8.2 Ring- und Körperadjunktion

Werbung
320
8.2
Ring- und Körperadjunktion
8.2.1 Definition (Ringadjunktion, Körperadjunktion) Sei jetzt L : K eine
Körpererweiterung.
• Als Einsetzung von λ ∈ L oder auch als Auswertung an der Stelle λ bezeichnen wir den Ringhomomorphismus
ϕK,λ : K[x] → L , f 7→ F (λ).
• Sein Bild heißt Ringadjunktion von λ an K:
K[λ] := ϕK,λ (K[x]) ' K[x]/Kern(ϕK,λ ).
• Unter der Körperadjunktion von λ an K verstehen wir die bereits erwähnte
einfache Körpererweiterung
\
K(λ) =
M.
M:λ∈M,K≤M≤L
•
Mit Hilfe dieser Begriffe werden nun die Elemente einer Körpererweiterung in
die zwei Klassen der algebraischen und der transzendenten Elemente eingeteilt:
8.2.2 Definition (algebraisch, transzendent, Minimalpolynom) Sei wieder L : K eine Körpererweiterung, λ ∈ L.
• Ist Kern(ϕK,λ ) 6= 0, dann heißt λ algebraisch, andernfalls transzendent
über K. In Worten: λ ist genau dann algebraisch über K, wenn es in K[x]
Polynome mit λ als Wurzel gibt.
• Ist λ algebraisch, dann heißt das eindeutig bestimmte normierte Polynom
kleinsten Grades fK,λ , das λ als Wurzel hat, Minimalpolynom von λ. Der
Grad dieses (irreduziblen) Polynoms heißt auch der Grad von λ:
Grad(λ) := Grad(fK,λ ).
• L : K heißt algebraische Erweiterung, falls alle λ ∈ L algebraisch sind,
andernfalls heißt sie transzendente Erweiterung.
•
8.2.3 Beispiele
• i ∈ C ist algebraisch über R, fR,i = 1 + x2 .
• K(x) = B(K[x], K[x]∗ ) heißt der Körper der rationalen Funktionen über
K, x ∈ K(x) ist transzendent über K.
8.2. RING- UND KÖRPERADJUNKTION
321
• e, π ∈ R : Q sind transzendent, der Beweis übersteigt allerdings den momentanten Stand der Vorlesung.
3
8.2.4 Satz Sei λ ∈ L transzendent, L : K eine Körpererweiterung. Dann gilt:
• K(λ) ' K(x),
• [K(λ) : K] = ∞,
• λn , n > 0, ist ebenfalls transzendent über K,
• K(λ) ⊃ K(λ2 ) ⊃ K(λ4 ) ⊃ . . . ist eine unendliche Kette, die nicht stationär
wird.
Beweis:
i) Die Einbettung ι: K[x] ,→ K(x) ist universell bzgl. der Klasse F der Einsetzungshomomorphismen ϕK,λ und der Klasse L der Körpermonomorphismen.
Es gibt demnach genau einen Homomorphismus ϕ, der folgendes Diagramm
kommutativ ergänzt:
ι
K[x]
- K(x)
ϕ
ϕK,λ
R
?
L
Diese Abbildung ϕ ist ein Körpermonomorphismus und hat als Bild gerade K(λ).
ii) Die Potenzen 1, λ, λ2 , . . . von λ sind linear unabhängig, denn andernfalls gäbe
es ein Polynom f mit F (λ) = 0.
P
iii) Wäre λn algebraisch, dann gäbe es ai mit i ai λn·i = 0, also ein Polynom
mit Wurzel λ.
iv) Die Ungleichung K(λ2 ) ≤ K(λ) ist klar. Gleichheit ergäbe λ ∈ K(λ2P
), also
∗
2
2
existierten
nach
i)
f
∈
K[x],
g
∈
K[x]
mit
λ
·
G(λ
)
=
F
(λ
).
Ist
f
=
ai xi
P i
und g = bi x , dann würde also gelten
X
X
bi λ2i+1 =
ai λ2i .
