gastroenteritis sind zwei Gattungen: die “Sapporolike Viren” und die NLV. Sie werden auch als ”humane Caliciviren” HuCV bezeichnet. NLV besitzen nur ein Kapsidprotein und stellen sich elektronenmikroskopisch nicht mit distinkten Einbuchtungen, sondern eher als runde Partikel mit rauher Oberfläche dar, woher sich auch das Synonym “small round-structured viruses” SRSV erklärt. NLV können unterteilt werden in zwei Genogruppen. Die Namensgebung innerhalb der Genogruppen erfolgt nach dem geografischen Ort ihres ersten Auftretens: Norwalk, Toronto, Hawaii, Lordsdale, Snow Mountain, Southampton Virus z.B. [1,2,5]. NLV sind hoch kontagiös. Zehn bis 100 infektiöse Partikel genügen, um eine Erkrankung zu induzieren. Die Übertragung des Virus ist für einen Gastroenteritis-erreger eher ungewöhnlich. So erfolgt die Ansteckung mit klassischen Durchfallerregern wie Salmonellen oder Campylobacter über ein Vehikel wie z. B. kontaminierte Nahrungsmittel. Für NLV ist dieser Weg zwar auch dokumentiert, Muscheln etwa sind schon länger bekannt als Infektionsquellen für den Menschen. Weit effizienter aber scheint die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch zu sein, wie erste Berichte von WebSite www.lg1.ch Literatur All Content Copyright© LG1 Oktober 2002 1 Kleinepidemien anfangs der 1980er Jahre vermuten liessen. Dieser Übertragungsweg wurde in der Folge durch zahlreiche Arbeiten bestätigt. Ausbrüche in den verschiedensten Kollektiven wie Armee, Spital, Schule, Ferienlager, auf Kreuzfahrtschiffen etc. wurden beobachtet [1,6-8]. Sogar die NLV-Übertragung während einer Partie amerikanischen Fussballs wurde im renommierten New England Journal of Medicine publiziert [9]. Mögliche Gründe für die rasche, explosionsartige Ausbreitung auf direktem Weg sind die hohe Kontagiosität des Virus, die kleine Infektionsdosis und das unerwartete Auftreten massiven Erbrechens, das zur Bildung von NLV-haltigem Aerosol führt [1,3]. 2. Nachweismethoden NLV können nicht in vitro propagiert werden. Die (Immun-) Elektronenmikroskopie wird auch heute noch diagnostisch eingesetzt, sie bedarf allerdings grosser Erfahrung. Ihre Nachweisgrenze liegt bei ca. 106 Viruspartikeln/ml. Der Antigennachweis mittels EIA ist beschrieben, wird aber nur in spezialisierten Referenzlaboratorien durchgeführt. Die diagnostische Wertigkeit der Serologie ist durch die sehr hohe Durchseuchung der Bevölkerung von 70-100% beeinträchtigt. Zudem scheinen die erhältlichen Antigene nicht immer den Anforderungen zu entsprechen [1,2]. Die gebräuchlichste und zugleich zuverlässigste Methode zum Nachweis von NLV ist die Reverse-Transkriptase Polymerase Kettenreaktion (RT-PCR) [2,10-12]. Dabei wird zunächst aus klinischem Material oder kontaminiertem Nahrungsmittel (z.B. Muscheln, Wasser) die virale RNA herausgelöst. Anschliessend wird durch reverse Transkription die RNA in cDNA umgeschrieben und mittels PCR amplifiziert. Meist werden Primer gewählt, die gegen ein konserviertes Genfragment der RNA abhängigen RNA-Polymerase gerichtet sind. Bei dem von uns verwendeten Verfahren wird das PCR-Produkt (334 Basenpaare Länge [10,11]) durch Hybridisierung mit einem internen Oligonukleotid spezifisch detektiert. Für epidemiologische Abklärungen wird das Amplifikat vollständig sequenziert, anschliessend mit den in den Datenbanken abgeleg-ten Referenzsequenzen