Mit ii) ergäbe das f = g = 0, im Widerspruch zu g ∈ K[x]∗ .
2
8.2.5 Folgerung Der Körper K(x) der rationalen Funktionen über K ist im
wesentlichen die einzige einfache transzendente Erweiterung von K.
322
8.2.6 Satz Ist L : K eine Körpererweiterung, λ ∈ L algebraisch, dann gilt:
• Kern(ϕK,λ ) = (fK,λ ),
• K(λ) = K[λ],
• [K(λ) : K] = [K[λ] : K] = Grad(fK,λ ),
• K[λ] = K(λ) =K 1, λ, . . . , λGrad(λ)−1 .
Beweis:
i) fK,λ liegt im Kern von ϕK,λ und ist das normierte Polynom kleinsten Grades
mit dieser Eigenschaft, erzeugt also dieses Ideal.
ii) K[λ] ist isomorph zu K[x]/(fK,λ ), also Körper. Als Körper zwischen K und
K(λ) ist er, wegen der Minimalität von K(λ) gleich diesem.
iii) Die Potenzen 1, λ, . . . , λGrad(λ)−1 sind linear unabhängig, denn fK,λ ist ein
Polynom mit minimalem Grad und λ als Wurzel. Wegen
K(λ) = K[λ] ' K[x]/(fK,λ )
gilt aber auch [K(λ) : K] = Grad(fK,λ ), insgesamt ergibt das die beiden letzten
Punkte der Behauptung.
2
Zusammen mit 8.2.4 ergibt das die folgende wichtige Äquivalenz:
8.2.7 Folgerung Für Körpererweiterungen L : K gilt:
λ ∈ L : K algebraisch ⇐⇒ [K(λ) : K] ∈ N.
8.2.8 Satz
• [L : K] ∈ N =⇒ L : K algebraisch.
• [L : K] ∈ N ⇐⇒ ∃ λi ∈ L: λi algebraisch ∧ L = K(λ0 , . . . , λn−1 ).
Beweis:
i) Ist [L : K] endlich, dann gilt, wegen 8.1.5, für jedes λ ∈ L:
[L : K] = [L: K(λ)][K(λ): K],
also ist λ algebraisch nach 8.2.7.
ii) Ist [L : K] endlich, dann gibt es eine endliche K–Basis von L, etwa
L =K λ0 , . . . , λn−1 .
Diese λi erzeugen endliche Erweiterungen, sind also algebraisch, und sie erzeugen
L.
iii) Ist umgekehrt
L = K(λ0 , . . . , λn−1 ),
8.2. RING- UND KÖRPERADJUNKTION
323
mit algebraischen λi , die L erzeugen, dann ist jedes λi natürlich auch algebraisch
über K(λ0 , . . . , λi−1 ), also (mit K(∅) := K)
[L : K] =
n−1
Y
[K(λ0 , . . . , λi ) : K(λ0 , . . . , λi−1 )],
i=0
und damit endlich.
2
8.2.9 Hilfssatz
L = K(λ) eine einfache algebraische Erweiterung, K ≤ M ≤
PIst
n
L und fM,λ = 0 ai xi , dann gilt
M = K(a0 , . . . , an ).
D. h. der Zwischenkörper M ist durch (die Koeffizienten von) fM,λ bestimmt.
Beweis: Für M0 := K(a0 , . . . , an ) ≤ M gilt:
fM,λ = fM0 ,λ .
Das impliziert die Gleichheit der Grade der entsprechenden Erweiterungen:
[M(λ) : M] = [M0 (λ) : M0 ].
Nun gilt aber L = K(λ) = M(λ) = M0 (λ), also folgt nach dem Gradsatz die
Gleichheit
[M : K] = [M0 : K],
was mit M0 ⊆ M die behauptete Identität von M und M0 liefert.
2
8.2.10 Satz Genau die einfachen algebraischen Körpererweiterungen besitzen
nur endlich viele Zwischenkörper.
Beweis:
i) Sei L : K einfache algebraische Körpererweiterung, etwa L = K(λ), M ein
Zwischenkörper. Nach 8.2.9 ist dieser Zwischenkörper durch das Minimalpolynom von λ über M vollständig bestimmt. Dieses Minimalpolynom teilt aber das
Minimalpolynom von λ über K, und es gibt nur endlich viele solcher normierten
und unzerlegbaren Teiler.
ii) Sei jetzt umgekehrt L : K eine Körpererweiterung mit nur endlich vielen
Zwischenkörpern M. L : K ist nach 8.2.4 (vierter Punkt) algebraisch, und jede
Kette
K(λ0 ) ⊆ K(λ0 , λ1 ) ⊆ . . .
wird stationär, es gibt also λi mit
K(λ0 , . . . , λm ) = L.
Es bleibt also zu zeigen, daß K(λ0 , . . . , λm ) eine einfache Erweiterung von K ist.
324
• Ist K ein endlicher Körper, dann ist, wegen [L : K] ∈ N, L endlich. Weiter
unten werden wir zeigen, daß also L∗ zyklisch ist, d.h. von einem Element
λ erzeugt wird (s. ??).
• Ist K unendlich, dann betrachten wir zu den κ ∈ K die Zwischenkörper
Kκ := K(λ0 + κλ1 ).
Von diesen können nur endlich viele verschieden sein. Da K unendlich ist,
gibt es also κ1 , κ2 ∈ K∗ mit κ1 6= κ2 , aber Kκ1 = Kκ2 . Für diese gilt
λ0 + κ1 λ1 − (λ0 + κ2 λ1 ) = λ1 (κ1 − κ2 ) ∈ Kκ2 ⇒ λ1 ∈ Kκ2 ,
| {z }
6=0
λ0 = (λ0 + κ2 λ1 ) − κ2 λ1 ⇒ K(λ0 , λ1 ) ≤ Kκ2 .
|
{z
} | {z }
∈Kκ2
∈Kκ2
Also ist K(λ0 , λ1 ) = K(λ0 + κ2 λ1 ), und durch Induktion zeigt man, daß
auch K(λ0 , . . . , λm ) eine einfache Erweiterung ist.
2
8.2.11 Satz Ist M ein Zwischenkörper von L : K, dann ist L : K genau dann
algebraisch, wenn dies sowohl für L : M als auch für M : K gilt.
Beweis: Ist L : K algebraisch, dann sind alle λ ∈ L algebraisch über K und damit
erst recht über M, also ist L : M algebraisch, was natürlich
Pn auch für M : K gilt.
Sei umgekehrt λ ∈ L algebraisch über M, etwa fM,λ = 0 ai xi . Da auch M : K
als algebraisch vorausgesetzt wird, ist M0 := K(a0 , . . . , an ) eine endliche Erweiterung: [M0 : K] ∈ N. Wegen fM,λ ∈ M0 [x] ist λ auch über M0 algebraisch, also
[M0 (λ) : M0 ] ∈ N, insgesamt ist
[M0 (λ) : K] = [M0 (λ) : M0 ][M0 : K] ∈ N.
λ ist demnach auch über K algebraisch.
2
8.2.12 Satz Ist L : K eine Körpererweiterung, dann ist auch
A(L : K) := {λ ∈ L | λ algebraisch über K}
ein algebraischer Erweiterungskörper von K. Dieser heißt Körper der algebraischen Zahlen von L : K.
Beweis: Wir haben die Körpereigenschaften für A(L : K) nachzuprüfen. Sind
λ1 , λ2 ∈ A(L : K), dann liegen diese beiden Elemente in der algebraischen
(vgl. 8.2.8) Erweiterung K(λ1 , λ2 ), also auch deren Summe, Differenz, Produkt
und Quotient (letzteres, falls λ2 6= 0) und sind deshalb algebraisch.
2
Im Spezialfall A(C : Q) spricht man auch einfach von dem Körper der algebraischen Zahlen. Dieser ist abzählbar, es gibt also überabzählbar viele komplexe
Zahlen, die transzendent über Q sind.
Herunterladen