verglichen und ein phylogenetischer Stammbaum erstellt. Bei einem Ausbruch mit NLV legt eine hohe Übereinstimmung der NLV-Sequenzen aus Proben verschiedener betroffenener Patienten eine gemeinsame Quelle sehr nahe. 3. Therapie und Intervention Eine spezifische Therapie ist nicht indiziert. Bei Kindern und älteren Personen wird eine symptomatische Therapie zur Vermeidung von Dehydratation empfohlen. Ausbrüche in Kollektiven sind für die Verantwortlichen eine grosse Herausforderung und erfordern schnelle, effiziente Hygienemassnahmen, um die Weiterverbreitung zu verhindern [1,3]. 4. Untersuchungsmaterialien Folgende Materialien sind für eine Untersuchung auf Norwalk-like Viren geeignet: Stuhl Erbrochenes Trinkwasser WebSite www.lg1.ch Literatur All Content Copyright© LG1 Oktober 2002 2 Literatur [1] I.N. Clarke, P.R. Lambden, E.O. Caul. Human enteric RNA viruses: caliciviruses and astroviruses, pp. 512-535, Vol. 1. In: Topley & Wilson’s Microbiology and Microbial Infections, 9th edition. L. Collier, A. Balows, M. Sussmann (ed.). Arnold, London 1998. [2] R.L. Atmar, M.K. Estes. Diagnosis of noncultivatable gastroenteritis viruses, the human caliciviruses. Clin. Microbiol. Rev. 2001, 14:15-37. [3] U.D. Parashar, E.S. Quiroz, A.W. Mounts et al. “Norwalk-like viruses“. Public health consequences and outbreak management. MMWR, 2001, 50, No. RR-9: 1-18. [4] Virale Gastroenteritis durch “Norwalk-like“-Viren: Epidemiologie, Diagnose und praktische Empfehlungen. Bulletin BAG 2001, Nr. 14:274-275. [5] K.Y. Green, T. Ando, M.S. Balayan, T. Berke, I.N. Clarke, M.K. Estes, D.O. Matson, S. Nakata, J.D. Neill, M.J. Studdert, H.J. Thiel. Taxonomy of the caliciviruses. J. Infect. Dis. 2000, 181, Suppl. 2:S322-S330. [6] A.J. Maguire, J. Green, D.W. Brown, U. Desselberger, J.J. Gray. Molecular epidemiology of outbreaks of gastroenteritis associated with small round-structured viruses in East Anglia, United Kingdom, during the 1996-1997 season. J. Clin. Microbiol. 1999, 37:81-89. [7] N. Iritani, Y. Seto, K. Haruki, M. Kimura, M. Ayata, H. Ogura. Major change in the predominant type of "Norwalklike viruses" in outbreaks of acute nonbacterial gastroenteritis in Osaka City, Japan, between April 1996 and March 1999. J. Clin. Microbiol. 2000, 38:2649-2654. [8] J. Ward, A. Neill, B. McCall, R. Stafford, G. Smith, R. Davison. Three nursing home outbreaks of Norwalk-like virus in Brisbane in 1999. Commun. Dis. Intell. 2000, 24:229-233. [9] K.M. Becker, C.L. Moe, K.L. Southwick, J.N. MacCormack. Transmission of Norwalk virus during football game. N. Engl. J. Med. 2000, 343:1223-1227. [10] J.F. Lew, A. Z. Kapikian, J. Valdesuso, K.Y. Green. Molecular characterization of Hawaii virus and other Norwalklike viruses: evidence for genetic polymorphism among human caliciviruses. J. Infect. Dis. 1994, 170:535-542. [11] C.L. Moe, T.J. Gentsch, T. Ando, G. Grohmann, S.S. Monroe, X. Jiang, J. Wang, M.K. Estes, Y. Seto, C. Humphrey, S. Stine, R.I. Glass. Application of PCR to detect Norwalk virus in fecal specimens from outbreaks of gastroenteritis. J. Clin. Microbiol. 1994, 32:642-648. [12] S.S. Monroe, T. Ando, R.I. Glass. Introduction: human enteric caliciviruses - an emerging pathogen whose time has come. J. Infect. Dis. 2000,181, Suppl. 2:S249-S251. WebSite www.lg1.ch Literatur All Content Copyright© LG1 Oktober 2002 3